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KNAPP DANEBEN IST AUCH VORBEI in der Walzwerkstraße

Hat der einsame, selbstbezogene und allmächtige Kuratorenheld ausgedient? Spätestens seit der Manifesta 8 hat sich das Kuratorenkollektiv in der freien Kunstszene etabliert. Die Veranstaltung in Murcia hatte letztes Jahr drei verschiedene Kuratorengruppen eingeladen, mit dialogischen und nicht-autoritären Ausstellungsformen zu experimentieren. In Düsseldorf werden kleinere Brötchen gebacken – immerhin ist die aktuelle Ausstellung im Untergeschoss der Sammlung Philara von einem Kuratorinnenduo konzipiert worden: Stefanie Ippendorf und Claudia Jansen.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die zwei Damen, die unter dem Label „Die Ausstellungsmacherinnen“ auftreten, haben für ihre erste gemeinsame Show einen schönen, griffigen Titel gefunden. „Knapp daneben ist auch vorbei“ heißt die Präsentation der sechs Positionen im White Cube der Philara. Dank ihrer Kontakte in Düsseldorf und Berlin haben es Ippendorf und Jansen geschafft,  einige, bekannte Namen wie John Bock und Achim Duchow oder aufsteigende Nachwuchskünstler wie Jan Brokof zu gewinnen. Sie haben eine kompakte und gleichzeitig klare Ausstellung geliefert, die, wie der Titel erahnen lässt, die Thematik des Scheiterns verarbeitet.

Die Präsentation eröffnet mit Jan Brokof, der im letzten Jahr im Museum Folkwang aufgefallen war und sich mit DDR-Motiven auseinandersetzt. Mit z. T. monumentalen Holzdruck-Arbeiten rekonstruierte er bisher die subjektiv erlebte Volksdemokratie und untersuchte Aspekte ihrer populären Kultur. Hier tritt er kürzer und liefert eine Wand voller übermalter Druckerzeugnisse. Es handelt sich um Titelblätter aus der Berliner Boulevardpresse, die die alten Ost-West-Ressentiments aufrecht erhalten („Kein Job, weil sie Ossi ist“; „Viele Wessis sind dumm und arrogant“).

Jan Brokof: Ostern/Western (2009-2011)

 

Die Stereotypen des netten, aber unbeholfenen Loser-Ossis treffen da auf die Stereotypen des arroganten und herzlosen Winner-Wessis. In diesem Tagebuch der gewöhnlichen deutsch-deutschen Dumpfheit hat Brokof die Blätter übermalt und damit die Aussagen unterstrichen.

Shahram Entekhabi

Unmittelbar neben Brokoff laufen drei Videomonitoren mit Arbeiten von Shahram Entekhabi. Der gebürtige Iraner tummelt sich seit Jahren in Berlin und spielt dort mit den Klischees, die an seiner verdächtigend orientalisch wirkenden Gestalt hängen. In seinen Aktionen auf offener Straßen, in denen er als Islamist in voller Montur erscheint (mit obligatorischem Bart, Hut und Rosenkranz), irritiert Entekhabi zeitweise die Berliner Geschäftigkeit.

Shahram Entekhabi: Miguel (2005) Bild: Entekhabi

Obwohl der gute Mann eigentlich nichts anderes tut als herumzustehen (vielleicht aber gerade deshalb) erntet er misstrauische Blicke und leicht besorgte Mienen. Die versteckte Kamera, die das lakonische und leicht desorientierte Umherschweifen des Künstlers registriert, entlarvt ebenso die sanfte Hysterie seiner Nachbarn.

Petra Warrass: o.T. (2001-2004). Bild: P. Warrass

Die konzeptuellen Fotografien von Petra Warrass sind die Enttäuschung der Ausstellung. Die Serie „Da sitz ich so, ganz harmlos“ zeigt Bilder von stolpernden Frauen, kurz vor oder nach ihrer unsanften Landung. Die Modelle erinnern an unbeherrschte und hilflose Puppen, gesteuert von höheren physischen Gesetzen. Aber weil sie gestellt sind (und zwar ziemlich schlecht), wirken die Aufnahmen undynamisch und spannungsfrei, und liefern der Thematik des Scheiterns eine ziemlich platte Illustrierung. Die Inszenierung des Sturzes ist so fadenscheinig, dass man einen konzeptuellen Hintergrund vermutet – möglicherweise ebenso verborgen und nebulös wie das Konzept der benachbarten Serie „Wir sind die anderen“, das unnötig verklausuliert und schlicht unlesbar daherkommt.

Vlado Velkov: How to Make an H-Bomb (2007)

Gegenüber der Arbeiten von Warass entdeckt man die Installation von Vlado Velkov. Diese besteht aus einer Anleitung zum Bau einer Atombombe, die den bulgarischen Künstler im Internet gefunden und akribisch kopiert hat. Dazu ein paar Gegenstände und Stoffen, die für die Bastelaktion notwendig sind, und eine große Plastik, die an einem überdimensionalen Schwamm oder eine Wolke erinnert – und eigentlich ein umgedrehter Atompilz sein soll. Dass Velkov den Betrachter in die verbotene und gefährliche Welt des Terrorismus auf konkreter Weise transportieren will und mit der (wenn auch hypothetischen) Realität der Bedrohung spielt, ist klar. Was seine skulpturale Geste in diesem Kontext aber bedeutet, lässt sich nicht auf Anhieb erschließen.

John Bock: Skipholt (2005)

In einem separaten Raum wird John Bocks Skipholt projiziert. In diesem in Island realisierten Film verwandelt sich der Performer in einen abgedrehten Alexander von Humboldt auf Forschungsreise, der, nachdem er auf einer verlassenen Insel gelandet ist, skurrile Bemessungen und pseudowissenschaftliche Experimente durchführt. Diese Parodie der modernen Entdeckungs- und Eroberungsreise, allein getragen von der ausgedehnten Performance von Bock, der, wie gewohnt, den Betrachter  in seine selbstreferenzielle und geschlossene Welt mitzieht, ist köstlich und an sich Grund genug, nach Reisholz zu fahren.

Achim Duchow

Schließlich muss noch Achim Duchow erwähnt werden. Der früh verstorbene Assistent von Sigmar Polke, unverständlicherweise in Vergessenheit geraten, ist mit zwei Bildern und einer kleinen Installation vertreten, die alle Merkmale seiner Kunst tragen: Ironie, Humor und Eklektizismus. Seine kritischen und bissigen Kommentare der Kunstwelt, seine assoziative Herangehensweise und seine Vorliebe für Form- und Ideenrecycling sind postmoderne Zeugen aus einer anderen Zeit, die im Rahmen dieser Ausstellung keineswegs deplatziert und noch weniger datiert wirken. Ein guter Griff!

Die Ausstellung ist schnell erfasst; die Positionen in der Regel flüssig und logisch artikuliert – und die weniger nachvollziehbaren Übergänge bieten einen guten Rhythmuswechsel. Aber die solide kuratorische Arbeit bewirkt letztendlich keine große Überraschung. Und lässt eine tiefergehende und originelle Auseinandersetzung mit dem Thema vermissen. Abgesehen von der Tatsache, dass manche Arbeiten (z.B. die von Bock oder Velkov) keine offensichtliche Verbindung zum Sujet unterhalten, ist Ippendorfs und Jansens Auffassung des Scheiterns von ironischen, grotesken und/oder absurden Momenten beherrscht. Die existentiellen, tragischen Aspekte des Misserfolges treten hier nie direkt zum Vorschein und der enge Bezug des Scheiterns zur kreativen Produktion (das Scheitern als Grundbedingung des Erfolgs, als notwendige Etappe im Prozess des Suchens) wird nie angerissen. Der Titel gibt den Ton an: Es ist eine gute-Laune-Ausstellung, die sich auf unbekümmerte und leichte Weise an einem schwerwiegenden Sujet nähert. Eine kuratorische Entscheidung, die zumindest klar und bewusst getroffen wurde.

Claudia Jansen und Stefanie Ippendorf
Knapp daneben ist auch vorbei bei Philara
Philara Sammlung Zeitgenössischer Kunst
Walzwerkstraße 14, Düsseldorf-Reisholz
14.01.2012–29.01.2012
knappdanebenistauchvorbei