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I love Pubertät im Kunstverein Schwerin

Wer uns und unseren Blog etwas länger kennt der weiß, dass wir nicht nur online und digital aktiv sind, sondern immer wieder gerne den Platz hinter dem Schreibtisch verlassen um Projekte draußen, in der analogen Welt zu realisieren. Ein solches Projekt aus dem Umfeld der perisphere ist die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Schwerin.

Julia Wirxel, die Organisatorin, ist nicht nur Berliner Korrespondentin unseres feinen Blogmagazins, sondern darüber hinaus auch noch Leiterin des Kunstvereins in Schwerin. Dort läuft bereits seit dem 21.06. eine Ausstellung über ein Thema, welches bei den allermeisten Leserinnen und Lesern bewegende Erinnerungen hevorrufen dürfte, die im Rückblick zwar durchaus belustigende Seiten entwickeln, im erlebten Moment selber aber oft alles andere als komisch, dafür aber hinreichend peinlich waren.

Kunstverein Schwerin - I Love Pupertät

Unter dem Titel ‚I ♥ Pubertät‚ präsentiert der Kunstverein Schwerin künstlerische Positionen von Heike Kati Barath und Joachim Weischer zu einer Zeit der Ersten-Male, der knallroten Köpfe und der abenteuerlichen Experimente mit sich, der Familie und den Anderen. Im Fokus der Ausstellung stehen aber weniger die konkreten Probleme junger, mit sich und der Welt ringender Heranwachsender, vielmehr geht es um allgemeingültige Fragen zum sozialen Kontext dieser wildschrägen Phase des Lebens.

Wie kann man die Pubertät lieben? Liebt man nicht eher New York? Und wer liebt sie, die Pubertät? Die Pubertierenden? Oder ihre Eltern? Oder die stets Junggebliebenen? Drückt man aufgrund der emotionalen Unvorhersehbarkeiten doch den Dislike-Button? Wie ist der Geschmack von Adoleszenz? Oder denken wir an Martin Kippenbergers Ausstellung „Durch die Pubertät zum Erfolg“?

Neue medizinische Entwicklungen versprechen Medikamente, die nach Lust und Laune eingesetzt werden könnten, um die Pubertät bei Kindern auszulösen, zu stoppen oder zu beschleunigen. Noch muten diese Möglichkeiten bizarr an. Bei Mädchen, die zu groß werden, wird die Pubertät bereits früher ausgelöst, um ihr Wachstum zu reduzieren (siehe den Film Tall Girls, 2012).

Und was ist mit der sozialen Pubertät? Diese verlängert sich, genau wie die körperliche stetig früher beginnt. Da ein jeder sich an die Wirrungen der eigenen Pubertät erinnern kann und Kunst per se einen Freiraum bereithält „anders“ zu sein, bietet sich eine Verschränkung von Kunst und Pubertät geradezu an. So sind die Positionen von Heike Kati Barath (*1966) und Joachim Weischer (*1971) als exemplarische zu begreifen. In ihrer Ausstellung kann man sich auf die Suche nach dem Pubertären begeben und in ihren Gemälden Verwandlungen vorfinden, die hormonell, mythologisch oder dämonisch bedingt sein können. Auch (Puber-)Tiere sind von den Transformationen nicht ausgenommen. Auf den Bildern der Künstler tummeln sich Teenager, die mit außergewöhnlichen Materialien versehen sind oder aus ihnen entstehen. Lange Silikonfäden werden bei Barath plastisch zu einzelnen Haaren. Ebenso unterstützt das Material Bauschaum verschiedene Metamorphosen. Joachim Weischer bearbeitet  vorgefundene Fotografien mit Knetmasse, fotografiert diese „Reliefs“ dann wieder und erzielt damit erstaunliche Ergebnisse. Die Haptik des Dreidimensionalen fügt sich bei ihm –  im Gegensatz zu Barath – wieder ins Zweidimensionale.

In beiden Werken sind kunsthistorische Referenzen zu finden, neben der Moderne wird die Pop Art thematisiert, als eine Referenz ist Philip Guston zu nennen, dessen Arbeiten zwischen Figuration und Abstraktion changieren. Interessanterweise haben fast alle Arbeiten der beiden Künstler keinen Titel, um eine größtmögliche Offenheit zu der in den Werken angelegten Erzählung, wie beispielsweise von Märchen, zu behaupten.

Generell wird eine Haltung spürbar, die Menschliches und Existentielles thematisiert und auch vor Abgründen nicht Halt macht. Übergangsphasen von der Kindheit in das Erwachsenendasein werden auf poetische Weise sichtbar, die die Pubertät als Metapher für das Leben und seine Herausforderungen schlechthin bereithält.

Joachim Weischer, Ohne Titel, 2008, Digitaler-C-Print
Heike Kati Barath, o.T., 2011, Acryl Fugendichter auf Leinwand

Programm

Freitag 29.06., 20 Uhr
Girls, Boys & Teenwolves. Monstrous Gender im Werwolffilm, ein Vortrag von Dr. Julie Miess, Literaturwissenschaftlerin, Berlin

Mittwoch 04.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, Chihiros Reise ins Zauberland, JP, 2001, Regie: Hayao Miyazaki

Freitag 13.07., 20 Uhr
Ein Kurzfilmabend zum Thema Pubertät von Nicole Rebmann, u.a. Kurzfilmtage Oberhausen

Mittwoch 18.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, So finster die Nacht, SE, 2008, Regie: Tomas Alfredson

Sonntag 29.07., 17 Uhr
Künstlergespräch mit Heike Kati Barath

Kunstverein Schwerin
Spieltordamm 5
19055 Schwerin
0049 (0)385 521 3166
www.kunstverein-schwerin.de