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Gregor Gleiwitz und Seb Koberstädt im dok25a

Er wirkt als funktionierendes Glied zwischen Institutionen und junger Szene und stellt für die einen eine Entdeckungsplattform und für die anderen ein Sprungbrett dar: Der dok25a von Tabea Langenkamp und Andreas Schön, der sich der Vermittlung junger und wenig bekannter Künstler verschrieben hat, ist einer der wenigen Off-Spaces der Stadt, in dem Galeristen und Museumskuratoren regelmäßig verkehren. Dort treffen sie auf noch nicht etablierte, aber bereits profilierte Positionen, die sich einige Freiheiten erlauben können.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Wie gewohnt suchen Langenkamp und Schön die Reibung. Im großen, kahlen Doppelzimmer der Düsseldorfer Straße haben sie zwei sehr unterschiedliche Künstler zusammen gebracht. Der mittlerweile in Düsseldorf regelmäßig ausgestellte Bildhauer und Installationskünstler Seb Koberstädt und der Maler Gregor Gleiwitz aus Berlin, der für die aktuelle Präsentation eine Klangarbeit realisiert hat, begegnen sich zum ersten Mal. Zu eindringlich ist die Konfrontation jedoch nicht: Die klare und sehr luftige Hängung lässt jede Arbeit atmen und ermöglicht zugleich kühne Perspektive.

Auch wenn gegenständliche Momente kaum oder gar nicht darin vorkommen, versteht Gregor Gleiwitz seine Malerei nicht als Abstraktion. Doch sind in diesen großen Formaten, die, barjedes Keilrahmens, direkt an die Wand gehangen werden, keine anderen Spuren als die des Malers zu entdecken. Breite Farbflächen wechseln sich mit nervösen Strukturen ab; oberflächliche, leuchtende Farben mit matten, flüssigen und weichen Tiefen. Kein Motiv, kein Ikon, keine Geschichte ist sichtbar – wirklich nicht? Nicht im herkömmlichen Sinne. Aber Gleiwitz operiert mit einem Begriff der Gegenständlichkeit, der deutlich feiner ist, als der übliche. Es sind nämlich Überbleibsel von Gegenständlichkeit, die sich hier manifestieren.

Gregor Gleiwitz

Das Bildist bei Gleiwitz ein Ort der aktiven Erkenntnisgewinnung – auch wenn die Suche nach Erkenntnis selbst zum fundamentalen und vordergründigen Akt erklärt wird. Das Bild ist ein Experimentierfeld, auf dem Gesten und Gedanken, Handlungen und Ereignisse ausgetragen werden. In der Tradition der Informelle , die hier nicht ohne Ironie zitiert wird, wird ein Verhältnis zur Welt auf der Leinwand geklärt. Ohne Pathos, ohne unnötige Gestikulation, ohne Manifest. Deshalb ist die Malerei von Gleiwitz so durchsichtig. Sie zeigt alle Irrungen und Wirrungen eines Menschen, der, wie er selbst sagte, auf der Suche nach Sinn ist. Diese Suche wird in den Umgang mit dem Material und dem Stoff nachgegangen; während der künstlerischen Praxis bekommt die diffuse Frage des Künstlers einen Körper und formuliert sich allmählich. Letztendlich führen die ungestillte Neugier von Gleiwitz und sein Mut, sich bei der Suche bloß zu stellen, zu einem neuen Stück Malerei.

Diese Malerei kennt kein Kalkül, keine gezwungene Strategie. Diese Malerei offeriert kein selbstverliebtes Auspacken und bietet keine ausgefallene Selbstbehauptung an. Diese Malerei entflieht den Ritualen der Virtuosität und der spektakulären Demonstration. Diese Malerei erschwert die Identifikation und generiert keine Faszination. Möglicherweise wird der (passive) Betrachter seine Probleme mit einer Malerei haben, die Weg, Frage, Prozess und intime Entwicklungsarbeit ist – und nie Ziel, Behauptung, Produkt und universale Botschaft sein will. Diese Malerei ist von einer berührenden Ehrlichkeit geprägt. Sie ist glaubwürdig und, trotz ihrer Klugheit, frisch und jung.

Gregor Gleiwitz

Seb Koberstädt bricht seinerseits Strukturen um sie neu zu artikulieren, spielt mit der Modulationskraft jeder Form und sucht die Serie und die Wiederholung. Der Modus der Assemblage dominiert seine Arbeit, wobei er auf die kulturellen Reflexe des Betrachters offensichtlich eingeht und sie programmatisch verwirrt. In einer Persiflage der Hochkultur erbaut er einen absurden Totem aus Bierflaschen und Beton, der die Helden der Moderne und der Postmoderne heraufbeschwört (Brancusi als Säufer und Sol LeWitt als Bastler; Georg Herold hätte seinen Spaß daran gehabt) und sich gar zum funktionalen und avantgardistischen Kerzenhalter entpuppt. Statisch perfekt, symbolisch offen, ästhetisch fraglich (und vor allem: fragend). Der Leuchtturm realisiert jedenfalls die Verbindung von Boden und Decke – dank des Rußes der Kerze –  und stellt den Rezipient vor unlösbare Fragen: Darf ich lachen? Ist das schön? Ist es Ironie, Verarschung oder beides?

Seb Koberstädt; © Bild: Andreas Schön

Die Sprache scheint eine große Rolle in Kobertsädts Arbeit zu spielen. Allerdings wird sie in der aktuellen Präsentation zu ihrem grundsätzlichen Zustand reduziert: zu einem Baukasten aus Zeichen, die noch nichts bedeuten und auf ihren (semantisch) sinnvollen Zusammenbau warten. In einer Fotoserie, in der er selbst erscheint – mittlerweile eine übliche Strategie des Koberstädt, der sich mal als Statist, mal als Stillleben-Element inszeniert und dabei sich neben seiner Arbeit und zugleich mittendrin befindet – sitzt er bei einer Kiste Bier und ein paar Laminatmodulen, die jeweils in einer Buchstabenform zusammen geschustert wurden. 26 Bilder reihen sich an der Wand und bilden so das Alphabet nach. Am Anfang war das Wort; aber das Potenzial der Dinge lag da noch brach und alles schien möglich zu sein. Verbinden, zusammenfügen, anreihen, stapeln, kombinieren, etc. sind die Ur-Gesten des Bildhauers. An diesen unveränderlichen Ursprung der Plastik erinnert auch Seb Koberstädt.

Seb Koberstädt; © Bild: Andreas Schön
Gregor Gleiwitz und Seb Koberstädt
im dok25a
Düsseldofer Straße 25 a
40545 Düsseldorf