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Ein Facebook Interview mit Philipp Meier – 96 Jahre Dada

Florian Kuhlmann‬ > Philipp Meier 16. Februar um 10:15 in der Nähe von Düsseldorf
Ich würde vorschlagen wir setzen unser kleines Interview fort und machen weiter mit Frage Nummer drei, wenn du nichts dagegen hast. 
Im Cabaret Voltaire kommen künstlerische und politische Motivationen zusammen, das sind zwei Bereiche die nicht immer perfekt harmonieren.
Wie stehst Du derzeit zu den Begriffen Politik, Ideologie, Kunst und Kapital – in welchem Verhältnis steht das für Dich?

Philipp Meier das ist relativ einfach zu beantworten. auf meiner visitenkarte ist «institution» durchgestrichen und darunter steht «intuition». ich bin eher ein macher als ein denker (wobei ich denken auch als machen bezeichnen würde. vielleicht bin ich eher der angewandt denkende; nicht für die studierstube oder für eine publikation; sehr assoziativ; reaktionen erhaschend; schnoddrig behauptend; etc.pp.)
die begriffe, die du feinsäuberlich getrennt präsentierst, sind eigentlich ein gemenge. dieses gemenge kann künstlerisches arbeitsmaterial sein (bei der metapher «bildender künstler» würde ich «die farben» wählen und bei der musikerin «die klaviatur»…). wer auf dieser klaviatur spielt, erzeugt spannungen (eben: sie harmonieren nicht…), kann jedoch auch das zuviel an harmonie zwischen politik und kapital, ideologie und kunst, etc.pp. ins kitschige überzeichnen.

Florian Kuhlmann mir gefällt die idee sehr gut, dieses gemenge als künstlerisches material zu begreifen. auch um all das wieder für sich selber handhaben zu können. diese konzeption findet sich ja eigentlich auch in vielen arbeiten der künstler wieder die ich in den letzten wochen bei euch gesehen habe. das hat in meinen augen etwas sehr existentielles. aber besteht hier nicht auch ein bißchen die gefahr in die postmoderne anything-goes beliebigkeit abzurutschen oder ist das eigentlich gar keine gefahr?

Philipp Meier als vor knapp acht jahren bekannt wurde, dass ich das cabaret voltaire leiten soll, sagte mir ein zürcher museumsdirektor, dass dada nicht anything-goes sei. das war wohl eine warnung, denn ich kam quasi direkt aus der zürcher clubkultur…;)
heute würde ich ihm antworten: wo, wenn nicht in der kunst, soll anything-goes die devise sein? mein problem: wir sind in der kunst meilenweit von anything-goes weg! die letzten knapp hundert jahre in der kunstgeschichte zeigte, dass alles kunst sein kann und jeder ein künstler, resp. jede eine künstlerin. aber was begegnet mir im kunstbetrieb tagtäglich? massenhaft klassische künstlerInnen, die klassische kunstwerke produzieren.

Philipp Meier ich würde es umkehren: die meisten kunstwerke in gallerien und museen sind beliebig! es ist keine kunst mehr für den white cube kunst zu machen, denn alles wird automatisch(!) zu kunst, das in einen white cube gestellt wird.

Philipp Meier künstlerInnen, die den white cube verlassen, müssen sich mit einem unkontrollierbaren, lebendigen system befassen; dagegen ankämpfen oder sich treiben lassen. da fehlt die kuratorische ordnung, nichts ist angeschrieben.

Florian Kuhlmann exakt, auch das gefällt mir. 🙂 das thema kunst und whitecube kam ja auch schon mal in einem anderen facebookthread von dir auf – ich weiß leider nicht mehr genau den anlass. ich habe mich aber dann kürzlich bei einem BYOB in düsseldorf daran erinnert. und mir kam dann der gedanke, heute läge die künstlerische herausforderung eigentlich darin im whitecube etwas zu tun was nicht kunst sein kann.

Roland W. Bezzola · 19 gemeinsame Freunde wieso eigentlich dieses nachdenken über den white cube? diese systematische trennung von profanem raum und kunstraum ist doch schon ein grundlegendes problem, das nicht weitergedacht ist. gerade, wenn man von anything goes spricht, spricht man an, dass wir uns heute in einer postmodernen ära befinden, wo eben die emanzipation der bürgerlichen gesellschaft sich, technologisch, aber auch gesellschaftlich und ökonomisch, sowie ökologisch in soweit gewandelt hat, dass sich das längst in der instutitionellen form wie kunst präsentiert wird zeigen müsste. statt dessen geht praktisch kein gedanke da hinein. dabei müsste es doch für kunstvermittler ein gefundenes fressen sein völlig frei mit ’neuen kunsträumen‘ um zugehen, sie zu generieren, und zu schauen, was dann mit der kunst umgekehrt passiert. ich glaube eben wie philipp, dass in diesem seichten gewässern, wo es krokodile hat, viel mehr zu finden wäre, als in den bislang bekannten formaten.. man müsste als aber mit power dahinter gehen können, um wirklich druck zu erzeugen, nicht dieses handmade-alternativ-zeugs. ich denke mit so etats wie das MOMA in NYC, und dann damit kunst in anderen räumen ermöglichen. das wär’s 😉