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Nesha Nikolic ZEITLOS

Guter, weil sperriger Mann, arbeitet derzeit im Kunstverein Kölnberg. Die nachfolgenden Bilder sind aus der Performance „Babyx“ 2014 vom Abend der Ausstellungseröffnung (05.12.2014). Den unten angehängten – im übrigen absolut empfehlenswerten – Text, habe ich mir von der f***book-Seite gezogen, kann den Autor, welcher unter dem Text mit NATHALIE C. DIMIC versehen ist, aber leider nicht ganz zu ordenen (Original hier). Danke in diesem Fall an den oder die Verfasserin des Textes.

Am kommenden Samstag, den 13.12.2014 ist im Rahmen der Finissage ab 19 Uhr ein 10-stündige Performance angesetzt. Infos dazu auf f***book. Klingt, wie ich finde vielversprechend, zumal dann, wenn man so in etwa eine Ahnung davon hat, was bei diesem Teufelskerl sonst so geht. Ich erinnere mich an einen Abend im Foyer am Worringer Platz, da wollte er an einem um den Bauch geschnallten Propeller über die Tanzfläche fliegen …

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DIE HÖLLE, DAS SIND DIE ANDEREN [1]

BEMERKUNGEN ZUM KÜNSTLERISCHEN SCHAFFEN VON NESHA NIKOLIĆ ANLÄSSLICH DER AUSSTELLUNG ZEITLOS IM KUNSTVEREIN KÖLNBERG

Im Zentrum der Ausstellung ZEITLOS steht das ständig variierende Spannungsgefüge zwischen Individuum, Natur und Kultur. Was war der Mensch, was ist der Mensch und was wird er sein? Die menschliche Existenz ist an Zeit und Raum gebunden und überaus begrenzt. Der Mensch ist Produkt der Gesellschaft, in der er lebt, und zugleich Erschaffer und Gestalter seines Umfelds und seiner Kultur.
Manipulation, Krieg, Glaube, Entfremdung, Vergänglichkeit – das sind die großen Themen, die Nesha Nikolić in seinen Arbeiten durchexerziert, wobei er in seinen Performances nicht davor zurückschreckt, diese auch radikal am eigenen Körper zu erfahren. Der 1975 in Düsseldorf geborene Künstler mit serbischen Wurzeln hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und war Meisterschüler von Georg Herold. Mit seiner Kunst möchte er auf gesellschaftliche und politische Phänomene aufmerksam machen und aufzeigen, wie sich der Mensch zunehmend von sich selbst entfremdet. Ist es nicht erstaunlich, wie der Mensch vor allem das leugnet, was ihn zum Menschen macht? Atmen, Schwitzen, Stoffwechsel, Altern, Sterben – all das gehört zum menschlichen Leben dazu, mehr noch: nur dadurch können wir leben. Aber genau das sind die Dinge, die uns zuwider sind und für die wir uns schämen.

Die Arbeiten HELPING YOURSELF TO HELP THE OTHERS (2012) und LAZAR FOREVER IV (2013) führen eindrücklich vor, dass der Mensch der größte Feind des Menschen ist (A. EINSTEIN): Die Suche nach immer perfideren Techniken, um die Natur zu beherrschen, Menschen zu töten und die eigene Macht bis ins Unermessliche zu steigern, das scheint die vernichtende Essenz des Menschen zu sein. Oder wie sonst kann man Kriege, Atombomben und Massenvernichtungslager erklären? Sind die Hölle wirklich immer die Anderen (J.-P. SARTRE) oder schaffen wir uns nicht selbst unsere ganz persönliche Hölle?

In dem Film FULL METAL JACKET (1986) über den Vietnamkrieg zeigt Stanley Kubrick anschaulich, wie Soldaten zum Morden präpariert werden: In einem ersten Schritt werden sie erniedrigt und ihrer Selbstachtung beraubt. Dann wird ihr Denken manipuliert, ihr Fühlen pervertiert und ihre Tötungshemmung systematisch abgebaut. LAZAR FOREVER IV steht für den über- lebenden Soldaten, der sinnbildlich „im Arsch“ ist. Wir wissen nicht, ob er ein gefeierter Heimkehrer oder ein geschundener Verlierer ist, aber wir spüren seine tiefe Trauer über die Absurdität seines Daseins. Ob Gewinner oder Verlierer, rein menschlich gesehen, kann man im Krieg nichts gewinnen, sondern nur verlieren.

HELPING YOURSELF TO HELP THE OTHERS verdeutlicht das (selbst-)zerstörerische Potential des Menschen nicht durch die plastische Konfrontation mit Destruktion und Verstümmelung. Vielmehr liegt die Dramatik in der Aufforderung selbst aktiv zu werden: In einem Wandkasten stehen Instrumente und Substanzen bereit, um dem eigenen Dasein ein Ende zu setzen. Das Perfide: Sie verheißen ein qualvolles Ende, dass sich nicht allein für denjenigen vollzieht, der der Aufforderung folgt, sondern sich auf andere überträgt und epidemienhaft ausbreitet.

SOKRATES (2014) zieht durch das Motiv der Kreuzigung eine Parallele zwischen dem griechischen Philosophen und Jesus Christus, deren Leben, Lehre und Tod tatsächlich zahlreiche Überschneidungen aufweisen: Sie beide entstammten einer Handwerksfamilie und besaßen eine unbeirrbare moralische Urteilskraft. Sie rangen nach Erkenntnis und erhoben das Gute zur Handlungsrichtschnur, wobei sie beide den Schwerpunkt ihrer Lebensprinzipien von der äußeren Welt auf die innere Ebene des Herzens und des Gemütes legten. Gemeinsam war ihnen auch die Anklage und der juristische Prozess, an dessen Ende das Todesurteil stand: Ihr gewaltsamer Tod ist zum Anfang ihrer Unsterblichkeit geworden.

In der Installation SOKRATES verdeutlicht Nikolić den Moment des doppelten Justizmordes (von Sokrates und Jesus). Die Verurteilung ist aber noch nicht abgeschlossen und sein Sokrates ist des Philosophierens noch lange nicht müde: Der Besucher kann die Bestrafung vermehren, indem er den Gekreuzigten mit Dartpfeilen bewirft. Nikolić zeigt, wie schnell sich der Mensch zum Richter erhebt und letztendlich zum Mittäter wird. Ist es nicht einfach, über 
jemanden zu urteilen, der bereits verurteilt ist? So verweist die vielschichtige 
Arbeit auch auf die biblische Erzählung der Ehebrecherin: Die bereits Verurteilte
soll gerichtet werden, und die Selbstgerechten erbeten von Jesus die 
Absolution. Er aber spricht: „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“.
Fernab seichter Schönmalerei schafft Nesha Nikolić installative und performative Arbeiten, die es in sich haben: Sie versprühen eine unaufhaltsame Dringlichkeit. Schwerlich kann man sich ihrer Präsenz entziehen und sie lösen scheinbar gegensätzliche Emotionen wie Befangenheit, Irritation, Trauer und Empörung aus.
Es ist das in den Arbeiten enthaltene Widerstandspotential, welches zu Ablehnung, Verständnislosigkeit oder Zustimmung führt. Nesha Nikolić stellt sich den quälenden Realitäten des Lebens: Entfremdung, Manipulation, Krieg. Seine unermüdliche Antwort darauf lautet: Résistance.

NATHALIE C. DIMIC

[1] Aus dem 1945 erschienen Drama Huis clos (dt.: Geschlossene Gesellschaft) des französischen Schriftstellers und Philosophen Jean-Paul Sartre.

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Nesha Nikolic ZEITLOS
Eröffnung: Freitag, 05.12.2014, 19 Uhr  | Performance 20 Uhr
Finissage: Samstag, 13.12.2014, 19 Uhr  | Performance 20 Uhr
Ausstellung 06.12 bis 13.12.2014
Aachener Strasse 66,
50674 Köln