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Baustelle Schaustelle in Essen – Ein Gespräch mit Brigitte Krieger

Fotos: Stefanie Pluta

 

Emmanuel Mir: In der Regel werden Off-Räume oder Projekträume von Künstlern gegründet, seltener auch von Kunsthistorikern. Nun gehörst Du weder zu der einen noch zur anderen Kategorie. Was hat Dich bewegt, die „Baustelle Schaustelle“ zu gründen?

Brigitte Krieger: Vor der Baustelle Schaustelle hatte ich schon ca. 5 Jahre lang Ausstellungen im Amtsgericht Langenfeld kuratiert – ein in mehrerer Hinsicht sensibler Ort. Der Off-Raum in Essen ist entstanden, weil mir einerseits den Raum zur Verfügung stand und ich andererseits über eine lange Liste von interessierten KünstlerInnen verfügte, die ich gerne zeigen wollte. So kam es zur Eröffnung in 2007. Es waren die Jahre, in denen viele Kunstsammler ihre eigenen Museen aufbauten. Da hätte es auch genug Raum in der Brigittastraße gegeben. Das war mir aber nicht spannend genug. Die Bestände der Sammlung Krieger waren alle schon lange angesehen und mein Bedarf nach ihnen nicht vorhanden. Dann doch lieber Förderung junger KünstlerInnen mit immer wieder neuem Input für mich und andere.

Du besitzt also auch noch eine Sammlung?

Die „Sammlung“ Krieger haben mein Mann und ich ab den 80er Jahren zu unserem Vergnügen erworben. Wir haben nie aus kommerziell technischen Gründen eine Arbeit gekauft, sondern nur, was uns zum jeweiligen Zeitpunkt interessiert hat und für eine junge Familie erschwinglich war! Es hat sich eine ziemlich große Menge an Arbeiten angesammelt, viele Fotoarbeiten dabei, auch Malerei, Zeichnung u.a.m.. Skulptur und Installation ist weniger möglich, das Haus bietet kaum Gelegenheit dazu. Die größten Arbeiten, die uns gehören, sind an die Kanzlei ausgeliehen, in der mein Mann Seniorpartner ist. Die anderen sind auf Lager. Nur wenige befinden sich bei mir im Haus oder in der Wohnung meines Mannes.

 

Zu Deiner Person: Welche Hintergründe hast Du? Wie bist Du auf die Kunst gekommen?

Mein Kunstinteresse geht auf die Förderung meines Vaters zurück, der mich schon als kleines Mädchen sonntäglich mit ins Folkwang-Museum und andere Ausstellungen nahm – übrigens auch mit in Theater, Oper und Konzerte. Viele Museen im Ruhrgebiet kenne ich von daher schon lange. Bei mir hat es immer Kunst an Wänden gegeben – ich arbeite u.a. auch an Konzepten von  Beleuchtung bildender Kunst, an Lichtkonzepten überhaupt, genauso wie an Interior- und Exteriordesign.

Welche Struktur hat die Baustelle? Wie sind die Aufgaben in Deinem Team verteilt?

Wir haben uns die Arbeitsbereiche je nach zeitlichen Möglichkeiten und Interessen aufgeteilt. Stefanie und Susanne, die seit fünf Jahren im Team sind, haben meist die direkten Künstlerkontakte, Alex bearbeitet die Büroangelegenheiten und Eckhard betreut die Website. Und jeder springt bei jedem ein, alle teilen sich die Aufgaben beim Fotografieren der Ausstellungen, alle reden bei den Ausstellungs- und Kunstpreiskonzepten mit. Wir arbeiten nach einem Konsensprinzip. Und ich? Mache das Networking, bringe Nachrichten über interessante KünstlerInnen von außen in die Runde und sage auch schon mal nein! Und natürlich muss ich den Finanzrahmen betreuen. Seit März sind wir ein gemeinnütziger Verein mit neuen Möglichkeiten, aber auch vielen neuen Anforderungen.

 

Habt ihr eine konzeptuelle Linie? Werden bestimmte Medien oder Themen bevorzugt? Und: Wo kommen die Künstler her, die Du ausstellst?

Nein, wir haben uns keine Konzeptlinie gegeben und wir bevorzugen auch keine Medien oder Themen. Themenausstellungen gab es zu den drei bisherigen Kunstpreisen, sonst nie. Es zeigt sich allerdings, dass Installationen unter Einbeziehung des Raums weit überwiegen. Bisher mussten wir aus Sicherheitsgründen leider technische Medien in der Dauerausstellung auslassen (da werden wir aber umstellen).

Unsere Künstler bewerben sich bei uns oder werden von mir  / uns eingeladen. Sie kommen aus Düsseldorf, Essen, Münster, Berlin, Braunschweig, Karlsruhe, Köln, Frankfurt, Hamburg, aus den Niederlanden, Italien, Dänemark, eigentlich aus ganz Europa. Einige kommen sogar aus Lateinamerika oder aus Israel…

Luca Vanello

Warum? Befürchtest Du, dass eingebrochen wird?

Wir haben bisher technische Medien nur einbezogen, wenn sie durch die Künstler nach der Eröffnung wieder abgebaut und gesichert werden konnten.
Einige haben dann ein Substitut an die Stelle gebracht (Tine Bay Lührsen, die den Beamer zur Projektion ihres Besens – Teil der Installation –  wieder abgebaute und an Stelle dessen einen realen Besen an die Wand lehnte. Wir konnten und können keine Verantwortung für Arbeiten und Geräte übernehmen. Und Leute, die auch für einen kleinen Ertrag die Scheibe einschlagen, gibt es immer mal.

Wir werden in 2013 den Kunstpreis für Videoarbeiten ausschreiben. Die Präsentationen können dann nur ein Wochenende stattfinden und wir werden alle Technik sichern.

Aussenansicht – Erika Hock: Cool Tools

Den Kunstpreis für Video? Das klingt ja interessant…

In den vergangenen Jahren haben wir regelmäßige Preisverleihungen für Nachwuchskünstler veranstaltet. Dabei legen wir jedes Mal einen neuen thematischen Schwerpunkt. Der erste Preis 2010 bezog sich auf die Region, die Stadt und den Raum. Nicolas Pelzer, Matthias Wollgast und Rimma Arslanov
wurden Laureaten. Ein Jahr später wurden Künstlerduos, also solche, die wirklich gemeinsam arbeiten, gefordert und Adrian Davila und Carolina Pinzon, sowie  die Raumzeitpiraten mit Tobias Daemgen und Moritz Ellrich bekamen den Preis. 2012 konnten sich Künstler für den Schaufensterraum, genannt „Schaustelle“, oder den hinteren Raum, den wir durch eine Wand abgetrennt hatten und als „Baustelle“ genannt haben, bewerben. Laureaten wurden diesmal Luca Vanello und Cornelia Fachinger. Und für 2013 eben ein Preis für Videokünstler.

Nathalia Stachon

Wie schätzt Du die Kunstszene in Essen ein? Wenn ich mich nicht irre, ist die Baustelle das einzige Off-Projekt der Stadt, oder? 

Die Kunstversorgung in Essen wird hauptsächlich durch das Folkwang-Museum bestimmt. Es fördert, unterstützt und fordert. Leider ist in den vergangenen Jahrzehnten einiges versäumt oder auch unnötig vernachlässigt worden. Die Szene, die ich bei meinem Umzug nach Düsseldorf im Jahr 1983 verlassen habe, war lebendig. Die, die ich 2007 wieder vorgefunden habe, konnte und kann immer noch starke Förderung brauchen. Seit einiger Zeit  kommt die Kunst wieder aus ihren Winkeln hervor, ganz langsam.

Leider hat 2010 (gemeint ist die Ernennung von Essen und dem Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas, Anm. d. Red.) für die zeitgenössische Kunst nicht den Anstoß gegeben, den das Ruhrgebiet hätte aufnehmen können. Dann gibt es immer wieder temporäre Ausstellungssituationen von Gruppen, verstreut über die ganze Stadt. Auf Zeche Carl hat sich wieder eine Gruppe zusammengefunden, die auch KünstlerInnen aus Düsseldorf u.a. einladen. Diese Gruppe war vorher direkt bei uns in der Nähe – das war klasse, weil die Eröffnungen zum gleichen Zeitpunkt stattfanden und viel Publikum zogen.

Brigitte Krieger

 
Und zum Schluss: Was steht in den kommenden Wochen für euch an ?

Wir werden im Januar eine Künstlerin vom Goldsmith College London ausstellen und direkt anfang februar im großen parallelraum zwei künstler, die mit digitalen medien arbeiten. heisses thema, s. heuteige FAZ Sonntag. es bleibt lebendig bei uns.