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Damian T. Dziwis „return void;“

„return void;“

Als Teil der vergangenen THE WRONG Biennale installierte der Künstler, Programmierer und Komponist Damian T. Dziwis die Routerbasierte Netzkunst-Show „return void;“ mit Arbeiten von Alka Cappellazzo, Damian T. Dziwis, Marco Kempf, Kathi Schulz, Tabitha Swanson, Moisés Horta Valenzuela und Simon Zimmermann im ZKM in Karlsruhe.

„return void;“ im ZKM in Karlsruhe


Wir hatten ebenfalls einen solchen Router hier im NRW-Forum platziert und auch drüber geschrieben, wer dazu mehr wissen möchte klickt bitte hier.
Nun ist „return void;“ in der Gallery Gallery in Sofia, Bulgarien zu Gast. Aus diesem Anlass habe ich mich mit Damian über Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Muster und Kommunikation unterhalten.

FK:  grob um was geht es in der Show und warum der Titel ‚return void‘? 

DTD: Der Titel ist ja sowas wie ein informationstechnisches Paradoxon – in einer Funktion ohne Rückgabewert das „Nichts“ zurückgeben. Etwas was so eigentlich keinen Sinn ergibt und trotzdem von einigen Programmiersprachen unterstützt wird; das hat fast schon etwas philosophisches oder sogar esoterisches, was man ja eigentlich in einem so rationalen Umfeld wie dem der Programmiersprachen nicht erwarten würde. 

Die Ausstellung findet ja auch in so einem „Nichts“ statt, ein virtueller „Non-Space“ der nur im temporären Kontext des Betrachters existiert, so lange bis dieser den Browser wieder schließt. Dabei passiert in diesem „Nichts“ dann doch einiges, 5 Werke von 6 verschiedenen KünstlerInnen, und sogar eine komponierende KI die auf Knopfdruck musikalische Untermalung live-coded. Ein zentrales Thema gibt es dabei nicht, mir ging es vielmehr darum verschiedene Formate der digitalen Kunst zu integrieren, so gibt es eine 3D Arbeit, verschiedene KI generierte- und ein interaktives Video, sowie ein Wiki dessen Texte, Bilder und Sounds ebenfalls von neuronalen Netzen generiert sind. 

FK: Es geht ja viel um Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Muster und Kommunikation, wie ist dein Zugang zu dem Thema? 

DTD: Ich komme ja eigentlich zu gleichen Teilen aus dem Ingenieurwesen und der Kunst, da hauptsächlich aus der Musik. Und ob es nun Softwareentwicklung oder algorithmische Komposition war, irgendwie hatte ich immer mit, mehr oder weniger, „intelligenten“ Algorithmen zu tun. Vieles von früher könnte man eigentlich sogar schon als „künstliche Intelligenz“ bezeichnen, dieses Label hatte aber noch nicht die selbe Bedeutung gehabt. Am Ende war es vermutlich ein Stück weit sowas wie „Evolution“, die dazu geführt hat dass bei mir das Interesse für immer intelligentere und autonomere Algorithmen, wie z.B. künstliche neuronale Netze oder evolutionäre Algorithmen weiter gewachsen ist. Heute begleitet mich maschinelles Lernen eigentlich ständig, in der Forschung als auch der Komposition – es macht ja auch irgendwie Sinn den Maschinen mit denen man tag täglich zu tun hat, und die einem eh schon soviel Arbeit abnehmen, auch soviel Autonomität wie eben möglich zuzugestehen. 

FK: K.I. ist generell ein Megahype, alle wollen irgendwie. Unternehmen gehen da mit vielen Milliarden in die Forschung, Künstler versuchen als Solonummer mit dem Macbook mit zu halten. Gibts da für KünstlerInnen eigentlich eine reelle Chance noch was zu reißen, was die Big Player nicht längst gemacht haben? 

DTD: Naja, ich denke die Motivation, Ziele und Umgang der KünstlerInnen mit dem Thema KI dürften in der Regel ja ganz anders aussehen als bei irgendwelchen Tech-Riesen. Und um ehrlich zu sein, ist es ja auch nicht unwesentlich die Forschung eben dieser, die vor vorallem KünstlerInnen den Zugang zu Tools für den Umgang mit KI ermöglicht. Das darf man gar nicht unterschätzen; während die digitale Technik ja im Grunde die Kunstproduktion massiv demokratisiert hat, in dem mit verhältnismässig günstigen und einfachen Mitteln eben viel mehr Menschen als davor Kunst und kreatives produzieren könnten; stellt das Thema KI ja schon noch ein gewisse Hürde dar. Ein Macbook reicht da eben vermutlich nicht aus, man braucht in der Regel ein wenig spezielleres Wissen und Programmierkenntnisse, aber auch einiges an Rechenpower die nicht unbedingt jeder unter dem Schreibtisch stehen hat. Einige Tech-Riesen, aber auch kleinere Unternehmen, schaffen da schon einiges an Abhilfe durch das entwickeln von high-level Programmbibliotheken oder kompletter Software, als auch dem bereitstellen von Rechenleistung.

Dabei sind es keineswegs nur die Künstler die davon profitieren, die Kunst wurde stellenweiße zu einem regelrechten Katalysator in der KI-Forschung. Es ist ein wenig wie damals mit den ersten Computersystemen, neben natürlich der Wissenschaft und vor allem dem Militär, war es eben auch die Kunst die sehr früh Interesse an der neuen Technologie gezeigt hat und für einigen Innovationsschwung sorgte; wer weiß, vielleicht würde der Computer auch Heute nur Excel und ähnliches können, wäre da nicht die Kunst gewesen. 

FK: Und natürlich generell die Frage, ist das nur Hype oder tut sich da wirklich was interessantes und nachhaltiges? 

DTD: Wie nachhaltig das ganze sein wird, wird sich natürlich noch zeigen müssen. Interessantes und spannendes lässt sich jedoch vielfach finden! Natürlich, je mehr unter dem Label KI getrieben wird, erscheint einem einiges vielleicht redundant und belanglos, das Thema KI nur noch als Selbstzweck; aber so ist es doch irgendwie schnell mit vielem, davon sollte man sich denke ich nicht abschrecken lassen. Tatsächlich glaube ich sogar das KI das Potential zu einem Meilenstein in der Kunstgeschichte hat. Irgendwie erscheint einem die Entwicklung ja schleichender als man es sich damals mit dem Einzug der analogen als auch digitalen Elektronik vorstellt – aber vielleicht wirken die Dinge Rückblickend immer einschneidender. Vielleicht wird ja KI der Schlüssel für diese Sehnsucht nach dem „Neuen“ – und vielleicht Gleichzeit auch der Punkt an dem sich die Künstler selbst abschaffen. Das ist ein wenig wie mit dieser Angst vor der technologischen Singularität, dass der Mensch aus seinem Gottkomplex heraus solange danach strebt eine autonome Entität zu erschaffen bis diese eben das Ende der Menschheit bedeutet. 

FK: Deine Einschätzung zur kybernetischen Lage: Wäre K.I. in der Lage die Welt zu steuern und falls ja besser oder schlechter als Menschen? 

DTD: Das wäre ja mein heimlicher Traum, eine technokratische Gesellschaft gelenkt von KI-basierten Expertensystemen. (haha) Auch wenn es bereits einige Studien gibt, mit Simulationen von z.B. sehr erfolgreichen Ökonomien gesteuert von autonomen Agenten, und komplexe Optimierungsprobleme ja auch eine Kernkompetenz von Machine Learning Algorithmen sind; vergeht sicherlich noch einige Zeit bis diese den grad an Autonomität haben als dass wir Politiker durch sie ersetzten könnten. Tatsächlich wird aber ohnehin schon heute sehr viel, zumindest indirekt, durch KI-Systeme gesteuert. Ob nun in der Politik oder unserem Alltag, auch wenn immer noch ein Mensch dazwischen steht, fallen sicherlich viele, auch schwerwiegende, Entscheidungen mit Vertrauen auf Berechnungen, Prognosen und Empfehlungen verschiedenster KI-Systeme. Auch wenn wir sie vielleicht noch nicht so stark wahrnehmen, sind sie schon lange mitten unter uns. (haha) 

FK: Falls ja, würdest Du das als Option akzeptieren können dass eine Maschine politische Entscheidungen fällt?

DTD: Man akzeptiert ja politische Entscheidungen im Grunde gerne mal sofern sie sich denn mit den eigenen Ansichten decken. Ich denke aber schon dass eine Maschine prinzipiell bessere Entscheidungen treffen könnte als so mancher Politiker, vor allem würde sie es aber vermutlich nicht aus eigenem Nutzen oder für die Interessen bestimmter Gruppen tun. Es schwingt ja immer so eine Besorgnis mit, dass bei einer rein rationalen Entscheidungsgrundlage wenig Platz für soziales und humanitäres bleibt, aber vielleicht sind eben die Probleme in den Bereichen ja auch nur die Konsequenz einer irrationalen und selbstsüchtigen, menschen gemachten,Politik.

Fk: das ist eine schöne idee, den maschinen autonomie zu zugestehe, sozusagen als gegenleistung für ihre arbeit. aber es entspricht natürlich nicht ganz der vorherrschenden konzeption dass der mensch die eigene autonomie gegenüber den maschinen und algorithmen bewahren müsse, dass diese autonomie bedroht sei durch die computer.

wie siehst du das, büssen wir menschen nicht eigene autonomie wenn wir den maschinen zu viel geben?

DTD: Naja, ich denke das war schon immer ein entsprechend kontroverses Thema. Die Abhängigkeit von Technik – und damit meine ich nicht Menschen die einen Großteil ihrer Zeit mit dem Konsum von Social-Media und sonstigen digitalen Medien verbringen. Vor allem wenn es mal wieder zu einem Unfall kommt der auf technischen Versagen von z.B. Steuerungs- und Assistenzsystemen zurück zu führen ist, entfacht ja immer wieder die Diskussion ob wir uns nicht zu sehr auf die Technik verlassen – besonders dann wenn man bei Einzelfällen davon ausgeht dass ein Mensch es eigentlich hätte besser wissen müssen. Das können sehr banale Sachen sein, wie Autofahrer die sich von ihrem Navigationssystem zu fatalen Manövern leiten lassen, aber auch in vielen Bereichen stark von nahezu kompletter Autonomität geprägt sein; vor allem in der Luftfahrt, Industrie, und sicherlich bald schon beim autonomen Fahren. Selten wird dabei berücksichtigt wie viel höher sonst vielleicht die Zahl des menschlichen Versagens sein könnte, wenn wir diese autonomen Systeme weglassen würden. 

In der Kunst ist dieses Aufgeben der Autonomität sicherlich ganz anders motiviert, ich will da gar nicht für alle KünstlerInnen sprechen, aber ich denke die wenigstens wollen sich dabei vor Fehlern bewahren. Viele die ich kenne nutzen es im Grunde auch eher nur wie ein Tool, etwas das z.B. schnell eine hohe Quantität an Material erzeugen kann, Samples oder Texturen und ähnliches, dass dann im eigenen Schaffensprozess verwendet wird. Meine Motivation, die mich allgemein zur algorithmischen Komposition und ganz speziell zu Machine Learning brachte war, neben konzeptionellen Aspekten die das Themenfeld aufmacht, vor allem der Umgang mit Entscheidungen die während des Arbeitsprozesses entstehen. Ich denke das wird  nicht nur in der Komposition so sein – egal wie überlegt und konzeptionell man arbeitet, man wird in seinem Prozess immer wieder mal mit Entscheidungen konfrontiert die man nicht rational begründen oder entscheiden kann – es gibt dann sicherlich KünstlerInnen die diese Entscheidungen mit einem „Gefühl“ oder Intuition erklären, vielleicht ist das für viele Rezipienten auch immer noch das was eine gewisse „Magie“ in der Kunst ausmacht, für mich war das aber immer ein Stückweit unbefriedigend. Diese Entscheidungen dann an einen Algorithmus „out-zu-sourcen“ fühlte sich irgendwie richtig an – selbst wenn mir die Ursache die zu einem Ergebnis führt selbst nicht bekannt ist, wie das z.B. schnell bei künstlichen neuronalen Netzen der Fall ist, oder bewusst Zufällig, wie bei aleatorischen Algorithmen, es fühlt sich zu keinem Zeitpunkt Willkürlich oder gar Esoterisch an. Auch wenn diese Technologien als unterstützende Tools recht spannend sein können, ist es denke ich erst das Abgeben (und viel mehr Aufgeben) von künstlerischen Entscheidungen, und damit ein wenig der eigenen Autonomität, die zu einer Disruption im künstlerischen Schaffensprozess führt.

FK: sehr schön! die maschine bzw die algorithmen also nicht als konkurrent sondern quasi als schöpferische co-autoren. aber trotzdem was ist nun mit dem bauchgefühl und der intuition? das ist doch das was den menschen immer noch auf absehbare zeit von der maschine unterscheidet. sollten wir das nicht vielleicht eher trainieren und bewahren?

DTD: Das verschwindet ja nicht – selbst wenn Computer mal zu so etwas (ähnlichem) in der Lage währen. Was die Kunstproduktion angehet, und da will ich eigentlich auch nicht zu verallgemeinern oder für alle sprechen – aber irgendwie ist dieses romantisierte Bild vom Künstler der sich wie in Trance von seinem Unterbewusstsein leiten lässt um all seine inneren Gefühle zum Ausdruckt zu bringen, vielleicht ein wenig überholt. Oftmals finde ich Arbeiten, die sich konkreter mit Inhalten auseinander setzten oder von interessanten Prozessen geprägt sind, spannender als wenn es nur darum geht Emotionen zu erzeugen oder zu vermitteln. Dabei haben sich, zumindest für mich, KIs und sonstige Algorithmen als gute Kooperationspartner herausgestellt.

return void; can be seen online and via our gallery router.
14-09-2020 – 11-11-2020

Curator: Damian T. Dziwis
Artists: Alka Cappellazzo, Damian T. Dziwis, Marco Kempf, Kathi Schulz, Tabitha Swanson, Moisés Horta Valenzuela and Simon Zimmermann