Der Off-Raum STUDIO, den Berit Homburg und Dominikus Müller seit Mai 2011 bespielen, besticht bereits durch seine charmante Lage. Auf einer Galerie am Kottbusser Tor gelegen und umgeben von Cafés, ist der Kommunikationsfaktor groß. Besonders in den warmen Monaten bietet der Balkon die Möglichkeit mit der Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen und die Gruppe, die sich je um einen Ausstellungsort schart, zu bewirten. So ist Hella Gerlachs Ausstellung TAKE A SLOW DEEP BREATH! ELASTIC IMPRESSIONS erst einmal die letzte für diese Jahreszeit und wurde mit Schwarzer Suppe bei kühleren Temperaturen im Außenbereich beschlossen. Im Frühjahr wird es weitergehen.
von Julia Wirxel (Berlin)

Der längliche Raum wurde anfänglich auf minimale Weise verändert, Fußleisten und die eher unansehnlichen Decken entfernt, so dass die Trägerstruktur den Blick auf die Kabel frei gibt. Hella Gerlachs (*1977) Ausstellung ist speziell für diesen Raum konzipiert worden. Da Raum, Werke und deren Präsentation so gut abgestimmt sind, würde man sich wünschen, der Raum könnte als Dauerausstellung eingerichtet bleiben. Der merkwürdige Holzboden wirkt als sei er für diese Präsentation verlegt worden. Vor allem die Stoffbahnen und die daraus entstehenden schwebenden Kabinette, z.B. Element II (Studiolo) (2011), gliedern den Raum, können umrundet und betreten werden.


Wunsch der Künstlerin ist es, nach einer Phase der imaginierenden Kontemplation diese Arbeiten anzufassen, in die Stofftaschen der Vorhänge zu greifen und die Ausbeulungen zu untersuchen. In den Taschen sind verschiedene Objekte aus Keramik oder Porzellan verborgen, die in Kommunikation mit dem Körper entstanden sind und nun mit dem Körper des Betrachters in Kontakt treten. Das Handstück (2011) kann man in die Hand nehmen, das Schulterstück (2011) auf seine Schulter legen und mit dem Teil für Zwei (2010), auf jemanden zugehen und ihm eine Hälfte zum Anfassen anbieten. Die Interaktion unterstützt das performative Element der gesamten Präsentation.


Besonders auffällig sind die vier im Eingangsbereich liegenden, sehr verführerischen, roten Bälle (Four Balls, 2011). Das Rot und ihre Form lassen an Tomaten oder Clownsnasen denken, die als Fährte auf dem Boden ausgelegt sind. An einer zunächst nicht einsehbaren Stelle erhält man einen Einblick in das Innere dieser Objekte, da das Porzellan zersprungen ist. Die vier Bälle sind von einer ägyptischen Tradition, dem Ritual of the Four Balls, inspiriert.

Diese Thronbälle lehnen sich an das Ritual zur Raumdefinition an, werden dabei in die vier Himmelsrichtungen geworfen, erweitern, reinigen und schützen so spirituell den Raum und gehen somit über seine physischen Grenzen hinaus. (Ball Nummer vier wurde von der Vernissage – nach der Übung des Werfens – zu einer Lesung an einen anderen Ort mitgenommen und so aber in verbindender Weise noch weiter von dem Ausgangspunkt entfernt.) Die Bälle werden rasch mit der Hand geformt und zeugen so von der Handgröße der Formerin und ihres individuellen körperlichen Abdrucks.

Der Titel der Ausstellung weist bereits in Richtung Spiritualität, körperlicher und geistiger An- und Entspannung und den dazu gehörenden Übungen: Dies spiegelt sich in der Arbeit Matte (2011, Keramik, Autolack), die ein Hybrid einer Schriftrolle und Yogamatte sein könnte, jedoch durch ihre Materialität eine weitere Ebene erklimmt. Die Verwendung von Stoffen als Raumteiler kann ebenfalls auf asiatische Traditionen verweisen und ruft Assoziationen an Meditationsräume auf. Durch die Wahl von Nessel – in diesem Fall Blindstoff für Möbelpolsterungen mit französischer Naht – und Viskose in Schwefelgelb, Hautfarben und Schwarz wird der Raum leichtfedrig unterteilt. Die sich bewegende Luft bringt die Stoffkörper in Schwingung, sie werden wesenhaft, scheinen selbst zu atmen und sind zudem mit Körperteilen ausgestattet: Sie nehmen einen langsamen, tiefen Atemzug und folgen den elastischen Eindrücken, die von dem Gesellen (Geselle IV, 2011) ausgehen können, einem tanzenden Möbelstück, oder den nachzuspürenden Bewegungen der roten Bälle.
