Im Gespräch mit Matthias Planitzer vom Kunstblog Castor und Pollux

Das nachfolgende Gespräch bildet den Auftakt einer neuen Reihe bei perisphere, in welcher wir in loser Abfolge die Kunstbloggerszene im deutschsprachigen Raum beleuchten werden. Den Anfang machen wir mit einem Interview mit dem Berliner Matthias Planitzer vom Castor & Pollux-Blog.

Matthias startete mit seinem Projekt im Januar 2009 und gehört damit nicht mehr ganz zu den Pionieren, aber mittlerweile immerhin doch zu den fest Etablierten unter den deutschsprachigen Kunstblogs, sein Schwerpunkt liegt von Beginn an auf dem Kunstgeschehen in der Hauptstadt Berlin. Mitte diesen Monats wurde die kontinuierliche Arbeit offiziell gewürdigt, Castor & Pollux wurde in Hamburg mit einem Lead-Award ausgezeichnet. Die Auszeichung wird übrigens heute Abend in Berlin in der Kim Bar gefeiert.

Matthias Planitzer ist vielseitig interessiert und äußerst umtriebig. Er studiert Medizin, ein Studium welches laut eigener Aussage mit kurzen Lücken von Kleinauf sein Berufs- und späterer Studienwunsch war, gründete aber parallel dazu gemeinsam mit Sol­veig Maria Ebbing­haus die Kommunikationsberatungsagentur Ebbing­haus Pla­nit­zer — Art Con­sul­tancy. Zusätzlich zu den Texten und Rezensionen in seinem eigenen Blog schreibt er einmal im Monat für das Kunst-Magazin und unterhält noch ein eher experimentelles Online-Projekt unter dem Titel Ganymed, in dem es ihn um die Verbindung von bildender Kunst und Literatur geht.

Matthias Planitzer | Castor & Pollux

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brink – Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft

brink ist ein Hybrid aus Magazin und Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft. Das ambitionierte Projekt kommt aus dem Umfeld der Universitäten, ist aber über den Status eines studentischen Experiments hinaus. Das Laoyut ist professionell und der formulierte Anspruch hoch.
Thema und Titel von brink #2 ist Sprung. Ein Thema in vielen Beiträgen von jungen und renommierten Künstler_innen, Studierenden, Nachwuchswissenschaftler_innen und etablierten Professor_innen aus allen Wissenschaften und Persönlichkeiten aus Medien und Kultur. Kunst und Wissenschaft sollen sich bei brink in lebendiger Form begegnen und einen dichten und angeregten Austausch ermöglichen.

Und weil die Pressemitteilung von brink so schön ist, übernehmen wir diese hier einfach.

brink hat seine Wurzeln im Schweigen an den Universitäten, der Unmöglichkeit selbst sehen und sprechen zu dürfen und den fehlenden oder gescheiterten Dialogen zwischen Kunst und Wissenschaft. Es ist ein Projekt von Studierenden, die einen neuen Ort der Rede und der Sichtbarkeit erschaffen wollten und mit brink ein Magazin zwischen Kunst und Wissenschaft eröffnet haben.

Modularisierte Studiengänge, straffe Stundenpläne und durchstrukturierte Lehrveranstaltungen, die weniger Interesse als pure Anwesenheit fordern, lassen den Studierenden nur wenig Raum für die Beschäftigung mit selbst gewählten Forschungsfeldern. Das Bestreben, neue Diskurse zu öffnen und bestehende Diskurse zu erweitern unterliegt Zeitdruck und Effizienzdenken.

brink will hier Alternativen schaffen, in denen sich ein Miteinander und Nebeneinander in der Differenz zeigt. Zwischen Kunst und Wissenschaft – das heißt, neue Räume zu öffnen, Randgänge, Schwellenerfahrungen, Grenzsetzungen und Grenzüberschreitungen in der Begegnung mit dem Anderen. Die Begegnung nicht nur der wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch von Bild und Text als gleichwertige Positionen. Zudem vollzieht sich eine Öffnung zu Leser_innen, Betrachter_innen, und Besucher_innen: brink ist immer in der Bewegung zum Anderen – im ›anderen sehen‹ und im ›Sprung‹.

Am 22. Juni 2012 ging das Projekt mit der zweiten Ausgabe und dem zugehörigem Ausstellungsparcours in Wuppertal in die nächste Runde. Wir waren mit dem Fotoapparat vor Ort und haben das Projekt dokumentiert.

Projektraum Hebebühne
Ruth Weigand - Hinter einigen Tannengipfeln
Projekt UTOPIASTADT
Projekt UTOPIASTADT Innen
Jennis Li Cheng Tien - Counterforce bei UTOPIASTADT
Kunst und, oder Kunst vs Fussball? - UTOPIASTADT
Altes Tanzstudio
Bernd Härpfer & Pascal Fendrich im Alten Tanzstudio
Jan Verbeek im Alten Tanzstudio
Tom-Oliver Schneider im Alten Tanzstudio
Ana und Henrique Pereira da Silva
Julius Schmiedel und Michael Schmitt im Alten Tanzstudio
Raumzeitpiraten in der Postkutscherei
Kunstblogger mit Baby am Mann beim Erklimmen einer Arbeit von Anton Studer & Balz Isler in der Postkutscherei
Videoinstallation von Judith Rautenberg in der Postkutscherei

Weitere Informationen im Netz unter
www.brinkmagazin.de
twitter.com/brinkmagazin

facebook.com/pages/brink-Magazin-zwischen-Kunst-und-Wissenschaft/

Boehm/Kobayashi präsentiert Ant!Foto 2012 im Kunstraum Düsseldorf

Oliver Sieber und Katja Stuke alias Boehm/Kobayashi haben auch dieses Jahr zu Ant!Foto in den Kunstraum Düsseldorf eingeladen. Dem Aufruf gefolgt sind Laura Bielau, Rene Bonsink, Olivier Cablat, Jason Evans, Ulrike Heydenreich, Ted Partin, Pia Stadtbäumer,  80*81(Georg Diez & Christopher Roth) & Christoph Dettmeier »Country Karaoke«.

Franz Schuier vom Düsseldorfer Kreativstudio beansandbacon.com hatte sich zu unserer großen Freude vor einiger Zeit auf unseren Call-for-papers gemeldet und sich dann auch noch freundlicherweise bereit erklärt für unsere Leser mit der Kamera in der Ausstellung vorbeizuschauen. Zurück kam er mit einem gelungenem Minidokumentarfilm (01:51 min), in dem er einen schnellen und präzisen Einblick in die Ausstellung gibt. Wir finden das Super und sagen an dieser Stelle schon einmal Danke für den ersten Einsatz!

Und sie, liebe Leserinnen und Leser, drücken uns bitte die Daumen, dass uns der Mann erhalten bleibt!

Wie bei uns auch sonst üblich, verzichten wir bei Videoeinbindungen auf lange Texte und lassen den Film, die Ausstellung sowie natürlich Oliver Sieber und Katja Stuke sprechen.

Wer Ant!Foto 2012 persönlich in Augenschein nehmen will, der muß sich etwas beeilen, denn die Ausstellung läuft nur noch bis zum 01.07.2012.
Weitere Infos gibt es auf der Projektwebseite unter http://www.antifoto.de.

Ant!Foto 2012
24.5.–1.7.2012

Kunstraum Düsseldorf
Himmelgeister Straße 107e
40225 Düsseldorf
Tel. 0211.330237

Guten Tag Düsseldorf, guten Tag Welt!

Diesmal geht es definitiv etwas härter zur Sache, ein Picasso muss dran glauben. Das Bild „Frau im roten Sessel“ wird von einem wütenden Besucher mit dem Wort „Conquista“ (deutsch: Eroberung) beschriftet. Zufällig(?) wurde das geschehen von einem anderen Besucher gefilmt und auf Youtube veröffentlicht.

Dieser Mann mag keine Bilder von Picasso oder möchte selber eines haben und kann es eventuell einfach nicht bezahlen?

Marc Sparfel in der Galerie t in Düsseldorf Flingern

Verlassene Möbel, die keinen Zweck mehr erfüllen oder einfach nicht mehr modern sind, bilden einen ‚urbanen Wald‘, der aus dem Asphalt erwächst.“ mit diesem Satz umschreibt Mark Sparfel kurz und knapp seine Arbeit. Vom 14.06. bis zum 20.07.2012 ist der Künstler in der relativ jungen Galerie t in Düsseldorf Flingern zu Gast. Freund und Kollege Klostermann war mit der Kamera vor Ort und hat ein Paar Impressionen der Ausstellung mitgebracht.

Galerie t
Hermannstraße 24
40233 Düsseldorf

http://www.galerie-t.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag nach Vereinbarung
Freitags 17-19 Uhr
Samstags 11-15 Uhr
Sonntags geschlossen

Mischpoke: 22 Fachgeschäfte in Mönchengladbach

Ein Bildbeitrag von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Als die Stadt Mönchengladbach 1949 eine brandneue Einkaufspassage erhielt, in der sich über 20 Fachgeschäfte einsiedelten, schrieb man in der jungen Bundesrepublik noch die ersten Seiten einer schönen Geschichte – eine Geschichte namens „Wirtschaftswunder“. Mehr als 60 Jahre später ist diese Geschichte eben Geschichte geworden und die mehr oder weniger charmanten Läden, seit vielen Jahren in Familienhänden, müssen weichen. Der Großinvestor MFI, der in Düsseldorf-Bilk bereits eine gesichtslose und uninspirierte (aber wohl populäre) Mall gebaut hat, wird hier die „Mönchengladbach Arcaden“ errichten – und erhofft sicherlich, dass die extrem klamme Stadt plötzlich dem Konsumrausch verfällt.

Durch diesen Ansatz von Strukturwandel steht jedenfalls jede Menge Leerstand in kompakter Form und zentraler Lage zur Verfügung. Und die Gelegenheit für die Verantwortlichen von Mischpoke war zu schön um ausgeschlagen zu werden. Es kam ein Deal mit dem MFI (der sich gerne als Mäzen stilisiert) zu Stande und, bevor die Passage endgültig abgerissen wird (und mit ihr die charakteristische Dachstruktur der späten 80er Jahre), dürfen 33 Künstler die 22 ehemaligen Geschäfte okkupieren. Die meisten nutzen den Raum unreflektiert, beziehen sich höchstens auf dem evidenten Verfall des architektonischen Ensembles oder verpflanzen ihre Drop-Sculptures in diesen besonderen vier Wänden. Ortsspezifik sieht anders aus; jedoch kann Ortsspezifik auch mitunter nerven – und die Unbefangenheit des Unterfangens hat hier seine erfrischende Seite.

Diesmal wurden übrigens Nicht-Mischpoke-Künstler eingeladen, also ausschließlich Damen und Herren, die nicht zum Verein gehören und aus Köln, Düsseldorf und Gladbach stammen. Die Eindrücke haben wir gesammelt.

 

 

 

OLIVER GATHER

 

GEREON KREBBER

 

DAN DRYER

 

THOMAS RUCH

 

KATHARINA MADERTHANER

GEREON KREBBER

 

TERRY BUCHHOLZ

 

GEREON KREBBER

 

EDITH BORIES

MARTIN ROOS

 

JEANETTE STÜTTGEN

 

PHILIPP ACKERMANN / KATE MACKESON

 

JOHANNA VON MONKIEWITSCH / CHRISTIAN BERG

JEAN-LUC DANG / MARIJA LINCIUTE

 

ALEX POLLARD / CLARE STEPHENSON

 

UTTA HAGEN

 

MARKUS MUSSINGHOFF

RICARDO ALZATI

 

 

UWE ESSER

 

 

 

Katrin Herzner zeltet in Berlin in der Abteilung für alles Andere

1200 km Luftlinie ist Katrin Herzner für ihr Kunstwerk OST mindestens gewandert. Sie versucht so gerade wie möglich zu laufen – per Kompass nach Osten – um zu sehen, was passiert und herauszufinden, wie weit man kommt. Begonnen hat sie die erste Etappe in Freiburg im Breisgau im Herbst 2010. Vor wenigen Wochen endete die fünfte Etappe in den ukrainischen Karpaten. Die Fortsetzung folgt in Teil VI voraussichtlich im Herbst 2012.
Während den Wanderungen lässt sich das Geschehen jeweils ausschließlich per Audio-Live-Übertragung per Telefon mit verfolgen.

In diesem Sommer sucht Katrin Herzner unterdessen Plätze zum Zelten im Innen- oder Außenraum, in Deutschland und seinen Nachbarländern. Sie zahlt dafür mit einer Arbeitsstunde pro Tag für Tätigkeiten aller Art. Vom 11. bis zum 19. Juni hat, oder vielmehr hatte, Katrin Herzer ihr Zelt in der Abteilung für Alles Andere aufgebaut.

Abteilung für alles Andere, Berlin
Katrin Herzner zeltet in der Abteilung für alles Andere in Berlin

Katrin Herzner schreibt dazu „Ich zelte diesen Sommer, weil es mir momentan widerstrebt, einen Mietvertrag abzuschließen. Zu sehen gibt es in der Abteilung also mein Lager, neue Videos und mich selbst.
Die POSTOST-MONOLOGE,
(ein Programmpunkt der Aktion – Anm. d. Red. ) beschäftigen sich größtenteils mit unterschiedlichen Aspekten von OST – der Wanderung zum Live-Hörbuch von Katrin Herzner. Hier erkläre ich alles, wonach ich üblicher Weise nicht gefragt werde.“

Zelten in Berlin | Abteilung für alles Andere
Zelten in Bremen
Zelten in Aachen

Wir haben Katrin einen Minifragenkatalog geschickt, den sie uns freundlicherweise beantwortet hat.

FK: Welches war das größte und schwierigste Hinderniss welches du auf Deiner Wanderung 1200km überwunden hast?

KH: Es sind 1200 km luftlinie – gelaufen bin ich vermutlich an die 2000 km, weil ich nicht fliegen kann. Dann … Groß und Schwierig sind zwei paar Schuhe. Der höchste Punkt war gerade erst in den Karpaten: ca. 1420 Meter. Das schwierigste bin ich selber und ich bin immer da.

FK: Dir wiederstrebt es einen Mietvrtrag abzu schliessen. Als moderner Mensch ist man auf vielfältige Weise vertraglich gebunden. Wie hälst Du es mit anderen Verträgen, wie KV, Handy, Altersvorsorge?

KH: Ich finde Verträge gut, weil deswegen alles schriftlich geklärt ist. Man sollte bei Bedarf halt prüfen, was man da unterschreibt. Macht im besten Fall Sinn für beide Seiten. Ich will halt nur keinen Mietvertrag unterschreiben. Denn das bedeutet, Miete zu zahlen und diesen Klotz von Zimmer oder Wohnung am Bein zu haben, der die Bewegungsfreiheit einschränkt. Aber man kann sich ja glücklicher Weise aussuchen, ob man einen Vertrag unterschreibt oder nicht.

FK: Was hälst du vom Konzept des Grundbesitz?

KH: Grundbesitz ist Eigentum von Landflächen? Er legt sich wie ein Bild über den Planeten Erde und verändert die Oberfläche – manchmal sehr großflächig, manchmal ganz klein parzelliert. Das ist ganz interessant, da quer durch zu gehen – sich manchmal durch zu mogeln und manchmal aus Respekt oder Schüchternheit einen Bogen zu machen. Ich würde gerne auch Land besitzen. Ich denke allerdings, wenn jemand kommt und eine Linie darüber gehen will, würde ich ihn auf jeden Fall lassen und einen Kaffee kochen.

FK: Cowboy oder Indianer?

KH: Einzelbison.

FK: Das Zelt ist im Rahmen der Occupy-Aktionen zum Symbol einer globalen Protestbewegung geworden, hat das für Dich Bedeutung?

KH: Nein. Für mich ist es mein Haus, und ich kann ganz so mit 1,4 kg meinen Raum erzeugen. Ich frage immer, ob ich an einem Ort zelten darf und bin kein Besetzer. Zelte sind auch Flüchtlingslager, Notlazarette, Rock am Ring, Nomadenhäuser und vieles mehr – das zweite nach der Höhle, schätze ich. Occupy natürlich auch, klar – aber im Verhältnis zum Zelt an sich ist das meiner Meinung nach nur ein kurzer Moment.

FK: Beim aktuellen Projekte tauschst Du Dich eine Arbeitsstunde gegen die Möglichkeit Dein Zelt aufzuschlagen. Warum der Rückgriff auf den Tauschhandel?

KH: Weil ich gerade nicht viel Geld habe und trotzdem nicht schmarotzen will. Das sind auch schöne Jobs … Ich mache da Sachen, die schon lange mal hätten erledigt werden sollen.

FISIMATENT – Katrin Herzner zeltet in der Abteilung für Alles Andere
Ausstellung vom 11. – 19. Juni 2012
Ackerstraße 18, Berlin Mitte
http://www.a-a-a.cc/

http://www.katrin-herzner.de

 

Christian Keinstar zu Gast bei Teapot in Köln

Der in Köln lebende Künstler Christistian Keinstar war vom 18.04. bis zum 19.05.2012 unter dem Titel „THE DARK AGE OF LOVE“ mit einer Soloshow und einigen neuen Arbeiten in der Teapot-Galerie in Köln zu sehen. Von dem Projekt gibt es eine ausführliche Videodokumentation, die wir hier einfach mal weitest gehend kommentarlos einbinden – einzige subjektive: Mein persönlicher Favorit ist Kanon 03.
Ich klicke Gefällt mir!

Und alle Düsseldorfer, die die Arbeiten von Keinstar mal live sehen wollen und es nicht nach Köln geschafft haben, freuen sich auf seine Show mit Susanne Giring, im kommenden Jahr im Parkhaus im Malkasten.

THE DARK AGE OF LOVE
18.04. – 19.05.2012

Teapot Galerie
Herwarthstrasse 3
50672 Köln
www.weareteapot.com

www.keinstar.de

 

Dyssomnia in der Hans Peter Zimmer-Stiftung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

„Genius loci: (Schutz)-Geist, geistiges Klima eines Ortes“, definiert der Duden. Den Geist eines Ortes wahrzunehmen, zu verstehen und in die Transformation des Ortes einzubeziehen ist (im besten und leider seltenen Fall) die vordergründige Aufgabe des Architekten – sowie des Künstlers, wenn dieser seine Arbeit in atmosphärisch dichten Räumen zu platzieren hat. Es wäre töricht und deplatziert, eine Ausstellung in den ehemaligen Produktions- und Lagerhallen der HPZ-Stiftung zu inszenieren, ohne dessen postindustrielle Wucht zu berücksichtigen; es wäre eine verpasste Chance und eine kuratorische Dummheit, Kunst an diesem Standort zu zeigen, ohne auf den teilweise düsteren und unheimlichen, teilweise stilvollen und charakterstarken Geist des Ortes einzugehen.

Lars Rosenbohm
Lars Rosenbohm (Foto: W. Schäfer)
Lars Rosenbohm (Still: L. Klostermann)

Diese Chance haben die zwei Kuratoren von Dyssomnia nicht verpasst. Zusammen mit Maria Wildeis ist es Wolfgang Schäfer gelungen, eine adäquate Präsentation von Installationskunst und Bildhauerei in diesen sehr unterschiedlichen Räumen zu verwirklichen. Im Großen und Ganzen haben alle acht Künstler das prekäre Gleichgewicht zwischen Ortsbezogenheit und Werkautonomie bewahrt; eine Herausforderung angesichts der schwierigen, geschichtsträchtigen Räumen.

Katharina Maderthaner
Katharina Maderthaner
Katharina Maderthaner (Still: L. Klostermann)

Wildeis und Schäfer setzen dabei auf einen Mix aus jungen Absolventen oder Studenten der hiesigen Kunstakademie und Künstlern, die sich im mittleren Karriereabschnitt befinden und bereits über eine gewisse Ausstellungserfahrung verfügen. Dazu gehören Positionen wie die von Susanne Themlitz, Gereon Krebber oder Lars Rosenbohm. Trotz der Unterschiede ihrer Ansätze dienen übrigens die zwei letztgenannten Künstler als „Ausgangspunkt“ der Ausstellung; sie waren die Grundsteine, worauf die Kuratoren aufbauten.

Claudia Mann
Claudia Mann
Claudia Mann

Der regionale Bezug ist also prädominant; eine ausdrückliche Thematik ist aber in der Ausstellung nirgendwo zu finden. Wozu denn auch? Wer braucht ein Motto wenn solche großartigen Raumbedingungen vorgegeben sind? Ausgenommen Claudia Mann, die zwar zehn Tage lang gebraucht hat, um ihre zwei Piscines vor Ort aufzubauen, diese aber in jedem anderen besseren white cube hätte präsentieren können – die Auseinandersetzung der Künstler mit ihrer Umgebung ist hier Thema genug.

Claudia Mann (Foto: W. Schäfer)

Ich möchte diesmal nicht zu präzis auf die Arbeiten eingehen und, wie es sonst auf diesen Seiten gepflegt wird, die Rezension in eine akkurate Werkbeschreibung ausarten zu lassen – besonders gelungen erscheint jedenfalls die Arbeit von Gereon Krebber. Seine Schlauchgebilde hängen praktisch zwischen zwei Wänden und besitzen eine ungeheure Materialdynamik. Hier verschmilzt das Organische mit dem Industriellen, wuchert das Chaotische wie ein Geschwür in den Raum und glitzert wie ein kranker Schmuck in seiner schmuddeligen Schatulle.

Gereon Krebber
Gereon Krebber
Gereon Krebber

Erwähnenswert ist ebenso das skurrile Raumarrangement von Susanne Themlitz. Heterogene Fundstücke, deren industrielle Vergangenheit teilweise ablesbar bleibt, sind zu einer Art Indoor-Skulpturenpark zusammengetragen und verhindern eine flüssige Erkundung des Raumes. Die Objekte zitieren zwar die moderne Bildhauerei; ihr prekäres Gleichgewicht, ihre Parcours-ähnliche Anordnung sowie die vielen räumlichen Bezüge erscheinen hier jedoch wichtiger, als die Zitiererei an sich.

Susanne Themlitz
Susanne Themlitz
Susanne Themlitz (Foto: W. Schäfer)
Susanne Themlitz (Still: L. Klostermann)

Auch die fantastisch-schwülstigen Strukturen von Andreas Gehlen haben unsere Aufmerksamkeit gewonnen. Die flügelartigen Gegenstände aus Papier, worauf verschiedenes Abbildungsmaterial projiziert wird, ragen aus den Wänden heraus und breiten sich in dem kahlen Speicherraum aus. Sie sind zwar reichlich spektakulär angelegt und ihre Steampunk-Ästhetik kann sie nicht vollständig vor dem Vorwurf einer Effekthascherei retten; ihre visuelle Anziehungskraft, ihr vordergründiger surrealer Charakter sowie Gehlens adäquate Umgang mit dem Raum überwiegen trotzdem in der positiven Bewertung.

Andreas Gehlen
Andreas Gehlen
Andreas Gehlen
Andreas Gehlen (Still: L. Klostermann)

Der verdunkelte Raum von Katharina Wackermann kommt mit weniger special effects aus, ist aber ein Highlight (nein, hier wird nicht versucht, witzig zu sein) der Ausstellung. Wackermann hat ihre zugleich massiven und kristallinen Holzkonstrukten vor künstlichen und natürlichen Lichtquellen platziert und moduliert dadurch den Raum auf faszinierendste Weise.

Katharina Wackermann
Katharina Wackermann (Foto: W. Schäfer)

Dyssomnia – eine Worterfindung, die Unruhe und Störung signalisieren will und auf eine – so Wolfgang Schäfer – unangepasste Ausstellung hinweist. Ob die Kunst, die in diesen Hallen gezeigt wird, sich wirklich zu einem Störfaktor entwickelt sei dahin gestellt. Interessant bis hochwertig ist sie auf jeden Fall.

Oliver Blumek
Oliver Blumek
Oliver Blumek bei der Eröffnung
Oliver Blumek und Wolfgang Schäfer
Dyssomnia- Rauminterventionen
mit Oliver Blumek, Andreas Gehlen, Gereon Krebber, Katharina Maderthaner, Claudia Mann, Lars Rosenbohm, Susanne Themlitz und Katharina Wackermann
HPZ-Stiftung
Ronsdorfer Str. 77a
Ausstellung vom 1.6.2012-29.6.2012
geöffnet Do. bis So. von 14-18 Uhr

Sven Piayda – ‚The Promise Of Absence’ in der Galerie143 in Dortmund

Seit dem 12. Mai zeigt die Galerie143 in der Rheinischen Straße in Dortmund Arbeiten des Medienkünstlers Sven Piayda. Die Einzelausstellung, welche primär schwarzweiße Fotografien und Videoinstallationen präsentiert, ist voll digitaler Manipulation und komplexer Versweise. Was auf den ersten Blick banal anmutet, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als doppelbödiges Verwirrspiel.

Die Galeristin Simone Czech beschreibt die Arbeit mit folgenden Worten “Sven Piayda verspricht in der Ausstellung „The Promise of Absence“ wortwörtlich, dass etwas nicht vorhanden ist. So verzichtet er z.B. auch auf Farbe, die er den Fotografien nachträglich entzogen hat. […] Piayda beeindruckt durch seinen professionellen Umgang mit der Technik, aber vor allem auch durch die Fähigkeit, ein Auge für besondere Situationen oder skurrile Gegebenheiten zu haben. Obwohl Bildelemente regelrecht instrumentalisiert werden, drücken seine Bilder und Videos eine unverkennbare Leichtigkeit aus, denen es an Humor nicht fehlt.“

Die Journalistin Melanie Schäfer fügte in ihrem Artikel hinzu:
“Man kann sich zwar sicher sein, dass Piaydas Bilder immer in irgendeiner Form nachträglich bearbeitet sind, aber in welchem Ausmaß dies geschehen ist, schwankt von einer Arbeit zur nächsten und ist ein Punkt, über den der Betrachter selbst sinnieren muss. Denn auf den ersten Blick wirken die Motive oft nicht manipuliert oder neu zusammengesetzt.

(Bilder via mail, Danke!)

Einer von drei Videomonitoren zeigt u.a. „Again“ und „Equinox“. Insgesamt sind neun Videoarbeiten in der Ausstellung zu sehen.

Begleitend zur Ausstellung hat die Galerie143 einen 40-seitigen Katalog herausgegeben, welcher neben Abbildungen von Stills aller Videos und vertretenden Fotoarbeiten, sowie weitere schwarzweiß gehaltenen Fotografien und begleitende Texte beinhaltet. Die Ausstellung ist noch bis zum 28.07. zu besuchen, ein Artist Talk mit Führung durch die Ausstellung ist für den 07.07.12 geplant.

Sven Piayda – The Promise Of Absence
12.05. – 28.07.2012

Vernissage: 12.05.2012 ab 14 Uhr
Künstlerführung: 07.07.2012 um 16 Uhr und um 20 Uhr
Öffnungszeiten:
Freitag & Samstag: 16 – 18 Uhr und nach Vereinbarung

www.galerie143.de
www.svenpiayda.com

 

 

Evangelos Papadopoulos im Honigbrot

Die raumgreifende Plastik des Bildhauers Evangelos Papadopoulos erscheint durch ihre Ausmaße von über 7 m x 4 m x 4 m und durch seine kristalline und expandierende Gestalt wie eine rauschhafte Schöpfung, die sich rational motivierten, verbalen Deutungsversuchen entsagt. Bei ihrem Entstehungsprozess konnte man zusehen, wie Tag für Tag, Stunde um Stunde, der Raum transformiert wurde uns schließlich selbst zu einem Teil der Kunst wurde. Es wurde hinzugefügt, angeschraubt, abgebrochen, abgesägt und wieder entfernt, wieder aufgetragen.

Papadopoulos kreiste um die Arbeit und betrachtete das entstehende Werk aus den unterschiedlichen Blickachsen und unter jeweils anderen Licht- und Perspektivverhältnissen. Dabei dienten die verschiedenen Beobachtungsposten als feste Bidlauscchnitte, die immer aufgesucht wurden um abgelichtet zu werden, um ein visuelles Gleichgewicht herzustellen und vor dem Auge schließlich das zu erschaffen, worauf es zu warten schien.

Mit der Ausstellung MANIA ist ein plastischer Eingriff entstanden, durch dessen Dominanz in der Erscheinung die Funktionalität des Raumes entkoppelt wird. Die Umgebung wurde vereinnahmt: die geometrischen Strukturen im Raum, der dunkle Betonestrich, die Fenstergliederung, die Farb- und Lichtverhältnisse, aber auch die vielen körperlichen Bewegungen um die Arbeit herum – all diese Raumelemente verweisen im Schattend es Kunstwerks auf ihre bildhaften Qualitäten und die Sicht auf den Raum verlagert sich mehr und mehr von seiner Funktionalität auf die Formsprache.

So treten die malerischen Merkmale des Kunstwerks gemeinsam mit dem Raum und seinem inhärenten Lebensalltag als visuelle Erscheinung hervor und verwandeln sich nahezu in eine dreidimensionale Collage.

Text: Maria Wildeis

Oliver Blumek

Rahmenprogramm:
8.6 um 19 Uhr: Eröffnung mit einer Performance von Oliver Blumek
15.6 um 20 UHr: Screening: Medea von Pasolini, Popcorn und Bier
30.6 um 16 UHr: Lesung aus Platons Phaidros
4.7 um 20 Uhr: Vortrag in Gedichten von Frank Schablewski

 

Evangelos Papadopoulos: Mania
Honigbrot
8.6-8.7.2012
An der Schanz 1a, 50735 Köln-Riehl
geöffnet von Do-Sa, 12-18 Uhr, Fr 12-22 Uhr und nach Vereinbarung

 

 

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

What’s My Line? war bei CBS von 1950 bis 1967 auf Sendung, und ist damit die am längsten laufende Gameshow in der amerikanischen TV-Geschichte. Bei uns kennt man das Showkonzept unter dem Titel Was bin ich?, moderiert vom unvergesslichen Robert Lembke.
In der US-Show waren neben vielen anderen Prominenten auch Alfred Hitchcock, Frank Lloyd Wright, Eleanor Roosevelt, Groucho Marx und Carl Sandburg zu Gast.
1950, also recht zu Anfang, trat der Surrealist Salvador Dali unter der Berufsbezeichung Künstler dort auf.

Franz Schuier im Pretty Portal

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die Bilder und Videoanimationen von Franz Schuier kommen zunächst schön bunt und freundlich daher. Die gleichgroßen Motive seiner Diasec-Serien werden von einfachen geometrischen Formen in symmetrischen Mustern gebildet, deren grelle Farben besonders stark auf dem schwarzen Hintergrund leuchten. Beim ersten Blick wirken sie wie die austauschbaren dekorativen Elemente einer flippigen Tapete oder wie ein visuelles Alphabet, das auf seine Entschlüsselung warten würde. Manche Videos lassen solche Motive in unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen; in anderen animierten Arbeiten mutieren die geometrischen Muster zu beinah psychedelischen Oszillationen, die in den Raum moduliert werden und ihre geometrische Struktur sowie ihre Farbigkeit stets wandeln.

Wenn man an der Oberfläche bleibt, entdeckt man nichts anderes als eine willkürlich zusammengesetzte Reihe von quietschbunten Zeichen mit einem verhängnisvollen Hang zum Ornament. Aber eine genauere und längere Betrachtung lässt etwas wie ein Schema erkennen und, auch wenn hier keine verborgene Struktur zu entdecken wäre, vermutet man eine zugrundeliegende Logik, die die zunächst angenommene Willkür in Zufall transformiert.

 

Schuier kommt aus der Musikszene, war in den 90er Jahren DJ, komponiert aber nur noch auf der Basis von Algorithmen. Der Internetsüchtiger und Informationsfresser (so die Eigenbeschreibung) zitiert in Gespräche Vilém Flusser, webt die Thesen der technologischen Singularität, lässt immer mehr Phänomenen der KI und der Chaostheorie in seine Arbeit einfließen und spürt in unserer Welt die zunehmende Beherrschung des Rauschens in dem sog. signal-to-noise ratio. Die Manipulation des Rauschens und dessen Aneignung mithilfe greifbarer visueller Artefakten – auch wenn diese noch zweidimensional sind (an einer Ausdehnung in den Raum will Schuier übrigens künftig arbeiten).

Die kreierten Motive sind das Ergebnis einer Programmierungsarbeit, in der Zufall und Kontingenz gleichermaßen berücksichtigt werden. Zunächst schreibt Schuier ein Programm, das mit speziellen Parametern gefüttert wird. Diese Parameter bestimmen die Grundeigenschaften der späteren Motive, sowie Form, Farbe und Bewegung, und bilden praktisch eine Art vordefinierte Black Box. In diese Box werden im nächsten Schritt Datensätze eingespeist, die umgewandelt werden und eine erste Gestalt erhalten. Schuier schraubt dann so lange an den Parametern, bis er mit dem Erscheinungsbild der herausgespuckten Datei zufrieden ist. Dabei verwendet er Techniken aus der Musik, setzt Modularsynthesizer ein, reguliert dank Oszilloskopen die Geschwindigkeit der Phasen,  bestimmt den Rhythmus der Überblendungen, etc.

Es ist die Schönheit des Chaos, die Schuier herausfordern möchte. Es ist die Sinnhaftigkeit der Information und die Spielmöglichkeiten des Rauschens, die er in seinen Mustern und Zeichen zum Vorschein kommen lässt. Bei der Hervorrufung dieser künstlichen Welten, spürt er gewiss auch ein wenig das Kitzel der demiurgischen Schöpferkraft: „ Letztendlich arbeite ich wie ein genetischer Ingenieur, sagt er über seine Herangehensweise. Es sind Wesen, die ich schaffe. Diese Wesen bekommen Pinsel und Tools, um sich selbst zu gestalten. Ich programmiere sie, damit sie selbstständig werden; dann entlasse ich sie und lasse mich überraschen“.

 

Diese Haltung ist gewiss nicht neu und wirkt gar als Reminiszenz einer technologisch faszinierten „Fraktal- und Chaoskunst“, die in den frühen 1990er Jahren sich (kurzfristig) anschickte, eine neue Avantgarde zu bilden und die Kunst aus seiner postmodernen, redundanten Sackgasse zu befreien. Die Strategie einer Schöpfung der Natur parallel zur Natur ist also keine Revolution im Kontext einer Annäherung zwischen Kunst und Wissenschaft; sie ist jedoch inb der rheinischen Kunstszene originell und konsequent genug, um hier eine gebührende Anerkennung verdient zu haben.

 

Franz Schuier: Haphazard
Pretty Portal
Brunnenstr. 12
40223 Düsseldorf
01.06. – 29.06.2012

Zeitguised zeigt Hyper Trophies in der Stink Temporary Gallery

Ok, ok, ok. Videos gibt es eigentlich nur Montags und vom Kontext gehört das was hier jetzt kommt auch nicht so ganz hierher, die Arbeit ist etwas zu slick und visuell eigentlich viel zu lecker für diesen Blog.
Denn von Eyecandys, mögen sie noch so imposant daherkommen, lassen wir uns bei Perisphere ja normalerweise nicht beeindrucken. Hier zählt knallharte konzeptuelle Stärke, gedankliche Stringenz und eine radikale Haltung gegenüber dem was hinter den Bildern geschieht.
Wir sind verkopft bis in die Haarspitzen und verlangen das auch von der Kunst! – so deutsch sind wir dann schon.

Scheißdrauf sag ich heute!

Auch wir werden mal schwach und hier in unserem Blog dürfen wir sowieso tun und lassen was wir wollen, wenigstens hier sind wir freie Männer. Und deshalb gibt es heute ausnahmsweise auch schonmal Sonntagabends wirklich spektakulären Hochglanzbilderzauber im Videoformat.

Die Leute die das folgende Video bzw. das Videotryptichon gemacht haben, hatte ich schon am Freitag Abend bei Kollegen Rene von nerdcore entdeckt. Ich war nachhaltig beeindruckt. So oft kommt es ja dann doch nicht vor, dass man beim Surfen auf einer Seite richtig hängen bleibt und sich manche Sachen sogar mehrmals anschaut.
Zeitguised heißt die Truppe, die sich mit Ihren Arbeiten auf den Spuren der Surrealisten bewegt und diesen mit Hilfe von allerfeinster Bildbearbeitung in Kombination mit 3D-Rendering auf allerhöchstem Niveau ins 21. Jahrhundert transportiert.

Als Moving still portrait sculptures bezeichnen Sie das Projekt „Hyper Trophies“ welches in Kooperation mit dem Berliner Modelabel Franzius and ProdCo Stink Berlin entstanden ist.
Die Premiere war in der Stink Temporary Gallery während dem Gallery Weekend Berlin 2012 – wie gesagt eigentlich nicht unser Feld, aber … naja … schaut einfach selbst. Und wer dann noch nicht genug hat, schaut sich unbedingt das hier noch an.

Hyper Trophier by zeitguised

Hyper Trophies, 2012
Moving still portrait sculptures.
1080p portrait screen exhibit: endless loop

http://zeitguised.com/61786/556975/work/hyper-trophies

Leon Manoloudakis im Black Chamber

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Den eigenen privaten Raum öffentlich zu machen und mit Kunst und unbekannten Menschen zu füllen ist an sich ein Wagnis. Gefragt nach ihren Motivationen antwortet Tanja Goethe, dass sie die Atmosphäre der Kolloquien sowie die intensive Auseinandersetzung mit fremden Arbeiten seit ihrem Abgang aus der Kunstakademie vermisst. Die ehemalige Trockel-Schülerin, die ihren Abschluss bei Marcel Odenbach machte und selbst an der Schnittstelle zwischen Videokunst und Installation arbeitet, entschied sich also nach Beendigung ihres Studiums, den intellektuellen Austausch in ihren eigenen vier Wänden aufleben zu lassen.

Foto: Tanja Goethe

Seitdem präsentiert sie junge Künstler aus Düsseldorf, Berlin oder Karlsruhe, die in der Regel ihr Studium gerade absolviert haben und noch nicht institutionell vertreten sind. Die Dimensionen des zur Verfügung gestellten Raumes erlauben keine ausufernden Monumentalwerke; von daher hat man hier beinah ausschließlich mit ein-Kanal-Videoinstallationen zu tun. Das Format des Off-Spaces ist privat, reduziert und sehr konzentriert. Es entspricht der Vorstellung einer Nische, in der ein spezielles Medium gehegt und gepflegt wird. Black Chamber steht damit in der Linie jener Liebhaber-Projekte mit gattungsspezifischen Schwerpunkt (zu dieser Kategorie gehört Sebastian Riemers Grafisches Kabinett, das übrigens eine Etage tiefer gelegen ist).

Foto: Tanja Goethe

Für die achte Ausgabe von Black Chamber, hat Goethe Leon Manoloudakis eingeladen. Der Berliner, der zeitweise in Düsseldorf studierte und hauptsächlich skulptural arbeitet, hat immer eine gewisse Affinität zur Welt des Theaters unterhalten. Seine Objekte und Installationen besitzen einen ausgeprägten Bühnencharakter und so werden auch in Gestures das Performative und Schauspielerische in den Vordergrund gebracht. Ursprünglich als Videotriptychon konzipiert, werden in Düsseldorf nur zwei der drei Sequenzen gezeigt – um Überlängen zu vermeiden.

Foto: Tanja Goethe

In einer dieser Sequenz ist eine schwarz gekleidete Frau vor schwarzen Hintergrund zu sehen. Sie lacht und lacht und lacht. Mit variierenden Intensitäten, in unterschiedlichen Tönen und changierenden Stimmungen. Die lange Sequenz erinnert an eine Schauspielübung, in der die Fähigkeiten des Darstellers geprüft werden. Abseits jeder authentischer Expressivität wird hier der Mensch und seine Stimme zum neutralen Träger einer fremdbestimmten und artifiziellen Emotion. Ohne ins Hysterische oder Groteske zu kippen, schafft der forciert künstliche Charakter des penetranten Lachers ein Unbehagen und erinnert ein wenig an der Clow Torture-Piece von Bruce Nauman.

Bild: Leon Manoloudakis

Bei der nächsten Sequenz wiederholt die gleiche Protagonistin den Satz „It’s just a game“ mit derselben Beharrlichkeit (das Video dauert eine halbe Stunde) und schauspielerischen Bandbreite wie bei der Lachperformance. Trotz – oder gerade: wegen – der reduzierten visuellen Präsenz der gesamten Vorrichtung, bekommt diese Stimme eine ganz besondere Bedeutung und füllt das Raumvolumen auf skulpturale Art und Weise. Manoloudakis hat die Schauspielerin bei allen drei Performances präzise dirigiert. Bedacht, die Spannung aufrecht zu erhalten und jede Wiederholung zu unterbinden, hat er die physische Dimension der Stimme unterstrichen und diese in ihren unterschiedlichsten Graduierungen herausgearbeitet – ja, beinah geformt. Wenn ein Bildhauer sich das Medium Video aneignet und eine Verbindung zur Darstellenden Kunst herstellt, kann man sich auf Spannendes gefasst machen. Ein Glück, dass diese Art von Experimenten eine adäquate Raumpräsentation erhält.

 

Leon Manoloudakis: Gestures
Black Chamber
Ackerstr. 39
Die Ausstellung ist auf Anfrage zu besichtigen

Mit krimineller Energie in der Halle 14, Leipzig

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Anything goes – in der zeitgenössischen Kunst scheint prinzipiell alles möglich. Die Freiheit der Kunst wird hierzulande gar durch den Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert. Dass dies leider keineswegs selbstverständlich ist, zeigen die Verhaftungen von Künstlern wie Ai Weiwei in China oder die Festnahmen von Mitgliedern der Voina-Gruppe in Russland sowie von den als Femen bekannten, feministischen Aktivistinnen in der Ukraine. Doch auch in Ländern, in denen die Kunstfreiheit als Grundrecht betrachtet wird, ist die Kunst kein rechtsfreier Raum. Werden die Grenzen des rechtlich Erlaubten überschritten, können auch als künstlerische Aktionen gemeinte Handlungen geahndet werden. Genau diese Schnittstelle von Kriminalität und Kunst möchte die Ausstellung Mit krimineller Energie. Kunst und Verbrechen im 21. Jahrhundert in der Leipziger Halle 14 thematisieren.

Ulla Kartunen: Donna Criminale

„Was bewirken Künstler, wenn sie Tabus brechen, wenn sie repressive Gewalt in reale Aggression verwandeln oder verrückt spielen?“ lautet eine der Fragestellungen des Kurators Frank Motz. In seiner Ausstellung müssen sich nun die Installationen, Objekte, Performances, Videos, Fotografien und Dokumente  von siebzehn internationalen Künstlern auf ihre kriminelle Energie hin abklopfen lassen. Dabei ist diese Ausstellung politisch orientierter Kunst ähnlich wie die diesjährige Berlin Biennale von dem Wunsch nach und dem Glauben an das gesellschaftliche Veränderungspotential der Kunst geprägt: Eine gewisse „verrückte Kreativität“ sowohl bei Verbrechern, als auch bei Künstlern vermutend, möchte Motz mit der Ausstellung erkunden, ob „kriminelle Künstler und künstlerische Kriminelle unser Sein „nutzbringend“ verändern, ihre unkonventionelle Haltung Freiräume öffnen und Überkommenes unterwandern“ können. Kunst mit Anspruch also – aber inwiefern haben sich die in der Ausstellung vertretenen Künstler wirklich  in die Illegalität begeben?

Brock Enright Kidnapping Service

Zwar führt der Amerikaner Brock Enright mit seiner 2002 gegründeten Agentur Videogames Adventure Services sogenannte „Ordeals“, d.h. in diesem Kontext Auftragsentführungen durch, doch werden diese „Designer-Kidnappings“ stets auf den ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin veranlasst.  Bei inzwischen über 100 gebuchten Entführungen konnten sich die sensationslüsternen Sammler dem Künstler ausliefern und sich nach Belieben fesseln, knebeln und foltern lassen. >Fightamin´s Records<, eine der aktuellsten von Enrights Aktionen, wurde am 28.4.2012 in Brooklyn umgesetzt und live nach Leipzig übertragen.

Ulla Kartunen: Donna Criminale
Ulla Kartunen: Donna Criminale

Die raumgreifenden Installation Donna Criminale: Capitalism as Religion – Market Criticism as Crime der finnische Künstlerin Ulla Karttunnen soll als Reaktion auf den Skandal, den ihre auf erotischen Internetbildern basierende Installation Virgin Whore Church 2008 in Finnland ausgelöst hatte, verstanden werden. Nicht nur musste die als Kapitalismuskritik gemeinte Installation von 2002 abgebaut werden, auch wurde Karttunnen der Kinderpornographie beschuldigt und vor Gericht verklagt. Donna Criminale besteht aus verschiedenen Komponenten wie z.B. einem von der Decke baumelnden Hochzeitskleid welches zum Boden hin in ausgerollte Toilettenpapierrollen mündet, einer mit blutrot angesprühten Hygienehandschuhen bestückten Wäscheleine, auf dem Boden ausgelegten schwarzen Müllbeuteln, in die kleine Gemälde eingebettet sind sowie einer großformatigen Plakatreihe. Mit dem Werktitel bezieht sich die Künstlerin auf den italienischen Arzt, Psychologen und Gerichtsmediziner  Cesare Lombroso, der Ende der 1870er Jahre mit seiner mehr als zweifelhaften Theorie vom „geborenen Verbrecher“ und der Behauptung, dass Verbrecher anhand körperlicher Merkmale zu erkennen seien, die Tätertypenlehre begründete. Nicht ganz schlüssig ist Karttunnens Anliegen, durch die Verwendung von Putzmaterialien auf das Elend der Putzfrauen aufmerksam zu machen, die ihr als „Prototyp eines sprachlosen, sozial niedrig gestellten und in den Augen der Gesellschaft fehlgeschlagenen Bürgers“ erscheint.

Ulla Kartunen: Donna Criminale

Dorota Alicja Nieznalska: Jewellery

Auch wenn Dorota Alicja Nieznalska ebenfalls in einen Kunstskandal verwickelt und 2002 wegen ihrer Arbeit Pasja in Polen wegen der Verletzung religiöser Gefühle angeklagt (und 2010 freigesprochen) wurde, begibt sie sich mit ihrer glamourös glitzernden Dornenkrone oder dem platt provokativem, aus Swarovskisteinchen zusammengesetzten Hakenkreuz aus ihrer Reihe der Jewellery Arbeiten nicht auf gefährliches Terrain.  Ebenso harmlos ist Florian Göttkes Fotocollage Me and Saddam, bei der Menschen zu sehen sind, die neben einer Madam Tussauds Wachsfigur Saddam Husseins posieren.

Florian Göttke: Me and Saddam

Unter die Haut gehen allerdings Anna Odells Videoarbeiten Unbekannt, Frau 2009-3409701(Die Brücke) und  Unbekannt, Frau 2009-3409701(Das Geständnis). Sie dokumentieren, wie die Künstlerin scheinbar verwirrt und suizidgefährdet, mitten im Winter nur leicht bekleidet auf einer Stockholmer Brücke herumläuft und durch den Anruf von Passanten in die Psychiatrische Notaufnahme der St. Göran Nervenheilanstalt eingeliefert, mit Medikamenten versorgt und am Bett fixiert wird. Mit ihrer Aktion wollte Odell wohl im Sinne Michel Foucaults das Konzept der Psychiatrie hinterfragen. Dass der sie behandelnde Arzt Odell jedoch anzeigte als er erfuhr, dass es sich um eine Kunstaktion handelte, ist ihm, der täglich Verantwortung für seine Patienten übernehmen muss, nicht zu verübeln.

 

Der mexikanische Künstler Antonio Vega Macotela arbeitete für das >Time Exchange<-Projekt mit echten Kriminellen zusammen und machte Tauschgeschäfte mit Gefängnisinsassen. Zwischen 2006 und 2011 nahm er Kontakt zu 350 Häftlingen auf, die Aufgaben für ihn ausführen sollten. Im Gegenzug dazu ging Macotela zum Beispiel mit der Mutter eines Insassen tanzen oder bat Familienmitglieder im Auftrag der Häftlinge um Vergebung.

Adolfo Kaminsky

Zwar waren die wenigsten der in der Ausstellung vertretenen Künstler mit tatsächlich krimineller Energie am Werk, doch ist es spannend, dass mit einem dokumentarischen Verweis auf Adolfo Kaminsky einer der bekanntesten Dokumentenfälscher des 20. Jahrhunderts Eingang in die Schau gefunden hat. So werden in der Ausstellung Fotos und Bücher zum Lebenswerk des Mannes gezeigt, der über 25 Jahre lang im Untergrund gelebt und der sowohl Papiere für während der NS-Zeit verfolgte  Juden, den spanischen Widerstand gegen die Franco-Diktatur oder den Freiheitskampf der Schwarzen in Südafrika gefälscht hat und der über seine Vita sagt: „Es ist ein Leben außerhalb des Gesetzes, aus einem einfachen Grund: um Menschenleben zu retten. Aus Notwendigkeit.“

 

Mit Arbeiten von:

Lourival Cuquinha (BR), Nathalie van Doxell (FR), Brock Enright (US), Florian Göttke (DE), Adolfo Kaminsky (FR), Ulla Karttunen (FI), Oleg Kulik (RU), Antonio Vega Macotela (MX), Teresa Margolles (MX), Ivan Moudov (BG), Dorota Alicja Nieznalska (PL), Anna Odell (SE), Christian Gottlieb Priber (DE), Nedko Solakov (BG), Adam Tellmeister (CH), Avdei Ter-Oganian (RU), Trummerkind (US)

 

HALLE 14
Mit krimineller Energie – Kunst und Verbrechen im 21. Jahrhundert
 28. April bis 29. Juli 2012
Leipziger Baumwollspinnerei
Spinnereistr. 7
04179 Leipzig
office@halle14.org
fon +49 341 492 42 02
fax +49 341 492 47 29
Öffnungszeiten:
Di-So, 11-18 Uhr

Directors Lounge in der Black Box

Ein Bildbeitrag von Stefanie Pürschler (Düsseldorf)

Draußen wartet die ekstatische Masse darauf, dass die japanische Kulturbehörde mehrere Hundert Tausend Euro in die Luft verpulvert. Unmittelbar am Rheinufer aber, geschützt unter der Hülle des Filmmuseums, drängt sich ein besonnenes Publikum in die Black Box, um das alternative Programm zum Japan-Tag zu erleben. Dieses wurde von der Director Lounge aus Berlin zusammen gestellt, worüber wir hier bereits berichtet haben. Kuratiert von Julia Murakami und André Werner (der auch die Veranstaltung präsentierte), konzentrierte sich die Filmreihe auf kurze japanische oder japanisch-zentrierte Werke. Zum Schluss traten VJ Chuuu an der Turntable-Animation und der Multimedia-Künstler und das Kraftwerk-Gründungsmitglied Eberhard Kranemann zusammen auf. Und ihr Auftritt hatte die Fulminanz und die visuellen Prägnanz eines Feuerwerks…

 

André Werner als Master of Ceremony
Eberhard Kranemann
VJ Chuuu

Inventur im Kunstraum Unten in Bochum

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

Im April haben wir den ersten Blick nach Bochum gewagt. Anlass war der Besuch im Projektraum Rottstr. 5 und ein Gespräch mit dem dortigen Kurator Georg Mallitz. Bei der nachfolgenden Recherche im Netz war uns dann auch schon mal der Kunstraum Unten aufgefallen – der erste Kontakt kam, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, wie mittlerweile so oft über Facebook zu stande.

Vergangenen Freitag (01.06.) Abend waren dort die beiden Düsseldorfer Künstler Daniel Dwyer und Matthias Danberg zu Gast. Matthias Danberg, geboren 1981 in Bochum, begann 2002 das Studium der Kunst und Philosophie an der Universität Dortmund und wechselte 2003 an die Kunstakademie Münster wo er dann 2007 Meisterschüler bei Michael von Ofen wurde.
Der etwas jüngere Daniel Dwyer wurde 1984 in Essen geboren. Ab 2005 studierte er „Freie Kunst“ an der Kunstakademie Münster und wurde 2010 Meisterschüler bei Klaus Merkel. Seit 2011 studiert er an der Kunstakademie Düsseldorf bei Marcel Odenbach.

Unter dem Titel „Inventur“ zeigen die beiden aktuelle Arbeiten, in denen sie nach eigenen Aussagen „in medialer und inhaltlicher Symmetrie, aber künstlerischer Individualität, in Videos und Drucken die Gültigkeit der Mythen einer postmodernen Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist“ untersuchen. Anstatt sich dabei ausschliesslich auf die klassischen Medien der Malerei, Skulptur und Graphik zu verlassen, beziehen Dwyer und Danberg die neuen digitalen Medien als Mittel ihres künstlerischen Ausdrucks in ihre Arbeit ein.

Beide nutzen als bildgenerierende Verfahren 3D-Modeling-Software, die üblicherweise von Architekten, Ingenieuren, Designern oder Filmemachern eingesetzt wird. Mit Hilfe dieser Werkzeuge erstellen sie ihre Charakter und Lokationen virtuell am Computer und animieren sie schließlich, um dann aus einigen tausend gerenderten Einzelbildern – vergleichbar einem klassischen Zeichentrickfilm- ihre Kunstfilme entstehen zu lassen.

Die Ästhetik der schwarzweissen, computergenerierten Bilder lässt sowohl Assoziationen zu Fritz Langs Metropolis, als auch zu zeitgenössischen Produktionen wie etwa Walt Disneys Kitschproduktion Tron zu, und stellt somit eine direkte Verlinkung zwischen den bildgewaltigen Hollywoodproduktionen unserer Tage und den Anfängen der Trick-Filmgeschichte her.

Dabei gelingt es durchaus eine Bildsprache zu entwickeln, die eigenständig funktioniert und die sich von der visuellen Dominanz der Computertechnolgie zu emanzipieren weiß. Die Kombination aus Graphikeditionen und ausgewählten Videostills können Überzeugen, der Blick auf die feinen Umrißzeichungen wirkt wie der Blick hinter die Kulissen der naturgemäß antiseptischen, künstlich reinen 3D-Renderings.

Eventuell einziger Wehrmutstropfen der Ausstellung ist der Rückgriff auf das klassische Medium der Fotografie und die finale Präsentation der Bilder als gerahmte Drucke. Auf diese Weise kommt die ganze Ausstellung trotz des avancierten Ansatzes der beiden Künstler, dann doch vergleichsweise klassisch daher. Denn beim Blick auf die Präsentation wird sofort deutlich, diese Arbeit will trotz allem Experimentierens mit den neuen Medien Kunst sein, und vor allem will sie sich als solche klar zu Erkennen geben. Dabei handelt es sich im übrigen um ein durchaus legitimes Anliegen, untersuchen beide Künstler in ihren Videos und Drucken doch eben primär „die Gültigkeit der Mythen einer postmodernen Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist“ und nicht die Probleme und Chancen der Künste mit den digitalen Medien.
Dennoch verweist das Projekt als Ganzes eben auch auf das brisante und hochaktuelle Grundproblem der Vermittlung von künstlerischen Projekten, die sich mit den Möglichkeiten der digitalen Werkzeuge auseinander setzen. Denn die latent mitschwingende Frage lautet auch hier, wie sollen nun Künstler und Publikum mit den verlustfrei reproduzierbaren Artefakten des digitalen Zeitalters umgehen?

Alle Bilder Matthias Dannberg & Kunstraum Unten

Matthias Danberg, Daniel P. Dwyer
Inventur – Grafik und Videoanimationen

Ausstellungsdauer
01. Juni – 30. Juni 2012

Öffnungszeiten
Do und Fr  15:00 – 18:00 Uhr
und nach Vereinbarung

Weitere Informationen
www.kunstraum-unten.de

Ian Wallace bei Volker Bradtke

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Dass die Legende der konzeptuellen Fotografie, die die kanadische Kunstszene der 60er und 70er Jahren prägte und Referenzen wie Jeff Wall oder Stan Douglas ausbildete, sich auf eine Ausstellung in dem kleinen Raum auf der Birkenstraße einlässt, mag zunächst erstaunen. Aber nach der Präsentation von (relativen) Größen wie Keren Cytter oder Mark Lewis, muss man sich hier nicht mehr wundern. Adam Harrison, einer der drei Köpfe von Volker Bradtke, hatte wieder seine Finger im Spiel: Wie Wallace stammt Harrison aus Vancouver und hat bei seinem Mitbürger wohl gute Überzeugungsarbeit geleistet.

Der fotografische Ansatz von Ian Wallace ist zwar streng konzeptuell, jedoch nie vollständig von sinnenhaften Komponenten befreit. Das Anekdotische findet hier seinen Platz neben dem medienkritischen und autoreflexiven Diskurs. Zur grundsätzlichen Befragung der Realität, bzw. der Bildrealität, wendet der Künstler diverse Strategien an, wie die Dekontextualisierung von Bildelementen (meistens durch Cut und Paste), das irritierende Wiederaufgreifen von Motiven in verschiedenen narrativen Kontexten und die Sichtbarmachung der technischen und sozialen Bedingungen der Rezeption von Fotografie. Dieser dekonstruierende Impetus kommt jedoch – wie eine vergangene Ausstellung im Kunstverein Düsseldorf gut gezeigt hat – selten trocken und schulmeisterlich daher, sondern entfaltet teilweise eine mitunter schmeichelnde formelle Vielschichtigkeit.

Die Ausstellung bei Volker Bradtke besteht aus zwei Arbeitsblöcken. Ersterer ist schnell erfasst und überrascht nicht besonders, ja, ist in seiner konzeptuellen Arglosigkeit sogar ein wenig enttäuschend. Eine Ausgabe des Sterns wurde auseinander genommen, jedes Blatt an die Wand gehängt und nach Wallaces Anweisungen aneinander gereiht. Diese Ausbreitung der Zeitschrift bewirkt eine Entfaltung des DIN A4-Objektes in der Fläche, kehrt sozusagen die Vertikalität seiner Struktur in eine Horizontalität um und verwandelt die lineare Zeitdimension seiner Wahrnehmung in eine simultane Erfassung. Hier scheint man an die historischen Wurzeln der Concept Art zurück gekehrt zu sein – und in der Tat ist die Arbeit bereits 1970 entstanden.

Im Nebenraum erweist sich der zweite Arbeitsblock deutlich komplexer und spannender. Hier hat Wallace mittelgroße Scans seiner, in den Jahren 1969 bis 1971 realisierten Fotografien nach einer klar vorgegebenen Ordnung hängen lassen. Die Bilder scheinen aus der Hüfte geschossen zu sein; es sind offenbar wahllos entstandene Straßen-Aufnahmen, teilweise vom Beifahrersitz eines Autos aus, oder zufällige und nichts-sagende Schnappschüsse der anonymen Menge eines Kaufhauses. Die Motive sind nicht komponiert, schlecht kontrastiert und, in ihrer erzählerischen Laschheit, irrelevant. Es sind beliebige Auszüge aus einer urbanen, westlichen Realität, die es an sich nicht verdient haben, näher betrachtet zu werden.

Ian Wallace verschiebt die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters von den an sich unbedeutenden Motiven auf die Modi ihrer Vervielfältigung. Er überträgt das analoge Material in einer digitalen Fassung und schafft, wie in der Malerei üblich, Wiederholungen der eigenen Oeuvre. Dabei forciert er die Sichtbarkeit der vielfachen Versetzungen und Transformationen, die dieses Prozess begleiten. Weil das gescannte Bild nicht genau auf das Scannerbett passt, wird die Struktur des Papiers sowie die Materialität der Maschine wahrnehmbar. Die Körnung und Knicke des Papiers werden in die Komposition integriert und die im Hintergrund mitgescannte Klappe des Geräts, als besonders leuchtende weiße Fläche hervortretend, wird zum Bildelement gemacht.

Das Prinzip des Remix ist, wie bereits erwähnt, eine Konstante bei Ian Wallace. Und auch hier nutzt er das Selbst-Zitat als Ausgangspunkt einer Reflexion zur Originalität des Kunstwerkes und zur Veränderung seiner Natur im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Nun – Walter Benjamin konnte zwar die digitale Entwicklung der Fotografie nicht vorahnen; möglich ist aber, dass er bei dieser Re-Auratisierung des Bildes ins Grübeln kommen würde. Die Logik der technologischen Übersetzung analog-digital sieht eigentlich vor, eine dinghafte Rohmaterie in eine abstrakte Datei zu verwandeln. Aber Wallaces Arbeit besitzt die paradoxale Eigenschaft, das Original in einer reinen Information zu machen und die materiellen Eigenschaften und sinnlichen Komponente dieses Originals in seiner Wiederholung zu unterstreichen. Das Trompe-l’oeil wird also gleichzeitig produziert und entlarvt. Das vielschichtige Bild, konstruiert nach einem zu entschlüsselnden Matruschka-Prinzip, gewinnt an Tiefe, Komplexität und, last but not least, Faszinationspotenzial.

 

Ian Wallace
Volker Bradtke
Birkenstr. 128
19.5-17.6.2012
geöffnet Samstags

World of Paste-ups in der Brause

Vom 1.6. bis zum 1.7. zeigt die Brause aka Metzgerei Schnitzel unter dem Titel World of Paste-ups internationale Posterkunst. Zu sehen gibt es Paste-ups und Poster von Künstlern aus aller Welt, die eingesendeten Arbeiten hängen Metzgerei-Schnitzel-typisch, wild collagiert und einigermaßen unpretentiös an den Wänden des Kunst- und Kulturverein in Friedrichstadt.
Wir waren auf einen Sprung dort und haben ein paar Bilder der Vernissage mitgebracht.

Die Ausstellung ist offen kuratiert, jeder der es geschafft hat ein Poster zu falten und unter dem Stichwort: World of Paste-ups an die Metzgerei Schnitzel e.V. zu senden war dabei.
Gelungen ist das offensichtlich Amelie van de Kat, Anna Nwaada Weber, B., Bartotainment, Bädboy, Becker Rap, Bird is the word!, bld, Christian Bartelt, CREM´S, CRIN, Decycle, Destroy, Dustin Stupp, ESSEGEE.FRA, i am Gipsy, Inken Heske, JASE 34, Killa Kontrovers, Klappstuhl, kurznachzehn, Leni Chu, L.E.T., Lütze, M. Amarant, Majo Brothers, Max, Mittenimwald, MOH one, Mono Lisa, NOIR, Oldhaus, Printkind, Quint, Reflect, Rofu, Sadam, SOE 05, Tarkinson, Theo P., Tomsk 7, Tona.

World of Paste-ups
vom  1. Juni bis 30. Juni 2012

Brause / Metzgerei Schnitzel Kunstverein e.V.
Bilker Allee 233
40215 Düsseldorf
https://www.facebook.com/brause.metzgereischnitzel