flip_to_frontAUTOMATIC DREAMS in der Galerie Wundersee

Fotocredit Thomas Riedel aka Droidboy

Ein großer Stratege war ich nie, gerade in der Kunst verhielt es sich oft so, dass Dinge wenn sie mal als Idee ausformuliert und in die Umsetzung gehen sollten, eigentlich schon ihren Reiz verloren hatten. Es wurde dann Arbeit, und gleichwohl ich eigentlich gar nichts gegen Arbeit habe, wollte ich das in der Kunst eben nie. Kunst das war und ist für mich eine mäandernde Sound-, Text- und Bildspur die sich mal lauter und mal leiser durch das Leben zieht, die manches aufnimmt, vieles reflektiert und vor allem aber Energien als Artefakte externalisiert.

Die Dinge tun um sich von ihnen zu lösen und damit Raum für Neues zu schaffen, dass war immer ein Weg für mich. Das Netz ist dafür gut geeignet, die digitalen Werkzeuge sind billig, schnell aber dennoch mächtig und über das Internet gehen die Sachen zügig und einfach raus. Ich mochte das immer gerne künstlerisch so zu arbeiten, eben ohne große Planungen und wenn ich doch mal welche machte verwarf ich sie meistens, sobald das Interesse für neues Anderes geweckt wurde.

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Photon Icon – Start des Darktaxa-Projekts

Photon Icon ist der Titel der aktuellen Show in der Galerie Falko Alexander in Köln und zu sehen bis Ende Juni 2019. Die Ausstellung ist Teil des langfristig angelegten und von Michael Reisch initiierten darktaxa Projekts.
Ich habe mich mit Michal über das gesamte Projekt und die Show unterhalten.

FK: Was war der Anlass der Ausstellung? Wie kam es zu dem Projekt?

MR: Das Ganze nennt sich darktaxa-Projekt, und die Ausstellung Photon | Icon ist offizieller Start dieser größer angelegten Sache, siehe auch darktaxa-project.net im Netz. Dort bringe ich befreundete aber auch eigens angefragte KünstlerInnen, sowie TheoretikerInnen, Galerien und Institutionen zusammen, die sich genau wie ich im Bereich Digital Imaging und „Fotografie“ bewegen oder sich dafür interessieren. Ich habe Falko Alexander dann einen Vorschlag für eine gemeinsam kuratierte Ausstellung gemacht, die im Mai 2019 realisiert worden ist.

FK: Wieso machst Du das gerade zum jetzigen Zeitpunkt?

MR: Zur Motivation muss man sagen, dass es aus meiner Sicht auf diesem Gebiet, obwohl es hochaktuell ist, eine Art von signifikanter Leerstelle gibt. Auf theoretischer Seite ist zwar sehr viel Erhellendes über diese Schnittstelle „Fotografie“ – Digitalität gesagt worden, jedoch geht es da sehr oft um „Fotografie“ im allgemeinen Gebrauch. Gleichzeitig sind auf KünstlerInnenseite eine bemerkenswerte Anzahl konzentrierter und substanzieller Werkkomplexe zur Digital-Imaging – „Fotografie“-Thematik entstanden, und niemand scheint genau zu wissen, wie damit umgegangen werden soll. Das wird nicht als „Fotografie“ gesehen, da es diese Diskurse auf dem jetzigen Stand sprengt. In die „post-digital“-Schublade passt es irgendwie rein, aber auch nicht so 100-prozentig; ja was ist es dann und wo ist der Platz dafür?

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Alex Nowak – Animal Dictionary im Parkhaus

Die aktuelle Show von Alex Nowak im Parkhaus im Malkasten ist leider vergangenes Wochenende schon zu Ende gegangen. Ich habe mich im Nachgang noch mal ganz kurz mit ihm über seine Arbeit unterhalten.

p: Alex bitte ganz kurz vorab zu Dir, wie ist dein Werdegang?

AN: Ich habe einen Bacheor in Philosophie/Kunstgeschichte an der HHU gemacht. Ich habe an der Kunstakademie Düsseldorf von 2011-2017 Freie Kunst (Malerei und Skulptur) studiert. Ein Semester war ich am Royal College of Art in London. Meine Professoren an der Akademie waren Andreas Schulze und Rebecca Warren.

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Fabian Hesse sagt „Ok Dorothy“

„Ok Dorothy“ – der Titel der aktuellen Show in der Hamburger Galerie Hengevoss-Dürkop – nimmt Bezug auf eine Figur die Fabian Hesse zusammen mit der freien Gruppe o-team (Stuttgart) als Teil des Projekts „3D biohypermedia Theaters“ entwickelt hatte. Die Hauptfigur der Dorothy, ist eine Anlehnung an Dorothy Gale aus dem Märchen „Der Zauberer von Oz“, sie ist Künstlerin und künstliche Intelligenz zugleich.
Ich habe Fabian Hesse 5 kurze Fragen zu seiner Arbeit gestellt und wem das nicht genügt der zieht sich hier via youtube vorab oder danach, wie es eben am besten gefällt, noch das Video des Vernissage. Dort spricht Bettina Steinbrügge die Direktorin des Hamburger Kunstvereins ein paar kluge einleitende Sätze – und Fabian Hesse selber ist auch mal kurz im Bild zu sehen.

fk: lieber fabian, glitch und 3D warum macht dich das so an?

fh: Nein eher sind`s die glatten Oberflächen der Simulationen die einen immer wieder abstoßen – Glitch legt ja als Störimpuls die Konstruktion und Strukturen des Mediums offen, und ist ein Widerstand gegen das Perfekte, Nahtlose. Eigentlich geht es um die künstlerische Aneignung von Technologien die die Welt bestimmen, und andere Umgangsweisen damit zu entwickeln. Mit freiem Experimentieren, das weder nützlich noch smart oder Produkt sein muss, oder z.B. neue Formen des Gemeinguts als digitale Gegenstände und Fablabs. Und natürlich kunstimmanentere Fragen wie die Herausforderung, die Daten als Material an die Kunst stellen, oder der Vorstellung von Kunststoff als Material unendlicher Transformation.

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Sebastian Fritzsch zu Gast in der Wohnung – Finissage am 03.03.18

Erinnerung ist für Sebastian Fritzsch Antriebfeder und Essenz seiner künstlerischen Produktivität. Erinnerung als Bildspeicher, Erinnerung als objekthafte Manifestation, Erinnerung als auratische Be- und Durchsetzung, sind wiederholte Motive seiner Arbeitsweise, die sich in einem mannigfaltigen Werkrepertoire ästhetisch verarbeitet vorfinden lassen. Die in der Ausstellung gezeigten Werke reichen von fotografischen Experimenten, über Tuschezeichnungen zu installativen sowie plastischen Werken und sind aus dem autobiographischen Kontext des Künstlers entstanden. Zentrales Ausstellungswerk ist die fragile Konstruktion eines Etagendoppelbettes aus angebrannten Holzleisten, welches seiner Tragfähigkeit durch die Materialbearbeitung beraubt wurde. Vereinzelt an den vertikalen Streben des Bettes liegen, zunächst unscheinbar, schwarz glasierte Keramiken in Form von überdimensionierten Insektenkokons auf. Der Kokon als natürliches Schutzgehäuse für die Entstehung von Leben und Metamorphose kann als Leitbild für die Bettkonstruktion gelesen werden, als Rückzugs- und Ruheort, Ort des Intimen, des Urvertrauens sowie Zwischenmenschlichen und der größtmöglichen Verletzbarkeit. Fritzsch Doppelstockbett kreiert inmitten der Wohnung mittels materieller Qualitäten und Lichtinszenierung eine beklemmende Atmosphäre, die den gesamten Raum durchdringt und die Erwartungen verkehrt und kippt. Die am Boden platzierten Keramiken scheinen durch die schwarze Farbgebung und gereihte Position eher zum leblosen Gegenstand einer Untersuchung zu werden. Continue reading „Sebastian Fritzsch zu Gast in der Wohnung – Finissage am 03.03.18“

Vlugschrift / Flugblätter bei Pictura Dordrecht

20.2.2018 23:21
fk: liebe birgit, danke dir für das update zu den vlugschriften, schön zu sehen wie es weiter geht! eine frage. sollen wir 4 oder 5 kurze fragen zu projekt machen und dann was auf perisphere.de stellen?
also so bisschen meta-infos.

21.2.2018 07:51
bj: super, machen wir gerne.

21.2.2018 12:34
fk: okay danke. ich sende dir zu.

24.2.2018 18:52
fk: wie kam es zu dem projekt?
bj: Letzten Sommer wurde ich von Barbara Camilla Tucholski zu einem Aufenthalt ins Künstler Gut Loitz e. V., einem kleinen Kunstverein in Loitz an der Peene in Vorpommern, eingeladen. Loitz liegt zwar in der Nähe von Greifswald, einer pulsierenden Uni-Stadt und der Ort, in dem am 5. September 1774 Caspar David Friedrich geboren wurde, ist aber selbst nur ein kleiner Ort – allerdings landschaftlich sehr schön gelegen. Der Kontrast zu meiner „normalen“ Umgebung war riesig. Aber, auch wenn man noch so weit weggeht, irgendetwas nimmt man immer mit. Was ich mitgenommen habe, ist mein Netzwerk, die Künstler, die ich kenne und mit denen ich über das Internet in Verbindung stehe.

fk: warum diese form der auseinandersetzung mit der frage was und warum kunst jetzt?
bj: Ich habe sie angeschrieben mit der Frage, wie sie zu dieser Welt stehen. Ich wollte wissen, ob sie sich ebenso wie ich mit der Gegenwart auseinander setzen, mit den manchmal Besorgnis erregenden Nachrichten, mit philosophischen, politischen, sozialen und ökologischen Problemen, die uns allgegenwärtig umgeben und vor allem mit der Kunst, die irgendwie der Besorgnis dann doch meistens etwas entgegen setzt. Continue reading „Vlugschrift / Flugblätter bei Pictura Dordrecht“

METAMODERNE NOW AND NEVER

‘METAMODERNE NOW AND NEVER — what we definitely do not know about metamoderne.‘ a netart-show on a hacked wifi router at digital3mpire, Düsseldorf on 10th of March 2017. The show was curated by me as a collaboration with the Berlin based router.gallery. Contributing artists: Æther-Design, David Quiles Guillo, Dominik Rinnhofer, ENKI Live, Faith Holland, Götz Gramlich, Igor Stromajer, Julia Vanishtor, Johannes Thies, Jonathan Monaghan, Keren Cytter, Lorna Mills, Marieke Verkoelen, Oliver Haidutschek, Timothy Shearer, Phillip Meier „In the Metamoderne all know everything and all nothing. Complete confusion and total information take place almost parallel, but at least both states change at a so high frequency that they become almost one. The two often-evoked antagonists myth and enlightenment merge into a sticky aesthetic slime, which can only be solved with the utmost effort, which is increasingly permeating our lives. This condition is not always pleasant and – provided that it is not recognized and made aware – permanently extremely stressful and, of course, also harmful to health. In the short and medium term, this leads in each case to individual self-imbalance and social ineffectiveness: a shock stagnation on all levels. It remains the strongly by reflection and ratio suppressed stomach feeling, that something is quite wrong and things should be different. With this feeling we will have to deal with in the coming years in which only two things are certainly safe: 1. No one knows what the Metamoderne is 2. The Metamoderne starts now.“ translation by google A.I. _MG_0238 _MG_0248_MG_0267_MG_0349 _MG_0427_MG_0245_MG_0409 _MG_0258
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The Materialist Postscript

Die Wahrnehmung der Wirklichkeit wurde durch Wiederaufnahme von zuvor insbesondere mit Konzeptkunst assoziierten Strategien und Theorien, durch Massenmedien und soziale Netzwerke, immer mehr auf die gegenständliche Sprache eines Kunstprojektes reduziert. Der Materialismus, die Theorie des steten Flusses und Austauschs von Materie und die damit einhergehenden ideologischen Debatten, haben ihre Allegorie in der Produktion und dem Konsum zeitgenössischer Kunst gefunden. Die stetig wachsendende Masse an Bildern, angetrieben durch Fortschritt in Technik und Kommunikation, scheint geeignet, das philosophische Versprechen eines ästhetischen Staates, regiert von der Macht der Sprache, zu erfüllen.

The Materialist Postscript greift Boris Groys Theorie eines Regimes sprachwissenschaftlicher Verbindungen, die eine gesellschaftliche Einheit zementieren, auf. Dabei betrachtet es sie vor dem Hintergrund einer zeitgenössischen Theorie der Repräsentation, in der Objekte, Zeichen und Symbole Elemente des materiellen Austausches sind.

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Abstrakt kodierte Bedeutung, symbolische Avatare von Kultur und Identität, Ikonen von Sieg, Niedergang und unvollendeten Vorhaben des dialektischen Materialismus, wie auch die visuellen Codes der Welt im Sinne eines materiellen Austausches machen Überlegungen zu den grundsätzlichen Prinzipien des Einsatzes von Sprache in globalen Netzwerken erforderlich und bilden damit die Vorlage für den Materialist Postscript.

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The Materialist Postscript zeigt Arbeiten, die, durch Fotografie, bewegte Bilder, Malerei und Installation, die Theorie der Sprache und Repräsentation in einer globalisierten Welt neu entwickeln.

The Materialist Postscript
15.01.2016 – 06.04.2016


Kuratiert von Intelligentsia Gallery, Peking
Mit den Künstlerinnen Jason Mena, Ju Anqi, Ren Zhitian, Xiao Xiao, Oliver Haidutschek, William Lee, Camille Ayme, Garcia Frankowski, Troyka Union (Lena Tsibizova, Olga Rodina, Anastasia Soboleva)

Galerie Philine Cremer
Ackerstraße 23
40233 Düsseldorf

http://www.philinecremer.com/

One step ahead moving backwards

Beim jüngsten Sommerrundgang der Düsseldorfer Akademie sah man sich in der Klasse von Andreas Gursky von insgesamt 50 Köpfen umgeben: ein Fries aus einzelnen Porträts, Porträts ohne Gesichtszüge, mit glatten Oberflächen, ohne Münder, Nasen oder die vielgepriesenen Seelenspiegel. Einen konzeptuellen Ansatz verfolgend hatte Louisa Clement in etlichen Großstädten Europas über viele Monate hinweg Schaufensterpuppen fotografiert, Farbigkeit und Kontraste überarbeitet und jeder Aufnahme so eine eigene, individuelle Prägung verliehen.

Persönlicher Favorit der Show ist die ortsspezifische Plastik ‚Kopfskulptur auf Sockel vor eigenem Bild‘. Das Arrangement hat einen ganz eigenen charmanten, intelligenten Witz und damit die Kraft die Kunst heute braucht um sich in einer desaströsen Welt zu behaupten.
Aber seht doch bitte selbst in den grünen Spiegel.

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This man loves his job (and the job loves him)

Düsseldorf based artist Johannes Bendzulla did it again, this time at www.parkhaus-duesseldorf.com.
it seems hard but in fact is easy because he is very professional and loves his job. thats the well know secret of this busy man. we all know and love this way! i guess its better to stay in toch, so please dont forget to visit the mentioned tumblr – follow him and stay connected to the success.
this is the international way! why dont you just follow?

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.htaccess FINALE – 23.04.2015

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FINALE .htaccess
Donnerstag 23.04.2015 19 -22 Uhr

https://www.facebook.com/events/1582500188684569/

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.htaccess – Eine Ausstellung vom 06.03.2015 – 24.04.2015 mit post- und prädigitalen Werken im #digital3mpire in Düsseldorf Friedrichstadt. Mit Giulia Bowinkel & Friedemann Banz, Olia Lialina und Timothy Shearer featuring Nikolas Müller.

http://www.artblogcologne.com/besprechung-htaccess/

Finale .htaccess
Donnerstag 23.04.2015 * 19 – 22 Uhr
#digital3mpireKirchfeldstraße 112
40215 Düsseldorf

Akademie der Täuschung

Der Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf im Februar 2015

Es ist immer der gleiche Foo, da führt man ein Leben in einem der wohl reichsten Länder des Planeten in dem angeblich alles-so-Yeah-Wachstum ist, und trotzdem hat man viel zu wenig Zeit und Ressourcen für das Schöne, das Wichtige und das Nutzlose. Die Ästhetik kommt nach wie vor zu kurz in der Welt der Hochleistungsdichter und Denker.
Aber was soll das Palaver? Es ist nun mal wie es ist und so schlimm wie wo anders ist es hier zum Glück lange nicht. Denn wenn schon nicht den Reichtum, so haben wir immer noch den Frieden. Drücken wir also bitte mal alle gemeinsam feste die Daumen, dass es auch so bleibt und drücken wir noch fester die Daumen, dass das Paradigma des Friedens schon bald wieder den derzeit global brutal agierenden Imperialismus als politisches Leitbild verdrängt. Egal wie naiv das nun klingen mag, träumen ist und bleibt erlaubt, und mir hat auch noch keiner schlüssig beweisen können, dass all das hier kein Traum sei. Die Jetztzeit ist real, der Rest immer nur in Form von Spuren der Vergangenheit und Spekulationen über die Zukunft wahrnehmbar. Doch es gilt das universelle Gesetz, selbst nach dunkelster Scheisse kommt immer wieder Sonnenschein. Und das Beuyssche Reagen statt Sonne ist auch Heute noch nicht das Schlechteste für uns – und gut für mich, weil ich darüber nämlich gerade noch so den narrativen Dreh zum eigentlichen Thema hin bekommen: Rundgang Kunstakademie 2015.

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Aber man möge bitte die Politik und den Frieden auch dort nicht vergessen, auch nicht im Kontext der Künste. Dort schon mal gar nicht, denn für diese ist traditionell wenig Platz in Armut und im Bombenhagel. Und ein Flanieren durch die Gänge der Düsseldorfer Akademie macht um ein vielfaches mehr Freude wenn es nicht durch den Fluglärm von Düsenjets und Kampfhubschraubern begleitet wird. Wir Düsseldorfer bekamen erst kürzlich zur Dügida-Demo eine Vorstellung davon, was es heißt wenn über Stunden ein solches Fluggerät lautstark über der Stadt steht. Ein seltsames Gefühl.

Genießen wir also die Jetztzeit, versuchen wir nett zu einander zu sein und konsumieren wir einfach mal einen I-BigMac weniger, dann wird auch das mit den knappen Ressourcen auf dieser Welt nicht ganz so eng. Bleiben wir im Gespräch und halten wie Augen, Ohren und Geist offen, suchen wir das Neue und beschäftigen uns mit diesem, die Künste sind nicht der schlechteste Ort dafür.

Mein Fazit zur Kunst auf dem Rundgang im übrigen, ich fands trotz der Masse ganz Ok. Sicherlich auch weil ich nach ganz speziellen Leuten mit ganz speziellen Ansätzen gesucht habe, und nicht mit den Erwartung an Ahhs und Ohhs in die Akademie kam, wie diese Kunstfreunde aus Aachen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mit dem Objektfetisch der Kunst eh nicht viel Anfangen kann und mich die Prozesse schon immer mehr interessiert haben, verstehe ich die Werke in einer solchen Gruppenshow als Medium und Botschaft einzelner Personen, und eben nicht als finale Objekte die kontextlos funktionieren müssen – was ja eh nicht ginge.
Wenn man dann nun also selber eine Idee davon im Gepäck hat was man will und wie die ganze Sache zu laufen hat, und damit auch eine Ahnung davon mit bringt nach welchen Signalen man ausschau halten muss, weil man hofft, dass die Sender der Signalen die eigenen Vorstellungen und Sichtweisen eventuell teilen oder bereichern, dann bleibt die Enttäuschung auch aus.
Persönlich hatte ich aber eher den Eindruck – und diese kleine Gehässigkeit sei mir an dieser Stelle erlaubt – dass weite Teile der Publikumsmassen, die sich so leicht dumpf und bräsig durch die Gänge schoben, eigentlich keiner eigenen Ideen oder Vorstellung folgten. Sondern im Gegenteil, dass man etwas Fertiges, Sinnhaftes, aber Konsumierbares von den Künstlern vorgesetzt bekommen wollten, um damit die eigene Leere aufzufüllen. Das wäre allerdings eine Haltung mit der man an einem solchen Ort natürlich nur Scheitern kann. Dann eben doch lieber zu Hause vor der Glotze bleiben um sich dort sanft und geschmeidig das Hirn weich massieren zu lassen. Auf diese Weise bleiben einem dann auch Enttäuschungen erspart und die entsprechenden geliebten Täuschungen erhalten.

von wem ist das?
von wem ist das?

Als letzte Bemerkung dazu eventuell nun noch der Hinweis auf den Titel der internen studentischen Rundgang-Abschlussparty in der Nacht von Sonntag auf Montag. Die Studenten haben das alles wie es scheint, nämlich schon ganz gut durchschaut. Jetzt muss nur das Publikum eben folgen.

So und nun aber genug vom halbautomatischen Text.
Bühne frei für die Bilder und Feuer frei für die Signale.

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Future of Memory – Sabrina Möller im Gespräch mit Nicolaus Schafhausen

Ein smartphoneloser kluger Freund meinte kürzlich, nachdem ihn Morgens auf dem Weg zur Arbeit ein von-seinem-smartphone-bereits-assimilierter Mann, mit den Augen aufs Display gerichtet fast umrannte, das sei doch irgendwie auch phänomenal. Man können den Wandel und die Verschmelzung der Gesellschaft mit dem neuen Medien täglich, quasi live, beobachten. Die Entwicklung wäre so schnell, dass sie wirklich sichtbar wäre. Und ich glaube da hat er recht. Das geht alles verdammt schnell.

Und von daher ist das ja eine wirklich berechtigte und sinnvolle Frage, wie sich denn nun das Erinnern in Zukunft gestalten wird, wo doch derzeit und überall so viel, aber auch so unsinnig, gespeichert wird. Was bleibt also hängen am Ende?

Darüber und über die Show The Future of Memory in der Kunsthalle Wien unterhält sich wie im Header angekündigt Sabrina Möller von artandsignature mit dem zuständigen Kurator Nicolaus Schafhausen. Hier.

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pics via https://www.facebook.com/MuseumOfInternet

Tamara Lorenz – sachliche und eigentliche tatsachen

Sein und Schein scheinen zu sein.
Zeit löst sich in der Betrachtung der Dinge auf.
Ist der Betrachter Teil der Szenerie oder löst er sie gar aus?

Diese drei Sätze schickte Tamara Lorenz letzte Woche per E-Mail vorbei, zusammen mit dem Hinweis auf ihre kommende Show mit dem klingenden Titel sachliche und eigentliche tatsachen im Neuen Kunstverein Giessen.

Und weil ich mich immer über gute Texte freue die auf das viel zu oft übliche, grenzdebile Kunst-PR-Geschwurbel verzichten, habe ich mir erlaubt diese kurzen Sätze hier mit rein zu nehmen. Dazu gibt es in Kombination noch 4 Bilder, die mir Tamara dann freundlicherweise zusätzlich noch zugesandt hatte. Wenn Ihr also in der nächsten Zeit mal nach Giessen kommt, oder noch besser, wenn Euch Bild und Text so gut gefallen wir mir, dann geht mal vorbei bei der guten Frau.
Der Besuch lohnt offensichtlich und die Show läuft noch bis 14.März.

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Eröffnung 31.Jänner 2015 um 18 Uhr
mit einer Einführung von Andreas Walther

Ausstellungsdauer: 31.01.-14.03.2015
Künstlergespräch 14.März 2015, 16 Uhr

Neuer Kunstverein Giessen e.V.
Ecke Licher Str./ Nahrungsberg
Öffnungszeiten: Samstags von 14-17 Uhr
und nach Vereinbarung

www.kunstverein-giessen.de

One step ahead moving backwards

Diese Show hier in Berlin ist nun auch schon etwas was her (31/10/2014 – 22/11/2014), aber das letzte Quartal 2014 war verdammt voll und stressig. Viel ordentliche Arbeit, viel liebe Familie, dazu große Projekte, die dann doch nicht kamen und noch ein digital3mpire mit dem ganze Rest, das hält recht gut auf Trab und da bleibt dann eben leider auch mal was liegen.

Aber auch hier gilt wie so oft, besser spät als nie. Und somit geht dann mit etwas zeitlichem Abstand die letzte Show des nun-auch-wieder-berlinbased Kuratorenduos km.temporaer von Düsseldorf aus in den Äether. Elisa R. Linn / Lennart Wolff sind nach längerem New York aufenthalt wieder in Berlin und haben ihre Arbeit direkt wieder aufgenommen. Welcome back!
Diesmal ist alles schön streng, minimalistisch, reduziert, fast etwas nüchtern zusammen gestellt und sehr großzügi präsentiert im Berliner LEAP. Mit dabei waren Fabio Marco Pirovino,, Adriana Ramić, Paolo Thorsen-Nagel, Brian Jungen & Duane Linklater , Luca Pozzi, Mariechen Danz & Genghis Khan Fabrication Co., Andreas Greiner & Armin Keplinger, Tina Kohlmann, KAYA + n.o.madski / Kerstin Brätsch & Debo Eilers, Tiril Hasselknippe, João Onofre, Wolfgang Laib.

IG_Photo_141031_47IG_Photo_141031_05IG_Photo_141031_06 Continue reading „One step ahead moving backwards“

Pranti Pranit Ragazy im Kunstraum Düsseldorf

PLATOONS HÖHLE – PRANTI PRANIT RAGAZY

Epic awesomeness und danke an alle Beteiligten. Diese Show war wirklich groß. [Edit: hier habe ich mal wieder bissi rumgerantet, das gehört hier aber nicht hin, weil irrlevant. ist deshalb gestrichen.]
Highlight war gegen Mitternacht das unfassbare, überwältigende Schleimritual in kleiner Runde. Diese ca 40 Minuten haben bei mir noch Tage später nachgewirkt, mich nachhaltig geprägt und werden mir für immer in leuchtender Erinnerung bleiben.
Mehr davon bitte. Die Welt, vor allem aber diese Stadt hier, braucht noch sehr sehr viel mehr Liebe, Kraft, Gewalt, Autonomie, Versöhnung und Schleim.
Das muss weiter gehen!

[Edit 2: unten in den Kommentaren wird auf weiteres pics von der Show hingewiesen, klickt mal rein. danke!]

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„Ausmaß“ – Vier Kunststudenten im Elektrofachgeschäft

Samuel Bich, Olga Monina und Anna Nero haben sich für zwei Wochen in ein altes Ladengeschäft in der Leipziger Südvorstadt eingemietet, um dort gemeinsam eine Ausstellung zu konzipieren.

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Man fragt sich zwangsläufig, warum es ein Raum sein muss, der in seiner Wirkung bereits so konkret definiert ist. Doch liegt die Antwort wohl genau in der Eigenartigkeit des Raumes selbst. Es scheint offensichtlich, dass es nicht um eine werkbezogene Präsentation ihrer Arbeiten ging, sondern viel mehr um die gesamtheitliche Bespielung dieses kontextfernen Raums.

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„Another Place / Another Space / Together“ im Leeschenhof

Der Abend kann jetzt schon als das Ereignis der Düsseldorfer freien Szene – und überhaupt der Düsseldorfer Kunstszene – im Jahr 2014 gelten. Die Eröffnung der Ausstellung „Another Place / Another Space / Together“ wurde zu einem riesigen Klassentreffen der hiesigen Künstlerschaft und versammelte mehrere Hunderte auf dem Gelände des ehemaligen Toom-Marktes. Ausgelassene Stimmung, Freude über das Wiedersehen und Bier zu selbstbestimmten Preisen – selten wirkte eine Veranstaltung so verbindend wie diese. Und die Kunst?

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WINWIN bei Jack in the Box e.V.

Eine knappe Woche hat die Ausstellung WINWIN im ehemaligen Güterbahnhof Köln Ehrenfeld gedauert. Kuratiert von Linda Nadji und Bert Didillon brachte die Schau zwei Generationen zusammen, die sich nicht unbedingt als distinkte Gruppen verstehen: Es ging um jene Künstler, die in den 1990er Jahren zu den sog. emerging artists gehörten und anderseits um diejenigen, die dieses Prädikat gerade noch genießen. Wir haben Bilder ohne Ende.

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Manuel Franke und Leni Hoffmann im Parkhaus Malkasten

Dass Karl-Heinz Rummeny in seiner Funktion als Verantwortlicher des Projektes Parkhaus Malkasten überglücklich ist, versteht man allzu gut. Denn er hat bei seiner Einladung von Leni Hoffmann und Manuel Franke erneut eine glückliche Hand erwiesen und sich selbst beschenkt. Das Künstlerpaar, das zwei distinkte Arbeiten zeigt, bespielt den kleinen Raum im Park und animiert, zugleich durch Verfremdung und plastische Hervorhebung, dessen Volumen und Oberflächen.

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Linda Nadji in der Malkasten-Vitrine

Eine kleine Installation von Linda Nadji, eine Mitstreiterin des Kölner Projektraums Bruch & Dallas, ist momentan in Düsseldorf zu sehen. In der verschlossenen und trotzdem relativ geräumigen Vitrine des Malkastens hat sie ein paar ornamentale Gegenstände ausgebreitet, die zwischen verstaubter Luxusdeko aus den 1950er – eine kongeniale Antwort auf das modern-elegante Foyer des Vereins – und DIY-Kunstkramm stehen. Einen Abstecher wert.

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Christian Schreckenberger im Neuen Kunstverein Wuppertal

Der Neue Kunstverein Wuppertal veranstaltet eine Ausstellungsreihe unter dem vagen und sehr offenen Oberbegriff „Alltag“. Künstler sind eingeladen , ihre Interpretation des Phänomens zu liefern – und natürlich darf man da keine wortwörtliche Übersetzung erwarten. Den Anfang macht Christian Schreckenberger. Der Bildhauer präsentiert zwei Installationen, die den schlauchartigen Charakter des Raumes betonen und die Gültigkeit unserer Wahrnehmung infragestellen.

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deckkraft open in Duisburg

Es ist ein steiler Start. Das Malerduo deckkraft ist erst zwei Jahre alt, aber was in dieser Zeit bereits passiert ist, ist erstaunlich. Seit Walter Eul und Marc von Criegern sich zur Zusammenarbeit geschlossen und ihre Kooperationslust noch für weitere Künstler geöffnet haben, ist das Konvolut an (monumentalen) Bildern aus der deckkraft-Werkstatt rasch gewachsen – genauso rasch wie die Sichtbarkeitszunahme der Düsseldorfer Maler. Das Abenteuer deckkraft ist wie ein zweiter Frühling für die beiden Herren, die zuvor eher bedeckt blieben und nun in der kollektiven Autorschaft regelrecht aufgehen. Ihr letztes Projekt fand in Duisburg statt.

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Carola Ernst im Malkasten

von Wolf Raskin

 

Die Bilder von Carola Ernst erschließen sich erst auf den zweiten oder dritten Blick: zunächst sieht der Betrachter sich mit scheinbar willkürlichem Chaos konfrontiert, mit Referenzen an die Tradition der expressiv abstrakten Malerei. Erst allmählich öffnet sich die Lesbarkeit eines großen assoziativen Spektrums, das erstaunlich viele, hauptsächlich figurative Aspekte beinhaltet, die ineinander verwoben sind. Mit starker Energie aufgeladen stiften die großformatigen Bilder dieser jungen Malerin (Jahrgang 1981) Verwirrung – sie lösen ein Panoptikum innerer Bilder des Betrachters aus. Dies besagt auch der Titel der Ausstellung: Trigger bedeutet Auslöser. Dieser Begriff meint nicht alleine den Schusswaffenabzug sondern wird auch in der Psychologie und Chemie angewendet.

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Triggers, 2013, Tusche, Aquarell-Wachspastell, Graphit & Lack auf Leinwand

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Sensationell: Kunst aus Pudding bricht Rekorde!!!

von Saskia Zeller

„Wo geht`s denn hier zum Wackelpudding?“ Wackelpudding? An der Pforte sind sie wirklich überfordert. „Wir sind hier eine Kunstakademie und kein Süßwarenladen“, ist die Antwort. Doch „Ambrosia Officially Amazing“ ist eingeschlagen wie ein Meteorit. RTL war da, der Express, die NRZ und viele andere. Seit er im Fernsehen war, kommen auch die Massen von den Bildschirmen weg, um ihn zu bewundern. Der weltschwergewichtigste Wackelpudding der Welt hat es bis ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft und eben auch zum Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf, Raum 009. Und was ist jetzt die Kunst?

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Kerstin Müller-Schiel im Hafenkult, Duisburg

Ein rascher Blick über ihre malerische Produktion informiert über die bevorzugte Gattung von Kerstin Müller-Schiel: das Portrait. Auf grundierten oder nicht grundierten Leinwänden, auf großen Papierbögen oder auch auf Holzplatten, aus breiten und weichen, sehr flüssigen Farbflächen, die die Künstlerin mit schnellen und sicheren Gesten aufträgt, entstehen Menschen, verwickelt in alltägliche, unspektakuläre Handlungen. Die Allgegenwärtigkeit der Figur in Müller-Schiels Werk ist so auffallend, dass der Begriff des Anthropozentrismus sofort in den Sinn kommt. Aber sind das wirklich Menschen auf diesen Bildern? Kann man hier wirklich von „Portraits“ sprechen? Täuscht nicht vielmehr der erste, rasche Blick?

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Davor (125×60 cm)

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„Wenn der so bekloppt ist und durch die Scheibe läuft…“ in Berlin

In der Nacht zum 13. Februar 1999 verblutete der algerische Asylbewerber Farid Guendoul in einem Hauseingang in der brandenburgischen Kleinstadt Guben, nachdem er und seine beiden Begleiter von einer Gruppe rechter Jugendlicher gejagt worden waren. Die Täter waren in dieser Nacht unterwegs auf der Suche nach Menschen, an denen sie ihren rassistischen Hass auslassen konnten. Farid Guendoul ist eines von mindestens 184 Todesopfern rechter Gewalt seit der deutschen Wiedervereinigung, doch wer heute in Guben nach Zeichen einer Erinnerung sucht, wird viele Leerstellen finden und ist mit Ablehnung und Unverständnis konfrontiert.
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NMZS in The Box

Text: Wolf Raskin; Fotos: Manuel Boden

Der Betreiber des Off-space THE BOX, Reimund Jonen hat mit dieser Ausstellung, was den Gedanken des nicht kommerziellen Ausstellungsbetriebes anbetrifft, ins Schwarze getroffen: diese Schau ist subversiv, spartenübergreifend, würdigt postum einen jungen Musiker, zeigt ausnahmslos unverkäufliche visuelle Kunst und spricht ein Publikum an, welches sonst mit bildender Kunst eher nicht in Berührung kommt.

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Japan 8-9-3 im Weltkunstzimmer

Bekannt durch seine ironische Malerei und die Zusammenarbeit mit Sigmar Polke, blieb Achim Duchow als Fotograf lange unentdeckt. Seit seinem Stipendiumsaufenthalt 1979-1981 nahm die Beschäftigung mit  Japan bis zu seinem Tode 1993 einen großen Teil seines Fotooeuvres ein. Er hinterlässt eine Fülle an Beobachtungen, die das Land fernab von Kirschblüten-Klischee und Mystifizierung zeigen. Sein fotografischer Blick ist gekennzeichnet durch einen dokumentarischen Ansatz, der, trotz fotografischer Ausbildung, oft mit einer Schnappschussästhetik spielt.

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Yun Nam im Kunstraum Unten

Nur keine Sorge bitte!
Wir, d.h. natürlich vor allem Emmanuel Mir, werden auch in Zukunft wieder vor Ort sein, uns die Dinge ansehen und darüber berichten. Es wird also auch 2014 subjektive, gefilterte, erste Eindrücke von Ausstellungen und Projekten hier geben.

Aber auch andere machen gute Arbeit und wenn wir es nicht selber schaffen, weil so viel anderes ansteht oder wir es einfach nicht mitbekommen, dann reicht auch mal ein Link. In diesem Fall geht der Link zu den Kollegen von kunstduesseldorf.de, denn dort gibt es die komplette Vorabbesprechung der kommenden Ausstellung von Yun Nam im Bochumer Kunstraum Unten.

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Die Ausstellung wird kommenden Freitag, 10.Januar 2014 um 19:00 Uhr eröffnet wird und bis zum 14.Februar laufen.
Weitere Infos findet Ihr auf der Webseite www.kunstraum-unten.de.

Katja Donnerstag und Yvonne Klasen im Quartier am Hafen

Text: Maria Wildeis
Fotografien: Thilo Schmülgen

 

In Köln spielen zwei Künstlerinnen mit dem Licht: Die Flora, eine Halogenlampe für Pflanzenwachstum wirft purpurnes und grünes Licht auf ein dupliziertes Wandstück. Das neue Raumfragment wurde in der Mitte aufgespiesst und dreht sich um die eigene Achse, wenn man es anschubst. Dabei verändert sich die Farbe je nach Einfallswinkel.

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Katja Donnerstag & Yvonne Klasen: Dancing Wall

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Ein Abend in zwei Studios

Das Studio Roh und das Studio for Artistic Research hatten an diesem Freitagabend eingeladen. Jeder für sich. Jede auf seiner Seite des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Und jeder mit sehr distinkten Programmpunkten.

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Azin Feizabadi im SAR

Der Name „Studio“ und die Einbettung im selbstorganisierten Künstlermilieu der Stadt ist ziemlich alles, was diese Projekte verbindet. Der zeitnahe Besuch der Räume, besonders an diesem Freitag, machte klar, wie fern die Absichten und Ambitionen beider Studios voneinander stehen. Während das Studio Roh einen vorläufigen Höhepunkt in trashiger Theatralik erreichte, bemühte sich das Studio for Artistic Research um High-End-Kunst mit braven politischen Akzenten. Zwischen der effektbetonten Geisterbahn des Einen und dem einwandfreien aber steifen Professionalismus des Anderen lagen Lichtjahre der künstlerischen Strategie.

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Carolina Redondo bei Bruch&Dallas

Text: Nadia Ismail

Fotos: Veit Landwehr

 

Inspiriert durch physikalische Prozesse, deren visuelle Struktur häufig eine geometrische Eigenästhetik besitzt, nutzt und transformiert die chilenische Künstlerin Carolina Redondo den Ausstellungsraum wie ein Experimentallabor. Diese besondere zellulare Situation, bei welcher der Passant und potentielle Ausstellungsbesucher der fortschreitenden Entwicklung ihrer künstlerischen Arbeit von außen beiwohnen kann, weckt Assoziationen an den Blick durch ein Mikroskop in eine Petrischale, in der organische Prozesse von ebensolcher Bedeutung sind wie das Resultat selbst.

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Die Verflechtung von bildender Kunst, Forschung und Wissenschaft setzt sich thematisch und inhaltlich in der Ausstellung fort, wie der Titel Gravity Matters bereits erahnen lässt. Gleich einem Parcour bewegt sich der Besucher durch die Räumlichkeiten, dessen Richtung durch die bewusst gesetzten Plastiken im Raum gelenkt wird. Die überlebensgroßen Elemente, deren hölzerne Rahmen mit Tapete verkleidet sind, verhindern den freien Blick in den Showroom. Lediglich die von Hand geschnittenen Aussparungen, die der geometrischen Struktur der Tapeten folgen, gestatten eine partielle Durchsicht und erzeugen einen nahezu dreidimensionalen Effekt. Damit nimmt der Rezipient von Beginn an die Ausstellung multisensuell wahr. Er wird gezwungen, sich sowohl visuell als auch körperlich zu der Architektur und den ausgestellten Exponaten zu verhalten. Um einzelne Arbeiten in der Gänze zu erfassen, ist ein physisches Bewegen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Ausstellungsraumes notwendig. Ebenso wie den Körper lenkt Redondo das menschliche Auge, das stets auf eine neue, von ihr geschaffene, artifizielle Struktur im Raum trifft, die sich von der bestehenden Architektur ornamental abhebt, um sich in nächsten Augenblick optisch mit ihr zu verbinden.

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#LSDSL im GOLD&BETON

Schlimm war das. Sie hatten uns versprochen: Nie wieder. Never again. Aber Florian Kuhlmann und Timothy Shearer bekamen den Befehl von höheren Wesen, die fürchterlichste Ausstellung des Jahres zu produzieren. Sogar da scheiterten sie: Es wurde  die beste Ausstellung des Jahrtausends.

Gut, dass es nur zwei Tage dauerte. Gut, dass es am Ebertplatz stattfand, wo nur Künstler, Alkoholiker und Aussteiger verweilen. Die Manifest-Ausstellung, die schon am vergangenen Sonntagabend von den Gesundheitsschutzbehörden der Stadt Köln mit einem großen polizeilichen Aufgebot geräumt wurde, hätte möglicherweise noch mehr Opfer gefordert. So bleiben die moralischen Schäden einigermaßen überschaubar.

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Constant Dullaart mit einer Doppelshow in der Future Gallery und bei Import Projects

OMG Freunde! Warum nur eigentlich geht alles was man macht immer so unfassbar langsam? Warum ist aber trotzdem nie Zeit für das Wichtige, nie Zeit für Kontemplation, nie Zeit für intensive Beschäftigung, für ein Vertiefen und ein Herumfeilen? Warum ist die wertvollste Ressource, die Lebenszeit, eigentlich so knapp in einer Welt die gigantische Überschüsse produziert und eigentlich schon lange nicht mehr weiß wohin mit all den Artefakten und Objekten die täglich aus den Fabriken herauskommen? Und warum rackern wir uns, nach dem es gelungen ist, reale Objekte im Überfluss zu produzieren, nun an der Erzeugung der virtuellen ab?
Nicht das dieser Artikel Antworten auf die Fragen liefern wollte, aber ein Blick auf die realen, irrealen und hyperrealen Objekte unsere Zeit ist anhand der Betrachtung der nachfolgenden Ausstellung drin.

Constant Dullaart ‚Jennifer in paradise‘

Es geht um die Arbeit von Constant Dullaart, dieser ist gebürtiger Holländer, lebt in Berlin und arbeitet von dort aus international, medial. Seine Arbeit dreht sich um die digitalen Realitäten, deren Auswirkungen auf unser Leben, und um das Medium, welches beides mit jedem neuen Tag und jedem Klick näher zusammen bringt. Im Herbst hatte er unter dem Titel  ‘Jennifer in Paradise’ seine erste Einzelpräsentation als Doppel-Solo-Show. Doch auch die 12 Monate davor waren nicht von schlechten Eltern, an 30 Ausstellungen wirkte der umtriebige Kollege in dieser Zeit mit.

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Carl Hager und Hans Hoge im plan.d

Die Paarung stimmt. Auf den ersten Blick wirkt die aktuelle Ausstellung im plan.d homogen. Formelle Verbindungen zwischen den Arbeiten von Carl Hager und von Hans Hoge werden rasch gesponnen. Auch wenn die zwei Herren unterschiedliche Ausgangspunkte haben und ihr Umgang mit dem Material nicht vergleichbar ist, spürt man eine unleugbare Verwandtschaft, wenn man durch die Räume der Projektgalerie geht.

Hans Hoge

Carl Hager

Carl Hager

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There will be burgers

Zwischen der Figur des Künstlers und der Figur des Ingenieurs besteht seit dem Verschwinden des Universalkünstlertypus ein ganz besonderes Spannungsverhältnis. Es ist eine Art von Weltgestaltungs-Wettstreit zwischen Mythos und Ratio, der sich durch die Geschichte zieht, und in dem wir – mit Blick auf die totale Rationalisierung der Welt – derzeit leider keine all zu gute Figur machen. Von daher, ist das natürlich eine gute Sache, wenn die Leuten, wie am 28.9.2013 geschehen, bei Projekten wie dem Art Hack Day Berlin im LEAP zusammen kommen, um zusammen zu denken und zu arbeiten .

THERE WILL BE BURGERS ist eines der Ergebnisse dieses 24-stündigen Hackmarathons. Es ist Webseite und Skulptur, und nach Definition der Autoren eine ‚24 hour crowd sourced sculpture‚. Für einen begrenzten Zeitraum von 24 Stunden wurde über das Netz, Twitter, Facebook und E-Mail Geld für eine temporäre Skulptur bestehend aus Mc Doalds Burgern gesammelt. Per paypal konnte man den Kaufpreis eines Hamburger und eines Veggieburgers überweisen, nach Ablauf der 24 Stunden wurde dafür dann bei Mc Donalds das Material für die Plastik gekauft: 85 Hamburgers and 37 Veggieburgers.

Ich habe mit Sebastian Schmieg, einem der beteiligten, ein Kurzes Inerview per E-Mail geführt.

Photo by Michael O’Brien

fk: Um was gehts in dem projekt?

ss: Innerhalb von 24 Stunden konnten Menschen uns per PayPal Geld senden, damit wir bei McDonald’s Cheesburger und Veggieburger kaufen. Als Gegenleistung bekamen sie ein Foto ihres Burgers, auf den ihr Name projiziert wurde. Anschließend wurden die Burger – 85 Hamburger und 37 Veggieburger – zu einer Pyramide gestapelt und letzten Endes von den Ausstellungsbesucher/innen komplett verdrückt.
Warum — das sehen alle Beteiligten vermutlich unterschiedlich. Mich hat interessiert, wie hier ein ziemlich dämliches, technisch-kommerzielles System aus Social Media, PayPal, McDonald’s und „personalisiertem Produkt“ als dampfende Pyramida in den Ausstellungsraum gelangt. Dort stand dann u.a. der künstlerische Leiter der Transmediale mit einem Burger in der Hand. Das ganze Geld ging natürlich an McDonald’s.

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FAST SENKRECHT, auf jeden Fall Richtung oben – im Honigbrot

 

Katerina Kuznetcowa & Alexander Edisherov: Wolkengraphie

Marie Gerlach: Gleich kommt das Zeichen, Detail

Die Künstler zeigen Arbeiten auf zwei Etagen, sowie dem Treppenhaus des Galerienhauses. Als Meisterschüler der Klasse Maik und Dirk Löbbert schlossen sie alle in den vergangenen Jahren ihre Ausbildung an der Akademie Münster ab. Das gemeinsame Medium, die Bildhauerei, findet in ihren Werken sehr unterschiedliche Ausdrucksweisen. Sie verbindet eine gute Portion Witz und Gelassenheit und eine starke Bezogenheit zum Umgebungsraum. Das Assoziationsspektrum reicht vom persönlichen Erlebnisraum bis zum Gesellschaftsraum, wie z.B. in der Intervention von Stefanie Klingemann. Sie verwandelt den Nutzraum “Treppenhaus” in einem Galerienhaus von einem möglichst neutral und wertfrei gehaltenen Ort in eine typisch häuslich eingerichtete Fläche, durch den Einsatz von Fußläufern, Topfpflanzen und fragwürdigen Dekoartikeln. Continue reading „FAST SENKRECHT, auf jeden Fall Richtung oben – im Honigbrot“

Eastern Omen im d-52

Der Kontakt kam auf dem akademischen Weg: Bianca Bocatius, eine der drei Betreiberinnen von d-52, lernte die Kunsthistorikerin und Kuratorin Stacey Koosel während einer Tagung kennen. Schnell kamen die zwei Frauen auf die Idee, eine Ausstellung zur zeitgenössischen estnischen Kunst in Düsseldorf zu organisieren und damit die hierzulande ziemlich unsichtbare baltische Kunst zu vertreten. Eine sehr löbliche Initiative, vor allem wenn man den relativ hausbackenen und lokalpatriotischen Charakter der hiesigen Projektraumszene kennt…

Selbstverständlich kann und will eine Ausstellung aus dem Off nicht als Spiegelbild einer nationalen Kunstszene fungieren. Vor allem nicht, wenn bloß drei Beiträge gezeigt werden – was übrigens ein bisschen mager ausfiel. Aber die Intention der Kuratorin war eben nicht, nationale Klischees zu bestätigen, sondern drei exemplarische und jungen Figuren aus dem fernen Osten und weiten Norden erstmalig in Deutschland vorzustellen. Continue reading „Eastern Omen im d-52“

Deckkraft featuring…

alle Bilder: deckkraft

 

Künstlerkollektive wirken auf den ersten Blick als eine Sondererscheinung der Kunstgeschichte, waren dabei – und bleiben bis heute – wichtige Herden von Entwicklungen und Erneuerungen. Spätestens seit Anfang der Moderne (ob die Nazarener in Deutschland oder die Schule von Barbizon in Frankreich) sind Bündnisse geschlossen, Formen der Zusammenarbeit gefunden und somit die Mythen des genialen Einzelnen und des abgekapselten schöpferischen Ichs relativiert worden. Zwar erscheinen die 1990er und 2000er Jahre mit ihrer Vorliebe für den Typus des Künstlers als Einzelkämpfer rückwirkend als superindividualistisch, aber die schleichende Repolitisierung der Künstlerschaft und eine Neuentdeckung der kollektiven Arbeit in den darauffolgenden Jahren ließ die Zahl der Künstlergruppen fühlbar wieder steigen.

Wenn die Relevanz von Künstlerkollektive nicht infrage gestellt werden kann, erscheint die Form des Künstlerduos historisch deutlich seltener. Der Kenner der zeitgenössischen Szene wird zwar sofort mit den Namen von Gilbert & George, Fischli & Weiss oder Eva & Adele (Vorsicht, Verwechslungsgefahr mit Dick und Doof!) angeben, der affine Kenner sogar behaupten, dass Künstlerduos en vogue sind, alles in allem wirkt die künstlerische Zusammenarbeit im Pärchenmodus doch exotisch. Und an dieser Stelle darf man sich fragen, was Deckkraft eigentlich ist. Ein poststrukturalistischer Kolchos mit der ethischen Einstellung einer Künstlergruppe aus den frühen 80ern? Der Codename einer Malmaschine, ein System zur unendlichen Produktion von neuen Bildern? Ein anonymes Konstrukt, das trotz aller Expressivität der Malergebnisse sich gesichtslos zeigt – ein Daft Punk der Malerei? Ein Binom, das sich nie genug ist und stets nach externen Bereicherungen sucht – wie eine Superband in ständiger Gründung? Das von Marc von Criegern und Walter Eul erfundene Deckkraft erinnert jedenfalls an nichts Gesehenes oder Gehörtes. Continue reading „Deckkraft featuring…“

So nah so fern in Nürnberg

Unser Kollegin Anna Lena Werner vom artfridge-Blog hat in Nürnberg ein recht großes Projekt kuratiert und gemeinsam mit den dort agierenden Künstlern realisiert. ‚So Nah so fern‘ war der Titel der Gruppenausstellung auf dem ehemaligen AEG-Gelände.

Wir haben uns als Teaser mal vier Bilder kopiert, den Rest gibt es nach dem Klick bei Ihr im Blog.

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Grotevent und Maderthaner in der SITTart Galerie

Gequetscht zwischen der Zentrale der Ergo-Versicherung und dem Golzheimer Friedhof, also zwischen herausragender Vertikalität und definitiver Horizontalität, zwischen Kapital und Tod, liegt das hübsche Atelierhaus des Vereins Düsseldorfer Künstlers. Der Verein ist übrigens einer der ältesten seiner Gattung in ganz Deutschland und bildete vor der Erfindung der Künstlersozialkasse so etwas wie ein Sicherheitsnetz für die lokalen Kunstschaffenden. Das Haus in bester City-Lage, unweit des Rheins, des Museum Kunstpalast und des Hofgartens, wurde bereits mehrfach von Immobilienplänen bedroht, die gerne ein wenig mehr Stahl und Glas im Düsseldorfer Stadtbild gesehen hätten. Es konnte sich bisher immer knapp retten und nun scheint sein Erhalt für eine Weile gesichert zu sein.

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…und wir heißen das m330 willkommen!

Wer es mit der Künstlerkarriere ernst meint, aber an Aufmerksamkeitsdefizit leidet und keine merkliche Präsenz im lokalen Kunstbetrieb aufweisen kann, sollte auf ein Werkzeug zurückgreifen: den Projektraum. Es ist für den Kunstschaffenden  nie schlecht, in einem Off-Raum auszustellen und ein wenig Öffentlichkeit zu generieren. Besser ist es aber noch, einen Off-Space zu gründen und es selbst zu animieren. Das persönliche Netzwerk des Raumbetreibers erweitert sich schlagartig und seine Reputation, bzw. seine Autorität nehmen deutlich zu – ebenso wie die Sichtbarkeit seiner Arbeit, bzw. seine Präsenz in der Szene. Die aktive Beschäftigung mit einem Projektraum kann nicht unbedingt einen Karrieresprung garantieren, verspricht zumindest kurzfristig eine lokale Steigerung der Aufmerksamkeit.

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Kunstfestival Strom – 3. Auflage

Seit mehr als einem Viertel Jahrhundert bestehend hat sich der Verein Kunsthaus Rhenania zu einer kleinen Institution der autonomen Kunstszene in Köln entwickelt. Das Kunsthaus Rhenania ist zunächst ein großes Atelierhaus in bester Lage, ein ehemaliger Getreidespeicher, der von 1926 an die verkehrstechnisch evidente Nähe zum Rhein nutzte und schon vierzig Jahre später, also lange bevor man im Rheinland und im Ruhrgebiet von einem Strukturwandel sprach, in einen kreativen Think Tank umfunktioniert wurde. Mittlerweile werden ca. 40 Künstler aller Sparten dort beherbergt; das Haus ist also in erster Linie eine Arbeitsstätte. Neben dieser Werkstattfunktion erfüllt das Kunsthaus Rhenania auch eine vermittelnde Funktion. Seminare, Workshop sowie Ausstellungen finden regelmäßig statt. Seit 2011 gibt es sogar ein hauseigenes Festival, Strom, das die schwierige Balance zwischen wir-bezogener Selbstzelebration (viele Künstler des Vereins werden ins Programm übernommen) und relevanter kuratorischer Arbeit schafft.

Markus Linnenbrink: Niewiederschnellsagen (remix)

Die dritte Auflage von Strom war – das können wir direkt vorwegnehmen – eine sehr gelungene. Die Kuratorin der diesjährigen Veranstaltung, Maria Wildeis, hat sich auf ephemere Kunstformen konzentriert und spannende Positionen gefunden, die prozesshafte Arbeitsweisen bevorzugen. Dass sich dabei viele Namen wiederfanden, die Wildeis in der Vergangenheit in dem eigenen Projektraum Honigbrot ausgestellt hatte, wunderte nicht und wurde als legitimer kuratorischer Rückgriff zur Kenntnis genommen. Wenn man sich als Ausstellungsmacher für eine bestimmte Kunstsparte, bzw. für einen bestimmten Geist und eine bestimmte Haltung konsequent engagiert, ist es selbstverständlich, dass die 1. Choice-Liste nicht ständig neu geschrieben wird.

Evangelos Papadopoulos: Untitled

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Eiltank im Studio Roh

Eine Gruppenausstellung ohne übergeordnetes Thema. Eine Ausstellung ohne konzeptuelle Leitlinie. Ohne explizite Botschaft. Ohne ausformulierte Fragestellung. Wie entspannt, luftig und befreiend. Einfach ein paar befreundete Künstler einladen und das Publikum für einen Abend und zwei Tage einlassen. Eine solche Unbefangenheit bedarf nicht viele Worte und schon gar keine kunstwissenschaftliche Begleitkommentare.

Rebekka Benzenberg

Christian Berg

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Dietrich, Klompen und Wit im Cabinett

Es war ruhig, sehr ruhig in den kleinen Show-Room von Andrea Dietrich. Überhaupt war es an diesem lauen Spätsommer-Abend sehr ruhig in allen Düsseldorfer Off-Spaces. Das Off-Programm der Kunstpunkte (jene offene-Ateliers-Veranstaltung, die den Voyeurismusdrang des hungrigen Kunstpublikums befriedigt) hätte zu einem lustvollen Rundgang durch die unabhängige Szene werden können. Viele Projekträume hatten für diesen Termin ein neues Programm gestaltet und standen erwartungsvoll da. Aber bis auf die Gastkünstler und einige treue Anhänger war kaum ein Mensch an diesen Orten zu sehen. Der Grund dafür? Eine suboptimale Koordinierung des Kulturamts. Warum müssten die Kunstpunkte ausgerechnet an diesem mit Kulturterminen verstopften Wochenende gelegt werden? Nach der langen Sommerpause erwachten am Freitag Abend nämlich die Akteuren des Kunstbetriebes wieder – und zwar alle gleichzeitig. Alle Galerien der Stadt, die an dem beliebten DC (ein großer Zusammenschluß von Düsseldorfer und Kölner Galeristen) teilnehmen, präsentierten ihr neues Programm. Die Kunstsammlung NRW eröffnete zeitgleich die große Calder-Ausstellung. Das Opening der neuen Show in der Julia Stoschek Collection zog Hunderten in Oberkassel. Für die Kunstrebellen wurde die Eröffnung des Urban Art Festivals 40 Grad ein obligatorischer Anlaufspunkt. Und am Samstag und Sonntag waren auch noch die besagte Ateliers zu besichtigen- ganz abgesehen von den Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum, die ein potenzielles Restpublikum mobilisierten. Die eventgeile Stadt Düsselodrf opferte also ihre freie Szene – eine Szene, die ohnehin unter Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Ein Sabotage hätte nicht besser funktioniert.

Marco Wit

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Trockendock im Institut für skulpturelle Peripherie

In wenigen Wochen werden die drei Betreiberinnen des Instituts für Skulpturelle Peripherie zu Gast in Hamburg sein. Petra Albrand, Eva Weinert und Friederike Schardt sind vom Kunst- und Kulturverein 2025 e.V. eingeladen worden und werden im Gegenzug einige Vereinsmitglieder aus der Hansestadt in ihrem kleinen Düsseldorfer Speicher ausstellen. Bevor sie mit ihrer Arbeiten gen Norden fahren, wollten sie eine Art „Trockenübung“ vornehmen und die für Hamburg geplante Skulpturen und Installationen „zu Hause“ ausbreiten. Das Ergebnis: Vier Arbeiten, die auf unterschiedlichster Art und Weise einer maritimen Atmosphäre heraufbeschwören und sich auf die bevorstehende Fahrt in die Hafenstadt beziehen.

 

Friederike Schardt

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Katja Stuke und Oliver Sieber bei Tina Miyake

Katja Stuke und Oliver Sieber lieben das Print-Medium. Plakate, Fotokatalogen, Fanzines, Bildbänder, Stickers, Druckerzeugnisse aller Arten, selbstproduzierte Heftchen und große Literatur – das alles lieben sie, konsumieren sie, produzieren sie und sammeln sie. Vor allem Katja Stuke arbeitet auf der Basis vorhandener Medienbilder, also Bilder aus zweiter Hand, die sie dekontextualisiert und auratisch auflädt – während Oliver Sieber Porträts die Codes der Subkultur ergründet. Diese Aufmerksamkeit für produzierten und reproduzierten Bildern spiegelt sich sowohl in der eigenen künstlerischen Arbeit als auch in der kuratorischen Praxis.

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Transphaire in der Beton-Box

Nachdem er zur Präsentation seiner Arbeit in der BetonBox eingeladen wurde, entschloss sich der Maler Wolf Raskin nicht allein zu spielen und lud vier weitere KollegInnen ein, die schönen, rauen und überschaubaren Räumlichkeiten zu okkupieren. Eine kleine, dichte Show sollte Transphaire werden, konzentriert auf fünf Positionen der abstrakten Malerei aus Düsseldorf, die, fast alle, zu einer Generation gehören („mittelalte Künstler“ hörte ich an diesem Abend; und damit waren wohl Menschen zwischen 40 und 50 gemeint).

W. Raskin und W. Aschenborn. Letzterer hielt die Eröffnungsrede

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Chantal Vey bei Onomato

Fotos (wenn nicht anders angegeben): Enis Vardar

 

Die französische Fotografin Chantal Vey (*1970) lässt sich am ehesten als eine reisende Persönlichkeitsforscherin beschreiben. Ihre Arbeitsweise erweitert die Möglichkeiten der Fotografie, bzw. stellt den klassischen fotografischen Bildbegriff in Frage.

Foto: C. Vey

Das künstlerische Interesse konzentriert sich auf die Bildgattungen des Porträts und der romantischen Landschaft. In beiden fokussiert der Blick Fragmente bzw. Nebensächlichkeiten, die die Porträtierten wie auch die Landschaftsansichten bedeutsam aufladen.

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Die gebrochene Mitte im Studio Roh

Alle Fotos und Kommentare: Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek

 

Letzte Woche wurde die neueste Ausstellung im Studio Roh eröffnet. Leider waren wir nicht dabei – und werde also das ungesehene Ereignis nicht kommentieren. Freundlicherweise haben uns Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek, die zwei Raumbetreiber, ein paar Bilder zur Verfügung gestellt. Die Beschreibungen stammen von den jeweiligen Künstlern.

 

 

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic: LSD PERFORMANCE : Aus dem Wildpark wurde ich zur Ausstellung gefahren und dort habe ich mit Acryl und Bier von den Gästen, mit LSD ; MP3 Player, Händen und Füßen, ein ACTION PAINTING Nr. 1 gemalt.

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Christoph Knecht bei Rupert Pfab

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos von Dirk Rose und Giovanni Bendzulli

 

Für seine erste Präsentation bei Rupert Pfab hat er sich nicht lumpen lassen. Christoph Knecht tischt alles auf, was er hat. Eine große Kachelinstallation, feine Druckgrafiken, verschiedene gefasste und nicht gefasste Plastiken, handbemalte Kärtchen, großformatige Gemälde, Bronze- und Keramik-Skulpturen sowie ein objet trouvé; das Ganze als einheitliches Ensemble konzipiert und in den zwei offenen Räumen der Galerie inszeniert.  Diese Technikvielfalt wird noch von der Bandbreite der ikonografischen Referenzen übertrumpft. So findet man allerlei Fantastisches, Naturwissenschaftliches, Allegorisches, Philosophisches, Esoterisches, Kulturhistorisches und Mystisches im Knechtschen Sammelsurium. Zitiert wird aus medizinischen Abhandlungen, chinesischen Schriften, Renaissance-Herbarien oder barocken Capricci. Die von den Bildern und Gegenständen erweckten Assoziationen reichen von der Akupunktur bis zur Fast-Food-Kultur, von der Alchemie bis zur Anthroposophie.

Um nur einige, wenige Objekte zu nennen: Ein kelchartiges Gefäß mit einer Vogelkralle als Fuß, eine Himmelskarte in Delftblau, ein Edelweiß, ein bronzener Hawaii-Toast oder ein Totenkopf, dessen Oberfläche an die Struktur von Erdnussschalen erinnert. Es sind Kuriositäten, die sowohl in dieser Welt als auch in Paralleldimensionen gesehen, aufgelesen und, fernab von strengen naturwissenschaftlichen Einordnungskriterien, in nüchternen Schaukästen präsentiert werden. Continue reading „Christoph Knecht bei Rupert Pfab“

Grayson Revoir mit INTERNATIONAL BATHING zu Gast bei Jan Kaps

Flussaufwärts, grobe Richtung Aachen hat ein neuer Projekt-Raum aufgemacht. Der Name des Projekts lautet wie der Initiator selber JAN KAPS, die Räume befinden sich in der Jülicher Strasse 24A. Jan Kaps (der Mann) geht seiner kuratorischen Tätigkeit jetzt seit 5 Jahren nach und war in der Vergangenheit vor allem in Düsseldorf, und dort bei Beck & Eggeling, sowie in Berlin u.a. bei Sprüth Magers aktiv.
Die erste Ausstellung präsentiert unter dem Titel „INTERNATIONAL BATHING“ Arbeiten von Grayson Revoir. Revoir penetriert seine selbst entworfenen Objekte mit oxidierten Schrauben, so dass Ecken
und Kanten sowie die Oberfläche zu zersplittern beginnen und auch ansonsten geht er eher wüst und schmutzig mit seinen Materialien um.

Wir präsentieren das neu gestartete Projekt hier einfach mal mit einer kurzen Bildstrecke und wünschen für die Zukunft alles Gute. Wer neugierig geworden ist, schaut am Besten selber mal vorbei, die Ausstellung läuft noch bis zum 30. Juni 2013 und ist Donnerstags – Sonntags von 15 – 20.30 Uhr geöffnet. Alles weitere wie üblich nach Vereinbarung, Ihr kennt das ja.

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km temporaer zeigt (n)on site

Non-Sites: Arbeiten im Ausstellungsraum aus ursprünglichen Rohmaterialien, dem Naturraum entnommen, der Ort ist beliebig
Sites: spezifischer Ort, gestalteter Naturraum

In der aktuell laufenden Ausstellung „(n)on site“ (24.5. – 14.6.2013) wird der Ansatz des Projektes km temporaer, zeitgenössische Positionen der analogen und digitalen Kunst in einem gemeinsamen thematischen Kontext zu präsentieren, mit der Intention, einen Dialog zwischen netzbasierter Kunst und klassischeren Kunstdisziplinen zu schaffen, fortgeführt.
Die künstlerischen Arbeiten reagieren auf das Thema Mapping und der zunehmenden Tendenz der stark objektiv-rationalen Wahrnehmung des realen Raumes durch Datenvisualisierung im Netz. In den Arbeiten werden gezielt Momente der Diskontinuität erzeugt, die aus diesen technischen Methoden eine poetische Ästhetik entstehen lassen und damit die Bindung des Menschen an räumliche Bezugssysteme offenlegt bzw. hinterfragt.

„What you are really confronted with in a Nonsite is the absence of the Site.. a ponderous and weighty absence“ (R. Smithson)

Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf Robert Smithsons Dialektik der Orte (Sites) und Nicht-Orte (Non-Sites), mit der er die Karte in eine symbolische Sprache überführt. Nach Smithson konfrontiert der kartographische Blick stets das Abstrakte und das Reale, den Ort und die Delokalisierung zugleich.

In Anlehnung an Lev Manovich beschäftigt sich die Ausstellung auch mit dem Verhältnis von Analogie und Digitalität im modernen menschlichen Leben und wirft die Frage auf, inwiefern sich unsere Wahrnehmung von räumlicher Form verändert, wenn diese mit dynamischen und vielfältigen Multimedia-Informationen überzogen ist. (Schwinden die Sinne im Zuge der zunehmenden Medidatisierung? Kann Desorientierung in der technischen Dokumentation wirklich verhindert werden?)

Daniel Schwarz / juxtapose / 2012

„Juxtapose“ ist eine Serie von Gegenüberstellungen unbearbeiteter Satellitenaufnahmen zivilisationsferner Orte auf der Erde, die dem Internetdienst Google Maps entstammen. Simultan nebeneinander legen sie die poetische Kraft der Naturgewalt gegenüber rationalisierenden Technologien zur Dokumentation unserer Welt offen. Die unterschiedlichen Witterungszustände und Jahreszeiten auf den Fotos sind Störungen, die automatisch durch die Google Algorithmen bei Aktualisierung des Bildmaterials erstellt werden. Diese Diskrepanz hinterfragt den Einfluss der erweiternden Technologie auf unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit und enthüllt gleichzeitig das Scheitern, die Realität wiederzugeben.

Davide Cascio / Ikebana Arrangement / 2013

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Petites résistances im Weltkunstzimmer

Fotos: Krischan Ahlborn

 

Über die eigene Ausstellung zu berichten ist schon peinlich, keine Frage. Im Ehrenkodex der Kunstvermittlung ist dies beinah ein Tabubruch. Denn auch die Selbstwerbung und -vermarktung kennt ihre Grenzen. Über die eigene Ausstellung zu berichten kommt einer Überschreitung des Rubicon gleich; von da an hat der Kunstkritiker seine Glaubwürdigkeit verloren und entpuppt sich als voreingenommener Texter (zum Komplex der Entmachtung der Kritik zu Zeiten einer ökonomischen Abwertung der reflexiven Praxis, empfehle ich übrigens wärmstens die letzte Ausgabe des Kunstforum International, dessen Schwerpunkt auf dem aktuellen Schicksal der Kunstkritik legt). Wenn der Kurator eine Rezension über seine Ausstellung schreibt, sollte man sofort an der Legitimität des gesamten Unternehmens (also: Ausstellung, Text und Textmedium) zweifeln. Aber erstens bin ich ja kein Kunstkritiker. Zweitens bin ich ja kein Kurator. Drittens schreibe ich gar keine Rezensionen, sondern liefere lediglich ein paar Aufnahmen zur (wirklich sehr empfehlenswerte) Ausstellung Petites résistances. Und viertens sind diese Bilder noch nicht mal von mir. Es doch alles in Ordnung. Oder?

 

Die Bilder zum Workshop folgen an dieser Stelle sehr bald….

Ted Green im Gagarin

Den Projektraum Gagarin und Ted Green hatten wir zwar jetzt schon ein paar mal im Blog, aber wenn sich jemand intensiv und avanciert mit dem Thema Symmetrie auseinandersetzt kann ich einfach nicht Nein sagen, das muss dann einfach mit hier rein, da sind die persönlichen Präferenzen zu groß, als dass ich da widerstehen könnte.
Mein persönlicher Favorit ist aber übrigens dann doch Succubus. Grafitti und Malerei kommen da sehr gut zusammen, die dynamischen Linien direkt auf der Wand setzt der naturgemäß recht statischen Symmetrie der Bilder angenehm zu. Wer mehr über diese Malerei und die Bilder erfahren möchte liest bitte die Rezension vom Kollegen Mir hier in unserem Blog.

Elementary Particle, 2012,
Öl+Acryl+Lackfarbe+Sprühlack auf Leinwand, 140 x 140 cm

Succubus, 2012,
Öl+Acryl+Lackfarbe+Sprühlack auf Leinwand / Sprühlack auf Wandfläche, 210 x 240 cm

o.T., 2013,
Acryl+Sprühlack auf Wandfläche / Öl+Sprühlack auf Papier, 160 x 80 cm

Pinch, 2012,
Öl+Acryl+Sprühlack auf Leinwand, 50 x 40 cm

 

(alle Bilder via E-Mail, danke Ted!)

Pinch, 2012,
Öl+Acryl+Sprühlack auf Leinwand, 50 x 40 cm

Projektraum Gagarin
Kirchstr. 41
40227 Düsseldorf
Besichtigung nach Vereinbarung
0171/1231596 oder 0151/11500277

Die Boutique zu Gast im Institut für alles Mögliche

Treue Leserinnen und Leser unseres Blogs kennen natürlich sowohl die Boutique als auch das Institut für alles Mögliche bereits, wir hatten Projekte an beiden Orten mehrfach bei uns. Um so schöner wenn zusammen kommt was eh schon zusammen gehört. Nach dem der Initiator und Organisator des Insituts, Stefan Riebel letztes Jahr in Köln zu Gast war, erfolgte nun der Gegenbesuch. Hier sind die Bilder vom Besuch.

Alle Bilder von Stefan Riebel via E-Mail, danke Stefan!

www.i-a-m.tk
www.boutique-koeln.de

Cocktailkleider und Altherrenwitze. „Das kleine Schwarze“ in der Boutique Köln.

von Dominik Busch

Die Kölner Boutique steckt in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Auch eine Crowdfunding Initiative via startnext.de brachte nicht den erhofften Erfolg. Falls sich kein privater Financier finden lässt, sieht es schwer danach aus, als müsste eines der drei Off-Projekte am Ebertplatz bald seine Räume schließen. Dank der Kölner Konsolidierung inklusive drastischer Kürzung des Kulturetats.

Ich möchte allerdings an dieser Stelle nicht direkt Stellung zu kulturpolitischen Fragen beziehen, noch möchte ich Kommentare wie auch immer gerichteter parteilicher Lager provozieren. Wenn Politik, dann politische Potenziale, wenn politisch, dann in einem ästhetisch reflexiven Sinn. Doch dazu später mehr.

Die Boutique zeigt aktuell „Das kleine Schwarze“, eine Ausstellung der beiden Studenten der Kunstakademie Düsseldorf Melike Kara und Peppi Bottrop. Kara, seit Kurzem Studentin von Rosemarie Trockel, tat sich bereits als eine der (Künstler-) Kuratorinnen der Videoausstellung „Body Light“ hervor, jetzt gibt sie Einblick in ein weiteres ihrer Medien, das der Malerei. Bottrop, aktuell Student bei Andreas Schulze und meines Erachtens eher Vertreter einer Düsseldorfer Malerei, zeigt nach zuletzt grafischen Arbeiten (im etymologischen Sinne) und solchen mit Tendenz zum Objekt, wieder Bilder mit Farbe, Spuren, Oberflächen und Versatzstücken – um zunächst mal wertungsfrei zu bleiben. In meiner Vorstellung gingen diese Beiden so gar nicht zusammen. Etwas dramatisch formuliert stellte ich mir eine Begegnung zwischen Poet und Provokateur vor, eine Unterhaltung zwischen Träumer und Rationalist. In der Theorie durchaus spannend, in der Praxis oft ein stumpfes Entweder-Oder. Hier weder noch. In „Das kleine Schwarze“ stehen sich zwei Positionen gegenüber, jeder für sich. Keine perfekte Symbiose, aber auch kein wirklicher Battle. Eine Gruppenausstellung, in der alle gewinnen.

Privates und Persönliches außen vor – das Gewinnbringendste dieser Ausstellung sind die Editionen, deren Erlös allein dem Erhalt der Boutique zugute kommt: Prints diverser Oberflächen, mit kleinen Arabesken collagiert, mit Materialien verschiedener Haptik verklebt, auf Glas montiert und in einfachen Geometrien durchschnitten. Einfach, aber effektiv. Vorne wird hinten, Bildträger wird Informationsträger, Bezeichnendes wird Bezeichnetes, ein unterhaltsames Spiel mit Begrifflichkeiten. Und zudem „ästhetisch“ äußerst ansprechend. Die Editionen sind es allen voran, die Karas und Bottrops Positionen verschränken: Der eine liefert, der andere trägt ab, addiert, subtrahiert, ideell wie formal, mithin das ewige Spiel der Malerei. Gewissermaßen Malerei 2.0.

Bottrops verhältnismäßig große Formate dominieren die kleinen Räume ohne Weiteres, in ihnen findet sich das Spiel der Oberflächen und Materialien wieder, welches die Editionen so fundierte: Pastoses Schwarz steht gegen dünnes Türkis, Kreise und Dreiecke aus Farbe stehen neben Prints einer Holzoberfläche, ein übergroßer Kantholzrahmen hält die scheinbar losen Teile zusammen. In der Chronologie kommen Bottrops Arbeiten eigenartig anachronistisch daher, hatte er doch mit seinen Ausschnitten bei „TOTALE 4“ im Maschinenhaus in Essen  bereits deutlicher die Grenzen des Bildraums unterwandert. Aber geht es darum? Bildraum, Bildaufbau, Materialität, Malergesten, Inside-Jokes? Ich will es schwer hoffen. Aber noch viel mehr will ich hoffen, dass keiner die Ironie dahinter übersieht. Denn Ironie ist integraler Bestandteil dieser Malerei und mindestens ein Kriterium guter Malerei – wenn nicht sogar das einzige heutzutage. Unter anderem deswegen ist meine Lieblingsanalogie zur Malerei die Rapmusik. Nirgendwo sonst werden Setzungen derart direkt und subjektiv gemacht. Beispielsweise: „Wie zum Teufel kannst du heute noch Songs über das harte Leben auf der Straße machen?“ Analog dazu könnte man fragen; „Wie zum Teufel kannst du Malerei heute noch so bitterernst nehmen?“ Man kann. Es wird aber immer mindestens einer kommen, der sich zu Recht über diese Form des Konservatismus lustig macht. Bottrop ist so einer. Seine Malerei scheint daher irgendwie sehr aktuell, aus grob historischer Perspektive war sie das aber auch schon vor gut dreißig Jahren. Damit soll nun kein Werturteil gefällt werden, es wird lediglich darauf hingewiesen.

Den streng schwarzen Grund der Bilder Karas als den einer Malerin zu erkennen, tut man sich zunächst schwer. Scheinbar unbedacht der Auftrag, erkennbares Um-die-anderen-Teile-drum-herum-Malen, recht direkte Emblematik. Absicht? Ich denke ja. Mit Karas Videos im Hinterkopf lässt sich ihre Malerei nämlich noch auf andere Weise fassen als aus rein malereiimmanenter Perspektive.

In der Hoffnung, gänzlich auf Proust-Zitate verzichten zu können, möchte ich dazu einen Gedanken aufgreifen, der kürzlich in Bezug auf die zeitgenössische Ausstellungspraxis von Videokunst (!) am Beispiel von „Body Light“ angemerkt wurde. Der Autor monierte die bisweilen ignorante Praxis institutioneller Kuratoren hinsichtlich der Installation von Videokunst, die, im Falle der „Big Pictures“ Ausstellung des K21, vermeintlich nach wie vor hauptsächlich in Black Boxes stattfinde, anstatt, wie im Falle von „Body Light“, in einem offenen räumlichen Diskursbezug zueinander. Diesem Ansatz, so durchsetzungswürdig er auch ist, liegt der Trugschluss der Gleichheit von Video- und Filmkunst zugrunde – eine mithin rein begriffliche Unterscheidung, aber deswegen nicht minder wichtig. Letztere bedarf nach wie vor der Präsentation im hermetischen System der Black Box, liegt doch immerhin ihr Spezifikum in einer primär kognitiven Form der Rezeption. Vergleichbar etwa mit der des klassischen Theaters. Videokunst verhält sich dem gegenüber zu seinem Konsumenten hin offen, die räumliche Installation sowie die interne Struktur sind meist aufeinander bezogen und/oder argumentativer Bestandteil der Arbeit. Ein Film muss den Betrachter vereinnahmen, er lebt gewissermaßen von einer ihm immanenten Zeit- und Räumlichkeit, ein Video hingegen darf vereinnahmen, ist aber aufgrund seiner vermeintlich komplexeren Struktur grundsätzlich nicht als hermetische Form zu betrachten.

Von dieser Unterscheidung zehrt auch die Malerei Karas. Das zuerst so gar nicht malerische Schwarz ihrer Bilder erinnert also nicht nur rein nominell an das einer Black Box, vielmehr kann man die kleinen Formate im hinteren Raum der Boutique über ihren Status als Tafelbild hinaus als Stills eines ihrer Videos sehen. Zudem rahmt eine beige Fläche auf Karas starkem Großformat das matte Schwarz wie ein Vorhang ein. Der Vorhang einer Theaterbühne oder der eines alten Kinosaals? Oder etwa das Schwarz einer Burka? Mein subjektives Auge erkennt in den roten, goldenen und blauen Tupfen, in deren Positionierung im oberen Drittel der Kleinformate und ihrer leicht gekrümmten – und dadurch plastisch werdenden – Form, Ausschnitte osmanischer Schmuckstücke, etwa eines Tikkas oder Diadems; Goldenen Kopfschmuck, wie ihn in unserer Vorstellung etwa eine türkische Braut tragen könnte. Hierin spielt Kara offenbar mit kulturellen Klischees, mit dem Blick auf eine Kultur durch die Brille einer anderen. Oder so. In diesen Gedanken ließe sich auch die einzige installative Arbeit der Ausstellung einreihen, ein filigraner Blumen-Print auf annähernd quadratischem Plexi, gehalten von rohem Stahl. Er wirkt wie eine Folie, wie ein Fenster, der die Ausstellung von außen zugänglich macht. Die Form der Blumen wiederholt hier die der Diademe und wirkt dennoch wie ein Fremdkörper zwischen den Malereien, wie eine Projektionsfläche für weitreichende Assoziationen. Ohne die genaue Bedeutung dieser Schmuckstücke für die türkische Kultur zu kennen, werden wir an Karas Videos „Haram“ oder „Bülbül“ erinnert, in denen der kulturelle – nennen wir es mal – Konflikt äußerst sanft, poetisch und dadurch für uns wertungsfrei dargestellt wird. Karas Malerei ist also in meinem Verständnis keine, die, wie jene Bottrops, ihr Medium kritisch hinterfragen, vielleicht nicht einmal als solches thematisieren will, sondern allein legitimes Mittel zum Zweck, in der Formulierung ihrer Position. Die Malerei mag Kara eine kontemplative Möglichkeit der Betrachtung geben, die in Videos nur begrenzt vorhanden ist. Szenen, beziehungsweise einzelne Frames, werden so in den Zustand einer dauerhaft möglichen Betrachtung überführt, wenn auch gleichermaßen der willkürlichen Rezeptionsdauer des Betrachters ausgeliefert. Doch geht das Schwarz der Black Box dann mit jenem der Malerei Karas, als ihren Videos entstammend, überhaupt zusammen oder wird die eingangs beschriebene begriffliche Unschärfe hier nicht ebenso unklar gehalten? Für die Konstruktion einer solchen Assoziationskette ist das sicher nicht von Bedeutung, hierin liegt vielmehr das diskursive Potenzial ihrer Arbeiten. Medienspezifik, Bildbegriffe und vor allem kulturelle Erwartungen werden gegeneinander ausgespielt, deuten an und lassen doch offen. Das ist es, was sie so wertvoll macht – keine Ansage, keine große Geste, vielmehr ein subtiler Fingerzeig. Und sähe man hierzulande kulturelle Identitäten und deren gegenseitige Vorurteile nicht so konservativ, man käme bei so viel Pathos um ein Grinsen nicht herum. Möglicherweise ist es dieser hintergründige Humor, der Karas und Bottrops Positionen letzten Endes doch irgendwie zusammen bringt. Als Basis einer gemeinsamen Ausstellung wäre Humor jedenfalls nicht das Schlechteste.

Für die Boutique bleibt zu hoffen, dass sie ihre Position trotz allen Widrigkeiten irgendwie halten kann. Das Team von perisphere.de wünscht Maximilian Erbacher und Yvonne Klasen hierzu viel Erfolg. Mit „Das kleine Schwarze“ haben die beiden Kuratoren einmal mehr ihr subtiles Auge bewiesen und zunächst so disparat scheinende Positionen sinngebend zusammen bringen können.
Hoffentlich sieht die Stadt Köln das ebenso. Spread the word.

Das kleine Schwarze
MELIKE KARA
 und PEPPI BOTTROP
Eröffnung: Freitag, 10. Mai, 19 Uhr

Dauer: 11. – 31. Mai 2013

Öffnungszeiten: Fr-Sa, 16 – 19 Uhr 
und nach Vereinbarung.

http://www.boutique-koeln.de/

Digital-Soirée BOOKS AND BLANKETS 1 Sebastian Schmieg – Bilder vom Abend

Tut mir leid liebe Freunde, dass es so lange gedauert hat, aber hier endlich mal die Bilder unserer ersten Digital-Soirée am 20.4.2013 in den Räumen von Morgen Gestaltung in der Kirchfeldstraße 112. Das Video gab es ja bereits hier, alle Infos gibt es hier und auf der Projektwebseite. Die Webseite vom ersten Gast Sebastian Schmieg findet Ihr hier.
Und die Bilder hat übrigens Freund und Kollege Thomas Spallek geschossen, mit dem ich das vorgestellte BOOKS AND BLANKETS-Projekt realisiert habe.

Und wer eine der limitierten Unikat-Decken und/oder den Katalog erwerben möchte schickt uns bitte einfach eine E-Mail mit Kontaktdaten.

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Alex Whittaker im Hotel Ufer

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Gebissen vom Kunstdämon. So könnte man den Mann beschreiben. René Tilgier, irgendwo um die Vierzig, stolzer Besitzer eines Gasthauses in zentraler Lage und erfolgreicher Hotelier in der dritten Generation, ist ein begeisterter Kunstliebhaber wie man sie nur noch selten trifft. Ein Leben ohne Kunst scheint ihm undenkbar zu sein. Und zwar nicht nur als Rezipient, bzw. Konsument, sondern zunehmend als Akteur und Gestalter. Sich in einem Freundeskreis zu bewegen, der zum guten Teil aus Absolventen der hiesigen Kunstakademie besteht, Kunst zu sammeln oder, Beruf und Passion verbindend, die vom Kit oder von der Kunsthalle eingeladene Künstler zu beherbergen– das war ihm nicht genug. „Als Hotelbesitzer bekomme ich Künstler praktisch frei Haus geliefert“, erzählt er. Es sei zwar eine schöne Austauschbasis, aber noch längst keine tiefe Auseinandersetzung. Weil er genau diese Intensität vermisste, entschied sich Tilgier, Kunst und Künstler dauerhaft in sein Haus zu holen. Den Anfang macht der junge Brite Alex Whittaker, der seit letzter Woche eine Videoarbeit und eine Installation in einem Zimmer des Hotels Ufer zeigt.

Hotel Ufer. Bild: A. Whittaker

Renés erste Erfahrung mit einer Ausstellung in den Räumlichkeiten des Hotels geht übrigens auf das Jahr 2001 zurück, als er eine Auswahl an Studenten der Kunstakademie auf  zwei Etagen präsentierte. Ein paar Jahre später fand eine kurze Zusammenarbeit mit Akiko Bernhöft und Patrizia Dander im Rahmen des Projektes White Light statt. Aber das neue, mit Whittaker lancierte Programm ist etwas ganz anderes. Im vergangenen Jahr rief Tilgier ein Stipendium ins Leben, das völlig privat organisiert und finanziert ist. Unter dem Name Brave Grey Artist in Residence Programm adressiert sich das Projekt an Absolventen des Chelsea College of Art and Design in London. Für die erste Ausgabe war der Zuspruch erstaunlich groß: Über 70 Bewerber haben ihr Glück versucht und wurden von einer fünfköpfigen, britisch-deutschen Jury begutachtet.

Christoph Knecht, Alex Whittaker und René Tilgier

Verglichen zu den lokalen Stipendien, die die Stadt Düsseldorf an fremde Künstler vergibt, ist das Angebot von Tilgier sogar ein bisschen verlockender. Der Laureat darf ganze drei Monate in der Stadt bleiben – anstatt der zwei Monate, die üblicherweise gelten und die von den meisten Betroffenen als zu kurz empfunden werden. Während dieser Zeit wurde Whittaker eine Wohnung und ein Atelier sowie ein bisschen Taschengeld zur Verfügung gestellt. Der Künstler wurde von Christoph Knecht (der René Tilgier beratend zur Seite steht und auch Mitglied der Jury war) begleitet und in die lokale Szene eingeführt. Die Integration verlief also ideal; für den Briten kam es zu zahlreichen Kontakten, die in einzelnen Fällen sogar zu freundschaftliche Verhältnisse mutierten. Was kann man eigentlich noch von einem Stipendium erwarten? Aus Sicht des Außenstehenden vielleicht einen Gegenzug. Bedauerlicherweise ist das Brave Grey Artist in Residence Programm eine Einbahnstraße; der künstlerische Transit führt nur in die Richtung London-Düsseldorf. Aber kann man die komplette Abwicklung eines internationalen Austausches von einem Privatmann erwarten? Hier wäre womöglich ein Einschalten der Stadt gefragt.

Alex Whittaker erzählte, wie bereichernd sein Aufenthalt war und wie gut er die selbsternannte Kunststadt Düsseldorf fand. Seine Eindrücke sind von einer sehr lebhaften Szene geprägt, die viele neue Impulse vermittelt und zugleich nicht in Hektik verfällt. Anders als in London, könne man in Düsseldorf konzentriert an seiner Kunst arbeiten, einem großen Connaisseur-Publikum begegnen, viele Kollegen kennenlernen ohne sich an der aufreibenden Stimmung einer Großstadt zu erschöpfen. Düsseldorf gibt viel, fordert dafür aber wenig. Deshalb wurde es fast eine Selbstverständlichkeit für Whittaker, eine Arbeit dem Hotel Ufer zu überlassen. Mit Winter Morning Immersion hat er eine feine Videoarbeit in einem Zimmer installiert, die von den Gästen immer wieder abgerufen werden kann.

Besonders im Düsseldorfer Kontext ist Whittakers Ansatz ein interessanter, weil er Bereiche verbindet, die man hier selten zusammen sieht. Seine konzeptuelle Herangehensweise, die auf den ersten Blick kühl und distanziert erscheinen kann, mildert er mit narrativen und biografischen Elementen, die ihn in die Nähe eines Story-Tellers bringen. Mit einem dezenten Humor und einem großen Sinn für die Harmonien und Dissonanzen, die zwischen Bilder und Begriffen entstehen können, illustriert er eine kurze Geschichte (eine wahre Kindererinnerung) mit Stockbilder, die er aus der Google Image-Search-Funktion gezogen hat. Magritte im Zeitalter des Internets. Die Paarung Vignette-Wort wirkt mal sachlich-richtig, mal verschoben-komisch und spielt mit semantischen Lücken und Deutungsspielräumen. So wandert Whittaker entspannt und rührend zugleich (wahre Geschichte sind ja immer rührend) durch eine mentale Landschaft, die von jedem Betrachter neu kreiert und animiert wird.

Stills aus Winter Morning Immersion. © courtesy Alex Whittaker

Still aus Winter Morning Immersion. © courtesy Alex Whittaker

Winter Morning Immersion  wirkt wie eine schöne, wenn auch etwas traurige Gute-Nacht-Geschichte, die zwar ein visuelles Universum evoziert, aber sich über die Richtigkeit und die Tragweite ihrer Worte und ihrer Bilder unsicher wäre. Die kongeniale Platzierung in einem Single-Hotelzimmer, diese nüchterne Zelle der Einsamkeit, betont die zurückhaltende narrative Kraft der gesamten Installation.

Bild: A. Whittaker

Bild: A. Whittaker

Als Pendant des Videos hat Whittaker eine kleine Box fest im Zimmer installiert. Wie viele seiner früheren Arbeiten, ist sie im Inneren mit Glas- und Spiegelfläche so verarbeitet, dass die wenigen Objekte, die sie beinhaltet – eine Zahnpastatube, dessen Name („White Now“) indirekt auf die Videocollage verweist, eine Porzellanfigur mit Häschen und ein Glas – sich ins Unendliche reflektieren. Eine Mise en abyme, die sehr typisch für Whittaker ist.

Für Tilgier ist die Ausstellung von Alex Whittaker im Hotel Ufer keine Pflicht, sondern ein erfreuliches Ergebnis. Der Hotelier stellt keinerlei Erwartungen an seine Stipendiaten. In erster Linie soll der Düsseldorfer Aufenthalt eine Möglichkeit bieten, sich forschend zu betätigen und, frei von jeder materiellen Sorge, an Neuem zu arbeiten. Für junge Londoner Künstler ist das Brave Grey Artist in Residence Programm eine hervorragende Gelegenheit, ein neues Land zu entdecken und das unbekannte Terrain zu erobern. In diesem Sinne könnte der Name des Hotels künftig eine stärkere  symbolische Bedeutung erhalten….

Alex Whittaker
Winter Morning Immersion
Ausstellungseröffnung: Freitag, 19.04.2013 19:00 Uhr
im Hotel Ufer
Gartenstrasse 50, 40479 Düsseldorf

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Schön war es am Samstag Abend, bei unserer ersten Digital-Soirée. Das Wetter zeigte sich von der besten Seite, die Stimmung war gut und das Haus kontinuierlich voll. Das freut uns und muss erwähnt werden, denn wer sich im Underground rumtreibt, der kennt auch Anderes.
Off ist eben Off, und eigentlich auch nur dann wirkliches Off, wenn man quasi alleine bleibt, Keiner kommt und man dann da so sitzt, um die Getränke mit den engsten Freundinnen und Freunden und dem einen seltsamen Vogel, den keiner kennt und der trotzdem herfand, wegmachen muss.

Doch diesmal war es anders – zum Glück! Und über das Andere, das Einsame und das Versagen wollen wir jetzt nicht sprechen. Denn als Versager und Verlierer darf und will man sich nicht outen. Das ist Tabu, vor allem natürlich hier in der Welt der Kunst, in der alle möglichst bald Gewinner sein wollen und darüber völlig vergessen, dass es keine Abkürzungen im Leben gibt.

Wir nehmen keine Abkürzung, weil wir wissen, dass wer zu früh am Ziel ankommt bekanntlich lediglich etwas eher tot ist. Statt dessen setzen wie unsere Reise fort und haben mit diesem neuen Projekt Digital-Soirée einige neue Stationen und Wegmarken angelegt. Schön, dass der Auftakt zu diesem Wegstück so gut gelungen ist, schön dass einige von Euch dabei waren.

Wer unsere Gäste verpasst hat, der macht jetzt 2 Minuten Pause mit dem neuesten Clip von Lars Klostermann.

BOOKS AND BLANKETS from meta-unlimited on Vimeo.

Samstag 20.4.2013 – Digital-Soirée präsentiert BOOKS AND BLANKETS 1

Wir hatten bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass wir gemeinsam mit Thomas Spallek an einem neuen Projekt arbeiten. Jetzt ist es soweit: BOOKS AND BLANKETS 1 ist fertig und wird kommenden Samstag, den 20.4.2013 in unseren Galerieräumen in der Kirchfeldstraße 112 in Düsseldorf präsentiert. BOOKS AND BLANKETS ist ein Editionsprojekt bestehend aus Decken und Büchern, die wir gemeinsam mit einem ausgewählten Künstler gestalten und entwickeln.

Den Auftakt machen wir zusammen mit dem in Berlin lebenden Sebstian Schmieg. Schmieg beschäftigt sich im Rahmen seines Search by image Projekts mit Googles umgekehrter Bildersuche. Mit Hilfe eines selbst entwickelten Skripts füttert er Google mit einem Bild, das zurück gegebene Ergebnis nutzt er für die nächste Anfrage. Die in diesem rekursiven Prozess entstehende Feedbackschleife setzte er in Bilder-Clips um, in denen die Bilder wie in einem Daumenkino ablaufen.

In den kommenden Tagen werden wir das mit Sebastian geführte Interview hier schon mal vorab veröffentlichen. Hier ein erstes Bild der kuscheligen Decken.

Samstag, 20.04.
19.00 Uhr
Kirchfeldstraße 112
Düsseldorf

www.sebastianschmieg.com
www.booksandblankets.org

 

Endlos im Asta-Raum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Es kam eben anders. Anstatt des Debüts eines Newcomers bot der Asta-Raum ein Wiedersehen mit zwei Akademie-Alumni, die seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit tätig sind. Am vergangenen Samstag endete die Ausstellung von Taka Kagitomi und Nesha Nikolic mit einer Doppelperformance beider Künstler. Dabei war der  kleine Raum vor der S-Bahn-Brücke auf der Gerresheimer Straße zu voll, um allen Gästen Platz zu bieten.

Beide Künstler wurden von Maurice Urhahn, einem Kiecol-Schüler, eingeladen. Möglicherweise hatte Urhahn geahnt, welches Potenzial eine solche Konfrontation mit sich bringt. Während Nikolic eher brachial und körperbetont arbeitet und dabei gerne seine Stimme (oder andere, live produzierte Klänge) einsetzt, hat Kagitomi eine eigentümliche Vorliebe für skurrile kinetische Objekte, die er aus Fundstücken zusammen setzt und zum Leben erweckt. Zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die eine gewisse hartnäckige Konsequenz als gemeinsamen Nenner haben. Die zwei Performer sind sich übrigens nicht unbekannt: Sie haben zum gleichen Zeitpunkt studiert, waren praktisch Klassennachbarn (Kagitomi bei Tal.R und Nikolic bei Georg Herold) und schätzen sich seit einigen Jahren; zusammen gearbeitet hatten sie aber noch nicht.

 

Nesha Nikolic

Taka Kagitomi

So fanden sie sich wieder, zunächst, für den ersten Teil der gemeinsamen Performance, um Kagitomis große Installation – ein Gerät, das ein wenig an einen gekippten Billardtisch erinnert und bunte Tischtennisbälle ausspuckt. Nikolic modulierte am Mischpult seine Stimme, so dass sie stets neue Färbungen annahm und immer fremder, elektronischer wurde. Kagitomi führte währenddessen seine lustigen Geräte aus und erntete wohlwollende Heiterkeit.

Taka Kagitomi

Taka Kagitomi

Im zweiten Teil (war das wirklich ein zweiter Teil?, eigentlich eher ein Abschluss…) ging Nikolic in den Hinterraum und postierte sich vor einem Laptop. Auf diesem lief als Loop ein kleines Video, das die gewaltige Zerstörung eines ähnlichen Laptop-Modells zeigte. Nun geschah was geschehen sollte: Nikolic ergriff ein Beil und nachdem er pathetisch „Progress ist Regress! Es gibt kein Progress!“ geschrien hatte, zertrümmerte er das Gerät und dessen Sockel. Heftig, konzentriert, effizient.

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic

Technikfeindlichkeit? Fortschrittszweifel? Infragestellung unserer PC-beherrschten Welt? Ein wenig plump. Und nicht unbedingt neuartig: Vor fünfzig Jahren zerstörte Günter Uecker methodisch Fernseher, Klavierflügel und andere Stellvertreter der  besitzfixierten bürgerlichen Ordnung. Wenn man sich aber den Titel und das Thema der Ausstellung („Unendlich“) vor Augen führt, bekommt man einen anderen Zugang zu dieser authentischen Zerstörungswut: Man kann diese Energieausladung als ewige Wiederkunft interpretieren, als eine nie endende Wiederholung – als eine abrechnende Geste, die jede Generation für sich vollziehen muss, egal was in der Vergangenheit bereits zertrümmert wurde.

Endlos
Taka Kagitomi und Nesha Nikolic
Asta-Ausstellungsraum
Gerresheimerstr. 100, 40233 Düsseldorf
25-3-6.4.2013

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE im Institut für Alles Mögliche

Text: Luisa Hänsel

Das Institut für Alles Mögliche experimentiert gern, vor allem wenn jeder mitmachen kann. Das neueste Experiment wurde am Donnerstag, dem 4. April, gegen 19 Uhr in der Abteilung für Alles Andere in der Ackerstraße 18 erstmals vorgeführt – die „USB-Shuffle-Show“: mit einem Open Call rief das Institut alle Interessierten dazu auf die eigenen Kunstwerke auf USB-Stick per Post einzuschicken. Wer bis zum 31. März seine Arbeit eingereicht hatte, wurde ohne Umschweife Teil der Show und erhielt die Chance seinen digitalen Beitrag einem Publikum vorzuführen.


Auf einem kleinen Couchtisch türmen sich Speichermedien in allen möglichen Ausführungen. Neben klassischen San-Disk-Modellen aus schwarzem Kunststoff, finden sich auch Hartplastik-Werbegeschenke oder praktische Miniatur-Formen fürs Portemonaie. Besondere Highlights: ein pinkes Nilpferd, ein mit Glitzer-Lametta verziehrter USB-Stick und eine graue, quadratische Box aus dicker Pappe.

Fast einhundert Datenspeicher beinhaltet der sorgfältig angelegte Katalog, den alle Besucher der Ausstellung in Form eines Memoriesticks als Begrüßungsgeschenk erhalten. So können sich Besucher die Kunstwerke speichern und mit nach Hause nehmen. Die schier unmögliche Ordnung des digitalen Chaos überblickt im Raum nur eine: Hanna – die Praktikantin.

Hanna sitzt mit dem Künstler Jona auf dem Sofa im vorderen Bereich des Raumes und steckt ein paar der nicht-flüchtigen Halbleiterspeicher in die dafür vorgesehenen Sammelbuchsen. Einen Augenblick päter wird der Film „Busen” an die Wand projiziert. Wir sehen mehrere Frauen oben ohne. Dann laufen verschiedene Bilder aus einem unbekannten Stadtraum von einem türkisfarbenden USB-Stick und im Anschluss erhalten wir eine Anleitung wie man sich imaginäre Freunde macht.

„Wenn ich mich an die Sachen erinnere, bedeutet das entweder, dass sie besonders gut oder besonders schlecht sind.“ erklärt mir Hanna mit einem Grinsen. Recht hat sie. Qualitativ unterscheiden sich die Filme und Fotos weit voneinander. Ein herausstechender Beitrag befindet sich in der quadratischen Pappbox.
Das Video auf dem Stick zeigt eine Einstellung aus der Subjektiven. Zwei Hände basteln mit Cutter, Kleber und Pappe den gerade benutzten USB-Stick. Was allerdings neben dem Speicher noch in den Karton eingepflanzt wird, ist geschickt ausgeblendet worden und verbleibt für den Betrachter im Dunkeln.

Auf die Frage, ob die gezeigten Werke zum Großteil von bildenden Künstlern stammen, antwortet mir der Gründer des Instituts, Stefan Riebel nur so viel wie „Das spielt keine Rolle. Jeder konnte ja seine Ideen einreichen.” Eine streng kuratierte künstlerische Leistung, soll in der USB-Shuffle-Show auch gar nicht gezeigt werden.

In erster Linie möchte das Institut für Alles Mögliche untersuchen ob der beliebte Datenspeicher auch ein Ort für Kunst und Kultur sein kann. Außerdem soll die Ausstellung zum Überdenken der Urheberschaft, Einzigartigkeit, Interaktivtät und kuratorische Praxis anregen.

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE
4. – 6. April 2013
Institut für Alles Mögliche, Berlin 
Weitere Info unter: http://usb.i-a-m.tk/

 

Schall und Rauch im Kunstraum: schwarz_weiß_denken_#1

Eine Bildstrecke zur Installation schwarz_weiß_denken_#1 im Kunstraum Düsseldorf. Dort ist derzeit die Ben J. Riepe Kompanie aktiv, eine Tanzkompanie, die seit Jahren an den Rändern von Tanz, Musik und Bildender Kunst arbeitet. Die Bilder zu schwarz_weiß_denken_#1 sind von letzter Woche und leider fehlt auf diesen naturgemäß des Sound der die Sache vor Ort erst richtig Rund gemacht hat.
Bis zum Sonntag ist dort aktuell übrigens noch schwarz_weiß_denken_#4 installiert.

schwarz_weiß_denken_#1

alle Bilder von Martin Baasch via Email (Danke Martin!)

Ben J. Kompanie
„schwarz_weiß_denken_#1“ (Nebelraum)
Ausstellung im Kunstraum Düsseldorf

http://www.benjriepe.com/

Body Light bei Venus und Apoll – eine Nachlese

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos: Sirin Simsek

 

Nicht, dass wir uns missverstehen: Es soll im Folgenden nicht partout versucht werden, eine neuartige Tendenz zu erkennen oder gar einen artifiziellen Trend zu kreieren. Nichts liegt mir ferner, als der vermeintliche Beobachter und Kommentator einer neuen, homogenen Generation zu fungieren – einer Generation, deren Homogenität hauptsächlich aus dem schön zusammen gedichteten Konstrukt eines Kunstwissenschaftlers bestehen würde. Ich möchte nur auf die Verdichtung einiger Anzeichen aufmerksam machen und fragen, ob eine ganze Gruppe von Düsseldorfer Nachwuchskünstler nicht als „romantisch“ bezeichnet werden könnte. Fragen, ob jene Kunstschaffenden, die Anfang der 1980er Jahren geboren wurden und entweder ihr Kunststudium vor kurzem abgeschlossen haben oder es bald tun werden, nicht auf eine romantische Weltsicht rekurrieren. Fragen ob sie, bewusst oder unbewusst, Stilelemente verwenden und eine Haltung verkörpern, die sehr an Formen der historischen Romantik erinnern. Denn– zumindest in Düsseldorf – verdichten sich die Hinweisen.

In einem früheren Artikel hatte ich mich bereits über den eigentümlich romantischen Charakter der künstlerischen Einstellung von Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek gewundert. Ihr Projektraum Studio Roh, dem ich neuerdings einen zweiten Besuch abstattete, ist von eine idealistische Vision und einer erfrischenden, emotionalen Begeisterung getragen, die selten geworden ist. Weit entfernt vom strategischen Kalkül, von der abgeklärten Coolness oder der post-postmodernen Ironie, die in diesem Milieu vorherrscht, wird dort an einer Parallelwelt – einem existentiellen Gesamtkunstwerk – gearbeitet. Mit viel Pathos und Herzblut. Ich hatte versucht, diese Eigentümlichkeit am genuinen Charakter der zwei Künstler zu interpretieren und mir zunächst keine weiteren Gedanken gemacht. Aber es liegt vielleicht mehr dahinter. Die bereits vor ein paar Wochen abgeschlossene Ausstellung „Body Light“, die in Julia Stoscheks Projektraum „Venus und Apoll“ nur drei Tage lang zu sehen war, hat neues Material zur „romantischen Hypothese“ geliefert.

Jonas Wendelin: Du Licht – Abgrund

C.D. Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes (1819-20)

Ein für mich charakteristisches Exponat der Body Light-Ausstellung war „Du Licht – Abgrund“ von Jonas Wendelin. Schon dieser Titel. Ein Heraufbeschwören der finsteren Untiefen dieser Welt und der transzendentalen Erleuchtung, die sie trotzdem verspricht. Um die Bilder einzufangen, die in seine Videoarbeit einfließen, wandert und wandelt Wendelin durch die Berliner Nacht. Anders als die Figuren von Caspar David Friedrich, die sich auf den Weg in ein dichtes Gestrüpp machen, bevor sie, eine mystische Union mit den schlummernden Kräften der Natur eingehend, in katatonische Ekstase unter dem Schein des Mondes geraten, streift Wendelin am Rande der Hauptstadt entlang, entlang an Schnellstraßen und Tankstellen. Die vorbei rauschenden Autos sind zwar nie zu sehen, sie spielen aber die eintönige Hintergrundmusik dieser Großstadtpassion. Wendelin geht durch die Nacht. Er braucht diese Dunkelheit, die nur von dem orangenen Licht der Straßenlaternen gebrochen wird (hier leuchtet kein Mond); er braucht diese Un-Zeit zwischen den Tagen; er braucht diese Einsamkeit. Er ist allein und sucht – aber was sucht er? Das Licht, das Schöne, die Transfiguration? Er sucht ein Bild. Die klirrende Kälte der Nacht hinterlässt nämlich Spuren, und Wendelin kann sie lesen. Er filmt den von der kondensierten Luftfeuchtigkeit produzierten sehr dünnen und unregelmäßigen Eisbelag auf den Motorhauben von geparkten Autos. Diese winzigen Eiskristalle entstehen nur unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen und wirken in Großaufnahmen wie Sterne. Sie blitzen und funkeln in verschiedenen Farbtönen. Hier treffen das Triviale und das Göttliche, car and stars, Mikrokosmos und Makrokosmos, das Stumpfsinnige und das Erhabene, aufeinander.

Alex Grein: o.T.

Wendelin fixiert ein simples, natürliches Phänomen auf Video und überträgt das Lichtspiel, das die fragile Schönheit der Welt einzufangen versucht, in den Raum.  Diesen Impuls finden wir auch in der reduzierten Arbeit von Alex Grein. Die Künstlerin war bereits vor einem Jahr in einer Gruppenausstellung im NRW-Forum aufgefallen, wo sie das Landschaftsmotiv (darunter auch die eisige Ikone von C.D. Friedrichs Gescheiterter Hoffnung) collageartig neu interpretierte. Ihre kleine, unbetitelte Videoinstallation am Worringer Platz, bestehend aus einem mit Wasser gefüllten Glaskasten, auf den Aufnahmen von Wasserspiegelungen projiziert wurden, leuchtet wie eine magische Schatulle in der Dunkelheit. Das viereckige Objekt, das an ein Aquarium erinnert und gewiss dekorativ wirkt, funktioniert wie ein Meditationsstein, eine kontemplative Ruhe ausstrahlend. Die instinktive Faszination des menschlichen Auges für Naturschauspiele wie Wasserfälle, Vogelschwärme oder Wolkenbewegungen kristallisiert sich in diesem höchst artifiziellen Gegenstand. Unter Umstände wird man an Nam June Paik erinnert, auch wenn die esoterische Ästhetik von Greis‘ Objekt weit entfernt zu den grellen und hektischen Bildexplosionen des Großvaters der Videokunst stehen. Beide Ansätze behaupten, dass die Suche nach dem Erhabenen nicht zwangsläufig durch eine Naturerfahrung vollzogen werden muss, sondern auch technologisch evoziert werden kann.

Anna K.E.: Gloss of a Forehead

Francisco Goya

Vom Erhabenen zum Grotesken mag der Weg sehr lang erscheinen; aber gerade das Zeitalter der Romantik hat gewusst, welche Abkürzungen gangbar sind und die Überquerung von einem Extrem ins Nächste ermöglichen. Die ästhetische Kategorie des Grotesken, die übrigens überhaupt nicht spezifisch romantisch ist, soll als Kontrapunkt des Erhabenen verstanden werden – wie die notwendige Schattenseite einer Lichtgestalt –, und war mit Goya und Füssli in den Bildenden Künsten sowie Victor Hugo und Gogol in der Literatur dieser Epoche gut vertreten. . . Präsenzen des Grotesken in Body Light lassen sich an verschiedenen Stellen ausmachen. In Gloss Of a Forehead lässt Anna K.E. ihre lustig-monströse Arschkreatur durch ein Künstleratelier herumtapsen und allerlei Kunst-Stücke (sowohl im wörtlichen als auch im erweiterten Sinne) durchführen. Das Wesen mag ein deftiges Vexierbild oder ein obszönes Ebenbild sein –  bedeutend hier ist jedenfalls die Platzierung des laufenden Popos im Kunstkontext. Klar besitzt der Ansatz von Anna K.E. den Biss und die Albernheit eines einfachen punkigen Streichs; darüber hinaus aber scheint sie manche Schöpfungsmythen und Künstlerklischees heftig in die Mangel zu nehmen. Sowohl die paradigmatische Figur des Künstlers als auch die Vorstellung des Ateliers als Ort der Kreation werden hier ohne große Anal-yse frech demontiert.

Victor Hugo: Le Roi des Auxcriniers (1866)

Dominik Geis: Die Maske

In der Abteilung für groteske Selbsttransformationen müsste neben Anna K.E. auch Dominik Geis herbeizitiert werden. In seiner zwölfminütigen Videoarbeit appliziert er sich in strenger Frontalansicht feuchte Tonklumpen auf das Gesicht, um daraus eine grobe Maske zu formen. Der Künstler verschwindet hinter einer lächelnden Fratze aus schleimiger Materie, verwandelt sich regelrecht in eine Grimasse, wird eins mit dem Kunstwerk. In der Umkehrung des Pygmalion wird Geis zu einer Skulptur. Maske kann als expressionistische Variante von (als Hommage an?) Bruce Naumans Art Make-Up von 1967 interpretiert werden, in dem der Körper des US-Amerikaners zum Bildträger gemacht wurde. Diese Aufhebung der Distinktion zwischen Objekt und Subjekt im Prozess der künstlerischen Schöpfung führt zur Vorstellung der Verschmelzung von Kunst und Leben. Die Welt nach den Idealen der Kunst zu prägen und die Existenz des Künstlers in einem prozesshaften Kunstwerk zu gestalten war ein Projekt der Frühromantik. Das Leben sollte einem Roman gleichen, jeder Mensch sollte zu einem kunstvollen Held werden. Die von Novalis, Schlegel oder Schleiermacher gepredigte Realisierung einer ästhetischen Existenz sollte sich allerdings nie in dieser formulierten Radikalität verwirklichen. Geht man zu weit, wenn man die schlichte Arbeit von Dominik Geis in dieses sehr weite Feld einordnet? Wird das Selbstporträt überinterpretiert? Ich lasse mich gerne auf Diskussionen ein.

Isabella Fürnkäs & Marion Benoit: Zucker

Tanja Ritterbex: I like it Loud

Maske ist nicht die einzige selbstreferenzielle Arbeit der Ausstellung mit grotesken Zügen. In I like it Loud zappelt Tanja Ritterbex wie wild vor der Kamera, übertrieben geschminkt und hyperaktiv, singt, plappert und gestikuliert in einer häuslichen Umgebung, die ihr Teenager-Zimmer sein könnte. Ihr ausgeflippter und enthemmter Beitrag hat den Charakter einer Tagebucheintragung mit evidenten exhibitionistischen Zügen – Tendenz Trash. Die narzisstische Leier kann, je nach Tagesform des Rezipienten, als nerventötend oder goldig angesehen werden. Man entzieht sich jedenfalls der One-Woman-Show nur schwer; die Penetranz des Videos wird nur dank eines kleinen Monitors und Kopfhörers in Schach gehalten. Es ist gewiss eine Plattitüde, diese Art von digitaler Hypersubjektivität als späte Nachfolgerschaft und Web 2.0-Variante der Tagebuch-Manie und der autobiographischen Erzählungsmode zu sehen, die sich im Zeitalter der Romantik rasch ausbreitete. Indes scheint sich die Tyrannei der Intimität durchgesetzt und das totalitäre Ideal des romantischen Menschen in der Transprivacy verwirklicht zu haben. Der Blick in den Spiegel nimmt manische Züge an, vor allem wenn das reflektierte Bild vollständig gestaltet werden kann. Die beinah erschreckende Verstärkung des Individuums, die das Phänomen der social networks mit sich bringt, führt zugleich zu einer Steigerung der expressiven Möglichkeiten des Einzelnen und zu seiner größeren Isolierung im Schwarm. Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörungen, wie sie von der Protagonistin Ritterbex durchlebt werden, werden zur Norm.

Sarah-Jane Hoffmann: From w/Love

Ben van den Berghe: Stepper, Tower and Stomach Trainer (session II)

Es ist prinzipiell erstaunlich, wie relevant die Thematik des Individuums in Body Light erscheint. Wenn sie sich nicht gerade selbst inszenieren, greifen viele Künstler auf die Gattung des Portraits zurück. Nach den Künstler-Kuratorinnen Isabella Fürnkäs und Melike Kara sollte sich die Show auf Themen der Körperlichkeit und der Selbstwahrnehmung konzentrieren – dass ihr Vorhaben vielmehr geworden ist, als eine bloße, erneute Gruppenausstellung zum Motiv des Leibes, spricht für die Beiden. In Body Light wird die Kunst zum Mittel der Selbsterkundung, Selbstbefragung und Selbststilisierung eingesetzt. Überall so viele Ichs. So viele alleingelassene Menschen, in so vielen (Vorstellungs-)Bildern und Klischees gefangen. In manchen Beiträgen, wie beispielsweise bei Ben van den Berghe oder bei Sarah-Jane Hoffmann, prallen Individuen an massenmedialen Konstrukten (aus der Populärkultur im ersten Fall, aus der sog. Hochkultur im zweiten) zusammen, die ihr Selbstbild erheblich bestimmen. Dabei löst sich die Individualität des Körpers in einem diffusen Fundus aus idealen und traditieren Images; die selbst auferlegte Entfremdung nimmt ihren Lauf. Man nimmt es mit Humor (van den Berghe) oder mit Respekt (Hoffmann). Weil diese Bilder rund um die Uhr verfügbar sind und als implizite Modelle gelten, verformen sie allmählich die Körper, nachdem sie sich in die Köpfen verpflanzt haben. Dieser Schock der medialbedingten Selbstmanipulierung lag Goethe, Novalis oder Stendhal fern – auch wenn sie gerade am Anfang des 19. Jahrhunderts mit der explosiven Entwicklung des Romans ihren ersten Anlauf nahm.

Anna-Lena Meisenberg: o.T.

Tobias Hoffknecht: MEM

Die große Qualität der Ausstellung liegt eben nicht nur allein darin, den Spleen einer einigermaßen einheitlichen Generation eingefangen und auf dem Punkt gebracht zu haben – also auf die romantische Ader dieser Generation gestoßen zu sein und sie zu erschließen. Darüber hinaus wurden in Body Light manche Spezifitäten dieser wiederholten Romantik berücksichtigt, die ansonsten keine Entsprechung in der Geschichte finden – wie z. B. durch den Rückgriff auf Kommunikations- und Vernetzungsmedien, die ganz neue Möglichkeiten der Selbstinszenierung öffnen. Die gegenwärtige romantische Generation ist keine eins-zu-eins-Kopie einer historisch-romantischen Generation. Sie bringt ihre Eigenheiten mit. Anstatt der x-ten Retro-Welle, die sofort vergessen wird, könnten wir es hier mit einer tiefgreifenden Reaktualisierung zu tun haben. Der Unterschied ist ein wesentlicher.

Kira Bunse: My Favourite Wate of Time

Kira Bunse bewegt sich allerdings eher in einem anachronistischen Raum. Diese Bemerkung darf nicht als Kritik genommen werden, sondern als Ausdruck einer gewissen Originalität. Bunses Foto- und Videoarbeit ist in der Modewelt angesiedelt, unterhält aber durchaus Beziehungen zur sogenannten „freien Kunst“. Mit My favourite Wate of Time zeichnet sie das Bild eines jungen Mannes mit nacktem Oberkörper, eine Zigarette vor einem neutralen Hintergrund rauchend. Keine übertriebene Laszivität in diesem kurzen Film, doch eine gute Portion Selbstverliebtheit, wie man sie sonst aus den Mode-Klischees kennt. Die Kontraste sind hart, das verwackelte Bild leicht unscharf. Die Super 8-Ästhetik evoziert in ihrer seichten und stilisierten Homoerotik die frühen Filmen von Derek Jarman. Die melancholische und elegische Grundstimmung der Aufnahme wird von ebenso schmachtenden wie schwülen Gitarrenakkorden unterstützt. In unmittelbarer Nähe der Arbeit von Tanja Ritterbex schafft Bunses Miniatur eine willkommene Atempause.

Melike Kara: Haram

Eugène Delacroix: Femmes d’Alger dans leur appartement (1834)

Andere Musik, andere Landschaft, andere Stimmung. Das Motiv des Harems revisited zieht sich durch die wunderbar schlichte und intensive Arbeit von Melike Kara. Der Harem als Topos der Fremde, des Mysteriösen und Lustvollen ist ein höchst romantisches Motiv in den Bildenden Künsten. In den Salons des 18. Jahrhunderts  wurde die wollüstige Atmosphäre eines orientalischen Zimmers voller schlummernder Frauen zu einem beliebten Männerphantasma. Erinnerungen an die Interieurs eines Delacroix oder Ingres drängen sich nun im kurzen Videofilm auf. Aber anstatt von schweren Vorhängen in satten Farben und von reich verzierten Teppichlagen herrscht in Karas Arbeit die Nüchternheit eines mittelmäßigen Wohnzimmers in einem westeuropäischen Wohnblock; anstatt einer halbdunklen Kammer voll berauschender Düfte und geheimnisvoll wirkender Kerzenlichter, wird die Szenerie von grellen Neons beleuchtet. Der exportierte Traum vom Morgenland wird mit seiner wenig schmeichelhaften Realität konfrontiert. Von dem Gemach der Frauen von Algier zu dem Wohnzimmer der Frauen in Köln-Kalk scheint die Distanz unüberwindbar zu sein. Aber ein dunkler Blick voller Sehnsucht, ein improvisierter Bauchtanz vor dem Sofa oder die melancholische Stimme einer Sängerin, die den kahlen Raum mit einem orientalischen Wunder füllt, stellen plötzlich Verbindungen zwischen verträumten Bildern aus einer anderen Zeit und der heutigen Situation türkischer Frauen in Deutschland her. Haram besitzt eine fragile Poesie, die mit wenigen Worten und lakonischen Bildern auskommt. Der Film reaktiviert eine eigentümliche Exotik, die sich an manche triste Standards des deutschen Lebens angepasst hat.

Mit Buchtipp von Manuel Graf wird schließlich die romantische Hypothese ein letztes Mal bestätigt. Die Arbeit ist schon öfter gezeigt worden; ich möchte nur kurz darauf zurückkommen, auch wenn Grafs spannender Ansatz einen ganzen Artikel verdient hätte. Buchtipp nähert sich spirituellen Erkenntnistheorien aus der anthroposophischen Lehre an und bringt auf sehr gelungene Art und Weise eine alternative naturwissenschaftliche Denkweise, die sich u.a. aus der Physik, der Biologie und der Thermodynamik ableitet, mit ihrer freien, plastischen Interpretation zusammen. Das Ergebnis ist zunächst leicht verwirrend, denn man fragt sich, ob man vor einem Dokumentarfilm steht, vor der Persiflage einer Doku oder tatsächlich vor einem künstlerischen Video. Die Struktur der Arbeit ist dichotomisch: Ein älterer Herr referiert zunächst über das Buch Das sensible Chaos von Theodor Schwenk und fasst dessen Hauptthesen zusammen. Dann sind stilisierte Bilder eines eurythmischen Tanzstücks und Raucheffekte zu sehen. Auf den rationalen, analytischen Teil folgt also ein stark assoziativer Teil. Über den esoterischen Diskurs des Vortragenden im Film wurde während der Ausstellungseröffnung gut und raffiniert gelacht. Die meisten Besucher wollten unbedingt Ironie erkennen, da wo – wie ich zumindest vermute – das ehrliche Interesse des Künstlers liegt.

D.J A.Korte

Nach Body Light ist jedenfalls Eines klar. Künstler sind die besseren Kuratoren. Karas und Fürnkäs’ Präsentation zeichnet sich durch einen lockeren und unaufdringlichen Umgang mit der Ausstellungsthematik aus. Diese unerwartete Aktualisierung der Romantik erfolgt unsystematisch und mit einer charmanten Leichtigkeit – und lässt viel Interpretationsraum für den Besucher zu. Hier werden keine eindeutigen Botschaften geliefert und keine Manifeste unterzeichnet; hier werden keine handfesten Beweise gesammelt und keine Thesen an die Wand genagelt. Die zwei Künstlerinnen/Kuratorinnen arbeiten intuitiv und assoziativ, frei von jedwedem theoretischen Ballast (dafür sind wir Kunstwissenschaftler letztendlich zuständig). Body Light ist keine didaktische Demonstration sondern eine verspielte und vorsichtige Behauptung – man fragt sich sogar, ob sich die Macherinnen der Tragweite ihres Ansatzes bewusst sind, ob sie die übergeordneten Zusammenhänge gesehen oder ob sie nicht eher, ihrem Instinkt und ihrer Lust folgend, einfach gemacht haben. Jedenfalls haben sie es sehr gut gemacht.

Dan Dryer im RAUM Oberkassel

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Schon wieder hat Matthias Erntges, Kurator und Betreiber des Raums Oberkassel, eine adäquate Besetzung seines schwierigen Raumes gefunden. Mit dem Künstlerduo Dan Dryer, bestehend aus Astrid Piethan und Jörg Koslowski, ist es ihm gelungen, einerseits die Spezifitäten des Ortes zu unterstreichen und anderseits eine pointierte künstlerische Bezugnahme darauf hervorzurufen. Das kleine Zimmer ist eine Herausforderung; das haben wir bereits in der Vergangenheit betont. Diese Herausforderung ist aber von den zwei Künstlern glänzend gemeistert worden.

aus der Ausstellung 22 Fachgeschäfte

Die letzte Installation von Dan Dryer erlebte ich in einer verlassenen Einkaufspassage in Mönchengladbach im Rahmen der Ausstellung 22 Fachgeschäfte. Es war ein monumentales und brachiales Werk, beruhend auf einer schlichten und evidenten Idee (dies lässt sich nachträglich gut behaupten), ausgeführt aber mit einer fast einschüchternden Kraft. Die physische Präsenz der Decke/Wand war beeindruckend und die leichte Orientierungslosigkeit, die sich vor dieser gekippten Oberfläche einstellte, faszinierend.

In Oberkassel aber sind leisere Töne angesagt. Dan Dryers Ansatz ist hier subtiler geworden und bewegt sich im Bereich des Infravisible – die Installation Monitor ist für den neuen Besucher, der den Raum noch nie begehen hat, so gut wie unsichtbar. Denn dieser Besucher betritt zunächst einen leeren, weißen Raum, mit kleinem Kaminsims und zwei Türen. Die „Objekterwartung“ des Rezipienten – wie Erntges diese stupide Sehnsucht nennt – wird bitter enttäuscht: Hier ist definitiv nichts. Dabei hat doch eine kaum bemerkbare Verschiebung stattgefunden: Eine Wand, mitsamt Tür und drei übriggebliebenen Nägeln, wurde eins zu eins kopiert und auf einer anderen, sich im rechten Winkel befindenden Wand übertragen. Copy and paste. Durch diesen Vorgang ist das Fenster, das sich sonst an der Stirnwand befindet, verschwunden und der Raum erhält eine völlig neue Konfiguration.

Die Änderung ist minimal, der zu generierende Aufwand aber sehr groß. Die Wirkung unspektakulär, die Irritation aber unleugbar. Etwas ist anders hier, obwohl alles so normal ist. Die Attrappe im Maßstab eins zu eins verwirrt den gewohnten Besucher. Sie ist so perfekt, dass sie sich nicht unmittelbar als Fake erkennen lässt. Winzige Gebrauchsspuren, Dreckflecken und weiße Übermalungen, die sich auf der Originalwand befinden, sind nämlich auf die zusätzliche Wand übertragen worden. Dan Dryer appelliert an die Sensibilität unserer Raumwahrnehmung. Die angebliche Leere des Ortes macht auf das Wesentliche – auf den Raumcharakter – aufmerksam, lenkt die Perzeption auf das Arrangement und auf die Natur dieses Raumes.

Matthias Erntges

Die akkurate Raumbeobachtung und der präzise Eingriff besitzen eine große Strenge und Stärke. Es überrascht nicht, dass Piethan und Koslowski bei Magdalena Jetelová studiert haben. Da wurde ein Verständnis für den Raum geschult, welches eben zu solchen hervorragenden Arbeiten führt.

 

Dan Dryer
Monitor
2.3-6.4.2013
RAUM Oberkassel
Sonderburgstr. 2, 40545 Düsseldorf
geöffnet Sa. 14-18 UHr
www.raumoberkassel.de

 

2,3 – 3d (+) und SUR FACE im Ballhaus Ost

Das BALLHAUS OST ist eine seit 2006 bestehende Spielstätte für freies Theater, Performance und Tanz. Das Haus in der Pappelallee 15 im Prenzlauer Berg ist Heimat für bereits etablierte Gruppen und Künstler der freien Szene (wie z.B. die Puppenspielformation „Das Helmi“) und bietet gleichzeitig Raum für bislang weniger bekannte Akteure der vitalen freien Berliner Theaterlandschaft, hier ihre Arbeiten zu präsentieren. Das Ballhaus ist somit Begegnungsstätte für experimentierfreudige und -mutige Theaterkünstler und ein neugieriges Publikum – ein dynamischer Ort der passionierten Bearbeitung heutiger Lebenswirklichkeiten. Neben den regulären Programm gibt es eine Ausstellungsreihe namens „l’oiseau présente…“, das von den Gastkuratorinnen und Künstlerinnen Mani Hammer, Gunna Schmidt, Nicola Stäglich und Anke Völk auf die Beine gestellt wurde.

 

Mit 2,3 – 3d (+) versammelt die Berliner Künstlerin Nicola Stäglich Werke von Künstlern aus Berlin und Düsseldorf, die auf unterschiedliche Weise an Konzepten des erweiterten Bildraumes und -begriffs in Form von Reliefs bis zur freistehenden Skulptur arbeiten. Mit Jan Albers, Eva Berendes, Florian Baudrexel, Wolfgang Flad, Max Frintrop, Sabine Groß, Karsten Konrad, Frank Maier und Nicola Stäglich.

 

Ausstellungsansicht mit Werken von Boller, Konrad, Flad, Baudrexel und Albers

Frintrop, Stäglich, Boller, Maier, Flad, Baudrexel

Eva Berendes, Boller, Frank Maier und Wolfgang Flad

Florian Baudrexel, Nicola Stäglich, Frank Maier, Wolfgang Flad und Jan Albers

Sabine Groß, Frank Maier

SUR FACE – ausgehend von einem Wortspiel betrachtet die Berliner Künstlerin Gunna Schmidt in Ihrer Soloshow die Oberfläche von Malerei, als geformte Haut eines Bildes und gibt ihren Werken durch körperhaften Einsatz von Material und Farbe etwas wesenhaftes.

„Sur Face“ Gunna Schmidt

„Sur Face“ von Gunna Schmidt

Eröffnung 7. März 18-22h
Mo-Fr 16 – 18:30h
Sa-So 15 – 18:30h
Die Ausstellung läuft bis 16.3.2013
Ballhaus Ost 
Pappelallee 15
Hinterhaus/3.Etage – Berlin/Prenzlauer Berg
www.loiseaupresente.blogspot.com

 

 

 

 

Benzulli zeigt Franz Zar

Benzulli zeigt: Ausstellungen im Abstand von vier bis sechs Wochen im Hinterhof der Worringer Straße 103 in Düsseldorf. Aktuelle Informationen dazu findet Ihr auf Facebook unter www.facebook.com/benzulli.

Am Freitag den 01.03.2013 eröffnete dort für drei Tage die Ausstellung Franz Zar.
Und was soll ich sagen???
Mich spricht ja wirklich nicht mehr viel von dem an, was aktuell so Kunst genannt wird, doch das was dort hing gefällt mir.
Keine rechte Ahnung warum, aber diese Sachen von Franz Zar gehen einfach extrem gut bei mir. Denn es ist alles drin: Reproduktion, Serialisierung, digital Painting, amorphe Wurstformen, Ideologien, Ästhetikfragen, Revolution und Bildersturm. Was will man mehr?
Nur der Verweis auf Schulbücher ist im ersten Moment nicht so ganz meines, das liegt aber an meiner nachhaltigen Abneigung gegen die Institution Schule. Wenn ich das dann – wie im Text unten vermerkt – im Kontext von Auslöschung und Zerstörung lese geht das aber schon klar.

Bild via http://www.franzzar.net/

Deshalb nun zum Einstieg und zur Einstimmung noch den zugehörigen erstklassigen Text von Franz Zar selber.

>> Die Bilderstürmer des 16. und 17. Jahrhunderts begreifen die zu zerstörenden Bilder und Skulpturen als Repräsentationen der von ihnen bekämpften Ideologien. Heiligenbilder als Zeichen für die diesseitige Wirksamkeit Gottes und damit als Machtbeweis der Institution Kirche. Kunstobjekte aus den Sammlungen des Adels als Materialisierungen von Reichtum und elitärer Bildung. Erst die Aufklärung sieht in den Bildern und Skulpturen aus dem Besitz von Adel und Klerus das Potenzial, für die neu zu schaffende bürgerliche Öffentlichkeit in ästhetischer, politischer und historischer Hinsicht zum allgemeinen Bildungsinhalt zu werden. Während der Französischen Revolution werden die anfänglichen Zerstörungen von Kunstobjekten untersagt und neu geschaffene staatliche Kommissionen sammeln und katalogisieren die so geretteten Objekte, um sie an Orten wie dem Louvre, dem ehemaligen Königspalast, einer möglichst großen Anzahl von Menschen aus möglichst allen Gesellschaftsschichten zu präsentieren. In diesen neuen Ausstellungsräumen ist die ästhetische Beschaffenheit der in ihnen gezeigten Objekte wichtiger als die ihnen anhaftenden politischen und historischen Implikationen. Sie werden von früheren Repräsentationspflichten befreit, und zeigen in den neuen Kunsttempeln gleichsam nur sich selbst. Die Idee des Bildersturms ist die Zäsur zwischen modernem und vormodernem Kunstverständnis. Begreife ich ein Objekt ausschließlich als Repräsentation einer Ideologie, ungeachtet seiner formalen Qualität, muss ich es zerstören, wenn ich die entsprechende Ideologie bekämpfen will. Sehe ich von den politischen, historischen und ideologischen Implikationen ab, und beschäftige mich vorrangig mit der ästhetischen Beschaffenheit eines Objekts, beginnt das, was das moderne Verständnis von Kunst erst ermöglicht: die Reflektion über das Potenzial von Ästhetik, Wissen zu vermitteln. In den von mir für die Ausstellung bei Benzulli konzipierten Arbeiten werden Buchseiten meiner eigenen Geschichte-Schulbücher aus den Neunzigern mit Motiven deformierter Portraits bedruckt, die ich in Anlehnung an historische Bildzerstörungen geschaffen habe. Die Konstruktion und didaktische Vermittlung von Geschichte in Form der Schulbücher wird von mir mit Motiven zusammengeführt, die auf die Zerstörung und Auslöschung von Geschichte verweisen. Die digital erstellten malerischen Gesten untersuchen ein Verständnis von Malerei, das sich einst aufmachte, etablierte Formensprachen zu stürzen, auszulöschen und zu ersetzen. <<

Text: Franz Zar, Wien, Februar 2013

Einen weitere lohnenden Text von Franz Zar gibt es hier.

Und nach dem Lesen gibts die Bilder

alle Bilder Copy&Paste via benzulli – dort gibts noch mehr.
Danke!

Franz Zar bei Benzulli
01.03. – 03.03.2013
http://www.benzulli.com
Hinterhof der Worringer Straße 103, Düsseldorf

Pepper + Woll zeigen SUPER in Köln

Mit der speziell für den Ort entwickelten Arbeit „SUPER“ des in Düsseldorf lebenden Künstlerduos PEPPER + WOLL präsentierte die Projektreihe 10qm am Freitag den 08. März um 18 Uhr die neunte für den Ort konzipierte Arbeit.

10 QM – SUPER ist eine temporäre Architektur-Skulptur, welche sich durch Einbeziehung der spezifischen Raumkoordinaten am Ort manifestiert. Die Intervention schafft ein neues Zentrum innerhalb des vorhandenen Wohnquartiers, indem sie eine Schnittstelle im innerstädtischen Gefüge von Park, Kirche und Anwohner von Köln/Nippes provoziert. „Super“ funktioniert als architektonische Geste, die die Aufmerksamkeit des Anschauenden bannt und Fragen, Meinungen bzw. Prozesse der Kommunikation eröffnet!

„Super“ ist durch die freie Verwendung konventioneller Baumarktmaterialien und der Glorifizierung gegenüber der Technik geprägt. Ausgediente technische Objekte wie z.B.  der Lüfter (Bobble), der Stromkasten oder aber auch der Leuchtturm (Glockenturm) sind ausgediente technische Objekte mit Wiedererkennungswert, die in der gebauten Struktur eine scheinbare Logik ergeben.

Alle Bilder by Pepper +Woll via E-Mail.
Danke Mark!

10qm
Freitag den 08. März, 18 Uhr
www.10qm.de
www.facebook.de/zehnqm
www.pepperwoll.com

Zyklus (Der Mensch unter der Führung des Menschen) im Studio Roh

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Der Titel der Ausstellung erschließ sich mir nicht sofort; er erwies sich jedoch im Nachhinein als die klarste Formulierung, die man sich zu dieser Gruppenausstellung hätte vorstellen können. Es gäbe viel zu sagen über diese gelungene Show, die sehr breit aufgefasst war und zugleich das Thema nie verfehlte (bis vielleicht auf eine Ausnahme). Aber wir bleiben diesmal wortkarg und lassen die Bilder sprechen – begleitet von minimalen Kommentaren.

Jaebong Jung

Jaebong Jung

Der Rausch der Geschwindigkeit, die Extase des Lichtes. Eine impressionistische und hypnotische Kurzarbeit von Jaebong Jung, gefilmt von einem fahrenden Zug aus, oszillierend zwischen starken Überblendungen und raschen Ansichten einer periurbanen Landschaft.

Diana Akoto-Yip

Diana Akoto-Yip

Diana Akoto-Yip

Die interaktive Videoinstallation von Diana Akoto-Yip brachte den Besucher an verschiedenen Orte einer Stadt in Ghana und ermöglichte jeweils einen Panorama-Blick auf die Umgebung. Nachdem man ein Chip in den vorgesehenen Schlitzen eines Monitorkastens platziert hatte, öffnete sich die entsprechende Landschaft auf 360 Grad.

Rebekka Benzenberg

Rebekka Benzenberg

Rebekka Benzenberg

Die Szene findet offensichtlich in einem Künstleratelier statt (das man unschwer als einen Raum der Kunstakademie Düsseldorf identifizieren kann). Ein Model ist an einem Stuhl gefesselt und wird von einer Bildhauerin (es ist Rebekka Benzenberg höchstpersönlich) eingegipst. Gestaltung durch Unterwerfung; Tortur als Motor der Schöpfung.

Fabian Heitzhausen

Im dokumentarischen Duktus erzählt ein junger Mann  vor der Kamera von Fabian Heitzhausen von seinen Erfahrungen als angelerneter Arbeiter in der Autoindustrie. Auch im Jahr 2013 ist die Entfremdung der Arbeit kein Fremdwort – wobei diese Entfremdung, von einer stupiden und eintönigen Tätigkeit verursacht, vom Betroffenen selbst gewählt wurde…

Experimentelle Bild- und Toncollage mit stark verfremdeten Bildern, bizarren Oberflächenstrukturen, und Klangwelten, die unter die Haut gehen. Experiment mit dem Material Film.

Oliver Blumek

Oliver Blumek

Dokumentation einer Performance von Oliver Blumek. Der gute Mann spaziert am Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einem Stück rohen Fleisches an der Leine. Die Reaktionen seiner Mitmenschen sind verhalten. Auf diesem harten Pflaster scheint die skurrile Erscheinung Keinen aus der Fassung zu bringen.

Sara Hoffmann

Sara Hoffmann

Sara Hoffmann

Sara Hoffmann präsentiert eine schwindelerregende Spiegelinstallation, die sehr an Dan Graham erinnert und die Paradigmen des Sehens/Gesehenwerdens, der Projektion und der Rezeption gekonnt inszeniert. Visuelle Abgründe öffnen sich plötzlich…

Melike Kara

Melike Karas Film wirkt wie ein melancholischer Eintrag in einTagebuch.

Bona + Fide

Bona + Fide

Dominik Królikowski

Dominik Królikowski hat den längsten Abspann der Filmgeschichte produziert. Er hat die Regierungsmitglieder aller Staaten dieser Welt (mit einer aussagekräftigen Ausnahme: die USA) in einer „Credits-Form“ aufgearbeitet und lässt so die Schauspieler und Mitwirkenden der realen Bühne in eine endlos wirkende Schleife abrollen.

 

Zyklus (Der Mensch unter Führung des Menschen)
Ausstellung v. 2.3-4.3.2013
Studio Roh
Mintropstr.14
40215 Düsseldorf

 

Camera Obskur im Kunstraum Düsseldorf

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Bereits in den 1980er Jahren nahm eine ganze Generation von deutschen und deutschsprachigen Künstlern – darunter Thomas Schütte, Thomas Huber oder Ludger Gerdes – auf die Form des Modells Bezug. Ihr Interesse galt vor allem der Zwitternatur dieser Gattung, die zugleich autonomes Objekt, perspektivischer Entwurf und utopische Projektion sein könnte. Oft mit einer guten Portion postmoderner Ironie versehen und, entweder als Plan oder als Bühne, in betont artifiziellen Arrangements inszeniert, fungierten ihre kleinen Systeme als möglichkeitsöffnende Denkspiele, die zwischen elegant-aseptischem Glanz (Fritsch) und amateurhaftem Trash (Hirschhorn) oszillierten. Auch in jüngeren Positionen, wie z. B. bei Tatiana Trouvé, Rita McBride oder Simon Starling, die vereinzelt mit dieser Form arbeiten und die Disziplinen der Architektur oder des Designs (Stichwort: Prototyp) offensichtlich zitieren, ist die Bandbreite der konzeptuellen Strategien und der plastischen Lösungen in Bezug auf das Modell sehr groß. Umso erstaunlicher erscheint die programmatische Konzentration der aktuellen Ausstellung im Kunstraum Düsseldorf.

Die zwei Kuratorinnen Stefanie Ippendorf und Jari Ortwig haben eine dichte Präsentation geschaffen, die, klugerweise, auf einen einzigen Aspekt der Modellfrage fokussiert. Die sechs Künstler der Show greifen alle auf Hausmodelle zurück (wobei „Haus“ im erweiterten Sinne zu verstehen ist, also auch als Halle, Zimmer, Zelle), die entweder dreidimensional geformt oder fotografisch kreiert werden. Diese Konstruktionen siedeln sich gezielt in eine unscharfe Zone zwischen Realität und Fiktion an, und dies wird teilweise durch die mediale Aufarbeitung des Haus(modells) forciert, die ein Filter zwischen Objekt und Subjekt legt und damit die grundsätzliche Unsicherheit des Betrachters steigert.

Christine Erhard

Christine Erhard

Sind nun die menschenleeren und sterilen urbanen Räume in den Bildern von Christine Erhard die Imitation einer Stadt oder handelt es sich hier um authentische architektonische Ansichten? Erhard scheint mit den Sehgewohnheiten des Betrachters zu spielen. In ihren Aufnahmen von Modellen integriert sie geschickt und verschmitzt Elemente ihres Ateliers und schafft somit verwirrende Trompe-l’oeil, die die Nähe der sachlichen Fotografie offensichtlich suchen. Sie verwandelt einfache Tischplatten in riesige Hängebrücken und lässt eine einfache Heizung wie Plattenbauten wirken. Diese köstlich irritierenden Bilder (übrigens: Erhard versteht sich in erster Linie als Bildhauerin) stellen den Automatismus der Bildinterpretation und, grundsätzlicher noch, das Verhältnis des Bildes zur Realität in Frage. Ausstellungsbesucher, die Christine Erhard gemocht haben, werden Lois Renner lieben…

Elke Schlenkhoff

Elke Schlenkhoff

Wie Erhard baut Elke Schlenkhoff ihre Modelle selbst bevor sie sie abfotografiert. Allerdings ist hier die motivische Perfektion, die in Erhards Aufnahmen gekonnt vorgetäuscht wird, gar nicht von Interesse. Anstatt glänzenden Oberflächen und anonymen Betonlandschaften in den Vordergrund ihrer kleinen Bilder zu rücken, blickt Schlenkhoff, 1984 in Herne geboren, auf heruntergekommene Hinterhöfe, triste Fassaden und desolate Straßenecken, die den ganzen Charme des Ruhrgebiets ausstrahlen. Diese aus Pappe und Knete zusammen gebauten Szenerien erinnern eher an Bühnenbilder ohne Schauspieler als an Modelle. Das Atmosphärische, das Narrative sind hier bedeutender als die Exzellenz der Form, als die gelungene Täuschung. Natürlich verkörpern sowohl Erhard als auch Schlenkhoff zwei Positionen, die reflexartig an die paradigmatische Haltung von Thomas Demand erinnern. Der Spannungsbogen zwischen Realem und Konstruiertem, zwischen Fotografie und Architektur, bzw. Modell ist evident.

Marc Räder

Marc Räder

Marc Räder

Vor etwa fünfzehn Jahren überraschte Marc Räder die kleine Fotowelt mit seinen verzerrten Aufnahmen der nordamerikanischen Suburbia. Durch Verschiebungen und Schwenkungen der Linse seines Objektives (sog. „Tilt and Shift“-Verfahren; wenn ich mich nicht irre, ist Räder der Erste, der diese Technik entwickelte und bewusst einsetzte, und dies lange bevor sie von der Werbebranche aufgegriffen wurde), brachte er ganze Wohnsiedlungen, verwaiste Sportareale und künstlich wirkende Landschaftszüge in eine merkwürdige Perspektive. Von einem beinah göttlichen Standpunkt aus gesehen, erscheint die Welt in Räders Bildern wie ein kleines, hässliches und lebensfremdes Eisenbahnmodell ohne Eisenbahn. Diese verstörende Mischung aus extremer Expressivität und gnadenloser Sachlichkeit (doch, das ist wirklich unsere Welt) ist allerdings nur spannend, wenn die Wahl der Motive sozialkritische Spuren aufweisen und die Missstände unserer urbanen Kultur aufdecken. Diese raffinierte Fotografie läuft nämlich Gefahr, interessant-abstruse Bilder zu liefern, die sich in ihrem kurzen Aha-Effekt erschöpfen.

Mirjam Kuitenbrouwer

Mirjam Kuitenbrouwer

Mirjam Kuitenbrouwer

Mirjam Kuitenbrouwer

Weiterhin wären die subtilen, vertrackten Apparaturen von Mirjam Kuitenbrouwer zu erwähnen, die würdig eines Kuriositätenkabinetts der Aufklärung sind und – extrem schöne machines à voir und machines à penser darstellen. Die Installationen von Stephan Mörsch, die sich in Modellen, Zeichnungen und Videoaufzeichnungen durchdeklinieren und, trotz ihrer formellen Harmlosigkeit, politische Brisanz besitzen, hätten sowohl Baudrillard als auch Virilio viel Vergnügen bereitet. Schließlich das kleine entomologische Theater von Susanne Kutter, wo Schmetterlinge und Kellerasseln in nachgebauten Interieurs inszeniert wurde. Ich hatte Schwierigkeiten, das Ganze als Metapher einer existentiellen, menschlichen Situation zu sehen. Vielleicht weil mir in der Schulzeit Kafka mit einer Keule eingetrichtert wurde.

Mirjam Kuitenbrouwer

Stephan Mörsch

Stephan Mörsch

Stephan Mörsch

Stephan Mörsch

Die Kunsthistorikerinnen-Kuratorinnen spielen bewusst mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs „camera“, der sowohl „Zimmer“ im Italienischen als auch „Fotoapparat“ im Englischen heißt und finden in dieser dichten Präsentation die stimmige Schnittstelle zwischen Fotografie und Raum. Die Ausstellung ist gut recherchiert und, in dieser kompakten Form (die Räumlichkeiten des Kunstraums sind beinah halbiert worden, und dies war eine goldrichtige Entscheidung), ein wahrer Genuss. Es fehlt zwar ein Funken an Verrücktheit, an deplatzierten Invenzione; man vermisst vielleicht den Bruch, die Zäsur, das Unvernünftige, die Spannung ins harmonische Ganze bringen würde. Aber was meckere ich nur? Man bekommt nicht jeden Tag eine so solide Gruppenausstellung…

Susanne Kutter

Susanne Kutter

Susanne Kutter

 

 
Camera Obskur
Kunstraum Düsseldorf
Himmelgeister Str.  107
Ausstellung vom 1.2.-24.3.2013
Öffnungszeiten: Do-So, 14-18 Uhr

Body Light bei Venus und Apoll

Venus&Apoll ist der Onffspace-Ableger der in Düsseldorf ansässigen JULIA STOSCHEK COLLECTION. Begleitend zum jährlichen Rundgangspektakel an der Akademie eröffnete dort am vergangenen Freitag Abend die Gruppenausstellung Body light, mit den Teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern Ben van den Berghe, Kira Bunse, Isabella Fürnkäs, Dominik Geis, Manuel Graf, Alex Grein, Tobias Hoffknecht, Sarah-Jane Hoffmann, Anna K.E., Melike Kara, Magdalena Kita, Anna-Lena Meisenberg, Tanja Ritterbex, Hermes Villena, Jonas Wendelin und Sophie Wilberg-Laursen.

Und auch wir hatten fest vor darüber eine Bildstrecke zu machen!
Leider, leider kamen wir aber nicht bis zum Worringer Platz, sondern sind dann keine 200 Meter von zu Hause entfernt am Fürstenplatz im Bar/Cafe Appartement hängen geblieben – und dort ganz klassisch versackt.
So gab es für uns Zündkerzen statt Videokunst und am nächsten Tag nen dicken Kopf…

Was für ein Glück aber, dass es noch andere Blogger gibt, die über mehr Disziplin und Einsatzbereitschaft verfügen und in solchen Fällen aushelfen können. Deshalb hier der Verweis auf die Kolleginnen und Kollegen vom artfridge-Blog, denen es gelungen ist eine Bildstrecke mitzubringen.
Zum Ansehen bitte kurzer Klick auf das Bild oder hier.

via artfridge
Venus & Apoll 
Worringer Platz 8
40210 Düsseldorf
Opening Hours: Daily, 12 – 18 h

Neues aus Hamburg: Carola Deye – Sorry Safari und Tillmann Terbuyken – Spitzen

Dank der Unterstützung der frisch nach Hamburg gezogenen, jungen Künstlerin Theda Schillmöller werden wir ab jetzt und in den kommenden Monaten etwas tiefer in die Kunstszene der norddeutschen Hafenstadt einsteigen – eine Stadt im übrigen, die auch für einen Teil der Perisphere schon einmal zwei Jahre lang Heimat gewesen ist, bevor es dann ins Rheinland ging.
Zur Feier des Tages und weil man auch mal was verrückter tun muss, machen wir den Auftakt – ganz untypisch für uns – mit einem fotografischen Doppel zu zwei Räume.

Danke Theda!

Tillmann Terbuyken präsentiert Spitzen bei Isa Maschewski

Der Maler und Bildhauer Tillmann Terbuyken eröffnete letzte Woche seine Ausstellung ‚Spitzen‘ im Projektraum Isa Maschewski in der Admiralitätstraße. Er zeigt Arbeiten aus den letzten sieben Jahren. Zeitgleich ist eine Auswahl seiner Arbeiten in der Ausstellung ”Passagen und Werkzustände” bei KM in Berlin zu sehen. Beide Ausstellungen laufen noch bis März 2013.

Carola Deye zeigt Sorry Safari im Goldbekhof

Carola Deye, Gastkünstlerin im Goldbekhof 2012, zeigte am 31.01.2013, ihre Abschlussausstellung ‚Sorry Safari‘. Deyes Arbeiten beziehen sich auf die gleichnamige Tom & Jerry-Folge und spielen u.a. mit Stolperfallen und Perspektivverschiebungen. Der Großteil ihrer Arbeiten ist während ihres einjährigen Aufenthalts im Gastatelier Goldbekhof entstanden und kann, je nach Räumlichkeit, sowohl zweidimensional, als auch dreidimensional ‚gelesen‘ werden. Deyes Arbeiten sind tiefgründig und humorvoll zugleich – dieser Spagat gelingt ihr ganz gut, finden wir.

spitzen
tillmann terbuyken
Projektraum Isa Maschewski
Admiralitätstr. 71
20459
Hamburg

Ausstellung: 25.01.2013 – 21.03.2013
Öffnungszeiten: Dienstag – Donnerstag 14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
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sorry safari
Carola Deye
Goldbekhof
Moorfuhrtweg 9 B
22301 – Hamburg

Formation – Peles Empire im Cell Project Space

von Benny Höhne (London)

 

Peles Empire – der Name scheint Programm zu sein bei Katharina Stoever (*1982) und Barbara Wolff (*1980), demjenigen Duo, das sich hinter dem Großmachtstatus beanspruchenden Alias verbirgt. Seit nunmehr acht Jahren leben und arbeiten die beiden Künstlerinnen in London, wo sie im Jahr 2005 ein Kollaborativprojekt gründeten, dessen Namen sie dem rumänischen Schloss Peleş entlehnten. Aber nicht nur ihr Name, sondern das gesamte Werk der zwei jungen Damen, die ausschließlich als Duo arbeiten, entspringt ausnahmslos diesem am Fuße der Karpaten, zwischen Transsilvanien und der Wallachei gelegenen Neorenaissance-Schlosses, das allem Anschein nach Quelle höchster Inspiration ist.

Formation 7  (digital prints on paper, 275 x 440cm) und Formation 2-6 (Porzellan und schwarzer Ton) (Bild: Damian Jaques)

Ausgangspunkt ihrer aktuellen Solo-Show FORMATION im Londoner Cell Project Space ist der Waffensaal des Gebäudes, den sie neben anderen Räumen des Schlosses bereits für vergangene Ausstellungen installativ interpretiert und rekonstruiert haben. Dabei präsentieren Peles Empire eine Gruppe von Arbeiten bestehend aus skulpturalen Objekten und digitalen Prints, welche das Verhältnis verschiedener Transformationsmöglichkeiten von Raum, Zeit und Materialität auszuloten scheint.

Formation 7. (Bild: Damian Jaques)

Dem Besucher begegnen zunächst zweidimensionale Rückführungen und Neuinterpretationen der ursprünglich räumlichen Nachbildungen des Waffensaals. Zwei große Schwarz-Weiß-Drucke unterteilen den Ausstellungsraum in drei gleichgroße Abschnitte und umgeben den Besucher als mehrfach verzerrte, digital modifizierte Version des originalen Schlossraumes, der hier visuell bis zur Unkenntlichkeit entfremdet ist. Nur puzzlehaft lassen sich Rückschlüsse ziehen auf ein ursprüngliches Ganzes, das von Stoever und Wolff fortlaufend – hierin ist ein Grundschema ihres Arbeitsprozesses zu erkennen – transformiert, permutiert und re-arrangiert wird.

Formation 8 (digital print on paper, 250 x 280cm). Bild: Mariell Amélie

Formation 8 (Bild: Marielle Amélie)

In FORMATION wird dieses Konzept mit fünf in einer Reihe auf dem Boden positionierten Objekten auf die Spitze getrieben. In einer subjektiven Wiedergabe einzelner abstrakter, aus den Fotomontage-Kulissen herausgegriffener Formen und Strukturen führt das Duo die vorherige Umwandlung von Raum zu Fläche in skulpturale Dreidimensionalität zurück und entfernt sich mit dieser abermaligen Umwandlung umso weiter von seinem Ausgangspunkt. Durch die untypische Materialkombination von weißem, unglasiertem Porzellan und Black Grog, einem schwarzen, grobkörnigen Pigment, verbinden sich die Keramiken einerseits mit der Farbigkeit der Fotokopien, stoßen sich durch ihre schroffe Oberflächenstruktur aber andererseits von den glatten Bildwänden ab, was für ein deutlich spürbares Spannungsverhältnis unter den verschiedenen Arbeiten sorgt.

Formation 7 und 1 (Prints auf Papier, je 275 x 440cm) und Formation 4-6, (Porzellan, schwarzer Ton). (Bild: Mariell Amélie)

Formation 5. (Bild: Mariell Amélie)

Formation 4. (Bild: Mariell Amélie)

Die Metamorphose ihres architektonischen Namensgebers vollzieht Peles Empire in einer zweiten Objektgruppe auch mit den im Waffensaal des Schlosses erhaltenen Artefakten, die als abstrahierte Keramik-Reproduktionen von Lanzen oder Speeren im hinteren Galerieraum gegenüber einer Collage aus geschredderten Schwarz-Weiß-Drucken an der Wand staffiert sind und die Ausstellung abschließen. Auch diese Arbeiten können im Hinblick auf eine zusammenfassende Einschätzung von FORMATION als berechtigter Versuch der Künstlerinnen gewertet werden, einen historischen Raum zu visualisieren, der seiner selbst allerdings so weit entrückt ist, dass der Betrachter sich in einer auf Realem basierenden Utopie wiederfindet, einem von Stoever und Wolff herbeigewünschten Ort, der hier in abermaligen Transformationen zu einem kuriosen Nirgendwo mutiert ist.

Formation 9 (Porzellan, schwarzer Ton, 212 x 58cm) und Formation 10 (Porzellan, schwarzer Ton, 212 x 58cm). (Bild: Mariell Amélie)

Formation 9. (Bild: Mariell Amélie)

Bild: Mariell Amélie

Nicht nur künstlerisch, auch kuratorisch sind Peles Empire höchst aktiv. Unter gleichem Namen betreibt das Duo momentan zwei eigene Off-Spaces in London und Cluj, in denen die zwei Städel-Absolventinnen bei regelmäßig stattfindenden Ausstellungen mit anderen Künstlern kollaborieren – demnächst wieder Ende Februar in London. Ihre nächsten Solo-Shows haben Peles Empire im März im Kunstmuseum Stuttgart, sowie im Mai in den Glasgower Sculpture Studios.

 

FORMATION – Peles Empire
31. Januar – 17. März 2013
Cell Project Space
258 Cambridge Heath Road
London E2 9DA
Öffnungszeiten: Fr – So, 12 – 18 h

Ubermorgen.com in der Fach und Asendorf Galerie

Netzkunst. Von der Nische ins Spektakel und zurück ins Off.

Netzkunst und künstlerische Experimente mit diesem, unseren Medium gibt es seit den Anfangstagen des Internets. Und obwohl es Ende der 90er Jahren durchaus eine Art Hype gab, ist die Netzkunst Teil einer Nische und Bestandteil der Offkultur geblieben. Dies im übrigen trotz, oder eventuell auch gerade wegen des unfassbar rasanten Wandels des Netzes zum Massenmedium innerhalb der vergangenen zehn Jahren.
Die Kunst, oder das was von den Institutionen unserer Zeit als solche hoch gehalten wird, tut sich allerdings nach wie vor schwer mit diesem Medium, zu wenig verwert- oder ausstellbar sind die Ergebnisse in den meisten Fällen.

Dabei versprach dieses neue Medium ungeahnte und vielversprechende Möglichkeiten für Künstler. Die Netzwerkverbindungen ermöglichten einen direkten Kontakt zu Kollegen und Publikum, ganz ohne störende Galeristen, Kritiker, Kunstvermittler, Kulturmanager oder andere parasitäre Figuren dazwischen. Es bot neue Formen der Publikation und Möglichkeiten für Experimente mit Autorschaften und Anonymität, welche bei konsequenter Durchführung am Ende sogar die Künstler selber endlich überflüssig gemacht hätten.
Die Fluxusidee, dass alles Kunst werden solle und jeder ein daran mitwirkender Künstler sei, erlebten hier in modifizierter Form eine Rennaissance und die damit verbundenen Überschneidungen zwischen Künstler- und Hackerkultur waren zahlreich und sind es auch heute noch. Anonymous, der strukturlose Hackerschwarm, der mittlerweile eine gewisse Bekanntheit erreicht hat, geht auf diese Ideen der offenen subjektlosen Strukturen zurück.
Schon in der ersten Generation der Netzkünstler die sich in den 90er jahren mit der neuen Technologie auseinander setzte war die Kultur der Hacker deutlich zu spüren. Vorhandenes umzunutzen, oder in bestehende Systeme einzudringen, prägte die Arbeit der damals aktiven Protagonisten.

Mediahack and Intervention by UBERMORGEN.COM

Eine herausragende Künstlerformation, die die Idee des Hackens sowohl auf technologische als auch auf soziale Systeme anwendete war und ist UBERMORGEN.COM, bestehend aus dem, mittlerweile zur vierköpfigen Künstlerfamilie transformierten, Künstlerpaar Hans Bernhard und lizvlx.

UBERMORGEN.COM lizvlx & Hans Bernhard mit Guantanamo Bay Aufseher Chris Arendt

Die beiden haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten den ein oder anderen spektakulären medialen Hack hingelegt und sich damit mehr als einmal Ärger mit Behörden und großen Unternehmen eingehandelt, über dies aber auch einen Namen im internationalen Netzkunstjetset gemacht.

Einer dieser medialen Superhacks der international für Aufsehen sorgte war die ‚Vote Auction‚ zur US-Wahl 2000. „Voteauction was a Website which offered US citizens to sell their presidential vote to the highest bidder during the Presidential Elections 2000, Al Gore vs. G.W. Bush.“ Die Idee des Netzes als Medium einer Aufklärung und einer subversiv kritischen Halltung gegenüber den bestehenden Machtverhältnissen ist hier schon deutlich spürbar.

In den vergangenen Jahren hat sich das Netz, dessen Nutzung und seine Funktion verwandelt, Konsum und E-Commerce haben massiv an Bedeutung gewonnen. Den damit einhergehenden Transformationsprozess haben UBERMORGEN zwischen 2005 und 2009 in der EKMRZ-Trilogy aufgearbeitet.

Google will eat itself – Teil der EKMRZ trilogy – Installation, The Premises Gallery, Johannesburg/South Africa

Transformation des Freiheitsversprechen

So langsam wird deutlich, dass sich die früheren Freiheitsversprechen des Cyberspace nicht bewahrheitet haben. Oder zumindest anders als gedacht, denn die Freiheit die sich aktuell über die Datenkabel des Computernetzwerks verbreitet ist in erster Linie die Freiheit der Unternehmen und der von ihnen umkämpften Märkte. Die zugehörige, konsumierende Masse dominiert dabei mehr und mehr die virtuellen Debatten. Ob diese Dominanz nun aber mit der ihnen zugeschriebenen Weisheit oder mit stumpfer, als Basisdemokratie getarnter Pöbelei einhergeht, bleibt vorerst offen. Die Grenzen und Überlagerungen zwischen den beiden Polen sind wie so oft fliessend. Zumindest aber, so lange das zu Grunde liegende sozialpolitische Programm Konsum heißt, wird der Trieb und damit der Mob die Richtung vorgeben.
Onlinepetitionen, Bürgerbeteiligung per Shitststorm und Entrüstungsorgien auf Facebookunternehmensseiten sind zwar groß in Mode, die Beschäftigung mit den angeprangerten Missständen endet aber nicht selten mit dem Klick.
Einige der aktivsten, selbst ernannten Freiheits-Datatypisten treten seit einigen Jahren als Partei organisiert aus der wütend klickenden Masse heraus, sind aber bis heute die Antwort schuldig geblieben was sich denn nun eigentlich mit den neuen Kommunikationsmitteln ändern solle. Und einzelne aus diesem Umfeld inszenieren sich ungeniert heldenhaft als Freiheitskämpfer, fordern aber in erster Linie nur Freiheit für die eigene Einfältigkeit und die dort gefeierte naive Weltsicht.
Aber nicht das wir uns falsch verstehen, Netzneutralität sowie freie, unbeachtet Kommunikation und Open-Access sind unzweifelhaft wichtig und bedeutend. Alleine damit ist es aber eben auch nicht getan, denn man muss schon auch wissen, was denn kommuniziert werden will.

Die zweite Generation und die New Aesthetic

Fast unbemerkt ist während dessen eine neue Generation von Künstlern herangewachsen, die nun dabei sind neue künstlerische Strategien, Formate und Stilrichtungen im Umgang mit dem immer noch jungen Medium zu entwickeln. Metamoderne ironische Ernsthaftigkeit und eher spielerischer Umgang mit dem vorgefundenen Fundus der digitalen Popkultur sind Kennzeichen dieser neuen Richtung in der Netzkunst.  Kim Asendorf und Ole Fach sind zwei Protagonisten dieser nächsten Generation. Gemeinsam betreiben sie die halb im Ernst, halb im Spaß die Onlinegalerie f&a.org in der Ende 2012 eine der neuesten Arbeiten von UBERMORGEN.COM zu sehen war.

Dailiy Doodle heißt das Projekt welches mit Hilfe des Onlineabstimmunstools doodle den Onlineaktivismus, auch genannt Slacktivism thematisiert und persifliert. Berliner Gazette-Autorin Jillian C. York beschreibt die Slacktivisten in ihrem Artikel Mit ein paar Klicks vom Sofa aus die Welt retten? wie folgt „Sie sind als „Sofa-Aktivisten“, zu faul zum Protestieren auf der Straße, klicken den Facebook-Like-Button oder retweeten etwas in der Annahme, dass die reine Zustimmung etwas bewirken kann. Dem Slacktivisten wird vorgeworfen, er steuere minimalen Aufwand bei und wäre dabei noch unverdientermaßen stolz auf seine Leistung“.

Die hier formulierte Kritik setzen UBERMORGEN.COM bei Fach&Asendorf in die Praxis um in dem sie jeden Tag überlebenswichtige und gesellschaftsrelevante Fragen online zur Doodle-Abstimmung brachten.

Die Screenshots fa-g.org/2012/ubermorgencom-dailydoodle

 

UBERMORGEN.COM brachten bei Fach und Asendorf einen Monat lang täglich Fragen die die Welt bewegen zur Abstimmung ein. Alle weltweit angeschlossenen Onliner konnten über das Mitmachnetz 2.0 teilhaben und partizipieren.

Das Doodle-Abstimmungstool wird vielfach für die unterschiedlichsten Fragen genutzt. Oft geht es darum gemeinsame Termine zu finden, diesmal um die Fragen für oder wider Gerechtigkeit.

Ein offenes Kunstwerk

»Der Konsument ist ‘am Machen des Werkes beteiligt schreibt Umberto Eco 1962 im ‚Offenen Kunstwerk‘. Rückwirkend betrachtet stimmt diese Aussage hier in doppeltem Sinne. Neben dem ironisch, spielerischen Umgang mit den partizipativen Möglichkeiten des Netzes, ist die prozesshafte und transparente Entwicklungsarbeit für das Projekt durchaus bemerkenswert.

Denn, wer so wie ich UBERMORGEN.COM bereits seit längerem über deren Twitteraccount folgte, war schon in den Monaten davor Zeuge der Versuche mit der Doodle-Befragungen. Allerdings ohne zu wissen was es damit auf sich hat, denn die thematische Ausrichtung war damals noch nicht recht absehbar.

In der Twittertimelin sind die Experimente mit dem Material des Projekts auch jetzt noch zu verfolgen und so wird nicht nur das Endergebnis der Arbeit, sondern auch Teile des zugehörigen Entstehungsprozesses und der Umgang mit dem Material für Aussenstehende nachvollziehbar. Was in der finalen Show bei Fach und Asendorf dann pointiert und präzise erscheint, war Monate zuvor noch rohes, zuweilen auch infantiles Herumprobieren.

Das Sichtbarmachen der öffentliche Entwicklungsgeschichte ist eine Form der Transparenz und Offenheit wie sie aktuell nur selten in zeitgenössischen künstlerischen Arbeitsprozessen sichtbar wird. Zu sehr ist künstlerisches Schaffen derzeit auf die Produktion von fertigen, finalen Werken und deren fest definierter Dokumentform ausgerichtet.

Es ist aber äußerst beruhigend zu sehen, dass die vorausgehenden Experimente in der Twitteröffentlichkeit dem präsentierten Ergebnis nicht geschadet haben. Es hindert uns also nichts daran, weiterhin in dieser Richtung zu experimentieren und damit auch wieder dem kreativen Prozess selber eine höhere Wertigkeit gegenüber dem finalen Werk einzuräumen. Mit Blick auf die aktuelle Phase einer fast autistischen Marktorientierung künstlerischer Produktion, zeigen sich hier spannende Aspekte und eventuell auch Alternativen des Schaffens, weg vom toten Artefakt hin zum lebenden Prozess.

‚Daily Doodle‘ by UBERMORGEN.COM
in der Fach und Asendorf – Galerie
http://fa-g.org/2012/ubermorgencom-dailydoodle

Urban Structures auf der Flurstrasse 16

eine Bildstrecke von Emmanuel Mir (der an diesem Tag nur mit einer Schnappschusskamera unterwegs war und um Nachsicht bietet)

 

Flingern did it again. Immerhin ist der ehemalige Gemüse- und Obstladen, bei dem Keiner einkaufte weil es nicht auf dem Weg lag und die Petersilie schon verfault war, nicht von einer Agentur für Grafikdesign oder von einer Boutique für überteuertes (aber handgemachtes) Nippes ersetzt worden. Aber, schlimm genug, der Laden ist schon wieder von Künstlern übernommen worden. Vielleicht. Möglicherweise. Wenn alles gut geht, soll ab sehr bald ein Projektraum entstehen. Das Konzept ist einfach: Fünf Künstler schmeißen zusammen um die Miete zu bezahlen und laden, je zwei Mal im Jahr, in die sehr schönen Räume ein. Es ist noch zu früh, um von einem Programm zu sprechen. Aber das wichtigste ist vorhanden: Die Energie. Diese Idee ist auf den Mist von Robert Pufleb, der sich in der Vergangenheit bereits durch seine weihnachtlichen Kunstsalons ausgezeichnet hatte, gewachsen. Da der Mann ein sicheres Händchen beweist und einen strammen Gang hat, könnte die Chose schneller über die Bühne gehen, als man glaubt. Sehr gut! Wir freuen uns darauf!

Andreas Zimmermann

Wand: Robert Pufleb

Andreas Gefeller

Andreas Gefeller

Robert Pufleb

Josef Schulz

 

Urban Structures
Mit: Andreas Gefeller, Robin Merkisch, Robert Pufleb, Josef Schulz, Andreas Zimmermann
auf der Flurstrasse 16
2-3.2.2013, 14-20 Uhr

Ted Green auf der Flurstraße 16

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Höchst untypisch: Ein ehemaliger Lüpertz-Schüler verweigert die auktoriale Hoheit über seine Arbeit, schert sich nicht um subjektives Ausdruckspathos und verschwindet regelrecht hinter dem malerischen System, das er zwischen der Leinwand und seiner Person errichtet hat. Dieser Maler heißt Ted Green und ist einer der zwei Köpfe des Projektraumes Gagarin. Als Maler bisher selten zu sehen, erscheint er nun verstärkt in der kleinen Düsseldorfer Öffentlichkeit und sucht die Konfrontation mit dem Publikum. Er ergreift die Chance einer Zwischennutzung und verwandelt einen ehemaligen Gemüseladen in eine Galerie. Dort hängen fünf Gemälde in sehr verschiedenen Formaten.

 

Die abstrakten Werke des US-Amerikaners kommen zunächst zeitgemäß-schick daher. Die Schablonenformen seiner Bilder, die sich meistens in symmetrischer Anordnung entfalten, erinnern in ihren Einzelheiten an manche Graffitis (Technik und Geste) oder an Rorschach-Tests (Komposition). Die wilde Bildsprache greift auf zugleich intensive und harmonische  Farbverhältnisse zurück und kann ihre Neigung für die glatte Schönheit des Ornaments nicht verbergen. Das geht sogar bis zur Einbeziehung einer Wand in eine Komposition (und vice-versa); eine Geste die nicht unbedingt als ironischer Augenzwinker zu verstehen ist.

Alles wirkt handwerklich gekonnt und optisch schmeichelhaft. Alles wirkt kalkuliert. Ein Verdachtsmoment entsteht in dieser frühen Rezeptionsphase: Ist Green einer dieser Maler, der auf eine halbwegs innovative Formel gekommen ist und sich nun in Trendsetting ausprobieren will? Die geschickte Paarung aus einem zurechtgebogenen Quasi- Informel und einem vermeintlichen Street-Art-Duktus ist ja kommerziell vielversprechend…

Bei genauerer Betrachtung und im Gespräch mit dem Künstler verflüchtigt sich jedoch der anfängliche Verdacht. Die ästhetische Verführung von Greens  Bildern, die teilweise an Gefälligkeit grenzt, ist nicht das Ergebnis einer marktorientierten Strategie sondern das Produkt des Zufalls. Die durchaus ansprechenden, teilweise komplex miteinander verflochtenen Grafikmuster entstehen durch die strenge Einhaltung ein paar selbstauferlegter Gesetze. Die formellen Entscheidungen des Malers in Hinsicht auf Farbe, Textur und Form werden gewürfelt oder gelost. Bevor er seine Pinsel anrührt, konstruiert Green kleine tabellarische Systeme, die aus Zahlen- oder Buchstabenreihen bestehen und in das Verhältnis zu Material, Duktus oder Form gebracht werden. Diese Tabellen bestimmen die Hauptachsen der Komposition: Wird eine Drei gewürfelt, soll die festgelegte Schablonenform grün werden; bei einer Sechs soll sie gelb sein. Oder so ähnlich.

Ein anschauliches Beispiel: Die feinen, kringelnden, roten Striche einer Komposition sind nicht das Ergebnis einer automatischen, nervösen Schrift (obwohl sie genau danach aussehen) sondern die von Googlemap errechneten Routen zwischen zwei europäischen Städten, welche Green in einem Losungsverfahren gepaart hat. Mit dem Würfel bestimmt er weiterhin die Malgeschwindigkeit oder die Größe seiner Pinsel, die Reihenfolge der Farbschichten und weitere entscheidende Bestandteile seiner Bilder. Die Palette an Möglichkeiten ist begrenzt, innerhalb dieser Palette hat der Künstler prinzipiell nichts zu melden – wobei er sich immer wieder erlaubt, nachträgliche „Korrekturen“ vorzunehmen. Da wo man also eine bewusste und durchdachte Handlung sehen möchte, handelt es sich um die Folgen eines absurden Programms, das den künstlerischen Entschluss größtenteils ausschaltet. Alles ist hier nur gespielt; und die Regeln des Spiels bestimmen das Bild.

Alte Kamelle? Damit haben Richter und Polke bereits gespielt, damit spielen seit eh und je Francois Morellet und Bernard Venet? Ja und? Der konzeptuelle Ansatz von Ted Green erhebt nicht den Anspruch, den kreativen Akt auf innovative Weise infrage zu stellen oder manche Klischees über Malerei (betr.: Inspiration, Intuition, Spontanität, Genietum, etc.)  ironisch zu dekonstruieren. Dafür kommen seine akribischen Allover definitiv zu spät – zumindest in dieser Form. Aber ob Gemälde von Menschen oder von Systemen generiert werden ist letztendlich zweitrangig. Wenn man wirklich davon ausgeht, dass jedes Bild dieser Welt bereits gemalt worden ist und dass das „Neue“ in der „neuen Malerei“ (das saisonal neu definiert wird) ein Betrug ist, erscheint Ted Greens Herangehensweise zumindest luzid und ehrlich.

Ted Green

Ersatz Woddpeckers of Central Flingern
Ted Green
Flurstr. 16
20.1-28.1.2013
Am gleichen Standort findet übrigens am 2.2 und 3.2. eine feine Fotoaustellung, worüber wir gleich noch berichten werden.

Robert Heel und Eva-Maria Offermann bei General Public

von Julia Wirxel (Berlin)

 

„Aufzug oder Treppe?“ lautet der Titel der Mappe von Eva-Maria Offermann mit 12 Plakaten. Es geht hier nicht um Entscheidungsfindungen von Kollegen nach dem Mittagessen in der Kantine oder die Überlegung, wie man effizient sportliche Betätigung in den Arbeitsalltag integriere, um ein paar Kalorien zu verbrennen. Es geht um ökologische und ethische Fragestellungen: Um den eigenen Fingerabdruck im Klimawandel. Wieviel an Energieressource kann man bewahren, wenn man anstatt den Aufzug zu bemühen, die Treppe benutzt und seine eigene Körperkraft einsetzt. Oder alternativ die Rolltreppe nicht nutzt. Und dies trotz der Tatsache, dass heute die Schnelligkeit und Effizienz einer Gesellschaft oder einer Stadt an ihrer Geschwindigkeit gemessen wird und and der Bereitschaft ihrer Bewohner, eine Rolltreppe während des Fahrens hochzulaufen.

Eva-Maria Offermann

Eva-Maria Offermann: Fortschritt

Eva-Maria Offerman: Co2

Eva-Maria Offermann hat auch ihr eigenes künstlerisches Tun unter die Lupe genommen. So wie sie auf die Luftverschmutzung hinweist und saubere, erneuerbare Energien als erstrebenswert aufzeigt, so hat sie errechnet, was die Herstellung des von ihr verwendetes Papiers, die Produktion der Siebdruckfarben und der Prozess des Druckens selbst an C02-Ausstoß verursachte: 400 kg. Diese Auswirkungen auf die Umwelt hat sie bei atmosfair ausgeglichen und quasi neutralisiert.

Eva-Maria Offermann: Ressourceneffizienz

Eva-Maria Offermann: Gesellschaftsvertrag

„Dinge länger nutzen“ steht slogangleich auf einem anderen Plakat, das „Ressourceneffizienz“ betitelt ist. Die Farben und Art der Gestaltung erinnern an einen Markt für Unterhaltungselektronik, der den Konsumenten zum Geiz anmahnt – allerdings geht es in diesem Geiz nicht darum, Dinge länger zu nutzen und kein neues „Ding“ zu kaufen, sondern im Gegenteil, weitere und neue Dinge zu erstehen, um dabei angeblich zu sparen. Dabei wurden Glühbirnen schon immer so konzipiert, dass sie weit unter ihrer möglichen Lebensdauer bleiben oder Kaffeemaschinen nach der Ein-Jahres-Garantie auseinanderfallen. Auf ästhetisch vielfältige Weise greift Eva-Maria Offermann in ihren Plakatdrucken Gedanken auf, die einer weiten Verbreitung bedürfen. Somit steht sie in der langen Tradition der politischen Aussage von Plakaten, Flyern, Handzetteln, Aufklebern. Die Möglichkeit zur Vervielfältigung ist diesen Medien eingeschrieben.

Robert Heel: Installationsansicht

Robert Heel

Umrahmt werden die Plakate von den Märchenwaldbildern Robert Heel. Im ersten Raum sind Papierarbeiten zu sehen, die mit Hilfe von Schablonen entstanden sind. Auf einer anderen Wand sind dieselben Waldtiere in schwarz-weiß einzeln auf – aus Berlin nicht mehr wegzudenkende – Stoffbeutel aufgetragen: Uhu, Dachs, Luchs, Specht und Fuchs. Sie hängen vor einer Waldlandschaft und können jederzeit verkauft werden, der Wald steht damit quasi vor dem Ausverkauf. Nach Bedarf kann man dazu mit einem Eichhörnchennussknacker in pinkfarbenen Signalton Nüsse knacken. Der Besucher imitiert das Leben im Wald selbst, im Ausstellungsraum, mit einem leblosen Eichhörnchen. Zur künstlichen Szenerie der im Wald als Taschen baumelnden Tiere ertönt der künstlich-echte Sound des Wallnussknackens von Menschen. Diese Aktion war ein Teil der Performance zur Eröffnung. Teil zwei spielte sich im hinteren Bereich des nächsten Raums ab. In einer weiteren Waldkulisse trat Heel musikalisch auf und erfreute das Publikum mit einem grafischen Konzert: „Ich möchte ein Eichhörnchen sein“, war die einzige Songzeile. Am kommenden Tag ertönen als eine Art Relikt Käuzchenrufe aus den Lautsprecherboxen.

Robert Heel: Installationsansicht

Der Projektraum General Public gründete sich 2005 als Verein. Das achtjährige Bestehen des Raums ist etwas besonderes, wenn man die hohe Fluktuationsrate von Off-Räumen in Berlin bedenkt. Manche bestehen für einen Abend, eine Ausstellung oder ein Jahr. Aber hier ist die Hälfte der Gründungsmitglieder noch aktiv und die Entscheidung zum Programm verläuft auf harmonische Weise basisdemokratisch, was ebenfalls eher eine Ausnahme und nicht die Regel ist. Zur aktuellen Ausstellungseröffnung erschien ein brasilianischer Künstler, der sich einen Monat in Berlin aufhält und gezielt auf General Public zukam, um eine mögliche Zusammenarbeit vorzuschlagen. Auch daran sieht man, wie sich Bedeutung und Glaubwürdigkeit niederschlagen können.

Robert Heel

Mit dem Preis zur Auszeichnung künstlerischer Projekträume und –initiativen, mit dem General Public / DISK Initiative Bild & Ton e.V. – und auch andere Off-Räume in Berlin – vom Senat gewürdigt wurden (immerhin 30.000 € pro Raum), wird sehr überlegt umgegangen. Zunächst sollte es –  als Kritik des Desasters der Kunst-, Künstler- und Raumförderung, ausgelöst durch „Based in Berlin“ – in schicke Schuhe zur Preisverleihung investiert werden… Absolut wünschenswert sind mindestens acht weitere Jahre mit einem engagierten Programm, ganz gleich wie das Preisgeld investiert werden wird. Eine gute Lösung wird sicherlich gefunden werden.

Gallery Opening in Düsseldorf Flingern

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

Letztes Wochenende, gemeinsames Gallery Opening in Düsseldorf Flingern – der Name ist Programm. Wer von auswärts mit liest und Flingern nicht kennt, der stelle sich bitte einfach Berlin Mitte vor, allerdings nicht nur komplett durchsaniert sondern in der Zusatzvariante völlig tote Hose.
Aber warum trotzdem nicht einmal aus nächster Nähe sehen was man in der WZ derzeit unter dem Zentrum der Avantgarde-Händler versteht.

Eine fantastische Fotostrecke wollte ich mitbringen. Bilder mit weltklasse Kunst die unseren Lesern die Tränen in die Augen treiben und sowohl Spitzenhöschen als auch Feinrippbuchse nass machen. Ich war guter Dinge!

Leider wurde nichts draus.

Die mehrheit der Bilder und Artefakte konnten nicht überzeugen, das allermeiste war selbst für unsere Verhältnisse zu off, geradezu offoff eigentlich. Eine der wenigen Ausnahmen Gregor Schneider – aber Schneider ist eben Schneider – mit einem einfachen und nachhaltig beeindruckenden Video seines Indienprojekts.

Gregor Schneider war in Indien und hat unter anderem ein Video mitgebracht. Ein Bild wie eine Faust. Respekt!

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„Brachial Sensibel“ im Studio Roh

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Im Norden des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, um den Worringer Platz herum, wimmelt es mittlerweile vor Projekträumen, Ateliers und mehr oder weniger kurzfristig angelegten Kunstinitiativen. Weiter im Süden, um den Mintropplatz herum, eingequetscht zwischen Bahnbrücke, Table-Dance-Läden und den Ausläufern des marokkanischen Viertels, wurde vor kurzem ein Gegengewicht geschaffen, das erste Off-Projekt in diesem zentralen Stadtteil. Dort haben sich Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek etabliert und ihre Wohnung zu einer Art work in progress gemacht. Die beide haben sich in der Klasse Gostner in der Kunstakademie kennengelernt. Binnen weniger Monate hatten sie ein neues Zuhause bezogen und gleichzeitig ein Projekt definiert, das unter der Bezeichnung „Studio Roh“ läuft. Es ist also mehr als eine Wohnung – es ist zugleich ein Ort des Lebens, des Arbeitens und der öffentlichen Begegnung. Die erste Ausstellung sollte ein Zeichen setzen und programmatischen Wert haben. Mit „Brachial sensibel“ zeigten die zwei Künstler ihre eigenen Arbeiten und gaben den Ton an.

Blick im „Wohnzimmer“

Im Hintergrund: Ein Bild von Rebekka Benzenberg

Die Küche ist ein hart beleuchteter Getränke-Ausschank, bestückt mit Bildern und einem Sofa. Das Wohnzimmer mit den breiten Fenstern gilt als größter Ausstellungsraum und ist für großformatige Gemälde geeignet – am Eröffnungsabend wurde hier auch getanzt. Das Schlafzimmer ist in ein Installationskabinett verwandelt worden, getaucht in krankes gelbes Licht. Diese Atmosphäre der Semi-Öffentlichkeit ist, abgesehen von den jeweiligen Projekten von Sebastian Riemer und Tanja Goethe, eine Seltenheit in der Düsseldorfer Kunstszene. Auch die Grundhaltung des Betreiberpaares klingt zunächst unüblich – eine Mischung aus unverfrorener, sich nicht um die Regeln des Kunstbetriebes scherender Begeisterungsfähigkeit und pubertärer Naivität. Beide Bestandteile dieser Mischung besitzen eine willkommene Frische, die immer noch wärmer als die Coolness mancher Off-Akteure ist.

Rebekka Benzenberg

Der Titel „Brachial Sensibel“ beschreibt ganz gut die Ambivalenz, die Benzenberg und Blumek interessiert. „Wir suchen etwas, das zugleich hitzig und weich ist“, kommentierten die Künstler. „Es soll sehr gefühlsbetont werden. Die Kunstszene erscheint uns zu künstlich, zu fern von den Menschen.“ Gute Absichten, die zunächst ein wenig abstrakt klingen. „Wir wollen zurück zu den Wurzeln!“, fahren die beide fort. „Zu welchen Wurzeln?“ frage ich. Da müssen sie ein wenig überlegen. Sie sind sich ihrer Sache sicher, hatten aber anscheinend noch nicht an eine Verbalisierung gedacht. „Die Wurzel ist die Emotion“, sagt dann Blumek. „Zurück zum Ich. Die Wurzel ist das Bewusstsein für das Gute und das Böse. Es ist eine moralische Vorstellung“.  Na so was. Sturm und Drang revisited?

Oliver Blumek

Nun, Eines muss ich zugeben: Mit einer Rückkehr der Romantik hätte ich niemals an diesem Ort gerechnet. Und das war ein Fehler von mir – denn, trotz des Abgangs des Malerfürsten Lüpertz und trotz des frischen Windes, der nun angeblich in der Kunstakademie wehen muss, ist der Hang zum romantischen Pathos eine tief in der künstlerischen Seele Düsseldorfs verbohrte Eigentümlichkeit, die sich nicht mal eben aushöhlen lassen kann. Von den Anfängen der Düsseldorfer Malerschule im frühen 19. Jahrhundert bis zum heutigen Tag ließe sich möglicherweise ein roter, gefühlsbetonter und affektiver Faden ziehen, der das Kolorit der lokalen Kunstszene bestimmt – für weitere interessante Dissertationsthemen, bitte bei der Redaktion melden.

Oliver Blumek

Oliver Blumek

Aber zurück zur Emotion. Und zurück zur Kunst. Benzenberg und Blumek haben eine Auswahl von ca. 25 Bildern getroffen, die vor allem in zwei Räumen hängen. Obwohl er eigentlich aus der Skulptur- und Installationskunst kommt, hat sich Blumek von seiner Partnerin „anstecken lassen“ und sich im Medium der Malerei ausprobiert. Es sind vielschichtige, abstrakte Bilder entstanden, die der Balance zwischen laschen, unkontrollierten und sehr präzisen Gesten nachgehen – und diese zum Teil auch finden. Elemente eines vitalen Action Painting mischen sich mit einem sensibleren Duktus, der verschiedene, sich widersprechende Raumtiefen schafft. Auch wenn diese Malerei viel verspricht und neugierig auf weitere Entwicklungen macht, ist sie noch längst nicht ausgereift. Man spürt hier deutlich, dass ein Künstler sich noch sucht und zwischen unterschiedlichen Formeln zaudert. Sich dieser Unfertigkeit zu stellen ist für den Maler-Neophyten ein mutiger Akt – und für den Außenbetrachter eine spannende Einsicht in ein entstehendes Werk.

Rebekka Benzenberg: Weltkarte

Rebekka Benzenberg

Rebekka Benzenberg beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit Malerei und ihre Bilder zeigen da eine andere Reife als die ihres Partners. Es sind meistens große Formate mit sehr verdünnten Farben, in denen die vielen Malschichten Motivansätze und schemenhafte Formen generieren. Die Laviertechnik, die dem Zufall viel Raum öffnet, ist mit großen Gesten durchgeführt. Die weichen Farbtöne, in Beige, Blau-Grau und mit Spuren von Lila und Alt-Rosa, erinnern an manche frühen Kompositionen von Graubner. Diese wässerigen, atmosphärischen Welten werden nicht selten von deutlichen schwarzen Blitzen gebrochen oder von entscheidenden Pinselspuren auseinandergerissen, bei denen die Präsenz des Körpers deutlich sichtbar wird. Die Expressivität der Informellen (man muss hier schon oft an Fred Thieler denken) bestimmt den Herstellungsmodus dieser Gemälde. Trotz einiger Referenzen, besitzt Benzenberg einen eigenständigen, ausdifferenzierten Stil, der nicht zur Neo-Neo-Geo-Malereiwelle der letzten Jahren passen will. Darüber hinaus probiert sich die junge Künstlerin in etwas gegenständlicheren Kompositionen aus, die wie Reminiszenzen an die Neuen Wilden wirken.

Der gelbe Raum war Objekten gewidmet, die Benzenberg und Blumek zusammen gestaltet haben. Da ließ sich die Malerin auf die dreidimensionale Arbeit ein, genauso wie der Bildhauer Oliver Blumek sich auf die Malerei eingelassen hatte. Das Ergebnis ist weniger überzeugend als die malerische Arbeit. Mit Hackfleisch gefüllte Nylonstrümpfe und Kondome hängen in verschiedenen Konstellationen und Inszenierungen im Raum, eine verschmutzte Matratze liegt da wie eine verschandelte Leiche, eine Pflanze ertrinkt im dreckigen Wasser. Körper, Sexualität, Tod, Gewalt. Die Symbolik ist alles in allem ein wenig zu grob. Die gewollte Atmosphäre wird zu einem Gruselkabinett.

Künftig soll sich das Studio der Außenwelt öffnen. Geplant sind Workshops, und zwar nicht nur im Bereich der Malerei sondern auch der Fotografie und der Mode. Die nächste Ausstellung findet am 2.3. statt; der Schwerpunkt soll diesmal auf Video liegen.

Finale im Institut für Skulpturelle Peripherie

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Auf das dialogische Prinzip von Push sind wir bereits in der Vergangenheit eingegangen. Nach einigen Monaten vorprogrammierter Kollision und künstlerischer Reibungen bot die Abschlussausstellung ein friedfertiges Bild. Jeder Künstler der Reihe war mit einer Arbeit vertreten und okkupierte jeweils einen kleinen Bereich des ohnehin kleinen Raumes. Demnach wirkte die gesamte Präsentation wie ein ungezwungenes Zusammenkommen von Freunden, mit Verzicht auf einen künstlichen Überbau und (in diesem Fall: überflüssigen)  konzeptuellen Hintergrund.

Burchhard Garlichs

Interessanterweise waren gerade die zwei Positionen, die ich bei einer früheren Rezension ein wenig hart in die Mangel genommen hatte, die aus meiner Sicht besten der Ausstellung. Burchhard Garlichs hat Papierarbeiten an eine Wand gehängt und die richtige Balance zwischen strengem Kompositionsprinzip und einer sensiblen Sinnlichkeit gefunden. Der Rhythmus seiner auf vertikalen, diagonalen und horizontalen Linien basierenden Bilder besitzt die Prägnanz von serieller Musik, verschwindet jedoch nicht hinter einem anonymen Duktus. Die Hand des Künstlers bleibt durch winzige Zuckungen und Unregelmäßigkeiten stets sichtbar. Auch die Behandlung des Papiers, die teilweise die linierte Struktur hinter einem weißen Schimmer durchscheinen lässt, trägt zu dieser ausgeglichenen aber dennoch spannenden Gesamterscheinung bei.

Michalis Nicolaides

Seinerseits hat Michalis Nicolaides die Störenfried-Rolle fortgesetzt, die er bereits bei der ersten Ausgabe der Serie erfüllt hatte. Bei seiner schelmischen Licht- und Videoinstallation, bezieht er sich sowohl auf die allgemeine Raumsituation, mit den vielen über den Putz verlaufenden Elektrokabeln, als auch auf die konkrete Ausstellungssituation, deren harmonische Wahrnehmung er in regelmäßigen Abständen stört. Das Video zeigt den Künstler, zwei Segmente eines abgeschnittenen elektrischen Kabels über dem Kopf zusammenhaltend, in einer angestrengten Körperposition. Nach einer gewissen Zeit, als er an die Grenzen seiner Muskelkraft stößt, lässt er los, die Bindung der Kabel bricht ab, das Licht im gefilmten Raum geht aus – sowie an den Wänden des Instituts für Skulpturelle Peripherie. Für ein paar Sekunden wird es an diesem späten Winternachmittag düster im Raum. Mehr als ein Gag ist dies hier eine humorvolle und anspielungsreiche Performance und Nicolaides hält viele Stränge in einer Hand: Das Klischee des heldenhaften Künstlers als (hier: müder) Prometheus wird zitiert, aber natürlich auch die ganze Tradition des immer-aufs-Ganze-gehenden-Performers à la Flatz oder Abramovic und das Pygmalion-Paradigma wird revidiert und auf die neuen Medien übersetzt. Eine scheinbar simple Angelegenheit führt den Betrachter auf viele, interessante Pfade…

Ulrike Kötz

Unbeeindruckt von Nicolaides Lichtunterbrechungen leuchtete spärlich aber beständig die Installation von Ulrike Kötz, ein Überbleibsel aus der letzten Ausstellung der Push-Reihe, die sich wortwörtlich an den markanten Holzbalken des Raumes anlehnte und, sich verselbstständigend, eine Verbindung zwischen Decke und Boden vornahm.

Christiane Rasch

Weiterhin ist das geschickt platzierte Video von Hüseyin Karakaya aufgefallen, das in unmittelbarer Umgebung des und im Institut realisiert wurde. Wie für eine Art subjektiver Raumerkundung und Spurensuche näherte sich Karakaya mal in völlig abstrakten, mal in gespenstischen Nachtaufnahmen manchen visuellen Elementen des Ortes an.

Martin Steiner war mit einer Arbeit vertreten, die, trotz der kompakten Erscheinung, in einem eigentümlichen Schwebezustand stand und die Grenze zwischen Bildhauerei und Malerei, Leere und Fülle, geführter Linie und zufälliger Spur suchte. Das „Bild“ war wohl ein modifiziertes Überbleibsel aus einem früheren Werk und verhielt sich dazu wie ein Negativ oder autonom gewordener Schatten einer unsichtbaren Form.

Des weiteren waren auch Sonja Meyer, Wanda Sebastian und Christiane Rasch mit präzisen und unaufdringlichen Arbeiten vertreten – eben alle Pusher und Gepuschten der vergangenen Monate. Erstaunlicherweise gestaltete sich das Finale also zu einer klaren, aufgeräumten und harmonischen Präsentation. Manche, wie Sonja Meyer, gingen noch einmal auf architektonische Besonderheiten des Ortes ein, andere, wie Christiane Rasch, zeigten streng autonome Arbeiten.

Sonja Meyer

Und wie geht es weiter, nun da Push zu Ende ist? Die aktuellen Betreiberinnen Pe, Friederike Schardt und Eva Weinert haben für die Zukunft keine feste Reihe geplant. Das serielle Ausstellungsformat spielerisch-konfrontativer Akzente, mit dem das Institut für Skulpturelle Peripherie seit einigen Jahren gut fährt, soll nicht fortgeführt werden. Zu einnehmend wurde die regelmäßige Arbeit, die ein solches Format mit sich bringt. Stattdessen soll es künftig zu punktuellen Ausstellungen kommen, die bevorzugt in Kooperation mit anderen Projekträumen der Republik stattfinden werden. Der erste Austausch ist indes schon mit dem Kunst- und Kulturverein 2025 e.V. aus Hamburg geplant; voraussichtlich September 2013 wird das Institut dort ausstellen und Maler aus der Hansestadt zuvor empfangen. Wir halten euch auf dem Laufenden…

Christel Blömeke: Abdruck (courtesy Christel Blömeke)

 

Jenseits in der Hans Peter Zimmer Stiftung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Es ist eine gewagte und für den durchschnittlichen Kunstbetrieb höchst außergewöhnliche Ausstellung. Nicht, dass eine Präsentation zum Thema „Tod und darüber hinaus“ (meine Zusammenfassung) neu oder gar sensationell wäre. Aber wenn eine Institution ihre Arbeit zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentiert und sich zu diesem Zweck als Neugeborene stilisiert, erwartet man üblicherweise eine zukunftsträchtige Rhetorik voll jugendlicher Kraft sowie feuerwerksartige Statements und Bilder, die blühende Landschaften und sonnige Perspektiven versprechen. Stattdessen wird uns der Tod serviert. „Jenseits – Beyond the Body“, mehr oder weniger als Eröffnungsgala der HPZ-Stiftung zu verstehen, dreht sich in der Tat um eine gerne verdrängte Thematik.

vorne: Roy Villevoye; hinten Alet Pilon

Die Auslöschung des Lebens als Auftaktveranstaltung kann entweder als makabrer Humor oder als antizyklische und widerborstige Programmankündigung bewertet werden. Und wer den Künstler Wolfgang Schäfer kennt, den führenden Kopf der Stiftung und bekennenden Christen mit starker Affinität zur offiziellen Kirche, wird für die zweite Hypothese tendieren. Denn die Auslöschung des Lebens ist ja aus religiöser Perspektive nicht alles und markiert eher einen Neuanfang als ein endgültiges Ende. Von diesen Prämissen ausgehend hat die eingeladene Kuratorin Anne Berk ihre Vernetzungen in den Niederlanden (und jenseits davon) reaktiviert und eine Ausstellung konzipiert, die wie eine Faust auf das Auge der Stiftungsräume passt.

Alet Pilon; hinten: Mark Cramer

Es ist sicherlich keine einfache Aufgabe, die großen und atmosphärischen, z.T. düsteren, z.T. bloß rohen Hallen der HPZ-Stiftung zu bespielen. Und auch wenn man die Schmuddelästhetik verlassener Industriegebäude im Kunstkontext langsam leid wird (gibt es wirklich keine andere Alternative zum White Cube?) müssen wir Berks kuratorische Arbeit loben. Sie hat sich auf Positionen der Bildhauerei, der Installation und der Videokunst konzentriert, die sparsam und ausgewogen in den unterschiedlich großen Sälen platziert wurden. Ihr facettenreicher Parcours spielt klug und ohne unnötige Effekte mit Lichtvariationen und räumlichen Hell-Dunkel-Kontrasten (eine schöne inszenatorische Metapher zum Ausstellungsthema). Während die Raumbespielung so gut wie perfekt erscheint, ist hingegen die Künstlerauswahl ungleichmäßig. Die Qualität der Werke, bzw. der Künstler schwankt so stark, dass man, aller atmosphärischen Dichte und thematischen Prägnanz zum Trotz, nicht von einer homogenen Ausstellung sprechen kann.

Jeroen Eisinga: Springtime

Der fesselndste und tiefste Beitrag der gesamten Schau stand direkt an deren Anfang. Der Film von Jeroen Eisinga wurde einsam im sog. „Backraum“ projiziert und war so stark, dass er locker den großen, dunklen Raum  füllte. Hier erlebte man in feinkörnigen Bildern, wie ein riesiger Bienenschwarm den Körper des Künstlers nach und nach bedeckte, bis der Mensch zu einer einzigen wimmelnden, organischen Masse wurde. Die Extremsituation braucht weder Ton noch andere Mittel um ihre ganze existentielle Dramatik zu entfalten und ein Minimum an Empathie reicht beim Betrachter aus, um Beklemmungsängste und Todesfurcht auszulösen. Höchst sinnlich und ätherisch zugleich, von einer mystischen Symbolik durchdrungen und trotzdem extrem körperbezogen, ist Springtime ein Film, der die paradigmatische Balance zwischen Angst und Ekstase auslotet und einen Schritt in den Tod wagt.

Jaap de Ruig: Man

An diese beeindruckend starke Arbeit kommen die meisten anderen Beiträge nicht heran – und werden nicht selten von dem genuinen Zusammenspiel mit den Räumen der Stiftung gerettet. Suffering von Jaap de Ruig ist hingegen so abgründig gemein, dass das Video sich durchaus in diesem und in jedem anderen Rahmen locker behaupten kann. Wie ein böser, ungezogener Junge spielt de Ruig mit toten Tieren und inszeniert ihr Ableben mit einer kindischen Ernsthaftigkeit, die nicht frei von Grausamkeit bleibt – wie als das kleine, süße, bereits tote Mäuschen mit dem Spielzeug-Traktor zur Mausefalle transportiert wird um dort erneut eliminiert zu werden. Ist einmal die kulturell bedingte Ekelschwelle und der oberflächliche Eindruck, vor einer perversen, krankhaften Handlung zu stehen, überwunden, dringt man in weitere, komplexere Schichten der Arbeit ein. Abseits moralisch korrekter und pietätvoller Gefühle, ist Suffering eine Metapher des menschlichen Körpers und seiner Verletzbarkeit und nimmt eine ungenierte Manipulation des Phänomens Tot vor. Ein verstörender und befreiender Tabubruch.

Célio Braga: Unveil

Der brasilianische Künstler Célio Braga hat eine sensible Installation realisiert, die sich aus dem Leiden und der Krankheit seines Freundes speist – und automatisch an manche wunderbaren Arbeiten von Felix Gonzalez-Torres erinnert. Medikamentpackungen und Beipackzettel werden in repetitiven und geduldigen Gesten verarbeitet und zu einer Kettenwand verwoben oder zu einem Turm (mit eindeutigem Brancusi-Bezug) assembliert. Bragas Herangehensweise hat etwas naiv-magisches – als ob er mit diesen obsessiven Gesten die Krankheit eines ihm teuren Menschen ausmerzen wollte.

Judith Maria Kleintjes: No title

Judith Maria Kleintjes: o.T.

Judith Maria Kleintjes: in between

Eine weitere stimmige, wenn auch im Kontext der Ausstellung fragwürdige Position, ist die von Judith Maria Kleintjes. Die seit vielen Jahren in Düsseldorf lebende Niederländerin zeigte eine Stahlwolle-Skulptur, die in mühsamer und z.T. schmerzhafter Arbeit entwirrt und in eine kokonartige Form gebracht wurde. Wie Braga, aber mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die inhärente Qualität ihres Materials, legt Kleintje ebenso viel Wert auf das Prozesshafte ihrer Kunst als auch auf deren fertige, skulpturale Gestalt. Die zeitintensive und geduldige Verarbeitung der Stahlwolle fließt in deren Interpretationsfeld. In einem anderen Raum lagen auf dem Boden kleinen, rötlichen Keramikobjekte, deren organische Formen, zwischen Vulva und Schmetterling oszillierend, zu sehr mit der Ästhetik  des Weiblichen kokettierten.

Mark Kramer: Tracing Out the Void

vorne: Mark Kramer; Mittelgrund: Roy Villevoye; Hointergrund: Alet Pilon

Erwähnenswert ist noch die abstrakte Installation von Mark Kramer, deren Bezug zur Ausstellung nur grenzwertig einleuchtend war (wobei ihre universelle Gültigkeit dazu führt, dass sie mit Sicherheit in allen denkbaren Kontexten passen kann). Der Körperbezug, den man in allen anderen Werken der Schau feststellen kann, hat sich nun vollständig aufgelöst. Hier kann die Leere, das Nichts, das den lebendigen Körper in dessen Tod entlastet, erfahren werden – so zumindest laut Katalog der Ausstellung. Jedenfalls war das extrem reduzierte Spiel mit Licht und Schatten, das reflexartig Platos Höhlengleichnis evoziert, ansprechend.

Alet Pilon: Not Me

Alet Pilon: Wish I Had

Brele Scholz: Study in Motion 3

Obwohl sie sich mit einem unsagbaren Phänomen auseinandersetzt, ist Jenseits eine erstaunlich gegenständlich geprägte Ausstellung, die teilweise auf konventionell-symbolischen Werken beruht. Die Skulpturen und Installationen von Alet Pilon, Esther Bruggink, Brele Scholz oder Jan Thomas operieren beispielsweise mit mehr oder weniger eindeutigen Bildern und Zeichen. Ohne sie in eine einzige, einheitliche Schublade aufräumen zu wollen, erkennt man formelle Verwandtschaften in all diesen Werken. Sie gehen auf den Tod ein und visualisieren das Phänomen wirksam und direkt – manchmal aber eben ein wenig zu direkt.

Erzebeth Baefeldt: Pieta

Esther Bruggink: Rusalka

Ida van der Lee: Allerzielen Alom

Ida van der Lee

Auch das von Anne Berk konstatierte „religiöse Defizit“ unserer einigermaßen säkularisierten Gesellschaft wird nicht wirklich aufgegriffen. Mehr als das Eindringen ins Jenseits, wird hier vor allem das Ende des leiblichen Lebens registriert und durchdekliniert. Transzendentale Elemente findet man nur mit angestrengtem, gutem Willen in der einen oder anderen Installation. Diese Tatsache ist von mir jedoch nicht als Kritik gedacht – denn eine abgeklärte Ausstellung zum Leben nach dem Leben hätte mir, gerade in dieser engelüberladenen vorweihnachtlichen Zeit, gar nicht geschmeckt.

Jan Thomas: Black Master

Martin uit den Bogarth: Painting and Singin‘ Finger

Jenseits – Beyond the Body
Weltkunstzimmer in der Hans Peter Zimmer Stiftung
Ronsdorfer Straße 77a
28.10-30.11.2012
 

The white male complex bei SAVVY Contemporary

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

„Macho, weiß, von gestern” titelte DIE ZEIT und machte damit Barack Obamas Wiederwahl sowie die „Bedrohung“ der „Männer des Westens“ durch „Frauen, Migranten“ und „den Rest der Welt“ zum Thema.  „Die Wiederwahl von Obama“, so das gemischtgeschlechtliche Autorenteam „markiert eine historische Wende, die Jahre selbstverständlicher männlicher, weißer Dominanz gehen zu Ende …“.

Ähnlicher Meinung dürfte auch der Künstlerkurator Thomas Eller sein. Für den Berliner Kunst- und Projektraum SAVVY Contemporary hat er die Ausstellung The white male complex konzipiert, in der stichprobenartig untersucht werden soll, was es unter heutigen Voraussetzungen bedeutet, weiß und männlich zu sein. SAVVY Contemporary versteht ich als „Laboratorium der Formgedanken“ und  ist, so die Homepage-Selbstdarstellung, “ein gemeinnütziger Kunstraum, der durch Ausstellungen, Performances, Lectures und Talks den Austausch zwischen Westkunst und Nicht-Westkunst fördert“.

links: Adib Fricke: Seven Ties Version1 with 7 suits_
(1991); rechts: Thomas Eller: THE selbst (sans…) (2011)

Bei der Themenfindung zur aktuellen Ausstellung hat sich Eller durch eine kritische Betrachtung der amerikanischen „Whiteness Studies“ sowie vom Gedankengut des Germanisten Klaus Theweleits inspirieren lassen, der 1977 mit seinen „Männerphantasien“ Furore machte: einem doppelbändigem Buch, in dem er die Entstehung der faschistischen Gewalt untersuchte und danach fragte, wie diese in den Körpern der (männlichen) Soldaten verankert war. Laut Eller haben Theweleits „Beschreibungsweise von nicht zu Ende geborener Männlichkeit und Körperpanzern aller Art, bis hin zu Superheldenhalluzinationen ein brauchbares Instrumentarium zur Verfügung“ gestellt. Resultat ist eine Ausstellung mit zwölf, durchweg von Männerhand erschaffenen Werken und einem Comicheft.

DETEX: VI4GRA [SPAM] (2012)

Was also sind die Komplexe des weißen Mannes? Thema: Phallus, Thema: Potenz! Mit der VI4GRA [SPAM] betitelten Arbeit, die am Anfang der Ausstellung zu sehen und hören ist, geht die Künstlergruppe DETEXT in Zusammenarbeit mit der spanischen Band Mendetz direkt in die Vollen. „life is unjust and cruel if you have a tiny tool”, „you can be a real macho”, „be proud of your masculinity, much longer than it used to be” tönt es hier aus den kleinen Boxen – alles Textzeilen von per Spam-Mail empfangenen Viagra-Werbungen, die zu einem tanzbaren Synthie-Pop-Song mit schicken Visuals verarbeitet wurden (leider ein Ohrwurm! hier nachzuhören http://www.detext.es/).

Thomas Eller: THE selbst (endgame)(2012)

Thomas Eller lässt die Hosen runter. In seinen Arbeiten macht sich der Künstler immer wieder selbst zum Thema und bevölkert die Welt mit Stellvertreter-Aufstellfiguren in unterschiedlichen Größendimensionen. Als THE selbst (sans…) zeigt er sich dandyhaft  im schwarzen Anzug mit Krawatte, doch ohne Beinkleid und geschrumpft. Auf THE selbst (endgame) gibt er sich gar die komplette Blöße und sitzt mit erigiertem Penis beim Schachspiel gegen das eigene, bekleidete Konterfei. Mit der 2012 entstandenen Arbeit verweist Eller auf Marcel Duchamp, der sich 1963 mit der nackten Studentin Eve Babitz beim Schachspielen im Museum fotografieren ließ, um das Ende seiner künstlerischen Tätigkeit anzukündigen.

Markus Voit: ME (2005)

Markus Voit: Ohne Titel (2011)

Für das Selbstportrait ME lies auch Markus Voit die Hüllen fallen. Mit bravem Seitenscheitel und freundlichem Blick präsentiert er uns seinen schmalen, jugendlichen Körper. Doch was ist das? Statt roter Brustwarzen, wachsen zwei Fellbüschel auf der sonst haarlosen Brust. Seinen damals ebenfalls noch jugendlichen Körper inszeniert Bruce Naumann in Walk with Contraposto. Mit ordentlich viel Hüftschwung durchschreitet er einen langen, schmalen Korridor und erkundet dabei die Möglichkeit,  den auf Standbein und Spielbein basierenden, in der klassischen Bildhauerei genutzten Kontrapost in Bewegung zu setzen.

Clemens Wilhelm: Read me (2011)

„Was die Zukunft wohl bringen mag?“ fragte sich Clemens Wilhelm und konsultierte während eines Residency-Aufenthalts im chinesischen Chongqing vier Wahrsager, die ihm aus der Hand lasen und ihm über seine künftigen Erfolge, den Reichtum, das Liebesleben und die Gesundheit Auskunft gaben. Im Video ist die überlebensgroß auf einen Tisch projizierte Hand zu sehen. Als Untertitel läuft die englische Übersetzung der aus dem Off erschallenden chinesischen Zukunftsvorhersagen. Erstaunlicherweise sind sich die unabhängig voneinander befragten Wahrsager in den Kernaussagen einig. Man erfährt u.a., dass Wilhelm wohl nicht so früh heiraten wird (bzw. nicht so früh heiraten sollte), er aber einige Affären haben wird, er  jemand ist, dessen Arbeit auf dem Intellekt fußt und nicht körperlicher Art ist und dass er eine ausgeprägte Analysefähigkeiten besitzt. Mit Read me gewährt Wilhelms Einblicke in eine normalerweise sehr private Erfahrung und vermittelt dabei eine chinesische Blickweise auf seine Person.

Mike Kelley: Superman Recites Selections from `The Bell Jar`and other works by Sylvia Plath (1999)

In seinem Spätwerk hat sich der leider Anfang des Jahres verstorbene Mike Kelley mit der Vita von Superman und somit dem Paradebeispiel des heldenhaften, weißen Mannes, befasst. Ausgangspunkt für das Projekt Kandor-Con 2000 ist die Stadt Kandor: eine Stadt, die in den Comics als letztes Überbleibsel des zerstörten Heimatplanten Krypton auftaucht. Kandor wurde von einem Bösewicht auf Miniaturformat geschrumpft und gelangte in Supermanns Besitz, der die Stadt unter einer Glasglocke aufbewahrt – Superman nicht als Held sondern als durch die Vergangenheit, den Verlust der Heimat bzw. durch ein „entfremdetes Verhältnis zu dem jetzt von ihm bewohnten Planeten“ traumatisiert.  Mit dem Video Superman Recites Selections from ‚The Bell Jar‘ and Other Works by Sylvia Plath ist in der Ausstellung leider nur ein minimaler Teil von Kelleys umfassendem Projekt zu sehen. Hier rezitiert ein Schauspieler im Supermann-Kostüm Textteile aus Sylvia Plaths Roman Die Glasglocke (1963).

Irgendwie unnötig, dass neben Kelleys Arbeit eine Kopie des Comics Superman: Für den Mann, der alles hat (1968) hängt, in dem Batman, Robin und Wonder Woman dem Superhelden eigentlich einen Geburtstagsbesuch in seiner „Festung der Einsamkeit“ abstatten wollen, diesen jedoch starr, geistesabwesend und von einer Art Pflanze befallen vorfinden…

Walter Robinson: untitled (Penthouse) (2010)

Wie sang einst Herbert Grönemeyer? „Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles, Männer kriegen ´nen Herzinfarkt, Männer sind einsame Streiter, müssen durch jede Wand, müssen immer weiter…“

 

The white male complex
Thomas Eller, DETEXT, Adib Fricke, Mike Kelley, Bruce Nauman, Walter Robinson,
Felix Schneeweiss, Superman, Markus Voit, Clemens Wilhelm
4.11. – 4.12.2012
Do- So, 16.00-20.00 Uhr
SAVVY Contemporary
Richardstr.43/44
12055 Berlin
www.savvy-contemporary.com

 

Über die Streetart in Düsseldorf (und anderswo)

Es ist schon eigenartig mit dem Internet. Da scannt man täglich durch den digitalen Äther, hält die Augen auf und ist fest davon überzeugt man kenne sich gut aus und all das was dazu gehört. Und wenn man schon nicht alles kennt, dann glaubt man doch man hätte zumindest all das auf dem Schirm, was für die eigene Filterbubble von Relevanz ist.
Und dann stolpert man eines Tages doch über etwas Neues was offensichtlich gar nicht so neu ist, schaut ich das dann an und fragt sich wie diese Sache so lange Zeit mit solcher Energie betrieben werden konnte, ohne in den eigenen Wahrnehumgshorizont zu geraten. Sebastian Hartmanns Blog streetartmag.wordpress.com ist ein solches Projekt und wird hiermit sofort in unsere Blogroll aufgenommen.
Schön, dass es auch in Düsseldorf ein ambitioniertes Projekt gibt, welches sich dieser mittlerweile ganz und gar nicht mehr so exotischen Kunst im öffentlichen Raum widmet. Und schön auch, dass das Projekt nicht nur in der digitalen Öffentlichkeit aktiv ist, sondern auch in den Straßen der Stadt, zum Beispiel mit einer kleinen Streetart-Führung für Facebook-Fans durch Bilk.

Sebastian Hartmann bei der zweiten Streetart-Tour durch Düsseldorf Bilk

 

Die Bilder stammen aus Sebastian Hartmanns Blog und von den Kollegen vom bilkorama – wir sagen Danke! Weitere Infos zu den vorgestellten Künstlern und zu Streetart in Düsseldorf generell finden unser neugierigen Leserinnen und Leser dort.

(Tip via Rieke – Danke!)

http://streetartmag.wordpress.com

 

Winfred Gaul im Grafischen Kabinett

von Dominik Busch (Düsseldorf)

Fotos: Sebastian Riemer

 

Den langen Flur in der Ackerstraße mit einer Ausstellung zu bespielen, die „ich unbedingt noch machen wollte“, bevor das Grafische Kabinett in absehbarer Zeit schließt – so gezwungen wirkt die Schau beileibe nicht. Es verwundert vielmehr die für das Kabinett ungewohnt farbigen Siebdrucke Wilfred Gauls, die Erzählungen zufolge der sonst eher üblichen Grisaille ausgestellter Arbeiten entgegentritt.

Foto: D. Busch

Sebastian Riemer, über den perisphere.de bereits zu anderer Gelegenheit berichtete, Meisterschüler von Thomas Ruff und Christopher Williams, öffnet seit mehreren Jahren seine Wohnung für temporäre Ausstellungen. Der Name ist hierbei Programm. So werden im Grafischen Kabinett vornehmlich Grafiken von akademienahen Künstlern und Künstlerinnen ausgestellt, zuletzt solche des Düsseldorfer Malers Lukas Schmenger. Wir haben es also mit einem Projektraum aus dem direkten Umfeld der Kunstakademie Düsseldorf zu tun und dürfen eine kuratorische wie künstlerische Auseinandersetzung am vermeintlichen Puls der Zeit erwarten.

 

Warum also, mag manch einer fragen, stellt man im Jahr 2012 einen Maler des deutschen Informel aus, dieser Großkeule deutscher Malereigeschichte? Warum zudem in einem Projektraum, der von einem Kurator in seinen Mittzwanzigern betrieben wird und der begann zu studieren, als Gaul gerade verstorben war? Etwa Profilierungsnot im Wust Düsseldorfer Projekträume? Abwechslungsbedürfnis zu den sonst omnipräsenten Positionen aspirierender Kollegen? Oder schlichtweg das Ergreifen der Gelegenheit beim Schopfe? Nichts von alldem und doch von allem ein bisschen.

 

Die Gelegenheit bot sich Riemer durch die Bekanntschaft mit der Nichte Gauls, die den Kontakt zwischen dessen Witwe, seiner Nachlassverwalterin, und Riemer herstellte. Ein Zufall definitiv, und doch ein glücklicher. Nicht viele Düsseldorfer Projekträume können sich eines solch großen Namens rühmen. Und dieser verfehlt auch nicht seine Wirkung; zur Eröffnung am vergangenen Freitag erscheinen Galeristen gleichermaßen wie Museasten und Kollegen beider Professionen. Die Auswahl der gezeigten Arbeiten bildet indes den Querschnitt einer der differenten Phasen im Werk Winfred Gauls. Geboren in Kaiserswerth, studiert bei Baumeister in Stuttgart, Aufenthalt in Paris, Auszeichnung unter Anderem der Villa Romana und (Gast)Professuren in Norddeutschland und England. Mitglied der Gruppe 53, Freund und Kollege Dahmens, Hoehmes, Götz’ und Brünings. Soweit die Vita eines „typischen“ Informellen. Doch Gauls Werk lässt sich klarer als das der genannten Kollegen in Phasen einteilen, zumal er diese selbst markierte und benannte. Sinngemäß zitiert, begriff er das Informel wie viele seiner Weggefährten als revolutionär-anarchistische Verarbeitung braundeutscher Vergangenheit, dessen Kunst sich jedoch sukzessive abnutze und von Zeit zu Zeit wieder aufgeladen werden müsse – und zwar an und durch die Realität.

 

Informelle Grafiken sind die ausgestellten daher auch nur nominell, korrekterweise stammen sie aus Gauls Gruppe der Signale & Verkehrszeichen. In jenen sah der durchaus belesene Maler einen Sonderfall des Zeichens, angesiedelt zwischen Ikon und Symbol, einen abstrakter Index kultureller Prägung. In ihre formalen Bestandteile zerlegt, legen diese die ikonische Verwendung von Zeichen offen und demonstrieren die doppeldeutige Oberflächlichkeit des aufkommenden digitalen Zeitalters. Im Begleittext eines Kataloges moniert Gaul die in den 60er und frühen 70er Jahren zunehmende Schilderflut deutscher Großstädte, die Bilderflut der Werbung, der Banner und Plakate. Die Formensprache seiner Siebdrucke entstammt jener Alltagsästhetik, sie seziert und analysiert sie jedoch gleichermaßen. Sie zeigt uns die ihr implizite Verdummungsstrategie, die gezielte Vereinfachung bildlicher Inhalte zugunsten einer allgemeinverständlichen Aussage; Strategien, die mittlerweile als Kavaliersweg gewisser deutscher Fotografen dienen und nicht zuletzt dadurch schon lange ins Repertoire zeitgenössischer Kunstpraktiken aufgenommen wurden. Doch das Einfache Zeigen wäre nicht genug. Gauls Arbeiten sind ebenso formal spannend wie sie klug sind, sie sind ebenso klassisch wie sie aktuell sein können.

Hierin liegt also die Rechtfertigung jener Ausstellung, wenn es denn einer solchen bedürfte. Hierin liegt auch ihre Stärke. Gauls Siebdrucke sind trotz all ihrer Aktualität zur Zeit ihrer Entstehung ihrer Zeit weit voraus. Bedenkt man, dass die älteste gezeigte Grafik ’63 und die meisten um 1970 entstanden sind, zweifelt man so manches Wissen und Können zeitgenössischer Kollegen an. Gemäß dem vergleichsweise jungen Gedanken eines französischen Kunstkritikers, wird jegliche Form entwickelt und auf vorherige aufgebaut, in der Form, wie sich Eis „setzt“. Was gestern formlos oder informell war, trifft heute nicht mehr auf sie zu. Die Ambivalenz, mit der uns die Arbeiten Winfred Gauls zurücklassen, das Hin- und Hergeworfensein zwischen melancholischer Wertschätzung und neidvollem Staunen belegt das. Genauso wie die sinnbildliche Eingangsbemerkung Riemers: „Gaul wird völlig unterschätzt.“

 

Schilderwald – Winfred Gaul im Grafischen Kabinett
Ausstellung 17-20.11.2012
Ackerstr. 39
Besichtigung nach Vereinbarung (0178 400 71 75)

 

Stefan Riebel – Somethings in der Boutique am Ebertplatz

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

2010 wurde ich auf Stefan Riebels Arbeit ‘Black Pixel‘ aufmerksam – ein 1×1 Pixel großes, schwarzes Quadrat auf weißer Fläche. Die Arbeit hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen und da ich etwas neidisch auf ihn und seinen Einfall war, beschloss ich ihm die Arbeit zu stehlen.

Dazu speicherte ich seinen schwarzen Pixel bei mir auf der Festplatte, kopierte ihn dann per FTP in den Webspace meines Servers, um ihn von nun an dort unter der Domain www.stolen-black-pixel.de zu präsentieren. Stefan informierte ich dann per E-Mail über den dreisten Diebstahl, so kamen wir in Kontakt und es entstand über die Jahre ein äußerst fruchtbarer Austausch, mit gemeinsamen Projekten und Ausstellungen, vor allem in Berlin.

Um so schöner also, dass der Berliner Künstler, Kurator, Projektinitiator und Raumbetreiber (Institut für alles Mögliche) nun vom 18.11. bis zum 02.12.2012 mit einer Einzelausstellung in der Kölner Boutique zu Gast ist. Der Projektraum wird von Maximilian Erbacher, Yvonne Klasen
und André Sauer auf der unteren Ebene der Ebertplatzpassagen betrieben, wo sich mittlerweile mit gleich drei Räumen ein Zentrum der Kölner Off-Szene gebildet hat. Schräg gegenüber der Boutique liegt Bruch&Dallas, direkt daneben die Halle der vollständigen Wahrheit. Der Ort ist abgerockt, hinreichend zentral gelegen und dennoch abgeschieden genug um auch mal ordentlich feiern zu können – was im übrigen u.a. der Partyinszenator Alexander Wissel mit dem Single Club vor Ort auch dort bewiesen hat.

Somethings

ist der Titel der Ausstellung, unter dem Riebel ältere und aktuelle Arbeit zusammen gestellt hat.

somethings ist neben dem Namen der Ausstellung aber auch gleichzeitig Titel der größten und nach Außen hin sichtbaren Videoinstallation. Die dort zu lesenden Wörter auf der matten Scheibe hat Riebel assoziativ für diese Ausstellung gesammelt. Seit der Einladung hatte er immer wieder Worte notiert die ihm im zusammenhang mit diesem Ereignis in den Sinn kamen. So entstand eine ortsspezifische Wortsammlung, ganz ähnlich einer Tag-Cloud.
Riebel hat die Arbeit seit dem Jahr 2010 an verschiedenen Orten realisiert und die Ergebnisse dieser Denktätigkeit im Netz festgehalten http://somethings.stefanriebel.de/.

Die Arbeit dedication pieces besteht aus Postkarten und Plakaten die auf einem Holztisch ausgelegt und zum mitnehmen sind. Die Arbeit verteilt sich so mit Hilfe der Besucher langsam und kontinuierlich über die Welt. Auf den verschiedenen Medien in unterschiedlichen Formaten sind poetische, minimalistisch Widmungen notiert, die sich online nachlesen lassen dedication.stefanriebel.de/.

Die Arbeit bg (before google) – im Netz zu sehen unter www.beforegoogle.net war in Düsseldorf in der weißen Version bereits im Rahmen des Transprivacy-Projekts zu sehen. Auch hier lagen kleinformatige Flyer aus, über die sich das Konzept langsam aber leicht mit Hilfe des Publikums verteilt.

Die versuchsanordnung für plattenspieler, vinylrohling und zeit (#3) besteht aus einer einfachen Konfiguration. Auf einem Plattenspieler liegt ein Vinylrohling auf, der beim Abspielen durch die darauf kratzende Nadel beschrieben wird. Die dabei entstehende Tonspur wird gleichzeitig auf normalem Wegen auf den Boxen abgespielt.

dead pixel (on hyundai b71a) ist ein Sammlerstück aus Riebels Sammlung kaputter Pixel, wie sie sich auf diversen Monitoren und Flachbildschirm befinden. Dieser toter Pixel befindet sich auf einem Hyandai B71A Flatscreen. In der Vergrößerung und auf dem Kopf stehenden online hier zu sehen dead-pixel.stefanriebel.de/

Stefan Riebel, somethings
Dauer: 17.11.-01.12.2012
Öffnungszeiten: Do-Sa, 16-19 Uhr

Ebertplatz 0,
Ebertplatzpassagen,
50668 Köln

www.boutique-koeln.de

What is it to be Chinese? im Grimmuseum

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Auf die Frage „Was bedeutet es Chinese zu sein/ Was bedeutet Chinesisch-Sein?“ würden sicherlich viele Nicht-Chinesen mit einem bunten Potpourri aus Klischees antworten: Chinesen sind klein, essen Hundefleisch mit Stäbchen, schmatzen, schlürfen und spucken, fälschen Markenartikel, sind eine wirtschaftliche Großmacht auf der Überholspur, müssen die Ein-Kind-Politik und Zensur der Kommunistischen Partei erdulden und eifrig für niedrige Löhne arbeiten.

FX Harsono: Writing in the Rain

Der China-Fastfood-Mann von nebenan oder Chinatown in New York – vielen von uns scheint die chinesische (Eß-)Kultur vor allem durch die unzähligen, in der ganzen Welt verstreuten Auslandschinesen vertraut, doch welche Beziehung haben die oft schon seit mehreren Generationen nicht mehr in China lebenden Menschen zu ihren kulturellen Wurzeln und wie definieren sie ihre Identität? Genau dies sind die Fragen, um die es in der von Katerina Valdivia Bruch kuratierten Ausstellung >What is it to be Chinese?< im Berliner Grimmuseum geht. Die fünf beteiligten KünstlerInnen sind zwar chinesisch-stämmig bzw. haben einen chinesischen Hintergrund, doch wurden sie weder in China geboren, noch sprechen sie die Sprache oder leben dort. Oftmals nehmen sie die eigen Vita oder Familiengeschichte als Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit und vermitteln so ganz persönliche Eindrücke davon, was es heißt, Teil der globalen Migrations-bewegungen zu sein und von außen auf das Land des eigenen kulturellen Ursprungs zu schauen.

Kyungwoo Chun: 1592Nr1 und Nr2

Kyungwoo Chun: Departure Songs

David Zink Yi: El Festejo

Für das von 2006 bis 2008 andauernde Fotoprojekte >Thousands< begab sich der Südkorea geborene  und heute in Seoul und Bremen lebende Künstler Kyungwoo Chun auf eine Recherchereise in die chinesische Provinz Henan. Dort machte er sich auf die Suche nach Menschen mit demselben chinesischen Familiennamen und wurde fündig. „Chun“ ist nicht nur ein gängiger Name in der Region, sondern bedeutet „1000“ auf Chinesisch. Der Bedeutung seines Familiennamens folgend, hat Kyungwoo Chun tausend weitere „Chuns“ portaitiert und auf den Fotos deren Geburtsorte und –daten archiviert. Alleine durch die Erkundung des eigenen Namens, erinnert Chun an die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der Chinesen, die nach Korea ausgewandert sind. Einer von ihnen war auch General Chun, der 1592 vom chinesischen Kaiser mit einem Heer ins Feindesland Korea geschickt wurde, dort jedoch sesshaft wurde. Die beiden verschwommenen Fotos eines Mannes in Kämpfermontur, >1592#1 und #2< (2007), verweisen auf die historische Person.

David Zink: Yi El Festejo

Auch David Zink Yis >El Festejo< (2001) vermittelt Geschichte über den Lebenslauf einer Einzelperson. Sein 2-Kanal-Video erzählt von einer Peruanerin, deren Mutter chinesischen und deren Vater afrikanischen Ursprungs ist. Nahaufnahmen ihrer Hände oder eines Auges werden hier neben asiatischen Porzellanfiguren an die Wand projiziert. Zwischendurch sind trommelnde Hände zu sehen und man hört afrikanisch-peruanische Musik. Dass ein chinesisch-afrikanisches Paar auf peruanischem Boden zueinander finden konnte, hängt damit zusammen, dass Afrikaner im 16. Jahrhundert als Sklaven nach Peru gebracht wurden, welche im Laufe des späten 19. Jahrhunderts zunehmend durch chinesische Arbeiter ersetzt wurden. Ähnlich wie die Protagonistin seines Videos ist auch Zink Yi in Peru geboren, ist jedoch das Kind Deutsch-Chinesischer Eltern.

Truong Ngu: Glücklicher Stern

Truong Ngu: Glücklicher Stern

Truong Ngu: Glücklicher Stern

>Glücklicher Stern (Lucky Star)< (2010) ist wie ein Brettspiel aufgebaut. Als Spielplan dient eine chinesische Landkarte, es gibt Spielsteine, einen Würfel und Handlungsanweisungen. Das Spiel ist Bestandteil von Truong Ngus gleichnamiger Performance, bei der der Künstler über den Akt des Spielens vermittelt die Migrationsgeschichte seiner Familie erzählt. Hier bestimmen die Würfel das Schicksal einer Familie, die sich gezwungen sah, ihr Heimatland Vietnam als chinesische Minderheit zu verlassen. Heute lebt und arbeitet Ngu in Berlin.

FX Harsono: Writing in the Rain

FX Harsono: Writing in the Rain

Mit der installativen Videoarbeit >Writing in the Rain< (2011) thematisiert FX Harsono den lange Zeit durch Diskriminierung und Vertreibung geprägten Alltag der in Indonesien lebenden Überseechinesen. Selbst in Ost-Java zur Welt gekommen, lernte Harsono erst vor wenigen Jahren, seinen chinesischen Namen zu schreiben. In dem Video macht er genau dies: es zeigt, wie er den Namen wiederholte Male mit Tinte auf eine Glasplatte schreibt, bis sich die Schrift zu einem abstrakten Muster verdichtet und schließlich von einem starken Regenguss wieder ausgelöscht und fortgespült wird. FX Harsono bezieht sich damit auf eine gesetzliche Anordnung, welche die in Indonesien lebenden Chinesen Ende der 1960er Jahre zwang, ihre Namen in indonesisch klingende Namen umzuändern. In derselben Zeit war es verboten, chinesischsprachige Bücher und Zeitschriften zu verkaufen und das chinesische Neujahrfest zu feiern, chinesischsprachige Schulen im Lande wurden geschlossen und viele Kulturvereinigungen wurden aufgelöst

Tintin Wulia: Study for Wanton

Tintin Wulia: Study for Wanton

Tintin Wulia stammt ebenfalls aus Indonesien, lebt und arbeitet aber inzwischen in Melbourne. Die 4-Kanal-Videoinstallation >Study for Wanton< (2008) zeigt verschiedene Filme im Loop: Mücken in Reagenzgläsern, jemand, der Glückskekse öffnet, eine Fahrt durch eine grüne Landschaft, eine Frau, die verschiedene Nationalhymnen Karaoke singt. Mal auf einem Fernsehbildschirm, mal an die Wand gebeamt, flirren die Filme um einen herum und verleiten zum Gedankenspiel. Dem Ausstellungstext ist schließlich zu entnehmen, dass es sich bei den Karaoke-Liedern um Nationalhymnen von Ländern wie Japan oder den Niederlanden handelt, die Indonesien einmal besetzt haben und dass die Glückskekse, welche seit jeher mit China bzw. chinesischem Essen in Verbindung gebracht werden, ursprünglich gar keine chinesische Erfindung sind (Wer hats erfunden? die Japaner!).

Tintin Wulia: Study for Wanton

 

What is it to be Chinese?
Kyungwoo Chun, FX Harsono, Truong Ngu, Tintin Wulia, David Zink Yi
12.10.-18.11.2012
 
Grimmuseum
Fichtestrasse 2
10967 Berlin
Mi-So 14-19h
 
www.grimmuseum.com
info@grimmuseum.com
Infos zum aktuellen Buchprojekt: www.grimmuseum.com/blog-61/blog-74/index.html

 

 

 

Interview mit Chiara Passa, der Gründerin der Widget Art Gallery bei Rhizome

Die Widget Art Gallery – kurz WAG – ist eine 3-dimensionale Galerie, die aus einem einzigen Raum besteht und in jede Tasche passt, denn sie läuft auf dem Iphone, dem IPod Touch und dem IPad.
Chiara Passa hat diesen experimentellen Ausstellungsraum im Juli 2011 eröffnet und seit dem im monatlichen Wechsel 13 verschiedene Arbeiten internationaler Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Jeden Monat wird dem Publikum direkt auf dem eigenen Smartphone eine digitale Einzelausstellung präsentiert.

„All for you forever“ by Andrew Benson, Juni 2012

Rhizome hat ein Interview mit Chiara gemacht, welches Ihr hier findet. Die Webseite des Projekts befindet sich hinter diesem Link.

‚Operatic Narcoleptic‘- Lorna Mills, Oktober 2011

Die Links zum Installieren der WAG befinden sich auf der Webseite.

Chiara Passa
http://the-widget-art-gallery.blogspot.de/

Land Art Biennale Mongolia

Im Qjubes-Blog gibt es aktuell einen Artikel mit Bildstrecke über die Land Art Biennale Mongolia 360°, ein wirklich großartiges Projekt in der mongolischen Wüste. Wir verlieren hier keine großen Worte, wer die nachfolgenden Bilder mag sollte hier klicken um mehr zu erfahren.

(via qjubes)

www.landartmongolia.com
Bilderreihe zur Biennale auf facebook

duktil im Hinterconti, Hamburg

Die Gruppe mit dem Arbeitstitel duktil hatte am 19.10. zum vierten und letzten Mal in die Ausstellungsräume des hinterconti geladen. Die lose zusammengehörige Gemeinschaft, bestehend aus Künstlern/-innen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten, hat das Grundjahr in der HFBK miteinander verbracht. Einige haben Hamburg verlassen und nur wenige studieren in gemeinsamen Klassen. Es gab bei der Ausstellung kein wirkliches Konzept, so stand eher die Party im Vordergrund. Unsere Hamburgkorrespondentin Theda Schillmöller hat mal ein paar wenige Sachen rausgepickt.

Super Idee, tolle Arbeit! Gefällt uns gut.

Sebastian Faßnacht beschäftigt sich seit längerem mit dem Hanky-Tuch und seinen verschiedensten Bedeutungen in der Schwulenszene.

Fotos: Theda Schillmöller

hinterconti e.V.
Marktstraße 40A
20357 Hamburg

duktil
Eröffnung: 19.10.2012 / 20 Uhr
Öffnungszeiten: 20.& 21.10.2012 / 14 bis 20 Uhr

Anna Schmitt in Düsseldorf-Reisholz

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Film: Franz Schuier

 

Liebe Anna Schmitt,

in der Hoffnung, Dich kennen zu lernen, habe ich vor wenigen Tagen die große Halle in Reisholz besucht, in der Du Deine Einstandsausstellung als Kuratorin hattest. Natürlich hatte mich auch die Kunst dorthin verschlagen. Aber ich war in erster Linie sehr neugierig zu erfahren, wer Du bist. Denn, obwohl ich mich nicht wenig in der hiesigen Szene herumtreibe, muss ich gestehen, dass ich Deinen Namen noch nie gehört hatte. Im Vorfeld meines Besuchs hatte ich im üblichen Kreis der Connaisseurs nach Dir gefragt, bekam aber stets vage und widersprüchliche Aussagen. Später ertappte ich mich dabei, Deinen Namen zu googeln, um Informationen – oder ein Gesicht – zu erhaschen. Aber das Netz und die Welt sind voll von Anna Schmitts! Hättest Du Dich tarnen wollen, hättest Du keinen besseren Namen finden können.

Foto: Jeannette Schnüttgen

Foto: Jeannette Schnüttgen

Du kannst Dir also vorstellen, wie enttäuscht ich war, als ich letzten Montag erfuhr, dass Du nicht kommen könntest. Du warst auf alle Fälle gut vertreten: Jeannette Schnüttgen und Anne-Katrin Puchner waren vor Ort und haben mich durch die Ausstellung geführt. Sie erzählten mir, dass Kai Richter auch eine wichtige Rolle spielt und dass ihr alle an dieser ersten Präsentation gearbeitet habt. Durch die zwei Frauen wurde ich übrigens bezüglich Deiner Person nicht schlauer. Ihre Antworten auf mein Nachfragen waren rätselhaft und ließen sogar die Deutung zu, dass es Dich gar nicht gibt! Absurd, nicht? Ich vermute jedoch, dass Du genau wie Deine drei Freunde Künstlerin bist. Ich vermute sogar, dass Du skulptural arbeitest. Puchner und Schnüttgen, in geringerem Maße auch Richter, entwickeln ja in ihrer jeweiligen Kunst einen Ansatz, in dem die Spannungsverhältnisse zwischen Form und Fläche, zwischen Zwei- und Dreidimensionalität ausgelotet werden. Interessanterweise war genau dies der rote Faden der Ausstellung – deshalb meine naheliegende Vermutung. Man merkt es ihr an, dass diese Ausstellung eine Gelegenheit für die Künstler-Kuratoren war, ihre eigene Herangehensweise zu überprüfen und sich mit verwandten Positionen zu konfrontieren.

Julia Kröpelin: Hidden Move (2011)

Julia Kröpelin: Hidden Move (2011)

In dieser Hinsicht fand ich die zwei bunten Plastiken von Julia Kröpelin sehr passend. Kröpelin geht zunächst von expressiven, abstrakten, all-over-Zeichnungen aus, die hochkopiert und auf eine kubistisch anmutende Struktur geklebt werden. Die in sich geschlossene, mannshohe Form spielt dabei die Rolle eines Trägers oder Körpers, der die Zeichnungen gleichzeitig hält und in den Raum projiziert. Reminiszenzen an Picasso drängen sich auf. Sowohl der Bezug zur Collage-Technik als auch die Öffnung eines zweidimensionalen Objektes zum Raum hin (und dazu müsste man noch die gebrochene, grobe und kristalline Grundform der Plastik erwähnen) rufen den alten Meister auf den Plan. Du wirst vielleicht denken, dass es ein gewagter Vergleich ist, aber alles in allem hatte Deine Ausstellung doch etwas Klassisches.

Heiko Räpple: Actio (2011)

Heiko Räpple: Karya (2010)

Heiko Räpple: Karya (2010)

Auch die zwei Arbeiten von Heiko Räpple besitzen, trotz des Umgangs mit aktuellen technischen Materialien (seine Stahl- und Gipsskulpturen sind mit Kunststoffaser verstärkt), eine klassisch-moderne Prägung. Die dynamisch anmutenden Karya und Action, ihre unaufdringliche, zurückhaltende aber durchaus selbstbewusste Präsenz im Raum, dieses gelungene Gleichgewicht zwischen Bodenständigkeit und graziöser Leichtigkeit haben mich an manche minimalen Kompositionen von Archipenko oder Brancusi erinnert – ja, der Kunsthistoriker in mir muss sich immer wieder zu Wort melden. Dabei scheint Räpple mehr an der reinen Materialität und Objekthaftigkeit seiner Skulpturen interessiert zu sein als seine illustren Vorgänger es waren. Die Gipsabgüsse von Blechplatten werden gedreht, gezwängt, verspannt und in einem zwiespältigen Schwebezustand gebracht. Diese körpergewordene Grenzsituation fand ich überzeugend.

Max Sudhues: Inverted Invasion (Billard) (2012)

Ich gestehe, es mir ein wenig schwerer mit den Kopien von Max Sudhues getan zu haben. Vor gut einem Jahr hatte ich seine Arbeit im Institut für Skulpturelle Peripherie gesehen und fand das Zusammenspiel mit Jon Moscow gelungen. Hier fiel mir der Zugang nicht besonders leicht; die Relevanz des Motivs blieb schleierhaft. Ich könnte die Kunst der nicht informierten Deutung so weit bringen und im Motiv des Billardtisches und der Billardkugel eine formale Spielerei zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion sehen, oder eine Metapher der Bildhauerei (Fläche und Volumen; Ordnung, Komposition und Hierarchie, Manipulation und Hand-Werk) oder aber eine Projektion von kosmischen Zeichen und stellaren Konstellationen in der Fläche. Ja, liebe Anna, ich kann in diesen Arbeiten Einiges sehen – aber ich fürchte, dass es Sudhues nicht besonders tangiert.

Janine Tobüren: Twig (2012)

Janine Tobüren: Bastard Title (2012)

Sudhues scheint jedenfalls einige Aspekte der komplexen Brücke, die zwischen den Disziplinen der Graphik und der Bildhauerei / Plastik geschlagen ist, verarbeiten zu wollen. Dieser Impetus ist bei Janine Tobüren deutlich klarer ablesbar. Die Münsteranerin und Meisterschülerin von Guillaume Bijl führt seit ein paar Jahren eine kritische Interpretation der Lyrischen Abstraktion durch. In ihrer Beschäftigung mit der New York School, hinterfragt sie die expressionistische, spontane Geste und nähert sich systematisch den Meistern der 50er und 60er Jahren an. Dies brachte sie in der Vergangenheit dazu, Kompositionen von Franz Kline in die Dreidimensionalität zu übertragen. Die beiden Plastiken in Reisholz beziehen sich ihrerseits auf Zeichnungen von K.R.H. Sonderborg. Es sind in Tusche gefasste Holzbalken, die die räumliche Bedeutung des Grafischen hinterfragen und einen distanzierten Kommentar zu Wildheit und Spontanität formulieren.

Das Video von Adriane Wachholz hat auch etwas Wildes an sich. Der kurze Loop zeigt eine Art schnelle Fahrt durch die Natur. Pflanzlich-organische Formen, die rasch vorbei ziehen und verschwinden, bestimmen das Bild. Dieses hat eine kongeniale Präsentation auf der verdreckten und verrosteten Hallentür gefunden. Eine klare Wahrnehmung der Arbeit stellt sich indes nicht ein (vor allem nicht, als die Sonne durch die Halle schien und die Projektion unsichtbar machte). Wenn der Bezug zum Grafischen evident ist, habe ich mich doch gefragt, ob diese Arbeit, wie ihre Nachbarn, wirklich den Raum sucht.

Carsten Gliese: o.T. (2003)

Carsten Gliese: Tür (2003)

Denn auf der gegenüberliegenden Wand ist diese Suche nach dem Raum, bzw. die Abflachung des dreidimensionalen Raums evident. Carsten Gliese ist eigentlich Bildhauer und greift, wenn er nicht mit verschachtelten Modellen arbeitet, die sich einer eindeutigen Raumwahrnehmung entziehen, in den vorhandenen architektonischen Kontext seiner Ausstellungen ein – oder aber auch gerne in Hausfassaden. Hier tritt er ein wenig kürzer und zeigt Fotografien von Lichtprojektionen in verschiedenen Raumsituationen. Die Lichtkontraste sind dabei so hoch, dass die Hell-Dunkel-Abstufungen verschwinden und die Perspektive sich auflöst. Es bleiben abstrakte Formen, in einer Balance zwischen 2D und 3D. Auch wenn der Bezug zum realen Raum nicht ganz verneint wird und raumanekdotische Elemente zugelassen werden, haben diese Lichtflächen eine immaterielle und geometrische Schönheit, die sie in die Nähe der Kompositionen des Suprematismus rücken lassen.

Tania Bedrinana: aus der Serie „Simple Song“ (2009)

Neben diesen strengen Kompositionen sind die zarten und zugleich bestimmten Zeichnungen der in Peru geborenen und in Berlin lebenden Tania Bedriñana zu sehen. Es sind surrealistisch anmutende, onirische, z.T. verstörende Szenen, in denen Kinder inszeniert werden. Das Bilduniversum von Bedriñana hat diese vage und trotzdem präzise Konsistenz eines Traums, oszilliert zwischen der Wunderwelt von Lewis Carroll und der präpubertären Hölle eines Henry Darger. Grazile, junge Wesen, die sich in einem Zustand der Metamorphose befinden und ihr Gesicht noch nicht gefunden haben, spielen, tanzen und führen merkwürdige Rituale in einem diffusen Raum durch. Die einzige narrative Position der Ausstellung ist zwar alles anderes als überraschend, weckt ja gar ein Déjà-vu-Gefühl, gleicht jedoch die allgemeine ästhetische Kälte und die spröde Schönheit der gesamten Ausstellung aus.

Christian Schreckenberger: o.T. (the only mistake) (vorne)

Christian Schreckenberger: o.T. (2012)

Es ist eben keine opulente, überbordende und farb- oder motivverliebte Ausstellung. Es ist eine konzentrierte, pointierte und aufmerksam zusammengestellte Präsentation, zugleich luftig und dicht, vielleicht ein wenig zu ernst, aber einfach gut und auf den Punkt gebracht. So wie die Arbeit von Christian Schreckenberger. Seine Materialerkundungen, die sich in höchst heterogenen Objekten manifestieren und immer wieder die Nähe zur angewandten Kunst suchen – oder einen leichten Hang zur narrativen Aufladung aufweisen –, haben all die eben genannten Prädikate verdient. Der Bildhauer entwickelt eine besondere Aufmerksamkeit für Texturen, in der Regel ungewöhnlich, nicht selten widerspenstig, und koppelt diese an Formen.

 

Liebe Anna, ich weiß nicht, warum ich Dir das alles erzähle. Du kennst ja diese Dinge besser als ich; es ist schließlich Deine Ausstellung! Aber ich wollte Dir mit diesem Brief sagen, wie gut mir Dein Einstand gefallen hat. Ich bin gespannt auf die zwei nächsten Einzelpräsentationen, die Du bis Ende des Jahres auf die Beine stellen willst. Du willst beim nächsten Mal zum Gagarin ziehen, den Raum dort okkupieren und dann weiter wandern. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege. Vielleicht schon am kommenden Sonntag. Die Finissage der Ausstellung findet ja am Nachmittag bei Kaffee und Kuchen statt. Kaffee-Kuchen ist nicht gerade mein Ding, aber vielleicht komme ich doch. Um Dich endlich kennen zu lernen.

 

Mit herzlichen Grüßen.

W1111 bei Transmission

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Auch im weiten Westen der Bundesrepublik ist die junge polnische Kunstszene keine Unbekannte mehr. Abgesehen von den vielen polnischen Künstlern, die den Weg ins Rheinland auf eigene Faust finden, gibt es hierzulande genug Einzelpräsentationen oder Gruppenschauen, die eine Plattform für den östlichen Nachbarn anbieten. Insofern ist das Vorhaben von Transmission nicht originell – aber Originalität ist hier kein relevantes Kriterium. Angeführt von Anna Czerlitski, der in Danzig geborenen und in Düsseldorf studierten Kunsthistorikerin, hat der Verein seine letzte Ausstellung auf der Worringer Straße veranstaltet und zwölf Positionen aus Düsseldorf und Warschau vereint. Wie für die letzte Präsentation an diesem Standort, okkupieren die Künstler alle drei Bereiche der Halle: Erdgeschoss, Galerie und Untergeschoss.

Anna Czerlitski (re.) und ein Teil des Transmission-Teams

Erste angenehme, augenfällige Feststellung: Auf ihrer Suche nach Kunst und Künstlern, hat Czerlitski, die die Recherchearbeit in den zwei Städten im Alleingang durchgeführt hat, keine strenge konzeptuelle Linie verfolgt und sich nicht auf ein übergeordnetes Thema verkrampft. Sie ist von einzelnen, starken und individuellen  Positionen ausgegangen und hat ihren Gästen den nötigen Freiraum gewährt. Was daraus gemacht wurde, ist sehr unterschiedlich. Es gibt starke qualitative Schwankungen in den einzelnen Arbeiten und Brüche in der Struktur der Hängung. Da wo das Untergeschoss zu einer Ansammlung aus Solitären gerät und keinen Dialog schafft, entwickeln die Arbeiten der Galerie eine bezugsreiche Spannung, bestehend aus formellen Korrespondenzen – auch wenn der Zufall es hier gut gemeint hat.

Agnieszka Kurant: 88,2

Zweite angenehme Feststellung: Bei einer guten Medienstreuung (Malerei, Bildhauerei, Grafik, Video- und Performancekunst sind gleichermaßen vertreten) erhält die Klangkunst einen angemessenen Raum. Endlich eine Gruppenausstellung, die dieser Sparte gerecht wird! Die aus unserer Sicht interessanteste Arbeit im Erdgeschoss ist übrigens eine akustische; und zwar eine ganz feine. Agnieszka Kurant hat eine kleine Sammlung von stillen Momenten zusammengetragen und diese aneinander montiert. Ausgehend von Dr. Murkes gesammeltes Schweigen, der Erzählung von Henrich Böll, in der ein Radioredakteur die verworfenen, abgeschnittenen und wortlosen Stellen von Tonaufnahmen findet und eine Faszination für diese leeren Momente der Kommunikation empfindet, hat Kurant große, geschichtsträchtige Reden gesammelt und sie ihrer verbalen Inhalte entledigt, um ausschließlich auf das in den Sprechpausen entstehende Ton-Material zurückzugreifen. Es sind diese Momente des Innehaltens, der Konzentration, des Zauderns oder der Andacht, die hier geballt auftreten. Aber es sind auch die Momente des rhetorischen Schweigens, die, in der Stille selbst, die Bedeutung des Wortes unterstreichen und dem Gesagten mehr Gewicht verleihen. Ähnlich dem skulpturalen Denken, das dem leeren Raum eine ebenso große gestalterische Bedeutung zuspricht wie der greifbaren, sichtbaren Form, umfasst das akustische Denken sowohl das Signal als auch dessen Abwesenheit – danke John Cage… Wer seinen Hörsinn schärft und sich auf diese Sensibilisierung einlässt, wird in der vermeintlichen Stille die vielen Spielarten des Schweigens heraushören und feststellen, wie vielschichtig (und wie laut!) die Wortlosigkeit sein kann.

Seb Koberstädt: Düsseldorfer Säule

Jürgen Staack: DISPUT

Polens experimentelle Klangkunstszene, mit ihrem starken Zentrum in Posen und den vielen Hybridprojekten zwischen Musik und Bildender Kunst im ganzen restlichen Land, scheint besser vermittelt zu werden als ihre deutsche Nachbarin. Immerhin können hierzulande Künstler wie Jürgen Staack auf eine beginnende institutionelle Anerkennung blicken. Der Kunststiftungs-Stipendiat hat seine Klang-Arbeit im Keller installiert und untersucht dort, wie bei früheren Werken, die Distanz zwischen Wort und Bild – und in diesem Fall zwischen Wort und Wort. In Disput stellt er zwei Begriffspaare (ja-nein) gegenüber, in chinesischer und japanischer Fassung. Mal stark verwandt, mal grundsätzlich verschieden, sind die gesprochenen Wörter in eine frontale und räumlich unversöhnliche Situation gebracht worden. Wie bei Schuss-Salven, werden die kurzen und prägnanten Begriffe von einer Seite zur nächsten gefeuert und bilden damit einen dichten, staccato-artigen Klangraum mit leicht aggressivem, jedenfalls sehr dynamischem Hintergrund. Die Installation spielt auf die neuesten politischen Spannungen zwischen den zwei großen Mächten an. Wer aber auf die politische Aktualität der Arbeit verzichten möchte, kann sich auf den guten Umgang von Staack mit dem Raum und auf die Rhythmik des Schlagabtausches konzentrieren.

Giulietta Ockenfuß: Anthropologie

Giulietta Ockenfuß: Geologie

Oskar Dawicki: Telezakupy

Weiter im Keller stößt man auf die Videodokumentation einer Performance von Oskar Dawicki. Der Star der jungen Warschauer Kunstszene gilt als Enfant Terrible und hat sich bereits mit einigen Kollegen verkracht. Für seinen Wisielec, hat er sich kurzerhand erhängt und schwebt, einen Bund weißer Luftballons in jeder Hand, halb-tragisch, halb-grotesk wie ein morbider Clown im Raum. Dabei begrüßt er in seinem Zirkusdirektor-Anzug die Zuschauermenge und betont ausdrücklich die Nicht-Fiktionalität seiner Handlung. Den fragwürdigen Voyeurismus des Performance-Publikums ansprechend und der Spektakellogik des Kunstbetriebs entgegenkommend, formuliert Dawicki eine Institutionskritik, die aus einer Mischung aus sarkastischem Humor, radikaler Konsequenz und scharfsinniger Beobachtung besteht. Im Erdgeschoss präsentiert er ein Video, das ihn die Freundschaft mit dem (exzellenten) Maler Rafal Bujnowski gekostet hat: in einer Fernsehwerbungs-Parodie preist Dawicki die Qualität eines (real existierenden, dem Künstler geschenkten) Bildes von Bujnowski an, das sich bestens zum sauberen Ersatz von dekorativen Tierfellen eignet, die die Wände von polnischen, kleinbürgerlichen Wohnungen zieren. Das hyperrealistische Bild, ein Lammfell in bester illusionistischer Manier darstellend, staubt ja nicht, ist allergiefrei und tierfreundlich. Eine lustige Idee, eigentlich gar nicht weit entfernt vom konzeptuellen Ansatz Bujnowskis. Nur dass die Werbung wirklich ausgestrahlt und das Bild tatsächlich verkauft wurde – der Urheber der Leinwand fand’s gar nicht lustig.

Magdalena Kita: Bialy partyzant / Der weiße Partisane

Magdalena Kita

Apropos Tierfell: Magdalena Kita hat ihre neuen Arbeiten in der unmittelbaren Nähe des eben erwähnten Videos von Dawicki ausgebreitet. Mit Sexopaste-Farbe (doch, diesen Namen gibt es tatsächlich!) hat sie naiv anmutende Szenen auf verschiedene Tierfelle gemalt. Die Bilder beziehen sich alle auf die Legende des weißen Partisans, einer mythisch verklärten Figur, die im letzten Weltkrieg durch die polnischen Wälder streifte und, ausschließlich mit den Briten kooperierend, Widerstand gegen die Wehrmacht leistete. Der Held war und bleibt eine populäre Erscheinung, vor allem wegen seiner reinen Weste: Nicht nur, dass er sein Volk effizient rächte, er kompromittierte sich dabei auch nicht mit den russischen Truppen. Der weiße Partisan bleibt allerdings eine literarische Erfindung mit tröstender Funktion und einer Gutem-Gewissen-Garantie für die Nachkriegsgeneration. Es ist ein schwieriges Stück nationaler Selbstfindung und Identitätsgestaltung, die Kita hier verarbeitet. Die volkstümlichen Fellbilder ordnen sich ein in eine aktuelle Diskussion in Polen, die sich um die Frage der Täter-Schuld im zweiten Weltkrieg dreht und viel Schlamm umwühlt.

Anna Molska: Tkacze / Die Weber  – courtesy Foksal Gallery Foundation

Anna Molska: Tkacze / Die Weber  – courtesy Foksal Gallery Foundation

Das Politische ist auch im Videobeitrag von Anna Molska präsent. Sie hat ganze Stellen von Gerhart Hauptmanns Stück Die Weber in einer zeitgenössischen Fassung nachinszeniert, die mit den Effekten des Naturalismus spielen. Laiendarsteller bewegen sich in den Originalschauplätzen des Stückes (den tristen, verlassenen Zechen Schlesiens) und rezitieren, mehr oder weniger textsicher, Auszüge aus Hauptmanns Drama in einer verrottenden post-industriellen Landschaft. Ein solides, politisch korrektes Projekt mit allzu klaren Absichten – aber unleugbar gutem Hintergrund.

Konrad Smolenski: Guard

Die nächste Videoarbeit im Keller wurde von Konrad Smolenski realisiert. Der junge, polnische Künstler ist auf der Suche nach einer ganzheitlichen Erfassung des Klangs und konzentriert seinen Ansatz auf der sowohl massenhaften als auch homogenen Rezeption von Musik. Während die Wahrnehmung eines Bildes oder einer Skulptur eine hochsubjektive und individuelle Angelegenheit ist, löst die Musik vergleichbare Gefühle bei allen Menschen aus. Es geht also darum, einen Raum zu schaffen, in welchem ein einziges, großes Klangerlebnis schwebt und alle Menschen vereint. Während dies kein bisschen bei der schwachen Arbeit Guard sichtbar wird, knüpfte Smolenski bei der Eröffnung an diese Idee an und legte mit seinem selbst gebastelten und extrem verstärkten Saiteninstrument einen starken Auftritt hin. Zusammen mit dem furiosen Daniel Szwed am Schlagzeug (das Duo bildet die Band BNNT) lieferten die zwei vermummten Sound-Terroristen eine packende Punk-Performance ab.

Giulia Bowinkel und Friedemann Banz: Intersection C213

Giulia Bowinkel und Friedemann Banz: Intersection C213 (Reflexion: Martin Pfeifle)

Giulia Bowinkel und Friedemann Banz: Boolesche Komposition 017

Liv Schwenk: o.T.

Alles in allem enttäuschten die Düsseldorfer ein wenig. Weil einige ihrer Arbeiten bekannt sind und bereits teilweise an anderen Orten gezeigt wurden, oder aber weil sie nicht überraschen und auf bekannte Mittel zurückgreifen, resultiert aus ihrem Heimspiel kein Vorteil. Indes haben Giulia Bowinkel und Friedemann Banz, von denen man lange nichts mehr gesehen hatte, eine besondere, positive Erwähnung verdient. Ihre zwei Collagen, die architektonische Aspekte der Transmission-Halle übernehmen und diese in eine komplexe, semi-abstrakte Komposition überführen, besitzen eine verwirrende, vielschichtige Qualität und eine Tiefe in den Texturen und Strukturen, die mir neuartig ist. Eine solche Kontextorientierung findet man auch in der benachbarten Wand- und Videoinstallation von Liv Schwenk, die ihre ganzkörperliche Erkundung des Raumes an einer Ecke der Galerie durchgeführt hat. Die geisterhafte Projizierung ihres Wändekrabbelns und ihre relativ zurückhaltende Geste harmonieren perfekt. Und schließlich möchten wir noch auf die sehr gelungene Arbeit von Agnieszka Kalinowska hinweisen, die auf der Emporen-Ebene eine Wand von einem bekannten Düsseldorfer Graffiti-Künstler hat besprühen lassen und, in einer Geste der Raumbeanspruchung und –aneignung, die man eben eher in der Sprayer-Szene kennt, das fertige Graffiti mit ihrer eigenen kleinteiligen Struktur aus Sperrholz und Papier zugedeckt hat. Die Struktur ist direkt inspiriert von typisch polnischen Dekoplatten für Hausfassaden aus der sozialistischen Ära. Der Muff von gestern setzt sich doch durch.

Agnieszka Kalinowska: Pattern

„Der Muff von gestern…“ – Es ist gewiss überhaupt kein passendes Schlusswort für eine Ausstellung, die einiges in Bewegung bringt und eine teilweise gute, auf jeden Fall lobenswerte Präsentation schafft. Mit W1111 (es liegen genau 1111 Kilometer zwische Düsseldorf und Warschau) hat Transmission ein für Düsseldorfer Verhältnisse großes Coup hingelegt und kann sich mit dieser Initiative weiter empfehlen lassen.

Martin Pfeifle: SLUP

 
 
W1111 bei Transmission
Worringer Str. 57
Ausstellung v.4.10-25.11.2012
Do + Fr 15-20 Uhr und Sa 12-18 Uhr und nach Absprache

 

reflecting on networks – artistic strategies using the web bei km temporaer in Berlin

Mit Eigenwerbung im eigenen Blog für Projekte, an denen man selber als Aussteller dabei ist, ist das immer so eine Sache. Wie präsentiert man das? Wie dezent muss man bleiben? Wie sehr stellt man den eigenen Anteil in den Vordergrund? Und ganz wichtig, schreibt man in der ersten oder dritten Person? Das ist nicht ganz einfach, wir üben diesbezüglich auch noch etwas und werden sehen, ob wir darauf eine langfristige Antwort finden.
Im Folgenden nun die aktuelle Lösung der Fragen.

Das Projekt

Vom 19.10. bis zum 11.11.2012 findet die Ausstellung „reflecting on networks / artistic strategies using the web“ bei km temporaer in Berlin statt. Das von Elisa R. Linn und Lennart Wolff kuratierte Projekt beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Bedingungen künstlerischer Praxis im digitalen Zeitalter. Ein zentrales Interesse gilt der Bedeutung, die dem Einsatz von Medientechnologien in den verschiedenen Arbeiten zukommt. Als Kommunikations- oder Recherchemedium, als interaktive Plattform oder als technologisches System rücken unterschiedliche Funktionen der digitalen Medien in den Vordergrund und lassen so verschiedenartige künstlerische Strategien fassbar werden.

Präsentiert werden Werke von KünstlerInnen, die sich mit gesellschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen in einer technik- und datenorientierten Welt auseinandersetzen. Veränderte Wahrnehmung von Raum, Privatsphäre und Eigentum durch die alltägliche Nutzung des Internets werden ebenso thematisiert wie die Kanalisierung und Transformation von Informationen durch Suchmaschinen, Social-Media Plattformen und Videoportale. Andere Arbeiten fokussieren auf die Interaktivität zwischen Mensch und Maschine, zwischen Nutzer und komplexen informationsverarbeitenden Systemen, die heute ein integraler Bestandteil des täglichen Lebens sind.

Eigenanteil fk/Perisphere

Ich werde mit der ‚Konfiguration No. 8‘ dabei sein, einem Multiple, welches auf der Collage www.spectaculartakeoverbattle.de basiert. Die einzelnen Tableaus stehen zum Verkauf, wobei das erste in der Ecke oben links 2,- Euro kosten wird und sich der Preis bei jedem weiteren jeweils verdoppelt. Es ist anzunehmen, dass sich einige der Bilder verkaufen lassen werden, sicherlich aber nicht alle. Das Multiple soll und wird sich so über die Dauer des Ausstellung hinweg im Aussehen verändern, da jedes verkaufte Tableau durch ein anderes mit weißem Inhalt und Angabe des Betrags ausgetauscht wird.
Weitere Infos dazu gibt es hier.

Der Ort

Das km temporaer in der Kremmener Straße 8a befindet sich in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Grenzstreifen gegenüber vom Mauerpark im Bezirk Berlin Mitte. Teile des Mietshauses wurden während des Ausbaus der innerdeutschen Grenze abgerissen. Diese prägenden geschichtlichen Ereignisse sind an der Bausubstanz des Hauses ablesbar, so etwa in einem seit dieser Zeit fensterlosen Raum.
Die ca. 166qm große Ausstellungsfläche umfasst acht Räume und ist über drei ebenerdige Eingänge erreichbar. Der Ausstellungsort soll bis April 2013 mit verschiedenen Bespielungen einen kulturellen Ankerpunkt der Gegend bilden.

1 Navid Tschopp „Third Space“
2 Karen Eliot „I Felt Silly“
3 Fayçal Baghriche „The Last Man Out“
4 Florian Kuhlmann „Konfiguration No. 8 (Spectacular Take Over Battle)“
5 Sebastian Schmieg „Search by Image“
6 Stefan Riebel „B.G.“
7 Karl Heinz Jeron „9 to 5“
8 Thomas Lindenberg „Proclamationbox“
9 Johannes P Osterhoff „iPhone live“
10 Aram Bartholl „Dead Drop“
11 Niko Princen „Starry Nights“

Die teilnehmenden Künstler setzen sich kritisch mit den netzmedialen Verfahren zur Regulierung von Benutzeroberflächen im Internet auseinander, die in Form von Datenfilterung sowie staatlichen Restriktionen und Kontrollmechanismen in Erscheinung treten. Durch die Teilhabe der User an der Genese mancher Arbeiten entsteht ein wechselseitiges Beziehungsgefüge zwischen Künstler und Rezipient, sodass die alleinige Autorenschaft des Künstlers in Frage gestellt wird. Im Zuge der entwickelten Möglichkeiten der digitalen Manipulation kann zudem auch der Wahrheitsgehalt eines Kunstwerkes beeinflusst werden, so dass die Frage nach der Originalität desselben eine neue Dimension annimmt.

reflecting on networks – artistic strategies using the web
19.10.2012 – 11.11.2012

km temporaer 2012
große hamburger str 29
10115 / berlin

http://kmtemporaer.de/
https://www.facebook.com/km.temporaer

 

Amit Goffer im RAUM

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die erste Überraschung der Ausstellung ist unübersehbar: Der Raum ist an einer Seite zum Innenhof hin geöffnet worden. Da wo sich zuvor eine fest abgeriegelte Tür befand, ist nun ein verwinkelter und enger Einschnitt. Er erinnert am Bühnenbilddetail eines expressionistischen Films und ist nicht mal breit genug, um einen Mensch durchgehen zu lassen. Aber das spärliche, von den silbernen Wänden gefilterten Licht, bestimmt die gesamte Raumstimmung. Von Innen aus betrachtet, verwandelt sich der graue Innenhof, der durch den langen Schlitz nur partiell sichtbar ist, in ein merkwürdiges Bild. Das Innere und das Äußere verlieren ihr antagonistisches Verhältnis; die Passage entzieht sich ihrem transitorischen Charakter und wird zum plastischen Objekt – Reminiszenzen an Etant donné…, der letzten Arbeit von Marcel Duchamp, drängen sich spontan auf. Komisch. Eine ähnliche Assoziation hatte sich bereits an diesem Ort mit einer ganz anderen Arbeit eingestellt…

Das kammerartige Zimmer von Matthias Erntges hat es in sich. Der Raum ist in seiner Grundstruktur so bestimmend, dass man sich hier autonome Malerei und droped sculpture schlecht vorstellen kann – auch wenn diese Gattungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Der israelische Künstler Amit Goffer, seit einigen Jahren in Düsseldorf lebend, hat mit seinen maßgeschneiderten Arbeiten einen adäquaten Umgang mit dem Raum gefunden. Beeinflusst von Theorien der modernen Architektur (insbesondere von der Modulor-Vorstellung von Le Corbusier, die, wie kaum eine andere, den normierten Körper zur Regel architektonischer Gestaltung erhoben hat) und interessiert an den möglichen Wechselverhältnissen zwischen Architektur und Körper, Objekt und Modell, Skulptur und Architektur, ist es Goffer gelungen, den kleinen Raum mit seinen in-situ-Interventionen und seinen organisch-skulpturalen Objekten in ein dichtes und atmosphärisch stimmiges Ensemble zu verwandeln.

Das Äußere (die Fassade, die Wand, die Hülle) umschließt das Innere. Der Körper umfasst das Herz. Er schützt es, behütet es, sperrt es aber gleichzeitig ein. Er schränkt es ein und begräbt es. Der Raum der Zuflucht und der Geborgenheit ist auch immer ein Kerker. Dann und wann, wenn das Innere nicht hermetisch vom Äußeren abgeriegelt ist, findet eine Kommunikation zwischen den zwei Räumen statt. Durchbrüche, Öffnungen oder Fenster sind Zwischenorten, heterogene Raumtypen verbindend, die Goffer regelrecht faszinieren – nicht nur weil sie eine Vermittlungsfunktion erfüllen, sondern vor allem weil sie eine hybride Natur besitzen. Wenn man sie nicht mehr als Orte der Passage und des Durchgangs betrachtet, sondern als autonome Räume (wenn auch mit ungeklärter Funktionalität), gewinnen sie eine neue und unheimliche Spannung. Die plastische Qualität dieser Spannung untersucht Goffer.

Und dies sowohl in den Rauminstallationen, die deutlich auf die Thematik Außen/Innen eingeht, als auch in den Objekten. Diese weisen auch eine ungeklärte, ambivalente Natur auf. Sie erinnern an Architekturmodelle, an Körperteile oder an kleine Landschaften. Ihre Oberflächen sind mal matt, mal reflektierend, grob verarbeitet, z. T. leicht abstoßend. Assoziationen an Bunker, Bomben und dergleichen können auftreten; die Narrativität ist jedoch nie von großer Bedeutung. Diese Gegenstände lassen winzige Lichtsignale oder auch merkwürdige Klänge durch – immaterielle, lineare Zeichen, die vom Körperinneren durchsickern und den Raum durchdringen. Ein wirklicher Durchblick ist jedoch nicht möglich. Es sind unruhige Objekte, schwankend zwischen Auf- und Ausgeschlossenheit, in eine diffuse Zwischenzone oszillierend. Sie haben zwar wenig zu erzählen, übersetzen jedoch komplexe Raumverhältnisse.

Es liegt nahe, die Arbeit des Israelis auf der Folie eines allgemeinen politischen Kommentars abzulesen. Sein Land, offen zur Welt und zugleich fest abgeriegelt, von einem regen wirtschaftlichen Austausch abhängig und bedacht auf die Bewahrung der inneren Sicherheit durch eisernen Kontrollen der Grenzen, ist ein gespaltenes Land, das die Spannung zwischen Außen und Innen, Kern und Hülle, schützender Matrix und hermetischen Sarg wie kein anderer Staat dieser Erde verinnerlicht hat. Letztendlich ist Goffer auch ein Produkt der eigenartigen Porosität Israels…

 

 

Amit Goffer
Facing In To Out the Void
RAUM
Sonderburgstr. 2
40545 Düsseldorf
Ausstellung bis zum 6.10.2012
Öffnungszeiten: Fr. + Sa. 14-18 Uhr und nach Vereinbarung

Kunst im Hafen zeigt: „So machen wir das.“

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die Malerei ist so reich, so kraftvoll, dass sie mit ihren eigenen Mitteln wunderbar auskommt. Die Malerei ist sich selbst Thema genug. Und zwar so sehr, dass sie – eigentlich – auf extrinsischen Genrediskussionen und verquasten Theoretisierungen gut verzichten kann. Die Farbe, die Geste, die Arbeit am Träger und das Spiel mit materiellen Grundeigenschaften bieten schon eine unendliche Vielfalt an Bildmöglichkeiten. Gerade in der Malerei klingen Begriffe wie „Aktualität“, „Erneuerung“ und „Innovation“ meistens furchtbar oberflächlich und überheblich. Fragen, die vor fünfzig Jahren gestellt wurden, sind noch nicht ausreichend beantwortet worden. Herangehensweise, die ein Jahrhundert alt sind, haben nicht an Dringlichkeit verloren.

Das beweisen vier Männer im besten Alter, deren malerischen Ansätze nicht erst seit gestern vertieft und ausgereift wurden. Wulf Aschenborn, Ioan Iacob, Markus Kottmann und Matthias G. Winter kennen und, wenn den Anschein nicht täuscht, schätzen sich seit vielen Jahren. Mitten im alten südlichen Industriegebiet der Stadt, da wo Immobilienmakler noch nicht zugeschlagen haben und wo einen Rest Freiraum noch vorhanden ist (aber die Lage ist heikel!), haben sie ihre Arbeiten ausgebreitet und eine zusammenhängende Ausstellung mit dem Titel „So machen wir das“ organisiert. In einer dem Verein „Kunst im Hafen“ angeschlossene Halle – ein sehr großes, wunderbar proportioniertes und übrigens mietbares Objekt (im Verein anrufen) – kommen die vier Freunde zusammen und präsentieren die Ergebnisse ihrer jeweiligen Untersuchung an dem Objekt „Malerei“.

Die Gemälde von Matthias G. Winter suchen die Spannung zwischen Gegenständlichkeit und Nicht-Gegenständlichkeit, Spontanität und Kalkül, Präzision und Laisser-Faire. Reminiszenzen an Landschaften werden in den mittelgroßen Formaten deutlich, gelegentliche Anlehnungen an der Malerei des Surrealismus – vor allem an Max Ernst – können identifiziert werden. Komplexe Überlagerungen von pastosen Farben ergeben Räume, die sich öffnen oder schließen, sich überlappen und sich durchdringen. Nicht selten baut der Maler trompe-l’oeil-artige Irritationen ein, lässt die materielle Tiefe der Farbe von ihrer visuellen Tiefe widersprechen. Die Logik des Bildes folgt nicht die der Natur, sondern entfaltet eigenartigen Gesetzmäßigkeiten. Für Winter ist das Bild ein Feld, in welchem bildinhärente Probleme gelöst werden. Schicht über Schicht, Farblage über Farblage, stellt sich der Maler neue Fragen, die er allein zu lösen sucht. Es ist ein langsamer Prozess; eine (beinah) unendliche Annäherung. Und, wenn nach fünf, sechs, manchmal sieben Jahren, das Bild abgeschlossen wird, gilt es, das Nächste anzugehen. Der Malvorgang als eine Junggesellentätigkeit; der Künstler als Anachoret.

Wie Marcel Duchamp hält der nächste Junggeselle – im Duchampschen Sinne –nichts von dem reinen Retinareiz der Malerei. Markus Kottmann ist sehr skeptisch dem potenziell spektakulären Charakter seines Faches gegenüber und distanziert sich auf leise und ironische Weise von manchen marktschreierischen und oberflächlich-exhibitionistischen Zügen der zeitgenössischen Malerei. Seit Jahren malt Kottmann beharrlich Doppelbilder. Kleine Formate, die die Pathosformel der gestisch-abstrakten Malerei aufs Korn nehmen. Auf 40 x 30 cm bringt er elanvollen, pseudo-expressionistischen Eklats fertig, mit einer Palette, die alles andere als heftig wirkt – es herrschen hier weiche, blau-lila Pastelltöne, die eine mutige und sarkastische Nähe zum dekorativen, Zahnarztpraxis-tauglichen All-Over suchen. Seine durchdachten Miniaturen sind die Surrogaten eines unbändigen und authentischen Ausdruck und lassen den zum Monument strebenden lyrischen Expressionismus zum Zwerg schrumpfen. Reduzieren ist nicht alles – die nächste Dekonstruktion der genialen, abstrakten Malerei erfolgt bei Kottmann durch Wiederholung. Denn jedes Bild wird – in einer kleineren Dublette – „nachgemalt“. Spontane Einfälle und plötzliche Erregungen werden mehr oder weniger akribisch rekonstruiert; der entscheidende Augenblick in der Retorte rekonstituiert. Steht man davor, sucht man in diesen Bildern Anfang und Ende, Original und Fälschung. Aber genau das Dazwischen interessiert Markus Kottmann – das unsichtbare Bild, das der Rezipient aus Erinnerungen und Projektionen selbst malt.

Ioan Iacob bildet die einzige explizite gegenständliche Position der Gruppenausstellung. In seinen meist großen Formaten hat sich der gebürtige Rumäne und ehemalige Graubner-Schüler ganz der Komplexität der Farbe gewidmet. Er bedient sich zwar klassischen Gattungen, wie Landschaften, Stillleben, Porträt, etc. – diese bilden aber (ohne als Alibi abgetan zu werden) gewissermaßen das notwendige Gerüst, worauf die körperlichen und psychologischen Eigenschaften der Farbe „untersucht“ werden. Dieses Gerüst wird in einem langen Prozess der Bildfindung von Farbablagerungen „aufgefüllt“. Iacob geht zunächst von einem dunklen Grün aus, bedeckt es in einem späteren Arbeitsschritt von einem dunklen Rot und entwickelt von da aus seine Motive. Trotz der 30 bis 40 in sehr feiner Lasurtechnik aufgetragenen Farbschichten, setzen sich am Ende die untersten Lagen durch und tragen zur komplexen Erscheinung bei. Es sind lakonische Sujets, die eine wunderbare Stille ausstrahlen und zu einer aufmerksamen Farbwahrnehmung einladen. Denn Iacob will das Wesen der Farbe verstehen. In unserem Gespräch bewies er ein beeindruckendes Wissen und eine außerordentliche Sensibilität für dieses Phänomen. Seine Bilder sind Begegnungen mit der Farbe, die ein genaues, differenziertes und scharfes Schauen verlangen.

Er setzt auch zahlreiche Farbschichten ein. Er spielt auch mit Überlagerungen. Er malt auch geduldig und langsam. Wulf Aschenborn, der vierte Künstler im Bunde, ist der einzige, der sich in den Raum wagt und eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Plastik vor seinen gemalten Werken ausstellt. Dieses Knäuel bildet den Überbleibsel eines ganzen Arbeitsjahres. Es sind die vielen Klebestreifen (ein Import aus den USA), die Aschenborn auf seine Leinwände in verschiedenen Mustern geklebt hat. Hier auch ist das Prinzip der Farbablagerungen dominierend: Der Künstler überträgt eine Farbe auf die Bildoberfläche, verdeckt dann Teile von dieser mit Band, übermalt sie dann mit einer anderen Farbe, verdeckt es, usw. – durchgeführt nach einem bestimmten, auf der Rückseite des Bildes notierten Plan, überlappen sich so bis zu 16 Farben in dicken, einheitlichen Schichten. Dann werden einzelne Klebestreifen losgelöst und die Komposition nimmt langsam Form an. Aschenborn legt teils zufällig teils bestimmt und präzis ganze Bereiche seines Bildes frei, definiert Schwerpunkte im Bildaufbau und sucht in den Untiefen der Bildgeschichte bestimmte Farben und Nuancen die er, wie ein Eichhörnchen, dort eingebuddelt hat. Abschließen und aufschließen. Zudecken und freilegen. Verbergen und hervorholen – das sind die Modi einer spielerischen Malerei, die sich Regeln fixiert, um dagegen zu verstoßen.

Aus den vorausgegangenen Bemerkungen sollte es klar geworden sein: „So machen wir das“ ist eine Malerausstellung. Den Herren geht es ausschließlich um malereiimmanente Fragen; Farbe, Leinwand, Komposition, etc. Und, naja, Maler interessieren sich in erste Linie für Wände. Das führt dazu, dass der Raum der Halle so gut wie unbeachtet wird, was angesichts seines Potenzials wahrlich Schade ist. Dies schmälert ein wenig den positiven Eindruck des gesamten Unternehmens. Immerhin bezeichneten die vier Künstler ihre Kooperation, die mit einem deftigen Grillabend am Rhein endete, als „eine runde Sache“. Dem hätte ich nichts hinzuzufügen.

 

„So machen wir das.“
Matthias G. Winter, Markus Kottman, Ioan Iacob, Wulf Aschenborn
Ausstellung v. 318-9.9.2012
geöffnet Sa 14-20 Uhr und So. 14-18 Uhr
Werft 77. Kunst im Hafen
Reisholzer Werftstr. 77
40589 Düsseldorf

Flaming Creatures in der Julia Stoschek Collection

Eine Fotostrecke von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Versprochen: Wir werden auf diese Ausstellung zurück kommen. Die sechste Präsentation der Julia Stoschek Collection ist viel zu bedeutend, um mit ein paar läpischen Schnappschüssen abgehandelt zu werden. Denn, abgesehen von manchen verspielten und spektakulären Positionen, die in gefährlicher Nähe der gefälligen Selbstinszenierung und der Effekthascherei kommen, hat Flaming Creatures unheimlich viel zu erzählen. Gerade im Hinblick auf Forme der Subkulturen und auf ihrer Theoretisierung bietet die Ausstellung eine zugleich abwechslungsreiche und zusammenhängende Reise durch ausgewählte Territorien der ästhetischen Devianzen und der antibürgerlichen Abnormitäten.

Bevor wir also Flaming Creatures gebührend dokumentieren und besprechen (das Filmteam von perisphere bräunt sich ja gegenwärtig in Portugal oder in Sizilien), hier ein erster, ziemlich exklusiver Vorab-Blick darauf. I’ve got friday on my mind…

 

Ed Ruscha – Sin-Without

Lizzie Fitch, Ryan Trecartin mit Rhett LaRue und Adam Trecartin – Aventura

Bruce Nauman – Artmakeup (Bild: JSC)

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

Ryan Trecartin

John Bock – Videokistenhaufen

John Bock – Videokistenhaufen

John Bock – Videokistenhaufen

John Bock

John Bock

John Bock

John Bock

Mike Kelley

Jack Smith

Jack Smith – Flaming Creatures (Bild: JSC)

Gwenn Thomas – Doku der Performance von Jack Smith „Fear Ritual of Shark Museum“ im Kölner Zoo

Gwenn Thomas (Bild: JSC)

Gwenn Thomas – Fotozyklus

Birgit Hein – Kino 74 – Jack Smith BRD

Jack Smith

Jack Smith: Untitled

Jack Smith: Untitled

Jack Smith: Untitled

 

 

Flaming Creatures
in der Julia Stoschek Collection
8.9.2012 – Frühjahr 2013
Eröffnung am 7.9.2012 um 19 Uhr
Schanzenstr. 54
40549 Düsseldorf

 

 

 

 

Sommerausstellung in der Basis

von Havva Erdem (Frankfurt a. Main)

Nur wenige hundert Meter vom blau-gelben Riesen-Euro mit Sternchen  entfernt, liegt die BASIS. Der Gemeinnützige Verein und Vermittler von Atelierräumen vermietet seine Räume sowohl an freie als auch angewandte Kreative der Stadt. Die Arbeits- und Produktionsstätten der Geförderten verteilen sich auf zwei BASIS-Standorte: während die Elbestraße zusätzlich mit kleineren Projekt- oder Präsentationsräumen und einer Holz- und Siebdruckwerkstatt aufwarten kann, wird hier, auf der Gutleutstraße im beginnenden Frankfurter Bahnhofsviertel, der gesamte Erdgeschoßbereich des Gebäudes als 350qm-Ausstellungsfläche für junge, internationale Künstlerpositionen genutzt.

Stefanie Pretnar

Stefanie Pretnar

Es ist Sonntag-Abend, die BASIS hat zur Finissage der aktuellen Ausstellung geladen. Es ist anfangs nur dürftig besucht – zur etwas später stattfindenden Performance werden es ein paar Gäste mehr sein. Bei einem ersten, kurzen Streifzug gelange ich durch eine kleine Holztreppe zum Abschluss der Präsentation, zwei dunklen Räumen, aus denen das Licht bewegter Bilder flackert, und beginne – nun in umgekehrter Richtung – mit meiner Foto-Dokumentation.

Björn Drenkwitz

Schon im zweiten Raum zieht mich ein gerade anlaufender Kurzfilm von Björn Drenkwitz augenblicklich in seinen Bann. Es ist eine hypnotische Szene, grobkörnig und untermalt vom Rauschen der brandenden Wellen. An einem Strand tanzen zwei in die Jahre gekommene Frauen Arm in Arm und drehen sich etwas linkisch, aber allem Anschein nach ziemlich glückselig um sich selbst. Ich frage mich, warum das so beruhigend anzuschauen ist. Und als mir gerade klar wird, dass die Frauen sich zwar in Zeitlupe bewegen, die Wellen aber im – zwar ebenfalls gemächlichem – jedoch altbekannten Takt heranzurauschen scheinen, ist der Film schon zu Ende.

Dirk Krecker

Es ist übrigens die alljährlich stattfindende Sommerausstellung der BASIS, mit einer verhältnismäßig immer nur kleinen Auswahl aus den 135 in den angehängten Ateliers arbeitenden Künstlern. Der diesjährige Kurator Markus Lepper, zur Zeit Leiter des Kunstvereins in Gießen, hat sich für fünf Künstlerinnen und sieben Künstler entschieden. In seinem ausführlichen Begleittext erklärt er, dass der Titel der Ausstellung einer Arbeit des teilnehmenden Künstlers Dirk Krecker entlehnt ist, und arbeitet sich dann Raum für Raum mit Hintergrundinformationen zu den Protagonisten durch sein „Südliches Ackerland“. Kreckers titelgebendes Werk ist selbst bei der Ausstellung nicht vertreten, dafür hat man aber gleich an zwei Orten die Möglichkeit, seine – ausschließlich mit Schreibmaschine bearbeiteten – DIN-A4-Bögen kennenzulernen. Bei näherer Betrachtung der Arbeiten erscheint es plausibel, dass er umständlich die Schreibmaschine bemüht und nicht den Computer nutzt. Dieser ist mittlerweile zum Werkzeug für so vieles geworden, während es bei der Schreibmaschine immer allein um Worte ging. Um viele Worte. Um alle möglichen Worte. Worte, die Krecker wieder und wieder als Satzteile, z.B. „stressbedingte Selbstmordwelle“, auf ansonsten leerem und zerknittertem Papier vorbeiziehen lässt. Worte, die er zu sich wiederholenden Zeichenmustern umwandelt und zersetzt. Einzelne Buchstaben, die er durch beständiges Übertippen zu unkenntlichen, dunklen Blöcken verklebt. Worte, die zu Zeichen, und Zeichen die zu Strukturen von Bildern werden,- nebeligen Bildern, die von umherirrenden Menschen, Krieg und angelockten Vögeln erzählen.

Dirk Krecker

Darauf angesprochen erklärt Krecker, dass Vögel ja gleichzeitig „sowohl als Heilsbringer als auch Boten des Bösen verstanden werden können“. Der Absolvent der HFG-Offenbach, der zwischenzeitlich zwei Jahre in der Städelschule bei Thomas Bayrle studiert und dort innerhalb dieser kurzen Zeit die Meisterschülerweihe erlangt hat, entschied sich schon vor Längerem gegen die Malerei. Stattdessen arbeitet er auch im installativen Bereich.

Vorne= Flo Maak; Mitte = Wiebke Grösch + Frank Metzger; Hinten = Dirk Krecker

Vorne = Wiebke Grösch + Frank Metzger; Hinten = Dirk Krecker

Wiebke Grösch + Frank Metzger

Die einzelnen Räume der BASIS wirken abwechslungsreich, was sowohl an ihren zum Teil großzügigen, aber auch nischenartigen Raumeinteilungen liegt, als auch an ihren Fenstern, die mal dominant, mal fast verdeckt oder gar nicht erst vorhanden sind. In der linken Halle luken sie nur noch unter der Decke hinter nachträglich angebrachten, dicken Wandverkleidungen hervor, so dass man den Eindruck bekommt, dass es sich bei diesem Raum um einen unterirdischen handeln könnte – wie einem Bunker oder einer Forschungsstation.

 

Nicolaj Dudek

Hier wird das Thema Kosmos aufgegriffen. Nicolaj Dudeks Wandarbeit – ein nächtliches Firmament, das auf den ersten Blick zu eindeutig scheint – erweist sich als Sternenhimmel durch aufgeklebte Kaugummireste. Wenn der anfängliche Charme dieses Witzes jedoch verflogen ist, bleibt wenig zurück; so auch bei näherer Betrachtung seiner beiden kleineren Bilder. Denn während diese von Weitem noch interessant wirken, bleiben sie nach Aufdeckung des auch hier angewendeten Kaugummi-Jokes doch arg an der Oberfläche.

Christiane Feser

Christiane Feser, mit schwarz-weissen Fotoarbeiten vertreten, führt die kontrastreiche Dokumentation einer nicht näher spezifizierbaren Kraterlandschaft weiter, indem sie nachträglich alle darauf abgebildeten Erhöhungen kreuzförmig aufgeschnitten und von der Rückseite durchgedrückt hat. Die nun geöffneten Ausbuchtungen des Fotos haben die Form von Blütenrelikten, ganz ähnlich wie bei reifen Granatäpfeln. Diese ausgestülpten Einschnitte lassen die länglichen Schlagschatten im Bild nun zu Schatten einer Gegenwart werden, die aber nicht mehr nachträglich zur Realität der Fotografie werden kann – ein Paradox mit dem Feser spielt.

Valentin Beinroth

Valentin Beinroth verweigert sich der einheitlichen Vereinnahmung des Raumes. Schelmisch hat er das Kapitell der einzigen Raumsäule mit einem bunten Bananenkarton umschlossen. Diese Aktion wirkt zuerst einfach nur lustig, dann aber wie eine bissige Rückbesinnung auf den eigentlichen Bedeutungsinhalt des Ausstellungstitels und dessen Zusammenhang mit Land Grabbing in Schwellenländern und der Verwicklung westlicher Kreditinstitute in Nahrungsmittelspekulationen. Gleich einem neckischen Affen nimmt seine Arbeit die gesamte Ausstellungssituation aus dieser erhöht-distanzierten Position aufs Korn – wobei Affen das natürlich auch aus Angst machen, oder wenn sie nicht so genau wissen, was sie von einer Sache halten sollen.

Viola Bittl

Viola Bittl

Der Kurator Markus Lepper sieht die Bedeutungsebene des Titels eher in der Möglichkeit und Aufgabe der Künstler Themenkomplexe und Fragestellungen zu bearbeiten und vergleicht die Ausstellung mit einem Garten, der ganz unterschiedliche Felder besitzt und z.B. durch eine in ihm verwirklichte Ordnungsstruktur zusätzliche inhaltliche Tiefe erhalten kann. So hat er, während der Vorbereitungsphase, der einzigen klassischen Malerin, Viola Bittl, einen der kleinsten Räume der BASIS mit der Bitte ans Herz gelegt, mit diesem wie mit einer „Schatzkiste für Malerei“ umzugehen, was sich im Nachhinein als vorausschauend und feinfühlig erweist, denn tatsächlich strahlt der Raum nun genau das aus. Das mag wohl zu gleichen Anteilen am Zusammenspiel der schlichten Hängung, den robust-dicken, holzgrundartigen Leinwänden, deren kalkigem und zurückgenommenem Charakter und nicht zuletzt an dem kammerartigen Raum liegen.

Jin-Kyoung Huh

Und vielleicht auch an der noch dezenteren Arbeit einer zweiten Frau, Jin-Kyoung Huh, die neben dem bestehenden Ein- und Ausgang den Akzent einer dritten – wenn auch nur vermeindlichen – Öffnung an der Wand angebracht hat,- die Erinnerung an einen Durchgang, der nie existiert hat. Huh ist im letzten und eigentlich ersten Raum der BASIS, dessen eine Breitseite Abschnitte mit Sprossenfenstern durchziehen, ebenfalls mit einer zweiten Arbeit vertreten. Alle hier ausgestellten Werke stellen Bezüge zu den Fenstern her, sei es durch durchsichtige Materialien, reflektierende Oberflächen, gitterartige Strukturen oder entsprechende Aufreihungen. Huh schafft auch hier eine ruhige Projektionsfläche, indem sie auf drei schlichten Papierbögen einen schwarzen Edding-Stift Linie um Linie seine Kräfte aushauchen liess. Drei Abschnitte, drei Lebensalter. Der Klassiker.

Flo Maak

Flo Maak

Eine engagierte kuratorische Arbeit kann schlussendlich also auch aus der Jahresausstellung einer Ateliergemeinschaft – falls man den gemeinsamen Nenner der präsentierten Künstler so bezeichnen darf – eine durchaus sehenswerte Ausstellung machen. Gänzlich eigeninitiativ war bei „Südliches Ackerland“ aber die abschließende Performance von Dirk Krecker, der sich noch einen disziplinenübergreifenden Gast dazu einlud: Anne Jung, von der Hilfsorganisation Medico International. Der gemeinsame Auftritt war in je zwei, sich abwechselnde Text- und Soundblöcke unterteilt. Jung trug sehr ernst ihre Interpretation von „Südliches Ackerland“ mit Beschreibungen der wichtigsten Mißstände dieser Welt vor, während Krecker kurze Abschnitte aus YouTube-Interviews (politisch-wirtschaftlichen Inhaltes) mit eindringlichen und schallenden Tönen zu Rhythmen vermischte und durch extreme Wiederholung zerfetzend parodierte,- so als würde man sich durch den gesamten Frequenzbereich eines Radios durcharbeiten und jeder klare Empfang nur leere Worthülsen an die Oberfläche bringen… Während die Fakten und Zahlen von Jung und ihr etwas bemüht wirkender Zynismus beim Aufdecken der desolaten Weltsituation, mich nicht wirklich berührten, löste Kreckers Sound am Mischpult genau das fehlende Gefühl aus. Dass dies seine erste Performance war, hat man dem Künstler nicht angemerkt. Die Veranstaltung endete mit einer Diskussionsrunde, in der sich ein Gespräch um die Möglichkeiten und Auswirkungen der Zusammenarbeit von Künstlern mit karitativen Unternehmen entspann.

Anne Jung und Dirk Krecker

 

Sommerausstellung 2012
Kuratiert von Markus Lepper
Eröffnung 9.August 2012 19:00 Uhr
10.-26. August 2012
Di-Fr 11:00-19:00 Uhr
Sa/So 12:00-18:00 Uhr
 
BASIS
Gutleutstrasse 8-12
60329 Frankfurt am Main
 
www.basis-frankfurt.de
www.soundcloud.com/ume-pop
 

Extinguish Me im reinraum

von Saskia Zeller (Düsseldorf)

 

Langsam wird das Wasser trüb. Der Seifenkopf schmilzt im Aquarium, das Gelatine-Gesicht zersetzt sich. Vor kurzem hatte sich Schimmel gebildet. Daneben bewegt sich Papier im Wind, die Farbe vereint sich mit dem Regen. Vergänglichkeit ist das Thema, das Marco Biermann, Ruben Smulczynski , Alessa Joosten und Alexandra Kahl interessiert. Ihre Kunstwerke sind Experimente, die sie in die Unkontrollierbarkeit entlassen wollen. Nichts Gefährliches dabei, aber Spannendes.

Biermann / Smulczynski

Smulczynski

Biermann / Smulczynski

Biermann

Den Platz oberhalb des unterirdischen reinraums nutzen die Akademie-Künstler als Ausstellungsfläche und lassen die Dinge sich selbst entwickeln. Es regnet gerade auf die Fotocollagen von Ruben Smulczynski, die sich durch das Wasser schon wellen und winden. Auch im sternförmigen Glas verteilt sich mit den Tropfen von oben die rote Restfarbe in die Zacken. Die Gelatine- und Seifen-Installationen bleiben unter solchen Bedingungen nicht lange stabil. Die Gelatine zersetzt sich nach wenigen Tagen ähnlich wie Quecksilber, wissen Marco und Ruben aus Erfahrung. Die Seifenlauge würde sich ausbreiten wie ein Schleier und die Form des Gesichts im Wasser versenken. Zur Finissage vor zwei Tagen war es soweit. Jetzt hatten die Künstler wieder alles neu errichtet und warteten gespannt auf eine  Entwicklung. Nach der Finissage geht es für sie nun weiter mit den Kunstpunkten.

Joosten

Einige Passanten bleiben stehen und betrachten die „Laborversuche“ mitten in der Stadt. Alles vermischt sich – auch die Genres. Neben den Wind- und Wetter-Gemeinschaftsarbeiten von Marco und Ruben gibt es auch ein Video von Alessa Joosten zu sehen. Die Stromkabel liegen offen. Geschützt ist das Gerät nur mit einem Regenschirm. Darunter werden verletzte Beine gezeigt, die zunächst unter einem Strickstrumpf verborgen liegen. Dieser wird langsam aufgeribbelt. Die Umhüllung fällt. Übrig bleiben wohl ein langer Faden und für den Betrachter der Blick auf die Wunde am Oberschenkel. Bewegung, Prozesshaftigkeit, Auflösung ist das Thema: Extinguish me.

Biermann / Smulczynski

Biermann / Smulczynski

Unten in den Ausstellungsräumen wird gerade der Sitzende aus Seife von Wassertropfen zersetzt. Noch ist er menschengroß und fast vollständig erhalten. Wie lange wird er durchhalten? Der Wachskopf daneben hat sich nach einer Feuerprobe schon halb in das ehemalige Pissior ergossen. Er hat jetzt eine neue „Frisur“ aus sich selbst heraus transformiert.

Kahl

Biermann

Im anderen Ausstellungsraum knallt es unterdessen. Alexandra Kahl zeigt in ihrem Video eine Frau, die Luftballons um den Hals trägt. Sie sind gefüllt mit roten Farbpigmenten und werden zum Platzen gebracht. Peng mit wirbelndem Staub. Die Frau wirkt weiter unberührt davon. Auf das Video schaut der Betrachter herab. Es wird oberhalb der Fußleisten projiziert. Die Videos der beiden Frauen passen zu ihren Arbeiten, meinen Marco und Ruben. Die Studenten der Professorin Katharina Grosse haben die Ausstellung im reinraum auch kuratiert. Alle Werke sind ungewöhnlich platziert und erhalten dadurch etwas Improvisiertes. So hängt die Zeichnung „Fliegenfänger“ von Marco tatsächlich an der Wand wie gerade zufällig aufgefangen. Jeder Windhauch könnte sie davon wehen, wie es scheint.

Smulczynski

Smulczynski

Unberechenbar ist auch das Ergebnis der Collagen von Marco Biermann. Kontrollierter Zufall. Er hat Fotos so oft manuell und am Computer bearbeitet bis sie abstrakt wirken. Ein Motiv hat er durch Kratzen komplett unkenntlich gemacht. „Ich finde es interessant, wie unterschiedlich meine Bilder wahrgenommen werden“, sagt er. „Was genau gesehen wird.“ Die „Wahrheit“ dahinter, also das ursprüngliche Motiv, sei für viele enttäuschend, wenn sie es erfahren würden. Er erschafft Geheimnisse.

Biermann

Biermann

Die Künstler im reinraum spielen mit Wahrnehmung. So zeigt das Bullauge zwischen zwei Räumen dasselbe Bild von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlicher Aussage. Einmal schaut ein Mensch auf Fische im Aquarium. Auf der anderen Seite ist es umgekehrt. Die Fische glotzen diesmal den Menschen im Becken an. Ein bisschen klaustrophobisch fühlt es sich es in den ehemaligen Toilettenräumen jetzt doch an. Am besten gleich mal schnell nach oben schwimmen…

Biermann

 
Extinguish Me 
3.8.-29.8.2012
reinraum
Aderstr. 30 a
40215 Düsseldorf
(auf / unter dem Platz)

tvifari – doppelgänger im plan.d

von Saskia Zeller (Düsseldorf)

 

Was kann in dieser Welt verbindender sein als Magma? Es kommt direkt aus der Mitte der Erdkugel. Heiß und flüssig ergießt es sich auf die Oberfläche. Es erkaltet und entwickelt eine individuelle Form. Die Ausprägung von Lava ist für den Künstler Halldór Ásgeirsson eine universelle Sprache. Für seine Kunst ist es das Material, aus dem alles entsteht. Das verbindende Moment zwischen allen Völkern dieser Erde.

Ásgeirsson weiß, wovon er spricht. Er kommt ja schließlich von der vulkanreichen Insel Island. Als Seemann hat er die Welt gesehen und eine seltsame Sammelleidenschaft entwickelt. Seit 20 Jahren bringt er von seinen Reisen aus Japan, China, Frankreich und Italien Vulkangestein mit. Zuhause erhitzt er es mit heimischem Lava. Alles verschmilzt. Es entstehen bizarre Formen aus Lavakristall, die alle aus der gleichen Wurzel stammen, aber eine andere Ausprägung haben. „Wie Menschen“, sagt Ásgeirsson. Keine Form gleicht der anderen. Feine Härchen aus Glas, insektenartige Gebilde, Tropfen, angedeutete Frauenkörper, Hände mit sieben Fingern – seine Skulpturen sind der Assoziationsmaschine des Betrachters vollständig freigegeben.

Halldór Ásgeirsson

Halldór Ásgeirsson

Halldór Ásgeirsson

Ásgeirsson selbst transformiert seine kleinen Werke weiter. So dienen ihm die Kristalle als Vorbild für kalligraphische Tuschezeichnungen. Standard-Portraitfotos irritiert er mit Kristallschwärmen auf der Haut. Gruseliges Insektenzeug auf dem Gesicht und doch harmlos.

Halldór Ásgeirsson

Unter dem Titel „tvifari – doppelgänger“ zeigen in der Produzentengalerie plan.d.  fünf Isländer ihre Werke. Wie Halldór Ásgeirsson mussten zumindest auch die in Düsseldorf ausstellenden Künstler Sara Björnsdóttir, Kristinn Már Pálmason, Erla Þórarinsdóttir und Arthur Ragnarsson ihre „kleine, isolierte Insel“ verlassen und in die weite Welt hinaus. Um ihre „Identität zu erweitern“, wie sie sagen. Geprägt habe die Isländer die Kolonialisierung durch die Dänen, aber auch britische und amerikanische Einflüsse seien stark. Später, in 2008, habe die Finanzkrise das Land ordentlich durchgeschüttelt und verarmen lassen. „Heute sind wir eine postmoderne Gesellschaft“, behaupten die Künstler.

Kristinn Már Pálmason

„tvifari – doppelgänger“: Der Titel der Ausstellung ist gut gewählt. Tatsächlich passen die fünf Künstler mit den zum Teil unaussprechlichen Namen sehr gut zusammen. Das finden auch die Kuratoren Sonja Tintelnot und Peter Clouth. Nicht nur Ásgeirsson sucht das alles Verbindende, das Universelle, das Gleiche im Ungleichen. Erla Þórarinsdóttir ist ebenfalls viel gereist, wenn auch nicht mit dem Schiff. Nach ihrem Kunststudium in Stockholm hat sie viele Monate in China, Indien oder den USA verbracht. Immer auf der Suche nach DEM Kern und DER allgemeingültigen Sprache. Die Malerin und Bildhauerin zeigt bei plan.d. Fotos, die eben genau dieses Universelle aufgreifen: Auf den Zug Wartende in Indien, Gänse auf den Straßen von Reykjavík oder Symbole für Damen- und Herren-Toiletten irgendwo auf der Welt. Zum Teil exotische Momente und doch so vertraut. Es wirkt.

Erla Þórarinsdóttir

Erla Þórarinsdóttir

Sara Björnsdóttir kreiert den „Doppelgänger“ mit Textcollagen: „I the great fake center your twins“. Die englische Sprache als universelle Sprache, die Inhalte: Liebe, Zukunft, der Planet. Es sind Gedankenfetzen, die an der Wand hängen. Worte aus Zeitungen oder Illustrierten ausgeschnitten. Wie ein anonymer Brief serviert. Im Flur, im Vorbeigehen zu lesen. Poetisch, leidenschaftlich, geheimnisvoll.

Sara Björnsdóttir

Sara Björnsdóttir

Sara Björnsdóttir

Im letzten Raum steht Arthur Ragnarsson im Nebel. Er hat ihn sich selbst gebaut aus alubeschichteten Pappen mit Grafitzeichnungen. Ragnarsson ist das verbindende Glied zwischen der plan.d.-Galerie, in der er schon einmal ausgestellt hatte, und der isländischen Gruppe. Auch er war früher Seemann in internationalen Gewässern. Heimweh ist sein verbindendes Element. Zwischen der Welt und Island. Heimweh hat er immer mit im Gepäck. Ein universelles Gefühl, das es überall gibt, sich aber auf unterschiedliche Orte bezieht. Auf die Wurzeln eben. Und Nebel? Den hat er schon oft erlebt, auf hoher See, aber auch metaphorisch. Zum Beispiel bei der Finanzkrise 2008. „Es war wie eine Explosion“, sagt er. „Dann kam die Dunkelheit, Orientierungslosigkeit und Isolation“.

Arthur Ragnarsson

Arthur Ragnarsson

Arthur Ragnarsson

Arthur Ragnarsson

Sein Nebel-Reflektor im plan.d. zeigt die verzerrte Spiegelung des Betrachters und des Raums. Die Zeichnung mit Graffiti Bleistift ist „das einzig Reale“, sagt er. Das Silbergrau verändert sich nicht mit der Perspektive des Betrachters. Es ist etwas, das fest steht. Ein isländisches Höhlengleichnis? Diese spontane Interpretation gefällt Ragnarsson ungemein – er nimmt sie mit einem Wikingerlachen dankend an.

 

tvífari – doppelgänger
bei plan.d.
Dorotheenstr. 59
40235 Düsseldorf
Ausstellung vom 18.8-9.9.2012
geöffnet Sa. und Son. von 15-18 Uhr

Bendzulla, Harrison und Osterried bei Benzulli

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Benzulli ist Bendzulla. Und Bendzulla betreibt den Benzulli. Seit wenigen Monaten öffnet Johannes Bendzulla sein Atelier der Öffentlichkeit und präsentiert dort Arbeiten seiner Künstlerkollegen und ehemaligen Kommilitonen aus der Kunstakademie. Die kleine Halle, die sonst als Atelier genutzt wird, wird für ein Wochenende leer geräumt (ein Teil der Produktion wird sogar im Innenhof kurzfristig ausgelagert), und es entsteht dort eine Ausstellungsplattform, die, parallel zum etablierten Kunstbetrieb, Platz für Experimente gewährt.

Ein kleines Experiment ist die aktuelle Schau. Sie zeigt die Ergebnisse der Zusammenarbeit von Johannes Bendzulla, Adam Harrison und Dominic Osterried. Die drei Künstler haben bei Christopher Williams studiert (Harrison ist wohl noch eingeschrieben) und haben im letzten Sommer eine ungezwungene, kurzfristig angelegte Kooperationsarbeit durchgeführt. In einer Art Jam-Session haben sie einen  vernachlässigten und halb-defekten Drucker der Kunstakademie reaktiviert und Motive über Motive produziert. Die entstandenen Überlagerungen von Textteilen aus älteren Büchern und Bildelementen (die sich in der Ausstellung meistens auf den Kunstbetrieb beziehen und Plakate von Museen zitieren) sind größtenteils zufällig entstanden.

Bild: Benzulli

Bild: Benzulli

Ein Jahr nach dieser dreitägigen Produktionsphase wurde eine Sichtung der Ergebnisse organisiert, die selbst in der aktuellen Ausstellung mündete. Die Quintessenz dieser wilden Druckaktion fällt allerdings mager aus. Es sind lediglich vier Arbeiten ausgewählt worden, die im Doppelatelierraum sehr viel Platz erhalten. Vom fieberhaften Prozess ist hier nichts mehr zu spüren, die denkbare Freude an einer Kooperation und die auktoriale Unruhe, die mit jeder gemeinschaftlichen Arbeit einhergeht, haben sich in der sauberen und beinah museumskonformen Präsentation vollständig aufgelöst.

Bild: Benzulli

Bild: Benzulli

Bild: Benzulli

Bild: Benzulli

 

Benzulli zeigt:
Die Ergebnisse der Zusammenarbeit von Johannes Bendzulla, Adam Harrison und Dominic Osterried
Eröffnung: Freitag, 17.08. 19.00 bis 24.00 Uhr
Geöffnet am Samstag den 18.08. und Sonntag den 19.08. von 14.00 bis 18.00 Uhr
Ausstellungsraum Benzulli,
Worringer Straße 103 (Hinterhof),
40210 Düsseldorf

 

Jana Schröder und Matthias Grotevent im Gagarin

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Zwei ehemalige Lüpertz-Schüler entscheiden sich, aus dem Elfenbeinturm ihrer Ateliers auszusteigen und ebenerdig tätig zu werden. Ted Green und Kai Müller wollen den lokalen Kunstbetrieb mit einer Initiative bereichern und eine Präsentationsplattform für junge Künstler schaffen. Das klingt nach dem üblichen kunstvermittlerischen Idealismus, der in der selbstorganisierten Kunstszene herrscht. Dabei ist die Initiative – wie für beinah alle andere Projekte dieser Art – nicht ganz selbstlos. Wie Green bewusst und scharfsichtig erläutert, geht nämlich mit dem Betrieb eines Off-Raums immer auch das Interesse an einer Verstärkung der eigenen Vernetzung einher. Schließlich wollen die zwei Künstler-Initiatoren ihre Präsenz und Sichtbarkeit ausbauen. Die Gründung von Gagarin findet zwar seinen Ursprung in diesem schwer beschreibbaren Impuls „etwas-tun-wollen“ und „es-selbst-in-die-Hand-nehmen-wollen“; eine reine uneigennützige Mildtätigkeit ist sie aber nicht.

Bild: K. Müller

Kai Müllers Werkstatt befindet sich in einer Ateliergemeinschaft auf der Kirchstraße. Angekoppelt daran ist ein kleines Ladenlokal, das immer wieder von den dortigen Künstlern in Anspruch genommen wird. In der Vergangenheit hat das Projekt Expeze (das übrigens lange nichts mehr von sich gezeigt hat) in dem verwinkelten und schwer bespielbaren Laden bereits ausgestellt; für Müller und Green lag es nah, auf diese räumliche Möglichkeit zurückzugreifen. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Ateliergemeinschaft wird also Gagarin ein regelmäßiges Programm an diesem Ort durchführen. Vorgesehen sind anderthalb-wöchigen Ausstellungen mit jungen, meist lokalen Positionen, ohne thematischen oder medialen Schwerpunkt – wobei der Raum keine allzu großen Bodeninstallationen oder Videoscreening (schlechte Akustik) ermöglicht. Gesucht wird nach den Worten von Green eine „dezente Vielfalt“.

Bild: K. Müller

Wie Ted Green weiterhin berichtet, ist die Initiative auch eine große Gelegenheit für deren Macher, anderen Künstlern über die Schulter zu schauen und einen ausgeprägten Austausch zu ermöglichen. Die Vernetzung ist eine Sache, der intellektuelle Dialog eine andere. Und beide Aspekte – altruistisch und weniger altruistisch – lassen sich gerade in einem artist-run-space perfekt kombinieren. Im Sinne dieser gesuchten Reibung, haben Müller und Green für die erste Ausstellung zwei sehr unterschiedliche Positionen aufeinander prallen lassen.

Jana Schröder

Für die Projekteröffnung ist Gagarin von einem  fortgeschrittenen Kunstakademiker und einer jungen Akademie-Absolventin okkupiert, jeweils mit einer einzigen großen Arbeit. Jana Schröder, die bis 2009 bei Albert Oehlen studierte, präsentiert eine abstrakte Komposition aus Acryl und Kugelschreiber-Tinte. Die übliche grafische Prägung des letzteren Mediums löst sich hier in dünnen und transparenten Schichten auf, die an Aquarelltechnik erinnern. Diese sanften, dunkelblauen Schleier, die die Leinwand in verschiedenen Intensitäten bedecken, werden von Zeichen unterbrochen, die an Sprachsymbole oder kodierte Motive erinnern und eine weitere Ebene in die Raumtiefe bilden.

Matthias Grotevent

Matthias Grotevent, seinerseits bei Richard Deacon studierend, hat die Einladung genutzt, um seinen bisherigen dreidimensionalen Experimenten mit Keramik zu entkommen und einen Exkurs in die Fläche zu wagen. Sein „Tafelbild“, das sich in die hintere Wand der Galerie gut einfügt, besteht aus einem Motiv, das durch die Verschiebung der Holzplatte unlesbar – oder zumindest verfremdet – wird. Ist das ein Logo? Ein Wappen? Schwer zu bestimmen – genauso wie es schwer erscheint, Grundsätzliches über zwei Künstler zu schreiben, die hier lediglich mit einer Arbeit präsentiert werden.

Eine regelrechte Reibung zwischen Schröder und Grotevent will sich übrigens nicht so wirklich einstellen, denn beide Künstler halten sich auf Distanz und verweigern den Dialog – sicherlich aufgrund der komplizierten Räumlichkeit, die eher trennt als sie verbinden könnte.

Der Name „Gagarin“ wurde übrigens aufgrund seines interessanten Klangs gewählt und ist keineswegs als Hommage an den ersten Mann im All zu verstehen. Dass Assoziationen an Durchbruch, Raumeroberung und männlichen Potenztraum (s. Einladungskarte) mit in den Name schwebt, erscheint jedoch unvermeidbar…

Ted Green vor dem Gagarin

Jana Schröder und Matthias Grotevent  im
Gagarin
Kirchstr. 41, 40227 Düsseldorf
Ausstellung v. 2-12.8.2012
Besichtigung nach Vereinbarung
0171/1231596 oder 0151/11500277

 

Christoph Lukas im Kunstraum Schwalbe 54

von Havva Erdem (Frankfurt)

Mein letzter Bericht aus Frankfurt liegt ganze drei Monate zurück. Ich stehe also unter Lieferdruck. DIE Chance für einen Raum wie SCHWALBE 54. Ein Ausstellungsraum der gänzlich in den Kinderschuhen steckt. Der sich erst noch beweisen muss. Nach der Eröffnungsausstellung mit einer Absolventin der HFG-Offenbach wurde nun, im zweiten Zug, Christoph Lukas eingeladen, ein Künstler, den man eigentlich noch gar nicht als solchen schimpfen darf. Ohne künstlerische Ausbildung, ohne Ausstellungsverzeichnis. Mit einer Website, die von einer kreativen Initialzündung von vor sechs Jahren berichtet: einem zufällig entstandenen Foto mit Hilfe einer schon damals alten Handykamera. Ausgangspunkt für die daraufhin einsetzende Suche. Und hier nun das vorläufige Ergebnis. Eine klare Ansage. Ich wage nicht, den Blick noch einmal schweifen zu lassen und wende meine Aufmerksamkeit wieder Anna zu.

Anna, die Urlaubsvertretung, die mir zwar gestanden hat, keine zusätzlichen Informationen zu der Ausstellung zu haben, sich aber dennoch aufgeschlossen und gesprächsfreudig zeigt. Sie erzählt mir was über das Viertel, welches die vier Backsteinwände des länglichen Raumes umschließt. Das Gallus, eine Migrantenstadtteil in dem künstlerisch nicht viel los sei, der sich aber bestimmt noch machen würde. Sie lacht und beschreibt mir scherzhaft ihre Idee, die Reaktionen der Passanten aus dem Innenraum heraus filmisch zu dokumentieren. „Schau, da vorne ist ein Fitness-Studio, dort drüben ein Grieche, bei dem war ich mal..,- solche Läden halt… Die Leute glotzen bei uns oft total verdattert ins Fenster rein, die rechnen hier einfach nicht mit Kunst!“

Ich drehe mich nun doch um. Kunst. Sie hängt festmontiert an den Wänden. Steht wohldrappiert auf dem Schaufensterpodest. Mein Blick ist dennoch, oder gerade deshalb, in eine nicht vorhandene Ferne gerichtet. Müsste in dieser Richtung nicht irgendwo der Main liegen? Und dahinter die Städelschule. Eine Schule, in der der künstlerische Nachwuchs in stundenlangen Diskussionen mit den Professoren und Kommilitonen sicher nicht nur seine Arbeiten, sondern immer auch die gedachte/gewählte Präsentationsform derselben begründen lernt. So lange, bis die anfänglich vielleicht nur halbgare Erkenntnis zur inneren Gewissheit wird, dass beides – Werk und Präsentation – untrennbar miteinander verbunden sind und sich daher immer auch inhaltlich stimmig bedingen sollten… Eine Schule, durch die Christoph Lukas nie gegangen ist. Sonst hätte er sicher nicht derart unbedarft, fast erschreckend einsatzfreudig und auf eine sehr konservativ anmutende, überernste Art die Idee seiner ursprünglich sphärisch-ätherischen digitalen Fotoarbeiten, auf dem Weg in ihre Materialisierung für diese Ausstellung in den Sand gesetzt.

Mit dünnen LED-Leuchkästen, deren mattgraue Metallrahmenästhetik man eher in einer unterkühlten Firmen-Lobby als in einem kleinen, unabhängigen Ausstellungsraum befürchten würde. Und fürs Fenster noch handtellergroße Leuchtobjekte mit Bildchen, denen man – wenn es sich hierbei um eine kommerzielle Ausstellung handeln würde – unterstellen könnte, nette Kunst zum kleinen Preis anzubieten. Hinter allem scheint der unbändige Wille zu stehen, schlussendlich dann doch noch „Werke“ zu erschaffen. Seinen Bildern hat Lukas dadurch jedenfalls regelrecht Gewalt angetan und das traurigerweise mit den scheinbar besten Absichten und einer völlig fehlgeleiteten Energie.

Er lässt den Lichterscheinungen seiner Motive keinen Raum mehr zum Atmen, erschlägt sie mit einer völlig unflexiblen Zweckgebundenheit, so dass sie nichts mehr von der Leichtigkeit der ehemals digitalen Dokumentationen haben. Dokumentationen, die paradoxerweise unter sehr freien Bedingungen entstanden sind. Immer nur halbvorhersehbar, mindestens halbzufällig und am Computer auch nur halbnachbearbeitet. Für diese manchmal sogar bedrohlich außer- und überirdisch anmutenden Augenblicke, Situationen und Portraits hat er ein gutes Auge entwickelt. Und gleich einem Privatdedektiv im Undercover-Selbstauftrag verfolgt er deren Aufdeckung in unserer realen Welt konsequent. In einem noch recht überschaubaren Werkszyklus,- der zudem im klassischen Sinne keiner ist, sondern vielmehr die fokussierte Konzentration auf eine Idee.

Was sich auf seiner Website schlüssig nachvollziehen lässt, da hier noch keine Schwere zu finden ist,- keine Bedeutungsschwere, kein Übereinsatz hin zum Produktstiftenden. Die Un(be)schwer(t))heit findet sich nicht nur in den darin abgebildeten Werken, sondern auch in der von ihm gewählten Einteilung der Bilder, den Gruppierungen. „Innenenwelten“, „Zwischenwelten“, „Außenwelten“ werden heraufbeschworen. Münden sollen diese doch tatsächlich in der „4ten Dimension bis Unendlich“. Das steht abgekürzt wirklich so da! Entbehrt sicher nicht einer gewissen Selbstironie – oder einer gewissen Naivität.

Zugegeben: Diese Naivität ist nicht ohne Qualität. Eine Qualität, die Joseph Joubert einmal mit wenigen Worten an die Oberfläche geholt hat, und für die jedweder Zyniker nicht mehr das Herz besitzen wird, um ihr diese zuzugestehen. „Jede Naivität läuft Gefahr, lächerlich zu werden, verdient es aber nicht, denn es liegt in jeder Naivität ein unreflektiertes Vertrauen und ein Zeichen von Unschuld.“

 

Christoph Lukas
„Körper/Geist, Geist/Körper“
5. Juli bis 2. September 2012
Schwalbe 54 – Raum für Kunst
geöffnet donnerstags von 14-19 Uhr 
Tel: 069 9586 7735
Schwalbacher Straße 54
60326 Frankfurt am Main – Gallus
 http://www.schwalbe54.de/

Und dafür zahlen wir steuern – Rundgang der Weißensee Kunsthochschule Berlin

eine Fotostrecke von:
Stefanie Ippendorf

„Und dafür zahlen wir steuern“ lautete der Titel des diesjährige Rundgangs / Tage der offenen Tür der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der parallel zum Akademierundgang der Universität der Künste vom 14.-15.07.2012 stattfand. Gezeigt wurden die Diplom- und Studienarbeiten des Studienjahres 2011/2012 aus den Fachgebieten Bildhauerei, Bühnen- und Kostümbild, Künstlerische Grundlagen, Kunsttherapie, Malerei, Mode-Design, Produkt-Design, Raumstrategien, Textil-/Flächen-Design, Visuelle Kommunikation.

Hier ein paar Eindrücke vom Rundgang der äußerst vielseitigen und lebhaften Kunsthochschule im Osten Berlins:

Mähne Birkholz Kasper

Zora Jankovic

Zoe Kahlert

vier Arbeiten von Martin Maeller

Theresa Baumgartner und Marlene Burz

Textil und Flaechendesign

Soft-Interfaces, Helena Rott

Zeichnungen von Romy Troxler

Raumarbeit von Ana Lilia Konishchev

K. Durgeloh

Jan Friedrich

Irena Koscheleva

Installation von Sebastian Teubner

Hannah Hansel

Gruppenausstellung Studierende Malerei

Gruppenausstellung Bildhauer

Gipswerkstatt

Blick in den Gang der Maler

Blick in den Gang der Fotografen

Eva Baeumler

Dressage, Bianca Benenti und Charlotte Duale

Amelie Kemmerzehl

Rundgang vom 14.-15.07.2012

Weißensee Kunsthochschule Berlin
Bühringstraße 20
13086 Berlin
Telefon: +49 30 47705-0
www.kh-berlin.de

weiß man es? Martin Wöhrl und Andreas Neumeister in der Einheit 834

ein Bildbeitrag von Julia Wirxel

Der Architekt Peter Ottmann hat in Berlin im Corbusierhaus in der Einheit 834 seit anderthalb Jahren einen Ausstellungsraum. Aktuell sind lakonische Arbeiten von Martin Wöhrl und Andreas Neumeister aus München zu sehen. Neumeister beeindruckte mit einer Lesung zur Eröffnung.

Rechts im Bild Martin Wöhrl

weiß man es?
Martin Wöhrl und Andreas Neumeister

10.06.–21.08.2012
Corbusierhaus Einheit 834
Flatowallee 16
14055 Berlin
http://www.c834.de/
Besuch nach Vereinbarung.

I love Pubertät im Kunstverein Schwerin

Wer uns und unseren Blog etwas länger kennt der weiß, dass wir nicht nur online und digital aktiv sind, sondern immer wieder gerne den Platz hinter dem Schreibtisch verlassen um Projekte draußen, in der analogen Welt zu realisieren. Ein solches Projekt aus dem Umfeld der perisphere ist die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Schwerin.

Julia Wirxel, die Organisatorin, ist nicht nur Berliner Korrespondentin unseres feinen Blogmagazins, sondern darüber hinaus auch noch Leiterin des Kunstvereins in Schwerin. Dort läuft bereits seit dem 21.06. eine Ausstellung über ein Thema, welches bei den allermeisten Leserinnen und Lesern bewegende Erinnerungen hevorrufen dürfte, die im Rückblick zwar durchaus belustigende Seiten entwickeln, im erlebten Moment selber aber oft alles andere als komisch, dafür aber hinreichend peinlich waren.

Kunstverein Schwerin - I Love Pupertät

Unter dem Titel ‚I ♥ Pubertät‚ präsentiert der Kunstverein Schwerin künstlerische Positionen von Heike Kati Barath und Joachim Weischer zu einer Zeit der Ersten-Male, der knallroten Köpfe und der abenteuerlichen Experimente mit sich, der Familie und den Anderen. Im Fokus der Ausstellung stehen aber weniger die konkreten Probleme junger, mit sich und der Welt ringender Heranwachsender, vielmehr geht es um allgemeingültige Fragen zum sozialen Kontext dieser wildschrägen Phase des Lebens.

Wie kann man die Pubertät lieben? Liebt man nicht eher New York? Und wer liebt sie, die Pubertät? Die Pubertierenden? Oder ihre Eltern? Oder die stets Junggebliebenen? Drückt man aufgrund der emotionalen Unvorhersehbarkeiten doch den Dislike-Button? Wie ist der Geschmack von Adoleszenz? Oder denken wir an Martin Kippenbergers Ausstellung „Durch die Pubertät zum Erfolg“?

Neue medizinische Entwicklungen versprechen Medikamente, die nach Lust und Laune eingesetzt werden könnten, um die Pubertät bei Kindern auszulösen, zu stoppen oder zu beschleunigen. Noch muten diese Möglichkeiten bizarr an. Bei Mädchen, die zu groß werden, wird die Pubertät bereits früher ausgelöst, um ihr Wachstum zu reduzieren (siehe den Film Tall Girls, 2012).

Und was ist mit der sozialen Pubertät? Diese verlängert sich, genau wie die körperliche stetig früher beginnt. Da ein jeder sich an die Wirrungen der eigenen Pubertät erinnern kann und Kunst per se einen Freiraum bereithält „anders“ zu sein, bietet sich eine Verschränkung von Kunst und Pubertät geradezu an. So sind die Positionen von Heike Kati Barath (*1966) und Joachim Weischer (*1971) als exemplarische zu begreifen. In ihrer Ausstellung kann man sich auf die Suche nach dem Pubertären begeben und in ihren Gemälden Verwandlungen vorfinden, die hormonell, mythologisch oder dämonisch bedingt sein können. Auch (Puber-)Tiere sind von den Transformationen nicht ausgenommen. Auf den Bildern der Künstler tummeln sich Teenager, die mit außergewöhnlichen Materialien versehen sind oder aus ihnen entstehen. Lange Silikonfäden werden bei Barath plastisch zu einzelnen Haaren. Ebenso unterstützt das Material Bauschaum verschiedene Metamorphosen. Joachim Weischer bearbeitet  vorgefundene Fotografien mit Knetmasse, fotografiert diese „Reliefs“ dann wieder und erzielt damit erstaunliche Ergebnisse. Die Haptik des Dreidimensionalen fügt sich bei ihm –  im Gegensatz zu Barath – wieder ins Zweidimensionale.

In beiden Werken sind kunsthistorische Referenzen zu finden, neben der Moderne wird die Pop Art thematisiert, als eine Referenz ist Philip Guston zu nennen, dessen Arbeiten zwischen Figuration und Abstraktion changieren. Interessanterweise haben fast alle Arbeiten der beiden Künstler keinen Titel, um eine größtmögliche Offenheit zu der in den Werken angelegten Erzählung, wie beispielsweise von Märchen, zu behaupten.

Generell wird eine Haltung spürbar, die Menschliches und Existentielles thematisiert und auch vor Abgründen nicht Halt macht. Übergangsphasen von der Kindheit in das Erwachsenendasein werden auf poetische Weise sichtbar, die die Pubertät als Metapher für das Leben und seine Herausforderungen schlechthin bereithält.

Joachim Weischer, Ohne Titel, 2008, Digitaler-C-Print

Heike Kati Barath, o.T., 2011, Acryl Fugendichter auf Leinwand

Programm

Freitag 29.06., 20 Uhr
Girls, Boys & Teenwolves. Monstrous Gender im Werwolffilm, ein Vortrag von Dr. Julie Miess, Literaturwissenschaftlerin, Berlin

Mittwoch 04.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, Chihiros Reise ins Zauberland, JP, 2001, Regie: Hayao Miyazaki

Freitag 13.07., 20 Uhr
Ein Kurzfilmabend zum Thema Pubertät von Nicole Rebmann, u.a. Kurzfilmtage Oberhausen

Mittwoch 18.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, So finster die Nacht, SE, 2008, Regie: Tomas Alfredson

Sonntag 29.07., 17 Uhr
Künstlergespräch mit Heike Kati Barath

Kunstverein Schwerin
Spieltordamm 5
19055 Schwerin
0049 (0)385 521 3166
www.kunstverein-schwerin.de

Zitronenschaschlik meets Holzpalettenlabyrinth – der Rundgang der HFBK Hamburg

von Nicole Büsing & Heiko Klaas (Hamburg)

Von der kuratierten Klassenschau bis zum eng getakteten Performanceprogramm: Die diesjährige Jahresausstellung an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg lockte wieder einmal ein großes, überwiegend junges Publikum. Geschätzte 14 Spontan-Bars machten am Mittwochabend die Hochschule zur Party-Meile.

Eigentlich war dieses Labyrinth aus 320 Holzpaletten für eine Freifläche im Hamburger Hafen geplant. Jetzt steht es vor dem Eingang der HFBK und sollte all die Gäste der partyseligen Eröffnung in die Irre führen. Eine integrierte Bar aus dem flexiblen, modulartigen Material, das für Transport und schnelles Auf- und Abbauen steht, wurde am Mittwochabend zum sommerlichen Outdoor-Treffpunkt der Jahresausstellung

Konstanze Essmann, Enzo Mittelberger, Jakob Taranowski | Klasse Ralph Sommer (Design, Studio)
Der Weg ist das Ziel

Kuriose Verbindung: Zwei Dosen mit Milchpulver gehen durch zwei miteinander verschmolzene, rote abknickbare Trinkhalme eine absurde Allianz ein. Ein kleiner ironischer Eingriff markiert auf subtile Art und Weise die Widersprüchlichkeit eines handelsüblichen Alltagsprodukts.

Künstlergruppe Fort (Alberta Niemann): Dry Cans
Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)

Die Bodenarbeit von Jenny Feldmann aus 6000 Einzelteilen besteht aus billigem Laminat. Darin liegt auch der Bruch: Auch wenn die formal ästhetische Arbeit in ihrer Struktur an historische Kirchenböden und wertvolle Intarsienarbeiten erinnert, irritiert sie durch die Verwendung eines Materials, das günstig in jedem Baumarkt zu erwerben ist.

Jenny Feldmann – Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)
Ornament aus armem Material

Wo kommt der Baum denn her? Zwei Studierende der Klasse Slominski haben ihn kurzerhand in den Ausstellungsraum transferiert und so die Brücke zwischen Innen und Außen geschlagen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man am Stamm des jungen Gewächses den Ausstellungsplan für den Klassenraum. Das transferierte Objekt wird so zum beiläufigen Träger für eine wichtige Botschaft – ganz ähnlich den Laternen- und Ampelmasten im Stadtraum.

Gerrit Frohne-Brinkmann und Philip Pichler | Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)

Kugeln in verschiedener Größe, aus verschiedenen Materialien und verschiedener Volumina gruppiert Katja Aufleger zu einer skulpturalen Anordnung auf dem Boden. Eine in Hamburg nicht ganz unbekannte Boje markiert den Mittelpunkt dieser von unterschiedlichen Größenverhältnissen bestimmten Arbeit.

Katja Aufleger | Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)
Die Boje als Fixpunkt

Ausgangspunkt der Arbeiten von Tobias Öchsle sind Handwerkerarbeiten aus dem 19. Jahrhundert in den USA. Öchsle interessiert sich für den dekorativen Aspekt bei der Verzierung von Dachgiebeln und dem Herstellen von Schindeln. Diesen liebevollen Gestaltungswillen aus vergangenen Tagen nimmt Tobias Öchsle zum Anlass für eigene Arbeiten mit ironischem Unterton.

Tobias Öchsle | Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)

Konzeptuelle Nasen: Die Master-Studentin Katharina von Bockum-Dollfs hat mit ihrem hintersinnigen Bild aus Keramiknasen auf blauem Grund eine feine Hommage an den kalifornischen Konzeptkunstguru John Baldessari geschaffen

Katharina von Bockum-Dollfs | Klasse Andreas Slominski (Bildhauerei)

Studierende suchen einen Kurator: Die Studierenden der Klasse Jeanne Faust sind einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Die Hamburger wagten den Blick über den Tellerrand und casteten angehende Kuratoren beim Studiengang für Curatorial and Critical Studies an der Städelschule in Frankfurt. Ihre Wahl fiel auf Maike Banaski und Anna Eschbach. Die Frankfurterinnen besuchten während des Semesters mehrmals die Klasse und diskutierten mit den angehenden Künstlern über Ausstellungspraxis und das Rollenverhältnis Künstler – Kurator. Für die Jahresausstellung haben sie jetzt vier Räume mit studentischen Arbeiten der Klasse eingerichtet. Die kuratierten Räume sollen gleichzeitig Plattform für Diskussionsformate und weiteren inhaltlichen und selbstreflexiven Austausch sein. Man wird sehen, ob dieses Modell denn auch zukunftstauglich ist. Erfahrung im Ausstellungsmachen in Zusammenarbeit mit einer Person, die von außen kommt, wird so allemal gesammelt.

Klasse Jeanne Faust (Zeitbezogene Medien) und Adnan Softic

Eine Skulptur aus Trash-Materialien: Rebecca Zedow verwendet für ihr bizarres Gebilde Materialien, die man auf jeder Baustelle oder eben in jedem Klassenzimmer der HFBK finden kann: Holzlatten, Klebeband, Scharniere, Gips, Stäbe und Farbe. Ein fragiles Gerüst, das einen fast schon organischen Körper formt.

Rebecca Zedow | Klasse Anselm Reyle (Malerei/Zeichnen)

Die Möglichkeit einer Insel: Der Vielreisende J.E. Oldendorf zeigt Gemälde von Trauminseln. Das Exotismusmotiv packt er in massive Holzrahmen, wie sie Kunsthandwerker in südlichen Gefilden gerne für Touristen herstellen. Reise-Kitsch oder Ironie-Falle: Der Reyle-Schüler sucht sich seine eigene Nische im künstlichen Paradies.

J.E. Oldendorf | Klasse Anselm Reyle (Malerei/Zeichnung)

Hol mich mal rüber: Das Motiv des Fährmanns durchzieht die Literatur- und Kulturgeschichte. Sebastian Wiegand nähert sich dem Sujet malerisch: Figuren und Tiere in realistischer Darstellung mit einem Hang zur Abstraktion.

Sebastian Wiegand | Klasse Werner Büttner (Malerei/Zeichnen)

Eine Mischung zwischen Half Pipe und Einstürzenden Neubauten: Lukas Furs hat die Fensterfront eines kleinen Raumes mit Latten zugeschichtet. Zwischen den Spalten scheint das Sonnenlicht durch – fast wie bei einer Kathedrale. Lukasz Furs stört sich nicht an dem sakralen Vergleich, auch wenn er sich in der Hip Hop-Kultur verortet und eher auf das Kaputte, das Krachende und das Potenzial der Zerstörung abzielt.

Lukasz Furs | Klasse Anselm Reyle (Malerei/Zeichnen)

Der Maler Daniel Thurgau gibt grundsätzlich keine Auskunft über seine Kunst. Seine Verweigerungshaltung erklärt er so: „Wenn ich alles erkläre, warum soll ich mir das noch angucken?“ Immerhin – am Eröffnungsabend der Jahresausstellung bot er sich den Besuchern an, in der Rolle der Kunstfigur Dan von Anhalt schnelle Porträts gegen kleines Endgeld anzufertigen.

Daniel Thurau  | Klasse Werner Büttner (Malerei/Zeichnen)

Poetik des Raums: Inszenierte Design-Gegenstände in der Klasse Ralph Sommer

Klasse Ralph Sommer (Design, Studio)

An Bars herrschte kein Mangel. Ob Nektarinen-Ananas-Weißwein-Bowle, Wodka, Club Mate oder einfach nur ein schnödes Bier: Geschätzte 14 Spontan-Bars sorgten am Mittwochabend für Party-Stimmung.

Marke Individuell: Verschiedene Künstler, die als Gäste in der jeden Dienstag stattfindenden Reihe „Folgendes“ ausgestellt haben, gestalteten Briefmarken als Sonderedition. Echte Einsteigerpreise: Für nur vier Euro sind die künstlerisch aufgewerteten Sondermarken der Deutschen Post in Mini-Auflage zu erwerben.

Klasse Heike Mutter (Grundlagen Grafik/Typografie/Fotografie)

Aufbau als Konzept: Zweimal exakt zwölf Stunden nahm sich die Klasse Jutta Koether Zeit, ihre Klassenräume für die Jahresausstellung fit zu machen. Das Ganze wurde auch gefilmt.

Klasse Jutta Koether (Malen/Zeichnen)

Play cool: Noise-Musik am Eröffnungsabend in der Klasse Jutta Koether

Klasse Jutta Koether (Malen/Zeichnen)

Party-Laune in einer lauen Sommernacht: Relaxte Stimmung an der HFBK am Mittwochabend.

Prinzip Stellwand: Die Klasse Thomas Demand überrascht mit einem selbstgebauten Display aus Tischplatten, auf dem auf beiden Seiten die studentischen Arbeiten präsentiert werden.

Klasse Thomas Demand (Bildhauerei)

Ein Skulpurenensemble aus verschiedenen Materialien: Jonas Brandts farbenfrohe Skulpturenfamilie mit integrierten Sockeln spielt mit Formen, Zitaten und Materialien. Von Aluminium, Holz, Alabasterstein bis zu Gips. Der Clou ist ein Stab, auf dem Brandt veritable Zitronen gespießt hat – inklusive Duft und Vergänglichkeit des organischen Rohstoffes.

Jonas Brandt | Klasse Anselm Reyle (Malerei/Zeichnung)
Zitronenschaschlik als unendliche Säule à la Brancusi

The Medium is the Message: Plakate im Stadtraum bilden den Ausgangspunkt der Arbeit von Vladimir Schneider. Er überführt die Werbebotschaften in den Kunstkontext und kommentiert sie durch gestische Übermalungen.

Vladimir Schneider | Klasse Anselm Reyle (Malerei/Zeichnen)

Alle Fotos © Heiko Klaas

Jahresausstellung an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg
Mittwoch, 4. bis  Sonntag, 8. Juli 2012, täglich 14 – 20 Uhr
www.hfbk-hamburg.de

A Retrospective of Tomorrow’s Artists im Schillerpalais

Ein Fotobeitrag von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Für >A Retrospective of Tomorrow’s Artists< haben sich die beiden Kuratorinnen Karin Anzivino und Ferial Karrasch buchstäblich auf Spurensuche begeben. Mit dem Thema „Spur“ im Gepäck, haben sie die Gerrit Rietveld Academie Amsterdam, die Kunsthochschule Weißensee, die Akademie der Künste Berlin, die Akademie für Bildende Künste Karlsruhe und die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe nach jungen Talenten durchforstet und haben Kunststudenten gebeten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wohlwissenderweise, dass eine Retrospektive mit gerade am Beginn ihres künstlerischen Schaffens stehenden Künstlern zunächst paradox erscheinen mag, haben Anzivino und Karrasch sich für die Arbeiten von Maximilian Arnold, Claire Bamplekou, Anja Braun, Jan Erbelding,  Annika Kappner, Johanna Kotlaris, Susanne Lanckowsky,  EunHee Lee, Sarah Martín, Pedro Matias, Wataru Murakami, Kris Olbricht, Lisa Peters, Hanna Schaich und Claudia de la Torre entschieden und eine abwechslungsreiche Schau zusammengetragen, die nicht nur einen Blick auf die Kunst von morgen verspricht, sondern auch die vielseitigen Bedeutungsebenen des Begriffs „Spur“ analysiert.

wataru murakami, garten und berg

sarah martin, parasitic traces

pedro matias, i'm the drawing you're the reality

maximilian arnold, ohne titel

maximilian arnold, ohne titel, detail

lisa peters, membrana es mihi die haut an mir

johanna kotlaris, silence is not a feeling

jan erbelding, foto von glas

hannah schaich, 166mal1 schleifpapier

EunHee Lee, collection of worss searched by google

claudia de la torre, take one leave one

annika kappner, superflous I

anja braun, strich auf papier auf wand

 

A Retrospective of Tomorrow’s Artists
23. 6. 2012 – 2. 7. 2012
Schillerpalais e.V.
Lageplan_Schillerpalais
Kunst- und Aktionsraum
Schillerpromenade 4
12049 Berlin

 

Montag bis Freitag: 10:00 – 18:00 h
Telefon: 030 / 62 72 46 -70 / -73
info {ad} schillerpalais de
www.schillerpalais.de

 

brink – Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft

brink ist ein Hybrid aus Magazin und Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft. Das ambitionierte Projekt kommt aus dem Umfeld der Universitäten, ist aber über den Status eines studentischen Experiments hinaus. Das Laoyut ist professionell und der formulierte Anspruch hoch.
Thema und Titel von brink #2 ist Sprung. Ein Thema in vielen Beiträgen von jungen und renommierten Künstler_innen, Studierenden, Nachwuchswissenschaftler_innen und etablierten Professor_innen aus allen Wissenschaften und Persönlichkeiten aus Medien und Kultur. Kunst und Wissenschaft sollen sich bei brink in lebendiger Form begegnen und einen dichten und angeregten Austausch ermöglichen.

Und weil die Pressemitteilung von brink so schön ist, übernehmen wir diese hier einfach.

brink hat seine Wurzeln im Schweigen an den Universitäten, der Unmöglichkeit selbst sehen und sprechen zu dürfen und den fehlenden oder gescheiterten Dialogen zwischen Kunst und Wissenschaft. Es ist ein Projekt von Studierenden, die einen neuen Ort der Rede und der Sichtbarkeit erschaffen wollten und mit brink ein Magazin zwischen Kunst und Wissenschaft eröffnet haben.

Modularisierte Studiengänge, straffe Stundenpläne und durchstrukturierte Lehrveranstaltungen, die weniger Interesse als pure Anwesenheit fordern, lassen den Studierenden nur wenig Raum für die Beschäftigung mit selbst gewählten Forschungsfeldern. Das Bestreben, neue Diskurse zu öffnen und bestehende Diskurse zu erweitern unterliegt Zeitdruck und Effizienzdenken.

brink will hier Alternativen schaffen, in denen sich ein Miteinander und Nebeneinander in der Differenz zeigt. Zwischen Kunst und Wissenschaft – das heißt, neue Räume zu öffnen, Randgänge, Schwellenerfahrungen, Grenzsetzungen und Grenzüberschreitungen in der Begegnung mit dem Anderen. Die Begegnung nicht nur der wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch von Bild und Text als gleichwertige Positionen. Zudem vollzieht sich eine Öffnung zu Leser_innen, Betrachter_innen, und Besucher_innen: brink ist immer in der Bewegung zum Anderen – im ›anderen sehen‹ und im ›Sprung‹.

Am 22. Juni 2012 ging das Projekt mit der zweiten Ausgabe und dem zugehörigem Ausstellungsparcours in Wuppertal in die nächste Runde. Wir waren mit dem Fotoapparat vor Ort und haben das Projekt dokumentiert.

Projektraum Hebebühne

Ruth Weigand - Hinter einigen Tannengipfeln

Projekt UTOPIASTADT

Projekt UTOPIASTADT Innen

Jennis Li Cheng Tien - Counterforce bei UTOPIASTADT

Kunst und, oder Kunst vs Fussball? - UTOPIASTADT

Altes Tanzstudio

Bernd Härpfer & Pascal Fendrich im Alten Tanzstudio

Jan Verbeek im Alten Tanzstudio

Tom-Oliver Schneider im Alten Tanzstudio

Ana und Henrique Pereira da Silva

Julius Schmiedel und Michael Schmitt im Alten Tanzstudio

Raumzeitpiraten in der Postkutscherei

Kunstblogger mit Baby am Mann beim Erklimmen einer Arbeit von Anton Studer & Balz Isler in der Postkutscherei

Videoinstallation von Judith Rautenberg in der Postkutscherei

Weitere Informationen im Netz unter
www.brinkmagazin.de
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Boehm/Kobayashi präsentiert Ant!Foto 2012 im Kunstraum Düsseldorf

Oliver Sieber und Katja Stuke alias Boehm/Kobayashi haben auch dieses Jahr zu Ant!Foto in den Kunstraum Düsseldorf eingeladen. Dem Aufruf gefolgt sind Laura Bielau, Rene Bonsink, Olivier Cablat, Jason Evans, Ulrike Heydenreich, Ted Partin, Pia Stadtbäumer,  80*81(Georg Diez & Christopher Roth) & Christoph Dettmeier »Country Karaoke«.

Franz Schuier vom Düsseldorfer Kreativstudio beansandbacon.com hatte sich zu unserer großen Freude vor einiger Zeit auf unseren Call-for-papers gemeldet und sich dann auch noch freundlicherweise bereit erklärt für unsere Leser mit der Kamera in der Ausstellung vorbeizuschauen. Zurück kam er mit einem gelungenem Minidokumentarfilm (01:51 min), in dem er einen schnellen und präzisen Einblick in die Ausstellung gibt. Wir finden das Super und sagen an dieser Stelle schon einmal Danke für den ersten Einsatz!

Und sie, liebe Leserinnen und Leser, drücken uns bitte die Daumen, dass uns der Mann erhalten bleibt!

Wie bei uns auch sonst üblich, verzichten wir bei Videoeinbindungen auf lange Texte und lassen den Film, die Ausstellung sowie natürlich Oliver Sieber und Katja Stuke sprechen.

Wer Ant!Foto 2012 persönlich in Augenschein nehmen will, der muß sich etwas beeilen, denn die Ausstellung läuft nur noch bis zum 01.07.2012.
Weitere Infos gibt es auf der Projektwebseite unter http://www.antifoto.de.

Ant!Foto 2012
24.5.–1.7.2012

Kunstraum Düsseldorf
Himmelgeister Straße 107e
40225 Düsseldorf
Tel. 0211.330237

Marc Sparfel in der Galerie t in Düsseldorf Flingern

Verlassene Möbel, die keinen Zweck mehr erfüllen oder einfach nicht mehr modern sind, bilden einen ‚urbanen Wald‘, der aus dem Asphalt erwächst.“ mit diesem Satz umschreibt Mark Sparfel kurz und knapp seine Arbeit. Vom 14.06. bis zum 20.07.2012 ist der Künstler in der relativ jungen Galerie t in Düsseldorf Flingern zu Gast. Freund und Kollege Klostermann war mit der Kamera vor Ort und hat ein Paar Impressionen der Ausstellung mitgebracht.

Galerie t
Hermannstraße 24
40233 Düsseldorf

http://www.galerie-t.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag nach Vereinbarung
Freitags 17-19 Uhr
Samstags 11-15 Uhr
Sonntags geschlossen

Mischpoke: 22 Fachgeschäfte in Mönchengladbach

Ein Bildbeitrag von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Als die Stadt Mönchengladbach 1949 eine brandneue Einkaufspassage erhielt, in der sich über 20 Fachgeschäfte einsiedelten, schrieb man in der jungen Bundesrepublik noch die ersten Seiten einer schönen Geschichte – eine Geschichte namens „Wirtschaftswunder“. Mehr als 60 Jahre später ist diese Geschichte eben Geschichte geworden und die mehr oder weniger charmanten Läden, seit vielen Jahren in Familienhänden, müssen weichen. Der Großinvestor MFI, der in Düsseldorf-Bilk bereits eine gesichtslose und uninspirierte (aber wohl populäre) Mall gebaut hat, wird hier die „Mönchengladbach Arcaden“ errichten – und erhofft sicherlich, dass die extrem klamme Stadt plötzlich dem Konsumrausch verfällt.

Durch diesen Ansatz von Strukturwandel steht jedenfalls jede Menge Leerstand in kompakter Form und zentraler Lage zur Verfügung. Und die Gelegenheit für die Verantwortlichen von Mischpoke war zu schön um ausgeschlagen zu werden. Es kam ein Deal mit dem MFI (der sich gerne als Mäzen stilisiert) zu Stande und, bevor die Passage endgültig abgerissen wird (und mit ihr die charakteristische Dachstruktur der späten 80er Jahre), dürfen 33 Künstler die 22 ehemaligen Geschäfte okkupieren. Die meisten nutzen den Raum unreflektiert, beziehen sich höchstens auf dem evidenten Verfall des architektonischen Ensembles oder verpflanzen ihre Drop-Sculptures in diesen besonderen vier Wänden. Ortsspezifik sieht anders aus; jedoch kann Ortsspezifik auch mitunter nerven – und die Unbefangenheit des Unterfangens hat hier seine erfrischende Seite.

Diesmal wurden übrigens Nicht-Mischpoke-Künstler eingeladen, also ausschließlich Damen und Herren, die nicht zum Verein gehören und aus Köln, Düsseldorf und Gladbach stammen. Die Eindrücke haben wir gesammelt.

 

 

 

OLIVER GATHER

 

GEREON KREBBER

 

DAN DRYER

 

THOMAS RUCH

 

KATHARINA MADERTHANER

GEREON KREBBER

 

TERRY BUCHHOLZ

 

GEREON KREBBER

 

EDITH BORIES

MARTIN ROOS

 

JEANETTE STÜTTGEN

 

PHILIPP ACKERMANN / KATE MACKESON

 

JOHANNA VON MONKIEWITSCH / CHRISTIAN BERG

JEAN-LUC DANG / MARIJA LINCIUTE

 

ALEX POLLARD / CLARE STEPHENSON

 

UTTA HAGEN

 

MARKUS MUSSINGHOFF

RICARDO ALZATI

 

 

UWE ESSER

 

 

 

Katrin Herzner zeltet in Berlin in der Abteilung für alles Andere

1200 km Luftlinie ist Katrin Herzner für ihr Kunstwerk OST mindestens gewandert. Sie versucht so gerade wie möglich zu laufen – per Kompass nach Osten – um zu sehen, was passiert und herauszufinden, wie weit man kommt. Begonnen hat sie die erste Etappe in Freiburg im Breisgau im Herbst 2010. Vor wenigen Wochen endete die fünfte Etappe in den ukrainischen Karpaten. Die Fortsetzung folgt in Teil VI voraussichtlich im Herbst 2012.
Während den Wanderungen lässt sich das Geschehen jeweils ausschließlich per Audio-Live-Übertragung per Telefon mit verfolgen.

In diesem Sommer sucht Katrin Herzner unterdessen Plätze zum Zelten im Innen- oder Außenraum, in Deutschland und seinen Nachbarländern. Sie zahlt dafür mit einer Arbeitsstunde pro Tag für Tätigkeiten aller Art. Vom 11. bis zum 19. Juni hat, oder vielmehr hatte, Katrin Herzer ihr Zelt in der Abteilung für Alles Andere aufgebaut.

Abteilung für alles Andere, Berlin

Katrin Herzner zeltet in der Abteilung für alles Andere in Berlin

Katrin Herzner schreibt dazu „Ich zelte diesen Sommer, weil es mir momentan widerstrebt, einen Mietvertrag abzuschließen. Zu sehen gibt es in der Abteilung also mein Lager, neue Videos und mich selbst.
Die POSTOST-MONOLOGE,
(ein Programmpunkt der Aktion – Anm. d. Red. ) beschäftigen sich größtenteils mit unterschiedlichen Aspekten von OST – der Wanderung zum Live-Hörbuch von Katrin Herzner. Hier erkläre ich alles, wonach ich üblicher Weise nicht gefragt werde.“

Zelten in Berlin | Abteilung für alles Andere

Zelten in Bremen

Zelten in Aachen

Wir haben Katrin einen Minifragenkatalog geschickt, den sie uns freundlicherweise beantwortet hat.

FK: Welches war das größte und schwierigste Hinderniss welches du auf Deiner Wanderung 1200km überwunden hast?

KH: Es sind 1200 km luftlinie – gelaufen bin ich vermutlich an die 2000 km, weil ich nicht fliegen kann. Dann … Groß und Schwierig sind zwei paar Schuhe. Der höchste Punkt war gerade erst in den Karpaten: ca. 1420 Meter. Das schwierigste bin ich selber und ich bin immer da.

FK: Dir wiederstrebt es einen Mietvrtrag abzu schliessen. Als moderner Mensch ist man auf vielfältige Weise vertraglich gebunden. Wie hälst Du es mit anderen Verträgen, wie KV, Handy, Altersvorsorge?

KH: Ich finde Verträge gut, weil deswegen alles schriftlich geklärt ist. Man sollte bei Bedarf halt prüfen, was man da unterschreibt. Macht im besten Fall Sinn für beide Seiten. Ich will halt nur keinen Mietvertrag unterschreiben. Denn das bedeutet, Miete zu zahlen und diesen Klotz von Zimmer oder Wohnung am Bein zu haben, der die Bewegungsfreiheit einschränkt. Aber man kann sich ja glücklicher Weise aussuchen, ob man einen Vertrag unterschreibt oder nicht.

FK: Was hälst du vom Konzept des Grundbesitz?

KH: Grundbesitz ist Eigentum von Landflächen? Er legt sich wie ein Bild über den Planeten Erde und verändert die Oberfläche – manchmal sehr großflächig, manchmal ganz klein parzelliert. Das ist ganz interessant, da quer durch zu gehen – sich manchmal durch zu mogeln und manchmal aus Respekt oder Schüchternheit einen Bogen zu machen. Ich würde gerne auch Land besitzen. Ich denke allerdings, wenn jemand kommt und eine Linie darüber gehen will, würde ich ihn auf jeden Fall lassen und einen Kaffee kochen.

FK: Cowboy oder Indianer?

KH: Einzelbison.

FK: Das Zelt ist im Rahmen der Occupy-Aktionen zum Symbol einer globalen Protestbewegung geworden, hat das für Dich Bedeutung?

KH: Nein. Für mich ist es mein Haus, und ich kann ganz so mit 1,4 kg meinen Raum erzeugen. Ich frage immer, ob ich an einem Ort zelten darf und bin kein Besetzer. Zelte sind auch Flüchtlingslager, Notlazarette, Rock am Ring, Nomadenhäuser und vieles mehr – das zweite nach der Höhle, schätze ich. Occupy natürlich auch, klar – aber im Verhältnis zum Zelt an sich ist das meiner Meinung nach nur ein kurzer Moment.

FK: Beim aktuellen Projekte tauschst Du Dich eine Arbeitsstunde gegen die Möglichkeit Dein Zelt aufzuschlagen. Warum der Rückgriff auf den Tauschhandel?

KH: Weil ich gerade nicht viel Geld habe und trotzdem nicht schmarotzen will. Das sind auch schöne Jobs … Ich mache da Sachen, die schon lange mal hätten erledigt werden sollen.

FISIMATENT – Katrin Herzner zeltet in der Abteilung für Alles Andere
Ausstellung vom 11. – 19. Juni 2012
Ackerstraße 18, Berlin Mitte
http://www.a-a-a.cc/

http://www.katrin-herzner.de

 

Dyssomnia in der Hans Peter Zimmer-Stiftung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

„Genius loci: (Schutz)-Geist, geistiges Klima eines Ortes“, definiert der Duden. Den Geist eines Ortes wahrzunehmen, zu verstehen und in die Transformation des Ortes einzubeziehen ist (im besten und leider seltenen Fall) die vordergründige Aufgabe des Architekten – sowie des Künstlers, wenn dieser seine Arbeit in atmosphärisch dichten Räumen zu platzieren hat. Es wäre töricht und deplatziert, eine Ausstellung in den ehemaligen Produktions- und Lagerhallen der HPZ-Stiftung zu inszenieren, ohne dessen postindustrielle Wucht zu berücksichtigen; es wäre eine verpasste Chance und eine kuratorische Dummheit, Kunst an diesem Standort zu zeigen, ohne auf den teilweise düsteren und unheimlichen, teilweise stilvollen und charakterstarken Geist des Ortes einzugehen.

Lars Rosenbohm

Lars Rosenbohm (Foto: W. Schäfer)

Lars Rosenbohm (Still: L. Klostermann)

Diese Chance haben die zwei Kuratoren von Dyssomnia nicht verpasst. Zusammen mit Maria Wildeis ist es Wolfgang Schäfer gelungen, eine adäquate Präsentation von Installationskunst und Bildhauerei in diesen sehr unterschiedlichen Räumen zu verwirklichen. Im Großen und Ganzen haben alle acht Künstler das prekäre Gleichgewicht zwischen Ortsbezogenheit und Werkautonomie bewahrt; eine Herausforderung angesichts der schwierigen, geschichtsträchtigen Räumen.

Katharina Maderthaner

Katharina Maderthaner

Katharina Maderthaner (Still: L. Klostermann)

Wildeis und Schäfer setzen dabei auf einen Mix aus jungen Absolventen oder Studenten der hiesigen Kunstakademie und Künstlern, die sich im mittleren Karriereabschnitt befinden und bereits über eine gewisse Ausstellungserfahrung verfügen. Dazu gehören Positionen wie die von Susanne Themlitz, Gereon Krebber oder Lars Rosenbohm. Trotz der Unterschiede ihrer Ansätze dienen übrigens die zwei letztgenannten Künstler als „Ausgangspunkt“ der Ausstellung; sie waren die Grundsteine, worauf die Kuratoren aufbauten.

Claudia Mann

Claudia Mann

Claudia Mann

Der regionale Bezug ist also prädominant; eine ausdrückliche Thematik ist aber in der Ausstellung nirgendwo zu finden. Wozu denn auch? Wer braucht ein Motto wenn solche großartigen Raumbedingungen vorgegeben sind? Ausgenommen Claudia Mann, die zwar zehn Tage lang gebraucht hat, um ihre zwei Piscines vor Ort aufzubauen, diese aber in jedem anderen besseren white cube hätte präsentieren können – die Auseinandersetzung der Künstler mit ihrer Umgebung ist hier Thema genug.

Claudia Mann (Foto: W. Schäfer)

Ich möchte diesmal nicht zu präzis auf die Arbeiten eingehen und, wie es sonst auf diesen Seiten gepflegt wird, die Rezension in eine akkurate Werkbeschreibung ausarten zu lassen – besonders gelungen erscheint jedenfalls die Arbeit von Gereon Krebber. Seine Schlauchgebilde hängen praktisch zwischen zwei Wänden und besitzen eine ungeheure Materialdynamik. Hier verschmilzt das Organische mit dem Industriellen, wuchert das Chaotische wie ein Geschwür in den Raum und glitzert wie ein kranker Schmuck in seiner schmuddeligen Schatulle.

Gereon Krebber

Gereon Krebber

Gereon Krebber

Erwähnenswert ist ebenso das skurrile Raumarrangement von Susanne Themlitz. Heterogene Fundstücke, deren industrielle Vergangenheit teilweise ablesbar bleibt, sind zu einer Art Indoor-Skulpturenpark zusammengetragen und verhindern eine flüssige Erkundung des Raumes. Die Objekte zitieren zwar die moderne Bildhauerei; ihr prekäres Gleichgewicht, ihre Parcours-ähnliche Anordnung sowie die vielen räumlichen Bezüge erscheinen hier jedoch wichtiger, als die Zitiererei an sich.

Susanne Themlitz

Susanne Themlitz

Susanne Themlitz (Foto: W. Schäfer)

Susanne Themlitz (Still: L. Klostermann)

Auch die fantastisch-schwülstigen Strukturen von Andreas Gehlen haben unsere Aufmerksamkeit gewonnen. Die flügelartigen Gegenstände aus Papier, worauf verschiedenes Abbildungsmaterial projiziert wird, ragen aus den Wänden heraus und breiten sich in dem kahlen Speicherraum aus. Sie sind zwar reichlich spektakulär angelegt und ihre Steampunk-Ästhetik kann sie nicht vollständig vor dem Vorwurf einer Effekthascherei retten; ihre visuelle Anziehungskraft, ihr vordergründiger surrealer Charakter sowie Gehlens adäquate Umgang mit dem Raum überwiegen trotzdem in der positiven Bewertung.

Andreas Gehlen

Andreas Gehlen

Andreas Gehlen

Andreas Gehlen (Still: L. Klostermann)

Der verdunkelte Raum von Katharina Wackermann kommt mit weniger special effects aus, ist aber ein Highlight (nein, hier wird nicht versucht, witzig zu sein) der Ausstellung. Wackermann hat ihre zugleich massiven und kristallinen Holzkonstrukten vor künstlichen und natürlichen Lichtquellen platziert und moduliert dadurch den Raum auf faszinierendste Weise.

Katharina Wackermann

Katharina Wackermann (Foto: W. Schäfer)

Dyssomnia – eine Worterfindung, die Unruhe und Störung signalisieren will und auf eine – so Wolfgang Schäfer – unangepasste Ausstellung hinweist. Ob die Kunst, die in diesen Hallen gezeigt wird, sich wirklich zu einem Störfaktor entwickelt sei dahin gestellt. Interessant bis hochwertig ist sie auf jeden Fall.

Oliver Blumek

Oliver Blumek

Oliver Blumek bei der Eröffnung

Oliver Blumek und Wolfgang Schäfer

Dyssomnia- Rauminterventionen
mit Oliver Blumek, Andreas Gehlen, Gereon Krebber, Katharina Maderthaner, Claudia Mann, Lars Rosenbohm, Susanne Themlitz und Katharina Wackermann
HPZ-Stiftung
Ronsdorfer Str. 77a
Ausstellung vom 1.6.2012-29.6.2012
geöffnet Do. bis So. von 14-18 Uhr

Sven Piayda – ‚The Promise Of Absence’ in der Galerie143 in Dortmund

Seit dem 12. Mai zeigt die Galerie143 in der Rheinischen Straße in Dortmund Arbeiten des Medienkünstlers Sven Piayda. Die Einzelausstellung, welche primär schwarzweiße Fotografien und Videoinstallationen präsentiert, ist voll digitaler Manipulation und komplexer Versweise. Was auf den ersten Blick banal anmutet, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als doppelbödiges Verwirrspiel.

Die Galeristin Simone Czech beschreibt die Arbeit mit folgenden Worten “Sven Piayda verspricht in der Ausstellung „The Promise of Absence“ wortwörtlich, dass etwas nicht vorhanden ist. So verzichtet er z.B. auch auf Farbe, die er den Fotografien nachträglich entzogen hat. […] Piayda beeindruckt durch seinen professionellen Umgang mit der Technik, aber vor allem auch durch die Fähigkeit, ein Auge für besondere Situationen oder skurrile Gegebenheiten zu haben. Obwohl Bildelemente regelrecht instrumentalisiert werden, drücken seine Bilder und Videos eine unverkennbare Leichtigkeit aus, denen es an Humor nicht fehlt.“

Die Journalistin Melanie Schäfer fügte in ihrem Artikel hinzu:
“Man kann sich zwar sicher sein, dass Piaydas Bilder immer in irgendeiner Form nachträglich bearbeitet sind, aber in welchem Ausmaß dies geschehen ist, schwankt von einer Arbeit zur nächsten und ist ein Punkt, über den der Betrachter selbst sinnieren muss. Denn auf den ersten Blick wirken die Motive oft nicht manipuliert oder neu zusammengesetzt.

(Bilder via mail, Danke!)

Einer von drei Videomonitoren zeigt u.a. „Again“ und „Equinox“. Insgesamt sind neun Videoarbeiten in der Ausstellung zu sehen.

Begleitend zur Ausstellung hat die Galerie143 einen 40-seitigen Katalog herausgegeben, welcher neben Abbildungen von Stills aller Videos und vertretenden Fotoarbeiten, sowie weitere schwarzweiß gehaltenen Fotografien und begleitende Texte beinhaltet. Die Ausstellung ist noch bis zum 28.07. zu besuchen, ein Artist Talk mit Führung durch die Ausstellung ist für den 07.07.12 geplant.

Sven Piayda – The Promise Of Absence
12.05. – 28.07.2012

Vernissage: 12.05.2012 ab 14 Uhr
Künstlerführung: 07.07.2012 um 16 Uhr und um 20 Uhr
Öffnungszeiten:
Freitag & Samstag: 16 – 18 Uhr und nach Vereinbarung

www.galerie143.de
www.svenpiayda.com

 

 

Evangelos Papadopoulos im Honigbrot

Die raumgreifende Plastik des Bildhauers Evangelos Papadopoulos erscheint durch ihre Ausmaße von über 7 m x 4 m x 4 m und durch seine kristalline und expandierende Gestalt wie eine rauschhafte Schöpfung, die sich rational motivierten, verbalen Deutungsversuchen entsagt. Bei ihrem Entstehungsprozess konnte man zusehen, wie Tag für Tag, Stunde um Stunde, der Raum transformiert wurde uns schließlich selbst zu einem Teil der Kunst wurde. Es wurde hinzugefügt, angeschraubt, abgebrochen, abgesägt und wieder entfernt, wieder aufgetragen.

Papadopoulos kreiste um die Arbeit und betrachtete das entstehende Werk aus den unterschiedlichen Blickachsen und unter jeweils anderen Licht- und Perspektivverhältnissen. Dabei dienten die verschiedenen Beobachtungsposten als feste Bidlauscchnitte, die immer aufgesucht wurden um abgelichtet zu werden, um ein visuelles Gleichgewicht herzustellen und vor dem Auge schließlich das zu erschaffen, worauf es zu warten schien.

Mit der Ausstellung MANIA ist ein plastischer Eingriff entstanden, durch dessen Dominanz in der Erscheinung die Funktionalität des Raumes entkoppelt wird. Die Umgebung wurde vereinnahmt: die geometrischen Strukturen im Raum, der dunkle Betonestrich, die Fenstergliederung, die Farb- und Lichtverhältnisse, aber auch die vielen körperlichen Bewegungen um die Arbeit herum – all diese Raumelemente verweisen im Schattend es Kunstwerks auf ihre bildhaften Qualitäten und die Sicht auf den Raum verlagert sich mehr und mehr von seiner Funktionalität auf die Formsprache.

So treten die malerischen Merkmale des Kunstwerks gemeinsam mit dem Raum und seinem inhärenten Lebensalltag als visuelle Erscheinung hervor und verwandeln sich nahezu in eine dreidimensionale Collage.

Text: Maria Wildeis

Oliver Blumek

Rahmenprogramm:
8.6 um 19 Uhr: Eröffnung mit einer Performance von Oliver Blumek
15.6 um 20 UHr: Screening: Medea von Pasolini, Popcorn und Bier
30.6 um 16 UHr: Lesung aus Platons Phaidros
4.7 um 20 Uhr: Vortrag in Gedichten von Frank Schablewski

 

Evangelos Papadopoulos: Mania
Honigbrot
8.6-8.7.2012
An der Schanz 1a, 50735 Köln-Riehl
geöffnet von Do-Sa, 12-18 Uhr, Fr 12-22 Uhr und nach Vereinbarung

 

 

Franz Schuier im Pretty Portal

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die Bilder und Videoanimationen von Franz Schuier kommen zunächst schön bunt und freundlich daher. Die gleichgroßen Motive seiner Diasec-Serien werden von einfachen geometrischen Formen in symmetrischen Mustern gebildet, deren grelle Farben besonders stark auf dem schwarzen Hintergrund leuchten. Beim ersten Blick wirken sie wie die austauschbaren dekorativen Elemente einer flippigen Tapete oder wie ein visuelles Alphabet, das auf seine Entschlüsselung warten würde. Manche Videos lassen solche Motive in unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen; in anderen animierten Arbeiten mutieren die geometrischen Muster zu beinah psychedelischen Oszillationen, die in den Raum moduliert werden und ihre geometrische Struktur sowie ihre Farbigkeit stets wandeln.

Wenn man an der Oberfläche bleibt, entdeckt man nichts anderes als eine willkürlich zusammengesetzte Reihe von quietschbunten Zeichen mit einem verhängnisvollen Hang zum Ornament. Aber eine genauere und längere Betrachtung lässt etwas wie ein Schema erkennen und, auch wenn hier keine verborgene Struktur zu entdecken wäre, vermutet man eine zugrundeliegende Logik, die die zunächst angenommene Willkür in Zufall transformiert.

 

Schuier kommt aus der Musikszene, war in den 90er Jahren DJ, komponiert aber nur noch auf der Basis von Algorithmen. Der Internetsüchtiger und Informationsfresser (so die Eigenbeschreibung) zitiert in Gespräche Vilém Flusser, webt die Thesen der technologischen Singularität, lässt immer mehr Phänomenen der KI und der Chaostheorie in seine Arbeit einfließen und spürt in unserer Welt die zunehmende Beherrschung des Rauschens in dem sog. signal-to-noise ratio. Die Manipulation des Rauschens und dessen Aneignung mithilfe greifbarer visueller Artefakten – auch wenn diese noch zweidimensional sind (an einer Ausdehnung in den Raum will Schuier übrigens künftig arbeiten).

Die kreierten Motive sind das Ergebnis einer Programmierungsarbeit, in der Zufall und Kontingenz gleichermaßen berücksichtigt werden. Zunächst schreibt Schuier ein Programm, das mit speziellen Parametern gefüttert wird. Diese Parameter bestimmen die Grundeigenschaften der späteren Motive, sowie Form, Farbe und Bewegung, und bilden praktisch eine Art vordefinierte Black Box. In diese Box werden im nächsten Schritt Datensätze eingespeist, die umgewandelt werden und eine erste Gestalt erhalten. Schuier schraubt dann so lange an den Parametern, bis er mit dem Erscheinungsbild der herausgespuckten Datei zufrieden ist. Dabei verwendet er Techniken aus der Musik, setzt Modularsynthesizer ein, reguliert dank Oszilloskopen die Geschwindigkeit der Phasen,  bestimmt den Rhythmus der Überblendungen, etc.

Es ist die Schönheit des Chaos, die Schuier herausfordern möchte. Es ist die Sinnhaftigkeit der Information und die Spielmöglichkeiten des Rauschens, die er in seinen Mustern und Zeichen zum Vorschein kommen lässt. Bei der Hervorrufung dieser künstlichen Welten, spürt er gewiss auch ein wenig das Kitzel der demiurgischen Schöpferkraft: „ Letztendlich arbeite ich wie ein genetischer Ingenieur, sagt er über seine Herangehensweise. Es sind Wesen, die ich schaffe. Diese Wesen bekommen Pinsel und Tools, um sich selbst zu gestalten. Ich programmiere sie, damit sie selbstständig werden; dann entlasse ich sie und lasse mich überraschen“.

 

Diese Haltung ist gewiss nicht neu und wirkt gar als Reminiszenz einer technologisch faszinierten „Fraktal- und Chaoskunst“, die in den frühen 1990er Jahren sich (kurzfristig) anschickte, eine neue Avantgarde zu bilden und die Kunst aus seiner postmodernen, redundanten Sackgasse zu befreien. Die Strategie einer Schöpfung der Natur parallel zur Natur ist also keine Revolution im Kontext einer Annäherung zwischen Kunst und Wissenschaft; sie ist jedoch inb der rheinischen Kunstszene originell und konsequent genug, um hier eine gebührende Anerkennung verdient zu haben.

 

Franz Schuier: Haphazard
Pretty Portal
Brunnenstr. 12
40223 Düsseldorf
01.06. – 29.06.2012

Leon Manoloudakis im Black Chamber

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Den eigenen privaten Raum öffentlich zu machen und mit Kunst und unbekannten Menschen zu füllen ist an sich ein Wagnis. Gefragt nach ihren Motivationen antwortet Tanja Goethe, dass sie die Atmosphäre der Kolloquien sowie die intensive Auseinandersetzung mit fremden Arbeiten seit ihrem Abgang aus der Kunstakademie vermisst. Die ehemalige Trockel-Schülerin, die ihren Abschluss bei Marcel Odenbach machte und selbst an der Schnittstelle zwischen Videokunst und Installation arbeitet, entschied sich also nach Beendigung ihres Studiums, den intellektuellen Austausch in ihren eigenen vier Wänden aufleben zu lassen.

Foto: Tanja Goethe

Seitdem präsentiert sie junge Künstler aus Düsseldorf, Berlin oder Karlsruhe, die in der Regel ihr Studium gerade absolviert haben und noch nicht institutionell vertreten sind. Die Dimensionen des zur Verfügung gestellten Raumes erlauben keine ausufernden Monumentalwerke; von daher hat man hier beinah ausschließlich mit ein-Kanal-Videoinstallationen zu tun. Das Format des Off-Spaces ist privat, reduziert und sehr konzentriert. Es entspricht der Vorstellung einer Nische, in der ein spezielles Medium gehegt und gepflegt wird. Black Chamber steht damit in der Linie jener Liebhaber-Projekte mit gattungsspezifischen Schwerpunkt (zu dieser Kategorie gehört Sebastian Riemers Grafisches Kabinett, das übrigens eine Etage tiefer gelegen ist).

Foto: Tanja Goethe

Für die achte Ausgabe von Black Chamber, hat Goethe Leon Manoloudakis eingeladen. Der Berliner, der zeitweise in Düsseldorf studierte und hauptsächlich skulptural arbeitet, hat immer eine gewisse Affinität zur Welt des Theaters unterhalten. Seine Objekte und Installationen besitzen einen ausgeprägten Bühnencharakter und so werden auch in Gestures das Performative und Schauspielerische in den Vordergrund gebracht. Ursprünglich als Videotriptychon konzipiert, werden in Düsseldorf nur zwei der drei Sequenzen gezeigt – um Überlängen zu vermeiden.

Foto: Tanja Goethe

In einer dieser Sequenz ist eine schwarz gekleidete Frau vor schwarzen Hintergrund zu sehen. Sie lacht und lacht und lacht. Mit variierenden Intensitäten, in unterschiedlichen Tönen und changierenden Stimmungen. Die lange Sequenz erinnert an eine Schauspielübung, in der die Fähigkeiten des Darstellers geprüft werden. Abseits jeder authentischer Expressivität wird hier der Mensch und seine Stimme zum neutralen Träger einer fremdbestimmten und artifiziellen Emotion. Ohne ins Hysterische oder Groteske zu kippen, schafft der forciert künstliche Charakter des penetranten Lachers ein Unbehagen und erinnert ein wenig an der Clow Torture-Piece von Bruce Nauman.

Bild: Leon Manoloudakis

Bei der nächsten Sequenz wiederholt die gleiche Protagonistin den Satz „It’s just a game“ mit derselben Beharrlichkeit (das Video dauert eine halbe Stunde) und schauspielerischen Bandbreite wie bei der Lachperformance. Trotz – oder gerade: wegen – der reduzierten visuellen Präsenz der gesamten Vorrichtung, bekommt diese Stimme eine ganz besondere Bedeutung und füllt das Raumvolumen auf skulpturale Art und Weise. Manoloudakis hat die Schauspielerin bei allen drei Performances präzise dirigiert. Bedacht, die Spannung aufrecht zu erhalten und jede Wiederholung zu unterbinden, hat er die physische Dimension der Stimme unterstrichen und diese in ihren unterschiedlichsten Graduierungen herausgearbeitet – ja, beinah geformt. Wenn ein Bildhauer sich das Medium Video aneignet und eine Verbindung zur Darstellenden Kunst herstellt, kann man sich auf Spannendes gefasst machen. Ein Glück, dass diese Art von Experimenten eine adäquate Raumpräsentation erhält.

 

Leon Manoloudakis: Gestures
Black Chamber
Ackerstr. 39
Die Ausstellung ist auf Anfrage zu besichtigen

Mit krimineller Energie in der Halle 14, Leipzig

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Anything goes – in der zeitgenössischen Kunst scheint prinzipiell alles möglich. Die Freiheit der Kunst wird hierzulande gar durch den Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert. Dass dies leider keineswegs selbstverständlich ist, zeigen die Verhaftungen von Künstlern wie Ai Weiwei in China oder die Festnahmen von Mitgliedern der Voina-Gruppe in Russland sowie von den als Femen bekannten, feministischen Aktivistinnen in der Ukraine. Doch auch in Ländern, in denen die Kunstfreiheit als Grundrecht betrachtet wird, ist die Kunst kein rechtsfreier Raum. Werden die Grenzen des rechtlich Erlaubten überschritten, können auch als künstlerische Aktionen gemeinte Handlungen geahndet werden. Genau diese Schnittstelle von Kriminalität und Kunst möchte die Ausstellung Mit krimineller Energie. Kunst und Verbrechen im 21. Jahrhundert in der Leipziger Halle 14 thematisieren.

Ulla Kartunen: Donna Criminale

„Was bewirken Künstler, wenn sie Tabus brechen, wenn sie repressive Gewalt in reale Aggression verwandeln oder verrückt spielen?“ lautet eine der Fragestellungen des Kurators Frank Motz. In seiner Ausstellung müssen sich nun die Installationen, Objekte, Performances, Videos, Fotografien und Dokumente  von siebzehn internationalen Künstlern auf ihre kriminelle Energie hin abklopfen lassen. Dabei ist diese Ausstellung politisch orientierter Kunst ähnlich wie die diesjährige Berlin Biennale von dem Wunsch nach und dem Glauben an das gesellschaftliche Veränderungspotential der Kunst geprägt: Eine gewisse „verrückte Kreativität“ sowohl bei Verbrechern, als auch bei Künstlern vermutend, möchte Motz mit der Ausstellung erkunden, ob „kriminelle Künstler und künstlerische Kriminelle unser Sein „nutzbringend“ verändern, ihre unkonventionelle Haltung Freiräume öffnen und Überkommenes unterwandern“ können. Kunst mit Anspruch also – aber inwiefern haben sich die in der Ausstellung vertretenen Künstler wirklich  in die Illegalität begeben?

Brock Enright Kidnapping Service

Zwar führt der Amerikaner Brock Enright mit seiner 2002 gegründeten Agentur Videogames Adventure Services sogenannte „Ordeals“, d.h. in diesem Kontext Auftragsentführungen durch, doch werden diese „Designer-Kidnappings“ stets auf den ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin veranlasst.  Bei inzwischen über 100 gebuchten Entführungen konnten sich die sensationslüsternen Sammler dem Künstler ausliefern und sich nach Belieben fesseln, knebeln und foltern lassen. >Fightamin´s Records<, eine der aktuellsten von Enrights Aktionen, wurde am 28.4.2012 in Brooklyn umgesetzt und live nach Leipzig übertragen.

Ulla Kartunen: Donna Criminale

Ulla Kartunen: Donna Criminale

Die raumgreifenden Installation Donna Criminale: Capitalism as Religion – Market Criticism as Crime der finnische Künstlerin Ulla Karttunnen soll als Reaktion auf den Skandal, den ihre auf erotischen Internetbildern basierende Installation Virgin Whore Church 2008 in Finnland ausgelöst hatte, verstanden werden. Nicht nur musste die als Kapitalismuskritik gemeinte Installation von 2002 abgebaut werden, auch wurde Karttunnen der Kinderpornographie beschuldigt und vor Gericht verklagt. Donna Criminale besteht aus verschiedenen Komponenten wie z.B. einem von der Decke baumelnden Hochzeitskleid welches zum Boden hin in ausgerollte Toilettenpapierrollen mündet, einer mit blutrot angesprühten Hygienehandschuhen bestückten Wäscheleine, auf dem Boden ausgelegten schwarzen Müllbeuteln, in die kleine Gemälde eingebettet sind sowie einer großformatigen Plakatreihe. Mit dem Werktitel bezieht sich die Künstlerin auf den italienischen Arzt, Psychologen und Gerichtsmediziner  Cesare Lombroso, der Ende der 1870er Jahre mit seiner mehr als zweifelhaften Theorie vom „geborenen Verbrecher“ und der Behauptung, dass Verbrecher anhand körperlicher Merkmale zu erkennen seien, die Tätertypenlehre begründete. Nicht ganz schlüssig ist Karttunnens Anliegen, durch die Verwendung von Putzmaterialien auf das Elend der Putzfrauen aufmerksam zu machen, die ihr als „Prototyp eines sprachlosen, sozial niedrig gestellten und in den Augen der Gesellschaft fehlgeschlagenen Bürgers“ erscheint.

Ulla Kartunen: Donna Criminale

Dorota Alicja Nieznalska: Jewellery

Auch wenn Dorota Alicja Nieznalska ebenfalls in einen Kunstskandal verwickelt und 2002 wegen ihrer Arbeit Pasja in Polen wegen der Verletzung religiöser Gefühle angeklagt (und 2010 freigesprochen) wurde, begibt sie sich mit ihrer glamourös glitzernden Dornenkrone oder dem platt provokativem, aus Swarovskisteinchen zusammengesetzten Hakenkreuz aus ihrer Reihe der Jewellery Arbeiten nicht auf gefährliches Terrain.  Ebenso harmlos ist Florian Göttkes Fotocollage Me and Saddam, bei der Menschen zu sehen sind, die neben einer Madam Tussauds Wachsfigur Saddam Husseins posieren.

Florian Göttke: Me and Saddam

Unter die Haut gehen allerdings Anna Odells Videoarbeiten Unbekannt, Frau 2009-3409701(Die Brücke) und  Unbekannt, Frau 2009-3409701(Das Geständnis). Sie dokumentieren, wie die Künstlerin scheinbar verwirrt und suizidgefährdet, mitten im Winter nur leicht bekleidet auf einer Stockholmer Brücke herumläuft und durch den Anruf von Passanten in die Psychiatrische Notaufnahme der St. Göran Nervenheilanstalt eingeliefert, mit Medikamenten versorgt und am Bett fixiert wird. Mit ihrer Aktion wollte Odell wohl im Sinne Michel Foucaults das Konzept der Psychiatrie hinterfragen. Dass der sie behandelnde Arzt Odell jedoch anzeigte als er erfuhr, dass es sich um eine Kunstaktion handelte, ist ihm, der täglich Verantwortung für seine Patienten übernehmen muss, nicht zu verübeln.

 

Der mexikanische Künstler Antonio Vega Macotela arbeitete für das >Time Exchange<-Projekt mit echten Kriminellen zusammen und machte Tauschgeschäfte mit Gefängnisinsassen. Zwischen 2006 und 2011 nahm er Kontakt zu 350 Häftlingen auf, die Aufgaben für ihn ausführen sollten. Im Gegenzug dazu ging Macotela zum Beispiel mit der Mutter eines Insassen tanzen oder bat Familienmitglieder im Auftrag der Häftlinge um Vergebung.

Adolfo Kaminsky

Zwar waren die wenigsten der in der Ausstellung vertretenen Künstler mit tatsächlich krimineller Energie am Werk, doch ist es spannend, dass mit einem dokumentarischen Verweis auf Adolfo Kaminsky einer der bekanntesten Dokumentenfälscher des 20. Jahrhunderts Eingang in die Schau gefunden hat. So werden in der Ausstellung Fotos und Bücher zum Lebenswerk des Mannes gezeigt, der über 25 Jahre lang im Untergrund gelebt und der sowohl Papiere für während der NS-Zeit verfolgte  Juden, den spanischen Widerstand gegen die Franco-Diktatur oder den Freiheitskampf der Schwarzen in Südafrika gefälscht hat und der über seine Vita sagt: „Es ist ein Leben außerhalb des Gesetzes, aus einem einfachen Grund: um Menschenleben zu retten. Aus Notwendigkeit.“

 

Mit Arbeiten von:

Lourival Cuquinha (BR), Nathalie van Doxell (FR), Brock Enright (US), Florian Göttke (DE), Adolfo Kaminsky (FR), Ulla Karttunen (FI), Oleg Kulik (RU), Antonio Vega Macotela (MX), Teresa Margolles (MX), Ivan Moudov (BG), Dorota Alicja Nieznalska (PL), Anna Odell (SE), Christian Gottlieb Priber (DE), Nedko Solakov (BG), Adam Tellmeister (CH), Avdei Ter-Oganian (RU), Trummerkind (US)

 

HALLE 14
Mit krimineller Energie – Kunst und Verbrechen im 21. Jahrhundert
 28. April bis 29. Juli 2012
Leipziger Baumwollspinnerei
Spinnereistr. 7
04179 Leipzig
office@halle14.org
fon +49 341 492 42 02
fax +49 341 492 47 29
Öffnungszeiten:
Di-So, 11-18 Uhr

Inventur im Kunstraum Unten in Bochum

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

Im April haben wir den ersten Blick nach Bochum gewagt. Anlass war der Besuch im Projektraum Rottstr. 5 und ein Gespräch mit dem dortigen Kurator Georg Mallitz. Bei der nachfolgenden Recherche im Netz war uns dann auch schon mal der Kunstraum Unten aufgefallen – der erste Kontakt kam, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, wie mittlerweile so oft über Facebook zu stande.

Vergangenen Freitag (01.06.) Abend waren dort die beiden Düsseldorfer Künstler Daniel Dwyer und Matthias Danberg zu Gast. Matthias Danberg, geboren 1981 in Bochum, begann 2002 das Studium der Kunst und Philosophie an der Universität Dortmund und wechselte 2003 an die Kunstakademie Münster wo er dann 2007 Meisterschüler bei Michael von Ofen wurde.
Der etwas jüngere Daniel Dwyer wurde 1984 in Essen geboren. Ab 2005 studierte er „Freie Kunst“ an der Kunstakademie Münster und wurde 2010 Meisterschüler bei Klaus Merkel. Seit 2011 studiert er an der Kunstakademie Düsseldorf bei Marcel Odenbach.

Unter dem Titel „Inventur“ zeigen die beiden aktuelle Arbeiten, in denen sie nach eigenen Aussagen „in medialer und inhaltlicher Symmetrie, aber künstlerischer Individualität, in Videos und Drucken die Gültigkeit der Mythen einer postmodernen Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist“ untersuchen. Anstatt sich dabei ausschliesslich auf die klassischen Medien der Malerei, Skulptur und Graphik zu verlassen, beziehen Dwyer und Danberg die neuen digitalen Medien als Mittel ihres künstlerischen Ausdrucks in ihre Arbeit ein.

Beide nutzen als bildgenerierende Verfahren 3D-Modeling-Software, die üblicherweise von Architekten, Ingenieuren, Designern oder Filmemachern eingesetzt wird. Mit Hilfe dieser Werkzeuge erstellen sie ihre Charakter und Lokationen virtuell am Computer und animieren sie schließlich, um dann aus einigen tausend gerenderten Einzelbildern – vergleichbar einem klassischen Zeichentrickfilm- ihre Kunstfilme entstehen zu lassen.

Die Ästhetik der schwarzweissen, computergenerierten Bilder lässt sowohl Assoziationen zu Fritz Langs Metropolis, als auch zu zeitgenössischen Produktionen wie etwa Walt Disneys Kitschproduktion Tron zu, und stellt somit eine direkte Verlinkung zwischen den bildgewaltigen Hollywoodproduktionen unserer Tage und den Anfängen der Trick-Filmgeschichte her.

Dabei gelingt es durchaus eine Bildsprache zu entwickeln, die eigenständig funktioniert und die sich von der visuellen Dominanz der Computertechnolgie zu emanzipieren weiß. Die Kombination aus Graphikeditionen und ausgewählten Videostills können Überzeugen, der Blick auf die feinen Umrißzeichungen wirkt wie der Blick hinter die Kulissen der naturgemäß antiseptischen, künstlich reinen 3D-Renderings.

Eventuell einziger Wehrmutstropfen der Ausstellung ist der Rückgriff auf das klassische Medium der Fotografie und die finale Präsentation der Bilder als gerahmte Drucke. Auf diese Weise kommt die ganze Ausstellung trotz des avancierten Ansatzes der beiden Künstler, dann doch vergleichsweise klassisch daher. Denn beim Blick auf die Präsentation wird sofort deutlich, diese Arbeit will trotz allem Experimentierens mit den neuen Medien Kunst sein, und vor allem will sie sich als solche klar zu Erkennen geben. Dabei handelt es sich im übrigen um ein durchaus legitimes Anliegen, untersuchen beide Künstler in ihren Videos und Drucken doch eben primär „die Gültigkeit der Mythen einer postmodernen Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist“ und nicht die Probleme und Chancen der Künste mit den digitalen Medien.
Dennoch verweist das Projekt als Ganzes eben auch auf das brisante und hochaktuelle Grundproblem der Vermittlung von künstlerischen Projekten, die sich mit den Möglichkeiten der digitalen Werkzeuge auseinander setzen. Denn die latent mitschwingende Frage lautet auch hier, wie sollen nun Künstler und Publikum mit den verlustfrei reproduzierbaren Artefakten des digitalen Zeitalters umgehen?

Alle Bilder Matthias Dannberg & Kunstraum Unten

Matthias Danberg, Daniel P. Dwyer
Inventur – Grafik und Videoanimationen

Ausstellungsdauer
01. Juni – 30. Juni 2012

Öffnungszeiten
Do und Fr  15:00 – 18:00 Uhr
und nach Vereinbarung

Weitere Informationen
www.kunstraum-unten.de

Ian Wallace bei Volker Bradtke

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Dass die Legende der konzeptuellen Fotografie, die die kanadische Kunstszene der 60er und 70er Jahren prägte und Referenzen wie Jeff Wall oder Stan Douglas ausbildete, sich auf eine Ausstellung in dem kleinen Raum auf der Birkenstraße einlässt, mag zunächst erstaunen. Aber nach der Präsentation von (relativen) Größen wie Keren Cytter oder Mark Lewis, muss man sich hier nicht mehr wundern. Adam Harrison, einer der drei Köpfe von Volker Bradtke, hatte wieder seine Finger im Spiel: Wie Wallace stammt Harrison aus Vancouver und hat bei seinem Mitbürger wohl gute Überzeugungsarbeit geleistet.

Der fotografische Ansatz von Ian Wallace ist zwar streng konzeptuell, jedoch nie vollständig von sinnenhaften Komponenten befreit. Das Anekdotische findet hier seinen Platz neben dem medienkritischen und autoreflexiven Diskurs. Zur grundsätzlichen Befragung der Realität, bzw. der Bildrealität, wendet der Künstler diverse Strategien an, wie die Dekontextualisierung von Bildelementen (meistens durch Cut und Paste), das irritierende Wiederaufgreifen von Motiven in verschiedenen narrativen Kontexten und die Sichtbarmachung der technischen und sozialen Bedingungen der Rezeption von Fotografie. Dieser dekonstruierende Impetus kommt jedoch – wie eine vergangene Ausstellung im Kunstverein Düsseldorf gut gezeigt hat – selten trocken und schulmeisterlich daher, sondern entfaltet teilweise eine mitunter schmeichelnde formelle Vielschichtigkeit.

Die Ausstellung bei Volker Bradtke besteht aus zwei Arbeitsblöcken. Ersterer ist schnell erfasst und überrascht nicht besonders, ja, ist in seiner konzeptuellen Arglosigkeit sogar ein wenig enttäuschend. Eine Ausgabe des Sterns wurde auseinander genommen, jedes Blatt an die Wand gehängt und nach Wallaces Anweisungen aneinander gereiht. Diese Ausbreitung der Zeitschrift bewirkt eine Entfaltung des DIN A4-Objektes in der Fläche, kehrt sozusagen die Vertikalität seiner Struktur in eine Horizontalität um und verwandelt die lineare Zeitdimension seiner Wahrnehmung in eine simultane Erfassung. Hier scheint man an die historischen Wurzeln der Concept Art zurück gekehrt zu sein – und in der Tat ist die Arbeit bereits 1970 entstanden.

Im Nebenraum erweist sich der zweite Arbeitsblock deutlich komplexer und spannender. Hier hat Wallace mittelgroße Scans seiner, in den Jahren 1969 bis 1971 realisierten Fotografien nach einer klar vorgegebenen Ordnung hängen lassen. Die Bilder scheinen aus der Hüfte geschossen zu sein; es sind offenbar wahllos entstandene Straßen-Aufnahmen, teilweise vom Beifahrersitz eines Autos aus, oder zufällige und nichts-sagende Schnappschüsse der anonymen Menge eines Kaufhauses. Die Motive sind nicht komponiert, schlecht kontrastiert und, in ihrer erzählerischen Laschheit, irrelevant. Es sind beliebige Auszüge aus einer urbanen, westlichen Realität, die es an sich nicht verdient haben, näher betrachtet zu werden.

Ian Wallace verschiebt die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters von den an sich unbedeutenden Motiven auf die Modi ihrer Vervielfältigung. Er überträgt das analoge Material in einer digitalen Fassung und schafft, wie in der Malerei üblich, Wiederholungen der eigenen Oeuvre. Dabei forciert er die Sichtbarkeit der vielfachen Versetzungen und Transformationen, die dieses Prozess begleiten. Weil das gescannte Bild nicht genau auf das Scannerbett passt, wird die Struktur des Papiers sowie die Materialität der Maschine wahrnehmbar. Die Körnung und Knicke des Papiers werden in die Komposition integriert und die im Hintergrund mitgescannte Klappe des Geräts, als besonders leuchtende weiße Fläche hervortretend, wird zum Bildelement gemacht.

Das Prinzip des Remix ist, wie bereits erwähnt, eine Konstante bei Ian Wallace. Und auch hier nutzt er das Selbst-Zitat als Ausgangspunkt einer Reflexion zur Originalität des Kunstwerkes und zur Veränderung seiner Natur im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Nun – Walter Benjamin konnte zwar die digitale Entwicklung der Fotografie nicht vorahnen; möglich ist aber, dass er bei dieser Re-Auratisierung des Bildes ins Grübeln kommen würde. Die Logik der technologischen Übersetzung analog-digital sieht eigentlich vor, eine dinghafte Rohmaterie in eine abstrakte Datei zu verwandeln. Aber Wallaces Arbeit besitzt die paradoxale Eigenschaft, das Original in einer reinen Information zu machen und die materiellen Eigenschaften und sinnlichen Komponente dieses Originals in seiner Wiederholung zu unterstreichen. Das Trompe-l’oeil wird also gleichzeitig produziert und entlarvt. Das vielschichtige Bild, konstruiert nach einem zu entschlüsselnden Matruschka-Prinzip, gewinnt an Tiefe, Komplexität und, last but not least, Faszinationspotenzial.

 

Ian Wallace
Volker Bradtke
Birkenstr. 128
19.5-17.6.2012
geöffnet Samstags

World of Paste-ups in der Brause

Vom 1.6. bis zum 1.7. zeigt die Brause aka Metzgerei Schnitzel unter dem Titel World of Paste-ups internationale Posterkunst. Zu sehen gibt es Paste-ups und Poster von Künstlern aus aller Welt, die eingesendeten Arbeiten hängen Metzgerei-Schnitzel-typisch, wild collagiert und einigermaßen unpretentiös an den Wänden des Kunst- und Kulturverein in Friedrichstadt.
Wir waren auf einen Sprung dort und haben ein paar Bilder der Vernissage mitgebracht.

Die Ausstellung ist offen kuratiert, jeder der es geschafft hat ein Poster zu falten und unter dem Stichwort: World of Paste-ups an die Metzgerei Schnitzel e.V. zu senden war dabei.
Gelungen ist das offensichtlich Amelie van de Kat, Anna Nwaada Weber, B., Bartotainment, Bädboy, Becker Rap, Bird is the word!, bld, Christian Bartelt, CREM´S, CRIN, Decycle, Destroy, Dustin Stupp, ESSEGEE.FRA, i am Gipsy, Inken Heske, JASE 34, Killa Kontrovers, Klappstuhl, kurznachzehn, Leni Chu, L.E.T., Lütze, M. Amarant, Majo Brothers, Max, Mittenimwald, MOH one, Mono Lisa, NOIR, Oldhaus, Printkind, Quint, Reflect, Rofu, Sadam, SOE 05, Tarkinson, Theo P., Tomsk 7, Tona.

World of Paste-ups
vom  1. Juni bis 30. Juni 2012

Brause / Metzgerei Schnitzel Kunstverein e.V.
Bilker Allee 233
40215 Düsseldorf
https://www.facebook.com/brause.metzgereischnitzel

Reichrichter in der Boutique

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Verlust als Antrieb und als System. Am Anfang verlor Marcus Vila Richter die Stimme. 1996 realisierte der Künstler eine Serie von Interviews in Barcelona und befragte Kunden des Cafés „Zürich“ nach ihrer Wahrnehmung des Ortes. Das Café Zürich war so etwas wie eine Institution in der Stadt, ein Synonym des stilvollen Genusses und der gepflegten Tradition, eine kulturelle Landmarke, fest verankert in dem Barcelona Alltag. Es entstand eine Reihe von kurzen Porträts, in denen die Bindung der Gäste zur Gaststätte deutlich wurde. Vielleicht war in diesen Aussagen auch ein wenig Melancholie heraus zu hören. Das Ende des Cafés „Zürich“ war nämlich zum Zeitpunkt der Interviews beschlossene Sache; wenige Tage später wurde es abgerissen.

Dies war nur der erste Verlust. Die Tonspur der Aufnahme ging nämlich auch verloren. Die Sprache, die in diesem Fall als hauptsächliches Medium der Bezeugung und der Informationsvermittlung fungierte, löste sich im digitale Äther auf und beraubte somit dem Film seinen dokumentarischen Charakter. Das stumme Material blieb viele Jahre lang in der Schublade von Richter liegen. 2008 kehrte der Künstler mit seiner Frau Rebekka Reich nach Barcelona zurück und befragte Passanten zu ihren Erinnerungen an das alte „Zürich“. Eingebettet in eine Shopping Mall war zwar am gleichen Standort ein neues Café mit gleichen Namen entstanden, aber die charmante Atmosphäre war für immer gewichen. Manche der eingefangenen Stimmen waren voller Sehnsucht nach dem verstorbenen Café, andere haderten mit der Erinnerung – Gedächtnisschwund als dritte Verlustebene.

Diese Stimmen wurden jedenfalls auf die Gesichter von 1996 montiert; und zwar technisch so perfekt, dass die Lippen sich synchron zu den gesprochenen Wörtern zu bewegen scheinen. Die akribische und kleinteilige Schnittarbeit, die die sieben Minuten Videomaterial benötigten, hat mehrere Monate gedauert und erweist sich als eine obsessive und wahnwitzige Leistung. Der chirurgische Eingriff schafft aber die erstaunliche Illusion einer teilweise perfekten Kongruenz zwischen Bild und Ton – eine Kongruenz, die, selbstverständlich, vom Rezipient selbst produziert wird. Es entsteht ein verwirrendes Kontinuum aus gestrigen Aussagen und heutigen Bildern (oder war es umgekehrt?), die den Fortbestand der Erinnerung im digitalen Zeitalter sowie die angebliche Linearität der wahrgenommenen Zeit infrage stellen.

Neben diesen manipulierten Zeugenaussagen werden immer wieder kurze Sequenzen eingefügt, die die Reflexion über Zeit, erinnerte Vergangenheit und konstruierte Gegenwart um eine poetische Ebene bereichern. Die Choreographie der „Zürich“-Kellner wird eingefroren und erstarrt in einer unwahrscheinlichen Vergangenheit; die Bewegungen und Ausdrücke der Gäste verlangsamen sich und verhallen und am Ende fährt die Rolltreppe zurück. Orte und Worte sind verschwunden, was bleibt sind Bilder. Diese kurzen und sprachlosen Momente sind wertvoll, weil sie mit dem herrschenden konzeptuellen  Rahmen von Zürich brechen und eine intuitive und offene Bildsprache entwickeln, die sich ausgleichend auf das ganze Video auswirkt.

Für ihren Anstand als Künstlerpaar haben Rebekka Reich und Marcus Vila Richter eine tiefsinnige, doppelbödige Arbeit konzipiert, die eine gelungene Synthese aus experimentellen Video, Dokumentarfilm und atmosphärischer Erzählung bildet.

 

Reichrichter: „Zürich“
am 25 und 26.5.2012
Boutique
Ebertplatzpassagen
50668 Köln

Occupy Biennale in den Kunst-Werken Berlin – Teil II

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Haben die Süddeutsche, die Zeit und die FAZ bereits alles (Schlechtes) über die Biennale in Berlin geschrieben? Und muss man wirklich seinen Senf hinzutun? Ja, muss man. Wenn man die bereits formulierten Kritiken nicht wiederholt und sich aus einer klar definierten Perspektive artikuliert, ist das Anliegen durchaus legitim. perisphere hat noch eine Wortmeldung. Und unsere Perspektive ist nicht die einer albernen Debatte um die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst (Süddeutsche) und nicht die einer retrograden Disqualifizierung der Handlungsästhetik zugunsten des Objekts oder des Bildes (FAZ); unser Standpunkt ist nicht der einer Wiedereröffnung des Kampfes um die Zweckfreiheit, bzw.  Zweckmäßigkeit der Kunst mit obsoletem Rückgriff auf Kant (Die Zeit) oder aber der einer Infragestellung der intellektuellen Eindimensionalität der Occupy-Akteure (FAZ). Vielmehr wollen wir wissen, warum das notwendige und unbedingt richtige Konzept des Kuratorenteams um Adam Zmijewski so kläglich gescheitert ist.

Um die Stellungnahme nicht ausarten zu lassen und präzise zu operieren, werden wir uns hier auf die Biennale-Station in den Kunst-Werken beschränken. Der Ort gilt als Herz der Veranstaltung und ist mit Sicherheit ihre interessanteste – weil problematischste – Station. Was da zu sehen ist, war schon den letzten Beitrag zu entnehmen: Die ständige Inszenierung einer Revolte.

 

Der Kubus der Kunst-Werke hat sich in ein Theaterfundus verwandelt. Hier liegen oder hängen die Requisiten, die für ein politisches Stück verwendet wurden. Es sind Transparente und Plakate, bemalte Pappkartons und diverse Objekte, die bei vergangenen Demos in die Luft emporgeschwungen wurden. Entladene Kampfwaffen, die in diesem Raum ihre Bestimmung verloren haben. Sprüche wie „Power to the People“ oder „Um Europa keine Mauer“ sind direkt an die Wände gesprüht worden. Info-Material zu den aktuellen Aktionen werden auf kleinen Podesten oder in Leseecken zur Verfügung gestellt. Ganz hinten ist ein militärisches Zelt als Sleeping Stage aufgebaut. Und im Hinterhof ist so etwas wie ein autonomer Garten angelegt worden. Zur Selbstversorgung? Zur Verschönerung?

Ein paar barfüßige, tätowierte und bärtige Aktivisten in schwarzen Streetwears bespielen dieses Stück. Ein linker Nerd frickelt an einem Notebook herum. Zwei schuljunge Franzosen sprayen in einer Ecke Parolen und Aufrufe auf Fahnen. In einem abgetrennten Teil des Raumes hält Jemand einen Vortrag zu den Unterschieden zwischen Realkapital und Finanzkapital. Einige hören zu. Eine Schönheit im Designerkleid betritt die Piano Nobile, zwei hochwertige Einkaufstaschen über der Schulter, gleitet eine Etage tiefer und dreht ein paar Runden wie eine Prinzessin im Affenkäfig. Und dazwischen latscht immer wieder der typische Biennale- und Documenta-Besucher hinein – zu denen ich ja auch gehöre – und beschäftigt sich ernsthaft mit dem dargelegten Stück.

Hier also haust, arbeitet, kommuniziert und diskutiert eine gemischte Einheit der internationalen Occupy-Bewegungen. Die Kunst-Werke sind praktisch zum Think-Tank, Informationsstelle und Werkstatt des dezentralen Widerstandes gegen das Kapital geworden. Dabei ist die formulierte Kritik höchst heterogen – Syrien, der Irak, Griechenland und der Prenzlauer Berg sind dessen geographische Eckpunkte; Spekulanten, Diktatoren und liberale Politiker dessen Zielscheiben; die Lage der Frauen in Russland, der Kinder in Afrika oder der Proletarier aller Länder sind dessen Themen.

Und wie sieht es aus? – weil darum geht es auch, doch, doch… Nicht sehr gut sieht es aus. Die Visualisierung des großen Stücks ist nämlich nicht von Künstlern sondern von linken Autonomen und Globalisierungsgegnern konzipiert worden. Und diese wissen bestimmt, wie eine Handlung erfolgreich durchgeführt wird, aber nicht wie ein Bild dieser Handlung ästhetisch funktioniert. Und, auch wenn das Kuratorenteam der Biennale es naiverweise nicht wahrhaben will, ist das, was in dem Kubus produziert wird, in erster Linie ein Bild – und keine Handlung.

Wenn man die Situation in den Kunst-Werken (ich will nicht von einer Ausstellung sprechen) tatsächlich mit einem Theaterstück vergleichen will, müsste man den Regisseur und den Bühnenbildner feuern. Nicht weil sie den Raum nicht in Griff bekommen hätten – im Gegenteil: die Strategie des Open Spaces mit einzelnen Themeninseln, die mal aktiviert werden, mal ruhen, ist gelungen; und auch die Fülle an Bildern und Textmaterial, die scheinbar ohne großen Sinn für die Gesamtkomposition verstreut wurde, besitzt einen gewissen Reiz. Aber der Umgang mit Requisiten (mit Reliquien?) ist hier höchst problematisch – und auch die Akteure wirken eher peinlich.

In einem Einleitungstext der Biennale-Zeitung, schreibt die Kuratorin Joanna Wasza: „Wir arbeiten mit Mitgliedern von Indignados, Democracia Real YA, Occupy Berlin, Occupy Frankfurt, der Bewegung 15M in Barcelona und mit den Künstlern von Occupy Amsterdam, die ihre Ateliers aufgaben, um ein Zelt im Camp in der Mitte aufzuschlagen… Indem wir Kollektive einladen, die zum jüngsten ideologischen Umbruch beigetragen haben, und ihnen die Ausstellungshalle der KW als Vertretung überlassen, unternehmen wir eine Unterbrechung im business as usual – um uns selbst zu befragen wie auch die gegenwärtige Politik und unsere gemeinsame Rolle in dieser. Wir setzen Performativität als Mittel ein und treten der gängigen Ansicht entgegen, alles, was im Kunstraum stattfindet, sei per Definition fake und ohne Wirkung“.

Und genau da liegt m. E. der Krux der Situation in den Kunst-Werken: Der (von den Kuratoren ungesteuerte) Umgang mit den höher beschriebenen Requisiten, sowie die unwillkürliche Zurschaustellung der Occupy-Akteure machen aus einem relevanten politischem Statement eine lumpige Inszenierung. Was haben eigentlich die Plakate vergangener Demos im Kunstraum zu suchen? Wozu diese pubertären Sprüche an den Wänden? Muss sich der Aktivist wirklich von so viel Krimskrams umgeben? Und hätte eine auf das nötigste reduzierte Kommandozentrale ihren Zweck nicht erfüllt? Die Organisation und die Vermittlung des Widerstandes braucht kein überflüssiges Ornament. Diese Stilisierung einer revolution on progress kippt rasch ins Manierierte, ja ins Kitschige.

Die in dem Raum ausgebreiteten Objekte erhalten ihre Legitimierung auf der Straße. Da sind sie stark, da finden sie ihren richtigen Raum, da entfalten sie ihr ganzes Potenzial. Im urbanen Kontext werden diese Transparente und Plakate zu frechen, humorvollen, vordergründigen, bewegten und bewegenden Kunstwerken. Ausgebreitet in den Kunst-Werken, verkommen sie zu unansehnlichen Reliquien, zur Illustration des rebellischen Geistes. Die gepflegte Sperrmüll-Ästhetik, diese Selbstverliebtheit für das schnelle Zusammengeschusterte ohne Rücksicht auf Materialqualität, wirkt letztendlich nur kontraproduktiv.

Manch einer wird an dieser Stelle vehement behaupten, dass es sich hier nicht um Ästhetik, sondern um Authentizität handelt – was alles deutlich schlimmer macht. Dass die erwähnten Zelte von echten Menschen bewohnt werden, die in Berlin Mitte ihre reale Kommandozentrale errichtet haben und von hier aus reale Aktionen planen oder an weiteren realen Requisiten arbeiten, macht die Sache noch problematischer. Die vom Bund subventionierte Organisation der Revolte ist nicht besonders authentisch. Der Charme der Werkstatt, mit einem Touch von Revolutionärem, wird hier partout herbei beschwört. Wie in touristischen Künstlerateliers in Südfrankreich erlebt der Besucher hautnah echte (Lebens)-Künstler bei der Arbeit. Besser: Sie können zuschauen, wie diese essen, schlafen und miteinander kommunizieren. Nun wären wir im Zoo angekommen. Völlig ungeklärt ist also das Verhältnis zwischen Inszenierung und Anspruch auf Authentizität, Real-Life-Setting und Zurschaustellung der Realität.

Die vage, ungelöste und unreflektierte Spannung zwischen dem Leben und ihrer bühnenreifen Präparierung macht aus einer gutgemeinten Aktion eine exhibitionistische Show, deren gesamter politischer Hintergrund unglaubwürdig geworden ist. Das von Zmijewski angekündigte „Verfahren zur Gestaltung von Politik“ hat nicht stattgefunden.

 

Berlin Biennale
27.4.-1.7.2012
Kunst-Werke
Auguststraße 69
Di – So 12 – 19 Uhr
Do 12 – 21 Uhr

Frank Bölter parkt sein Pappauto in Köln Nippes

Stefanie Klingemann und Diane Müller haben im April diesen Jahres in Köln Nippes das 10qm Projekt ins Leben gerufen. In den folgenden Monaten werden dort Uschi Huber, Anja Kempe, Stefanie Klingemann, Katerina Kuznetcowa und Alexander Edischerow, Diane Müller, Michael Pohl, PUPLIK.ORG, Peter Schloss und Thomas Woll jeweils am letzten Freitag im Monat mit eigenen Beiträgen aktiv und zu sehen sein.

Mit einer, speziell für den Ort entwickelten, Arbeit des in Köln lebenden Künstlers Frank Bölter startete die Projektreihe am Freitag den 27. April 2012. Bölter stellt wunderbar skurile und wirklich sehr große Arbeiten aus Papier her, mit denen er im öffentlichen Raum experimentiert. Ein Blick auf seine Webseite lohnt sich definitiv, mein persönlicher Favorit ist derzeit das Wellpapphaus.

Das Wellpapphaus Savoir vivre

von Frank Bölter „ist die Kopie des Wohn-und Siedlungskonzeptes der Bau- und Siedlungsgenossenschaft für den Kreis Herford e. G. (B & S Bünde) “Haus Alpha” aus Wellpappe. Das Wellpapphaus ist die Erfüllung des allgemeinen Einfamilienhaustraumes ohne die Last der Verschuldung auf Lebenszeit und ermöglicht ein wieder entdecken von Bau- und Wohnkultur innerhalb eines gängigen Einfamilienhaus-architekturkonzepts.“

Und das Auto zum Haus

Im Rahmen des 10qm-Projekts hat Bölter nun das passende Auto dafür gebaut und am 27.4. in Nippes geparkt.

(fotos via mail, danke!)

Weiter geht es übrigens am Freitag den 25. Mai um 18 Uhr mit der Installation „Spiegel für einen Helden“ des in Köln lebenden Künstlerduos Katerina Kuznetcowa & Alexander Edischerow.

10qm
Florastraße/ Ecke Kuenstraße
Köln Nippes

Jeweils am letzten Freitag im Monat um 18 Uhr
www.10qm.de

 

Merle Forchmann bei damenundherren

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Zahlreiche Artikel oder TV-Reportagen haben bereits darüber berichtet, nun findet das Thema eine künstlerische Verarbeitung: Die Umsiedlung eines ganzen Ortes – Otzenrath, bei Jüchen – ist Gegenstand einer Fotoserie von Merle Forchmann. Seit Dekaden weitet sich dort das Abbaugebiet Garzweiler unaufhörlich aus und schluckt stetig neue Landschaftszüg. Dass wertvolle Biotopen, denkmalgeschützte Gebäude oder Menschen sich auf dem begehrten Gelände befinden, spielt keine Rolle. Sie haben zu weichen. Einmal abgesehen von der ökologischen Irrelevanz des gesamten Projektes, lässt der Brennwert der in Garzweiler abgebauten Kohle zu wünschen übrig. Trotzdem scheint sich der Aufwand einer Umsiedlung für den Tagebaubetreiber Rheinbraun und für RWE zu lohnen. Diese Umsiedlung hat Forchmann in Otzenrath begleitet.

Alles fing für sie eher unspektakulär an: Während ihrer Ausbildung zu Fotografin erhielt sie die Aufgabe, Aufnahmen des Ortes zu realisieren. Aus einer Übung wurde ein einjähriges Projekt, das die Grenzen der klassischen Fotoreportage sprengt. Die Künstlerin hat sich regelmäßig mit den Otzenrathern getroffen, hat mit ihnen gesprochen, sich die Geschichten der Enteignung aus verschiedenen Perspektiven angehört. Ist zu verschiedenen Zeitpunkten durch die Straßen gegangen um die Umgebung zu inspizieren. Hat verfolgt, wie aus einem lebendigen Dorf eine gespenstige Kulisse wurde. Daraus ist eine knappe Reihe von ca. 15 Motiven entstanden.

Es sind die letzten Einwohner des Ortes, die hier porträtiert werden. Diejenigen, die sich noch nicht in Neu-Otzenrath eingerichtet haben – und sich nicht mit den neuen Umständen abfinden wollen. Nein-Sager und Widerstandkämpfer in eigener Sache. Diese Menschen stehen in ihren Häusern und warten auf die Abrissbirne. Das Prekäre ihrer Situation ist dabei nicht sofort erkenntlich. Die Porträts könnten etwas Heroisches bewirken; sie könnten aber auch im Gegenteil das Zerbrechliche und Dramatische der Situation unterstreichen. Forchmann entscheidet sich aber für einen dritten Weg; sie nimmt den unaufgeregten, zugleich distanzierten und menschlichen Weg. Ohne viel Pathos behaupten sich diese letzten Bewohner, mal stolz und entschlossen, mal leicht desorientiert und unsicher, in ihrer natürlichen Umgebung. Sie sehen aus wie meine und deine Nachbarn, strahlen auf den ersten Blick Normalität aus. Halten sich an ihrer Welt fest.

Dabei löst sich diese Welt auf. Das auch ist Bestandteil der Serie. Während Einige Wenige vergeblich um einen Status Quo kämpfen, sind die ersten Spuren der Veränderung bereits sichtbar. Ergänzend zu den Menschenporträts hat Merle Forchmann die unheimliche Stille der Fassaden, der verlassenen Häuser und der wieder wild gewordenen Vorgärten festgehalten. Sie hat die Leere portraitiert. Die Flucht. Sie hat das Ergebnis einer empörenden, wirtschaftsbedingten Entscheidung dokumentiert, die eine Gemeinschaft aussterben lässt und Geschichte, Natur und Menschen behandelt, als ob es um Mobiliar ginge.

Aber auch in diesen Ding-Porträts bleibt die Präsenz der Künstlerin unaufdringlich. Forchmann möchte offensichtlich keineswegs in die Fußstapfen der sog. Becher-Schule treten und ihre Bilder sind zu suggestiv und erzählerisch, um das Prädikat „sachlich“ zu erhalten, hält sie ihre Sujets auf Distanz. Eine verhaltene Distanz, die nicht übermäßig kühl, kalkulierend und systematisch wirken möchte. Forchmann ist die unbeteiligte Beobachterin, die uns die Geschichte dieser Menschen und dieses Ortes beschreibt. Und die Geschichte ist wichtiger als eine stringente formale Linie. Daher ist „Otzenrath“ eher in der Kategorie des investigativen Fotojournalismus als in der konzeptuellen Fotografie einzuordnen.

Die Ausstellung schließt die kleine Reihe „Heimat“ bei damenundherren ab, die verschiedene Aspekte dieser verfrachteten Thematik behandelte. Ihrerseits führt Forchmann, die sich in ihren Fotos mit (z.T.) harten menschlichen Schicksalen auseinandersetzt, ihre dokumentarische Arbeit weiter. Ihre aktuelle Serie befasst sich mit minderjährigen Flüchtlingen.

 

Merle Forchmann: „Otzenrath“
damenundherren e.V.
Oberbilker Allee 35
40215 Düsseldorf
Ausstellung v. 10-31.5.2012
Am 30. Mai wird noch eine Gesprächsrunde zum Thema Heimat stattfinden.

Abiogenesis im d-52

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

alle Bilder von Andrei Dureika

 

Ein begehrter Künstler: Erst nach mehreren Einladungen vom d52 ließ sich Aljoscha auf den Vorschlag einer Einzelausstellung in der Projektgalerie ein. Allerdings war der gesellige Ukrainer wenig erpicht, die Räume ganz allein zu bespielen und lud daraufhin sechs Kollegen ein. Die erstaunliche qualitative Homogenität der Ausstellung – bei gleichzeitiger klarer Ausarbeitung der einzelnen Positionen – lässt sich sicherlich auf die Tatsache zurückführen, dass alle Künstler sich schon seit einer Weile kennen. Mehr als die gemeinsame Zeit in der Kunstakademie Düsseldorf oder als die gemeinsame Muttersprache (es handelt sich überwiegend um weißrussische, bzw. ukrainische Künstler), fühlen sich alle durch eine gemeinsame ästhetische Sprache verbunden. Und diese Sprache ist vor allem konzeptuell, minimal, in höchstem Maße referenziell, und trotz allem verschmitzt und verspielt.

„Abiogenesis“ ist das tragende Konzept im Werk von Aljoscha und bezieht sich auf die Entstehung des Lebens aus der toten Materie. Warum gibt es etwas und nicht nichts? Wie kann das Nicht-Lebendige überhaupt Leben gebären? Welche künstlerischen Metaphern sind angesichts dieser Fragen angemessen? Anstatt des pseudo-naturwissenschaftlichen Impetus eines Carsten Höller oder Olafur Eliasson (die alten Schulmeister des Kunstbetriebes), nähert sich Aljoscha diesen universellen Fragen mit einer gewissen Nonchalance und der Neugier und Experimentierlust eines amateur éclairé. Seine Objekte aus diversen Kunststoffen, die mal an post-post-ironische Skulpturen, mal an obsessive Basteleien denken lassen, spüren die grundsätzliche Entstehung von Formen nach und geben dieser Ursachenforschung eine biologische Orientierung – zumindest formell: Moosgebilde, Amöbe oder Pilze grassieren hier.

Aljoscha

Höflich wie er ist, gibt Aljoscha für die Ausstellung im d52 seinen Gästen den Vortritt und lässt sie zunächst die Räume bestücken, bevor er selbst das Vorgefundene kommentiert. Dadurch entsteht eine bezugs- und abwechlungsreiche Kommunikation mit den anderen Künstlern, die ihrerseits nicht besonders dezidiert auf die Idee der Abiogenesis eingehen. Vor allem die Weißrussen sind alle eher mit ihren eigenen künstlerischen Wurzeln in der Moderne als mit irgendeinem teleologischen Ursprung beschäftigt. Die Wurzeln haben Namen: Minimalismus, Kontruktivismus, Suprematismus. Wer in Kiew Kunst studiert hat, scheint wohl den Geist von Malewitsch begegnet und sich mit den toten Dogmen der revolutionären Avantgarde-Kunst mehr als ein Mal geplagt haben zu müssen. Schwer und dunkel wie ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund wirken hier die langen Schatten der Vergangenheit auf eine Generation von Dreißigjährigen. Die Austreibung der Geister erfolgt mit den Mitteln der Ironie; und diese ist durchtrieben bei Gleb Choutov, sarkastisch und etwas plump bei Egor Galouzo, fein und penetrant bei Anna Sokolova oder eiskalt und präzise bei Oleg Yushko.

Andrei Dureika

Andrei Dureika

Weniger ironisch erscheint die Arbeit von Andrei Dureika. Im zentralen Raum hat er drei Formen an die Wand gesprüht, die sich geschmeidig in den vorhandenen Volumen integrieren. Die Struktur der Wand weist hier eine feine Körnung auf, die erst durch diese Intervention sichtbar wird und an ein grobes Papier erinnert. Als Kreis oder Ovale, schwören die einfachen Spuren symbolische Welten ein und knüpfen wahlweise an die Mystik, Mathematik, Kosmologie, Magie, Kunst, etc. Die entstandenen schwarzen Löcher, die den Raum in vielerlei Hinsichten öffnen, können sowohl als physische Durchbrüche als auch als spirituelle Toren gedeutet werden und schwanken gewissermaßen zwischen Suprematismus und Op-Art – eine Schnittstelle, die höchst unwahrscheinlich erscheint, sich jedoch mit überraschender Selbstverständlichkeit behauptet.

Jana Grak

Aljoscha und Janna Grak

Als Gegenmaßnahme zu diesen Öffnungen hat Janna Grak eine sperrige Skulptur im gleichen Raum ausgebreitet. Ausgehend von der Vorstellung, dass die Natur nicht modelliert sondern moduliert werden soll, hat die Künstlerin die unzähligen Facetten eines schwarzen Kubus geöffnet, der den Raum auf eindringliche Weise okkupiert und Ansprüche auf Wand und Boden erhebt. Die besondere Spannung des Ortes entsteht aus einem dialektischen Verhältnis zu Dureikas Arbeit; der formale Kontrapunkt (Plastik/Grafik; Quadrat/Kreis) wird nämlich stets von ästhetischen (das Schwarze oder die einfache Geometrie) oder inhaltlichen (die erwähnten spirituellen und/oder konkreten Raumbezüge) Übereinstimmungen bereichert. Mit seiner Kokon- oder Bienenwaben-ähnliche Struktur am Boden, schafft Aljoscha seinerseits ein Verbindungselement zwischen Graks und Dureikas Werken. Das organische Gebilde, das eine natürliche Komponente bringt, leistet das tour de force, gleichzeitig integrierend und autonom zu wirken.

Anna Sokolova

Tamara Sokolova & Aljoscha

Ein Raum weiter begegnen wir der großen, wehenden Flagge von Anna Sokolova. Von einem Ventilator in Bewegung versetzt, füllt der dünne und leichte Stoff einen Großteil des Raumes. Beziehen sich die schwarz-weißen Streifen auf einen fiktiven Staat? Wird hier Anspruch auf einem Territorium erhoben? Oder handelt es sich um ein Gegenstand gewordenes Bild? Die Arbeit, übrigens eine Reminiszenz aus einem vergangenen Video, besitzt selbstverständlich eine politische Konnotation und bildet praktisch das Negativbild der ehemaligen Flagge Weißrusslands (weiß-rot-weiß). Letztere wurde 1995 vom Neosozialisten Lukaschenka durch eine folkloristische und rückständige Flagge ersetzt und gilt seitdem als Symbol der Opposition. Die Korrespondenzen zu Dureilkas Statement, vis-à-vis der Flagge sichtbar , erscheinen an diese Stelle sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht besonders stimmig – zugleich adäquat und ausdifferenziert. Aljoscha kommentiert hier zwei Mal Sokolvas Objekt: Zunächst mit einer länglichen, giftgrünen und aus der Wand herabhängenden Kunststofffläche, einer Baumrinde evozierend und weiter mit einer kleinen Züchtung von Homunculi, eingefasst in einer Keramikstruktur, die von Annas Mutter hergestellt wurde.

Der nächste Raum wird von der Installation von Kristin Wenzel bespielt (die einzige deutsche Künstlerin im Lot), die, dem Anschein nach, stark unter dem Einfluss von Katharina Fritsch steht. Ihre Arbeit wird – zumindest hier – vom Prinzip der Zusammenführung von gegenseitigen Phänomenen geleitet. Neben der großen fotografischen Wiedergabe von wirren und von Mistel befallenen Ästen, sind vier Naturfarben in akkuraten Streifen ausgebreitet worden. Davor stehen zwei übergroße Seifenblasen-Pusteringe. Die Objekte, die zur Bildung von wunderbar weichen und fragilen Formen dienen, wirken kalt, klinisch, perfekt und tot. Wenzel inszeniert gekonnt das Organische und das Künstliche, das Chaos und die Organisation der Materie; und diese Themen finden eine Antwort in dem kleinen Objekt von Aljoscha; ein Hybrid aus einfacher Elektronik und nachgeahmter Natur.

Egor Galouzo

Egor Galouzo

Im gleichen Raum hat Egor Galouzo einen schwarzen Kubus hingestellt, der, auf einer durchsichtigen, ebenso kubischen Struktur positioniert, zu schweben scheint. Die Hermetik der suprematischen Komposition wird von einer auf dem Kopf hängenden Wodka-Flasche gebrochen, die wie eine Zitze aus der Basis des Kubus heraushängt. Eine Flasche der gleichen Marke (die „grüne“ Marke, eine sehr populäre Marke die, aufgrund ihrer destruktiven Auswirkung auf die Volksgesundheit als „grüne Schlange“ bezeichnet wird) ist in einem anderen Raum in eine Wand verkeilt worden. Die minimalistich-punkige Ironie dieser zwei Arbeiten ist jedoch, gemessen an dem elaborierten Charakter der anderen Werke der Ausstellung, ein wenig eindimensional.

Gleb Choutov

Gleb Choutov

Man springt zum hinteren Raum und wird von der manischen, intelligenten und grotesken Videoarbeit von Glep Choutov begrüßt; eine Arbeit die – zum erneuten Mal in dieser Ausstellung – mit Malewitsch abrechnet. Vor dem Hintergrund von Furcht erregenden Alpengipfeln, rackert sich Choutov ab und kämpft gegen unsichtbare Kräfte und den Dämonen der Vergangenheit. Er rennt wie ein Besessener durch die erhabene Landschaft, wird von Spasmen ergriffen, zittert und bebt mit Blut an den Mundwinkel und wird ab und an von der Vision eines schwarzen Quadrats ergriffen. Die Slapstick-Qualität des Films beruht auf der Performance des Künstlers sowie auf dem surrealen greenbox-Einsatz, der Choutov an die Spitze der Welt projiziert. Diese Avantgarde-Persiflage wird von einer unspektakulären Postkarte aus der Revolutionszeit unterstützt; dort überreicht eine Delegation von fleißigen Kommunisten eine Schildkröte aus Pappkarton an die Postbehörden, als Protest gegen die Langsamkeit des Betriebes. Die Verballhornung der Post wirkt allerdings im Kontext der großen Umwälzung von 1917 spießig und kleinkariert; das Bild wird unwillkürlich zu einer Selbst-Parodie und die Pathos-Formeln der Revolution verkommen zu verkrampften Karnevalsprüchen.

Oleg Youshko

Noch zwei Worte über die Arbeit von Oleg Yushko möchten wir hier verlieren: Der ehemalige Student der Radiotechnik, der relativ spät zur Praxis der Kunst kam, hat ein schönes, kleines Objekt produziert, dessen metaphorische Bedeutung sich erst mit dem Titel erschließt: „Der Geist geistloser Zustände“ – ein Zitat von Marx, der im Kontext der berühmten Analogie der Religion als Opium des Volkes auftaucht. Ein roter Ballon pulsiert langsam in einem Glaskolben, er füllt sich und er leert sich. Wenn man das christliche Bild des Glasbehälters als Metapher für die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Körpers kennt und den roten Gummiballon als Seele identifiziert, erhält die unprätentiöse und stringente Arbeit eine zynische abgeklärte Note. Sie schließt eine Ausstellung voller durchdachten Perspektiven und spannenden Gegenüberstellungen.

 

Aljoscha: Abiogenesis
d-52. raum für zeitgenössische kunst
Rather Straße 52
Ausstellung 29.4-13.5.2012
geöffnet Freitags v. 17-19 Uhr und Sonn- und Feiertage v. 15-17 Uhr

 

„When a Boat Runs Ashore…“ in Flute Douce

von Havva Erdem (Frankfurt am Main)

Würde Playmobil einen Baukasten für eine junge Künstlergalerie herausgeben, so hätte die Frankfurter Studentengallerie Flûte Douce alles was das (Künstler)-Kinderherz begehrt. Einen kleinen, nicht zu adretten Ausstellungsraum mit durch Neonleuchten erhellten schneeweißen Wänden und gemütlicher Interview-Sitzgelegenheit, einer Halterung an der Eingangstür für das vorausschauend international einsetzbare, rein englischsprachige Press-Release und den obligatorischen, gesprächsversunkenen Künstlermob auf dem Bürgersteig der wenig befahrenen Seitenstraße.

Und auch die dort aktuell präsentierten Werke der von Jakov Lloyd Goldstein kuratierten Gruppenausstellung dreier Anfang der 80er geborener KünstlerInnen (von denen eine ausstellt, indem sie nicht ausstellt) würde sich, samt schaurig-schönem Ausstellungstitel, durchaus eignen, um unbedenklich und schadstoffarm in Serie gehen zu können. So mutet also alles an dieser, seit Juli 2011 betriebenen Künstlereinrichtung mit hauseigener Website noch wie ein harmloses, wenn auch präzise und akkurat durchgeführtes Spiel an, bei dem alle Einzelelemente vorerst die gleiche Gewichtung erhalten. Wäre da nicht die aus dem perfekten (Mini-)Rahmen fallende Erschöpfung der Verantwortlichen Olga Pedan, die dort zwei Ausstellungen innerhalb von nur einer Woche organisiert hat. Und da jedes Spiel – wenn man es nur lange genug betreibt – irgendwann einmal Ernst wird, sind wir wiederum gespannt, wie das Programm von FLUTE DOUCE sich zukünftig entwickelt.

 

 „When a boat runs ashore, the sea has spoken“
Forster Krone, (Amy Zingfogl), Phillip Zach
Flute Douce
Oppenheimer Straße 34A
D 60594 Frankfurt am Main
3.05.2012-28.05.2012
 

Oliver Raths Fleischwaren in der Kunsthalle Heidelberg

Die Kunst/Halle in Heidelberg ist eines der klassischen Beispiele für den Wandel eines erfolgreichen Offprojektes zur etablierten Kunst- oder Kulturinstitution. Vor 9 Jahren startete die zugehörige halle02 als temporäres Projekt für ursprünglich nur zwei Jahre als Ort für zeitgenössische Kunst und Musik.
Seitdem bewegen sich die Betreiber Wolfram Glatz, Valentin Lüdike, Hannes Seibold und Yarid Wachsmuth mit ihrem Projekt laut eigenen Angaben auf dem ‚Schmalen Grad zwischen Anspruch und Kommerz, zwischen Sub- und Hochkultur‘, sind damit aber mittlerweile zum festen Bestandteil der regionalen Kulturszene geworden.

Die Kunst/Halle ist der aktuellste Spin-Off der umtriebigen Truppe, der sich deutlicher als in den Jahren zuvor als Hochkultur-Projekt positioniert und somit auch auf der ästhetischen Ebene die Anschlussfähigkeit an das globale Kunstspektakel beansprucht.
Off- und Subkultur wird sich in Heidelberg zukünftig an anderer Stelle neu definieren müssen.

Die aktuelle Show: Fleischwaren – Fotografien von Oliver Rath

Im April ist nun der Wahlberliner Oliver Rath mit einer Fotoshow an seinen Geburtsort zurückgekehrt. Oliver Raths Fotografien, die er regelmäßig auf seinem Blog rath-photografie.de veröffentlicht, zeigen unterschiedliche Szenen und Milieus – von Prominenten wie Karl Lagerfeld, Tim Raue und Boris Becker, über Musen wie Caro Clash, bis zu weniger bekannten Menschen, die Rath opulent und provokant inszeniert. Was viele der Bilder gemeinsam haben: Die Fotografien wirken wie Stills aus Filmen, mit durchgeplanten Choreographien, Requisiten und Schauspielern.

Der Heidelberger Tausendsassa, Fotograf und Sandkastenfreund des Autors dieser Zeilen Rüdiger Glatz war mit seiner Kamera vor Ort und hat die Vernissage in Bildern festgehalten.

Fotos: BHP

Fleischwaren – Fotografien von Oliver Rath
13.04.2012 – 02.06.2012
KUNST/HALLE HEIDELBERG

www.kunsthalle-heidelberg.de/

Andrea Winkler bei SOX

von Nicole Büsing und Heiko Klaas (Hamburg, Berlin)

Gallery Weekend in Berlin. Drei Tage lang cruisten VIPs aus aller Welt in schwarzen BMW-Limousinen durch die deutsche Hauptstadt: Von Rirkrit Tiravanijas performativer Wurstmanufaktur bei neugeriemschneider zu Robert Longos theatralischen Kohlezeichnungen im XXL-Format bei Capitain Petzel auf der Karl-Marx-Allee, von Jenny Holzers brandneuer Lichtinstallation mit Neonschriftbändern in der Blue Chip-Galerie Sprüth Magers zum neuen Geheimtipp im Kreuzberger Graefe-Kiez, der sympathisch-bodenständigen Hinterhof-Galerie Supportico Lopez, wo im Untergeschoss an das poetisch-konzeptuelle Werk des 1998 verstorbenen Italieners Gino de Domenicis erinnert wurde.

Wer am Sonntagabend nach unzähligen bier- und weinseligen Eröffnungen und dem stark überschätzten “Gala-Dinner” mit Flying Buffet und Wurstbroten noch Energie übrig hatte, war bei der Eröffnung der Ausstellung von Andrea Winkler im Projektspace SOX in der Oranienstraße in Kreuzberg genau richtig. Während türkische Gastronomen und Kreuzberger Aktivisten sich allmählich auf die langen Nächte rund um den 1. Mai eingroovten, versammelten sich die Eröffnungsgäste des nichtkommerziellen Ausstellungsprojektes für zeitgenössische Kunst bei Pilsner Urquell, Weißwein aus Pappbechern und exquisiter Schokoladentorte auf dem Bürgersteig vor dem Kreuzberger Off-Space. SOX besteht eigentlich nur aus einer 225 x 300 cm großen Vitrine.

Die Berliner Konzeptkünstlerin Andrea Winkler, geboren 1975 in Zürich, hat den nicht begehbaren, nur 60 cm tiefen, alternativen Showroom durch einen ebenso simplen wie genialen Eingriff erweitert. In die weiß gestrichene Hinterwand der Schaufensteranlage hat die Schweizerin ein handelsübliches weißes Kunststofffenster einbauen lassen und damit erstmals in der Ausstellungsgeschichte von SOX den Durchblick zum Hinterhof geöffnet. Der Perspektivwechsel funktioniert in beide Richtungen: Von der vielbefahrenen Oranienstraße aus blickt man auf die normalerweise abgeschottete Werkstättenidylle Kreuzberger Alternativer, die sich hinter dem SOX eingerichtet haben. Betritt man den Hinterhof und schaut durch das neue Fenster auf die bei Tag und Nacht belebte Straße, blickt man auf die Heterogenität des Großstadtlebens: vorbeifahrende Doppeldeckerbusse, metropolitane Hipster aus aller Herren Länder, Mütter mit Kinderwagen, Rentner mit Rollator und türkische Autoposer, die mit aufgetunten Oberklasselimousinen voller bassdröhnender Lautsprecherboxen um Aufmerksamkeit buhlen.

Fast beiläufig ergeben sich reale Straßenszenen zwischen Profanität und großer suggestiver Kraft, die streckenweise an die Arbeiten von Fotokünstlern wie Beat Streuli oder Philip Lorca diCorcia erinnern. Das dynamische Kreuzberger Großstadtgewusel spiegelt sich plötzlich auf verschiedenen Ebenen, ermöglicht durch einen simplen künstlerischen Eingriff, der noch einen weiteren Aspekt der Irritation bereithält: Andrea Winklers Fenster ist nicht im korrekten rechten Winkel eingebaut, sondern um einige Grad geneigt. Im geradezu hoffnungslos reizüberfluteten Kreuzberger Kiez klinkt sich das Fenster auf diese Weise mit wohldosierter Raffinesse in die Aufmerksamkeitsökonomie ein und sorgt so für eine fast beiläufige Verschiebung des Perspektive.

In ihre Fensterintervention hat Andrea Winkler noch zwei kleine Papierarbeiten integriert: ein Fotoausdruck mit abstrakten Farbverläufen im DIN A4-Format und ein mit grauer Farbe fast bis zur Unkenntlichkeit besprühtes Werbefaltblatt eines bekannten Elektronikkaufhauses. Andrea Winkler, die an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg unter anderem bei Wolfgang Tillmans und später an der Slade School of Fine Art in London studiert hat, ist bekannt für ihre stets ortsspezifische Vorgehensweise, ihre minimalen Eingriffe und ephemeren Setzungen mit zumeist poveren Materialien wie Sprühfarbe oder Metallfolien. Ihre Arbeit bei SOX trägt den ebenso humorvollen, wie anspielungsreichen Titel “du bist zu klein”.

Mit wechselnden Tageslichtsituationen und dem Übergang vom Tag zur Nacht spielt Winklers Intervention erst ihr ganzes Potenzial aus: Spiegelung und Transparenz, Licht und Schatten, Ein- und Durchblicke, Funktionalität versus Dysfunktionalität, Rahmung des Betrachterblicks und Medium der Selbstreflektion für Flaneure und Passanten. Andrea Winklers sowohl ästhetisch als auch konzeptuell überzeugender Eingriff in den Berliner Stadtraum reflektiert einen künstlerischen Dauerbrenner auf neue erfrischende Art und Weise. Wer, angeregt durch diese Installation, mehr über das Fenster in der modernen und zeitgenössischen Kunst erfahren möchte, der sollte vielleicht der bis Ende August laufenden Düsseldorfer Ausstellung „Fresh Widow. Fenster-Bilder seit Matisse und Duchamp“ im K20 einen Besuch abstatten. Dort wird das offenbar nach wie vor virulente Thema einer umfangreichen kunsthistorischen Untersuchung unterzogen.

 

Andrea Winkler: du bist zu klein
SOX
Oranienstraße 175, Berlin-Kreuzberg
30.4. bis 10.6.2012, 24 Stunden geöffnet


Der MetaAether im Abruch und Demontage

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

Das Internet ist eine große Schmuddelkiste; es ist Spielplatz für Spanner, Exhibitionisten und Überwachungsfetischsten. In der Show MetaAether werden die zugehörigen Bilder und Geschichten zum Material für die Kunst.
Lukas Breitkreutz, Götz Gramlich und Max Hathaway haben im April bei Abruch und Demontage für eine Woche besagten MetaAether inszeniert. Ich habe mit Götz Gramlich (gggr) per SkypeChat ein Speed-Interview gemacht und mich mit ihm über das Projekt unterhalten.

Im Internet werden wir zu Spannern, zu Zaungästen der Fremden und ihrem fremden Treiben. Im Sitzen vor der heimischen Kiste bleibt alles gemütlich fern – wie aus der Vogelperspektive sehen wir hinab in den Daten-Aether, aus der fernen Sicherheit unserer Home-Cockpits.

fk: Wer oder was ist MetaAether?
gggr: Der aether ist für uns synonym vom netz, von der information die um uns fleucht. meta heisst nicht nur ueber sondern auch mitten insofern ist metaaether, ein bestandsaufnahme des istzustandes des netzes allerdings leuchten wir nur eine sehr kleine, dunkle ecke aus, zumindest im roten part.

fk: Die Show bestand aus drei Arbeiten. Dem Wühltisch, dem Wandfresko und den Leuchtkästen. Richtig?
gggr: … und dem Diaraum.
fk: war das der raum hinter dem wandbild?
gggr: nein, ein extraraum-mit einem alten carousel diaprojektor.
fk: Dann beginnen wir doch einfach mit dem Krabbeltisch, was lag auf da drauf, was gab es da zu wühlen?
gggr: wir haben ueber 1000 bilder aus dem netz geerntet und diese auf fotopapier ausbelichtet. die wurden nummeriert. etikettiert und kamen in den krabbeltisch.
fk: die leute konnten sich die bilder mitnehmen?
gggr: das war so gedacht, ja. wir wollten die anonymen fremden aus dem netz reissen und auf reise gehen lassen.

fk: Ihr arbeitet viel mit recht intimen Bilder von Leuten. Wo habt ihr die Bilder eigentlich her?
gggr: Das ist das kernthema vom metaaether red. der öffentliche zugang zu den intimsten privatsphären. die bilder sind alle von seiten, die öffentlich (ohne einloggen etc) zugänglich sind.
fk: Kannst du ein paar webseiten nennen?
gggr: Zum beispiel submityourex, guesshermuff und wie sie sonst noch alle heissen. Ich denke, die meisten menschen auf all den bildern, wissen gar nicht, dass sie (im netz) öffentlich zur schau gestellt werden. vielen unterstelle ich moralisch einwandfreie absichten hinter ihren selbstschuessen und -posen. sie wollen gefallen, anderen ihre zuneigung beweisen, anziehend wirken. das sie dann später vom gehörnten ex o.ä. in den aether gespeist werden, ahnen wahrscheinlich die wenigsten vorab.

fk: Wissen die Personen auf den Bildern von dem Projekt?
gggr: Natürlich nicht. wir wissen ja nicht, wer sie sind und was sie wollen. es ist aber interessant zu beobachten, was passiert, wenn die bilder in der realität, dem aether entrissen, anrichten. z.b. wenn so ein bild mal im zugabteil liegt. oder auf einem waldweg.
fk: hast du ein beispiel für eine beobachtung?
gggr: beschämt, belustigt, abstossend. andere erzählten mir, es gab aerger mit den eigenen frauen.
fk: warum?
gggr: nun, erklär mal deiner frau, die bilder anderer frauen in deiner tasche. oder auf deinem schreibtisch.
fk: 🙂
gggr: sie greifen so in unser leben ein. naja, das ist ein schöner nebeneffekt vom grabbeltisch.
gggr: letzten endes ging es aber darum: dem tisch zu widerstehen. was niemand konnte.
gggr: da kamen echte wsv-gefuehle auf. in 2 reihen gedraenge und gewuehle. senioren die sich stapelweise pix einstecken. junge maedchen die sich ueber errigierte glieder amuesieren und sie ganz schamlos mit nehmen „fuer meine freundin“ hoert man.

fk: würdest du sagen der spannerblick ist im netz normaler als im alltäglich umfeld?
gggr: dachte ich immer. letzten endes ist dieses grabbeln ja nichts anderes als bilder klicken im netz.
fk: ja. das netz hat schon irgendwie was billiges, wie ein wühltisch…
gggr: ein endloser wuehltisch. wir haben einfach mal ein stueck abgeknapst und realisiert.

fk: um was gehts bei dem großen wandbild?
gggr: das wandbild ist eine doppelwand. vorne ein riesenbild mit typischer pose: bild mit digicam durch den spiegel auf sich selbst
fk: Was sieht man durch das Guckloch?
gggr: dahinter, die gleiche person. nackt. in tausendfacher ausgabe. repetiert. ins unendliche. der blick geht wohlbemerkt durch den sucher der cam.
fk: invertiert. in den kopf der frau?
gggr: nun, sobald sie den auslöser drückt, und sich selbst uploaded, schiesst sie ihr selbst in den aether, frei unendlich oft kopiert und verlinkt zu werden. eine art unsterblichkeit. fluch und segen. viele fragen.

fk: Was für Bilder sind auf den Leuchtkästen zu sehen?
gggr: Das sind jeweils bilder der gleichen person. in verschiedenen „zuständen“. brav, privat angezogen und nackt, wohllustig, offen fuer alles. fuer uns war auch das jeweilige setting des bildes interessant-in den kaesten wie im wuehltisch. oft erhascht man einen blick auf das interieur, elemente des lebens. buecher, toiletten, plfegemittel usw. und sofort faengt man an, geschichten um die menschen zu stricken. sind sie europaer? was lesen sie? was ist das in der ecke? warum ist die frau auf allen vieren vor der toilette? wir versuchen vertrauter mit ihnen zu werden, indem wir versuchen mehr ueber sie zu erfahren. aber wollen wir das?


gggr: Bei der menge der bilder ist es auch klar, das oft ungewollte, sehr kunstvolle kompositionen entstehen. auch die galt es zu entdecken. fast eine art spiel. viele details der bilder haben wir nochmal extrahiert, die gab es auf dias zu sehen.
zusammen mit kommentaren von den jeweilgen sites-zu bildern. die auch sehr viel ueber die rezipienten erzählen. diese gepaart mit den bildern und eigener prosa, waren die inhalte der dias im diaraum. mit einem gewissen abstand zueinander, was eine schoene raeumliche wirkung ergibt.

fk: ist das abbruch und demontage eine feste location in mannheim oder war das temporär?
gggr: seit längerem temporär. keine ahnung wie lange noch?

fk: Wer war jetzt beim dem Projekt eigentlich dabei? Seid ihr eine feste Gruppe oder hat sich das so zusammen gefunden?
gggr: das hat sich so ergeben. die beiden jungs, lukas breitkreutz und max hathaway sind in einer grupe aktiv: einkollektiv.de. mir haben ihre arbeiten immer sehr gut gefallen. meine ihnen wohl auch, ein dritter hat uns dann mal zusammengebracht. hat sauviel spass gemacht.

fk: Habt ihr ein nächstes Projekt in der Planung?
gggr: Wir wollen noch einen aether green und blue machen, damit sich der kreis schliesst.
fk: RGB…
gggr: green wird evtl volldigital, worauf wir bei red absichtlich verzichtet haben. aber mal schauen, erstmal durchatmen.
fk: Jetzt mal durchatmen ist nur euer gutes recht. wir sind auf jeden fall gespannt wie es weiter geht, wünschen euch alles gute und bedanken uns für das gespräch.
gggr: freu mich auf deinen beitrag, danke dir fuers interesse.

Fotos: Götz Gramlich

METAÆTHER RED
Lukas Breitkreutz, Götz Gramlich und Max Hathaway
14.04.2012 – 21.04.2012
Abbruch und Demontage
Luisenring 16 / Mannheim
http://abbruchunddemontage.wordpress.com/

Burchhard Garlichs und Michalis Nicolaides im Institut für Skulpturelle Peripherie

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Was bisher geschah: Ursprünglich betrieben von Petra Albrand und Friederike Schardt, entwickelte sich das Institut für Skulpturelle Peripherie in den letzten Jahren zu einem experimentellen Labor, das die Ränder und Grenzen der traditionellen Skulptur erprobte. Mit der Ausstellungsreihe „Brizzel“ ließen die zwei Frauen zwei Künstler in dem kleinen Speicherraum aufeinanderprallen und provozierten damit die systematische Konfrontation von nicht immer kompatiblen Positionen. Diese Dynamik der Gegenüberstellung endete im letzten Jahr aufgrund einer Baby-Pause von Schardt.

Mit dem Einstieg von Eva Weiner in das Projekt ist nun der Raum reaktiviert. Zusammen mit Albrand hat sie eine neue Ausstellungsreihe konzipiert, dessen Spielregeln eine leichte Abwandlung von Brizzel darstellen. Das Prinzip der Konfrontation bleibt beibehalten; man verschärft allerdings die Bedingungen einer möglichen Kooperation zwischen Künstlern und verengt das Zeitfenster des Zusammenkommens. Nachdem ein erster Künstler seine Arbeit installiert hat, bekommt der zweite Künstler 24 Stunden um auf die vorhandene Situation zu reagieren und einzugreifen. Der erste Künstler hat keine Mitsprache und muss passiv zusehen, wie sein proposal modifiziert wird. Das Ganze heißt treffenderweise Push und könnte prinzipiell für Reibungen sorgen. Allerdings ist in der aktuellen Show von Burchhard Garlichs und Michalis Nicolaides leider wenig von dieser potenziellen Spannung zu sehen.

Garlichs, der mit Sonja Meyer das Projekt Speicher U75 animiert und als Off-Raum-Betreiber eine sichere Hand aufweist, hat nun als Künstler drei Arbeiten in dem Institut ausgebreitet. Eine erste Wandarbeit besteht aus bunten Papierbahnen, die in einfachen geometrischen Formen geschnitten und getapet wurden – eine bewusst lapidare Geste, die den prekären Charakter der Intervention unterstreicht und mit ein wenig gutem Wille als Ironisierung der dekorativen Funktion von Kunst überhaupt interpretiert werden kann. Die zweite Arbeit kreuzt die erste und überlagert sie partiell. Da läuft ein Rautenmuster aus blauem Faden durch den gesamten Raum und verbindet Fenster, Wand, Holzpfeiler und Decke – alle wichtigen Raumelemente des Institutes. Diese – da auch – sehr dekorative (wobei weder verspielte noch kitschige) Verzierung besteht aus einem halbierten Sechseck, also aus einer Form, die als Zwischending zwischen Kreis und Viereck gilt. Gerade dieser gemischte Charakter des Motivs interessiert Garlichs, berichtete Albrand.

Die dritte Arbeit besteht schließlich aus einer Ansammlung von vorgefundenen Bildern, in denen sowohl eckige als auch runde Formen vorkommen. Dieses  Material hat Garlichs eingescannt und an eine Wand projiziert. In diesen Skizzenbuch-artigen Mini-Atlas greift Nicolaides ein: wie ein Trojaner fügt er seine eigenen Motive in die Reihe des Kollegen und mischt sich in dessen Ordnung ein. Aber weil Garlichs Reihe ohnehin nicht besonders stringent wirkt, lassen sich die zwei distinkten Arbeiten nicht auseinander halten. Wird von einem Trojaner erwartet, dass er sich an die fremde Umgebung anpasst? Soll der Virus mit dem Wirt verschmelzen?

Trotz der offensichtlichen Bemühung, eine ortsspezifische Arbeit zu realisieren, auf die Konfiguration des Raumes einzugehen und den spröden Arbeitsspeicher mit fremden, ornamentalen Elementen anzureichern, bleibt diese für mich erste Ausgabe von Push (die eigentlich die zweite der Reihe ist) enttäuschend. Das Format setzt eine Konfrontationsbereitschaft voraus, die von den Künstlern nicht eingelöst wurde. Nicolaides, dessen Arbeit mir bisher schon besser gefallen hat,  erwies sich diesmal als nicht bissig genug. Und Garlichs Interventionen hätten, in dem freien und unbeschwerten Rahmen des Instituts, ein wenig markierter und unkonventioneller werden können. Aber vielleicht wird die nächste Künstlerlosung mehr Spannung schaffen – wir bleiben dran.

Institut für Skulpturelle Peripherie
Gladbacher Strasse 56 (im Hof)
40219 Düsseldorf
Die Eröffnungen sind jeweils um 19.00 Uhr und die Arbeiten können an dem Eröffnungswochenende (Samstag und Sonntag) zwischen 11.00 und 16.00 Uhr noch angeschaut werden.Die kommende Ausstellung zeigt Wanda Sebastian am 18.05.12, mit Eingriff von Burchhard Garlichs.

 

MYSPACE im Kunstraum Kreuzberg

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Bunte bemalte Planen, Baumaterialien, ein durch Motoren auseinandergezogenes Gummiband, Aluminiumstreifen auf dem Boden sowie sorgsam lackiertes Holz – alleine diese Aufzählung einiger in der Ausstellung verwendeten Materialien verweist auf die Spannbreite der künstlerischen Arbeiten, die in >Myspace< vertreten sind. Die Erfahrung des Raumes als einen wesentlichen Aspekt der Wahrnehmung verstehend, haben die beiden Künstlerinnen Franziska Hünig und Alexandra Schlund eine Ausstellung kuratiert, die den künstlerischen Umgang mit räumlichen Erfahrung bzw. deren Transformation in ein bildliches Vokabular thematisieren soll. Für die Ausstellungsdauer von nur 8 Tagen haben nun 11 KünstlerInnen den Ausstellungstitel >Myspace< wörtlich genommen und haben den in mehrere kleinerer Räume unterteilten Projektraum im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien “in Beschlag“ genommen.

Alexandra Schlund

Nicola Stäglich

Viele der in >Myspace< gezeigten Arbeiten sind jeweils für den konkreten Ausstellungsraum konzipiert. So hat Alexandra Schlund mit >Cluster< eine Wandarbeit geschaffen, die aus großkopierten, photographischen Versatzstücken von Architekturmodellen und verschiedenen Klebebändern besteht und die aus der Ferne wie eine vereinfachte, nah herangezoomte Straßenkarte wirkt. Ursprünglich als Malerin ausgebildet, bezieht sich Schlund in ihrem Werk immer wieder auf Architekturen und urbane Landschaften, ohne jedoch reale Stadträume abzubilden. Wie an der Farbwahl unschwer zu erkennen, ist >Cluster< auch aus einem künstlerischen Dialog mit den drei abstrakten Werken von Nicola Stänglich, die im selben Raum präsentiert werden, hervorgegangen.

 

Franziska Hünig

Ähnlich inspirierend dürfte es auch beim Aufbau der gemeinsam in einem Raum gezeigten Werke von Franziska Hünig, Geka Heinke, Anke Mila Menck und Rebecca Michaelis zugegangen sein. So sind zum Beispiel Hünig und Heinke mit einem vorbereiteten Materialfundus angereist und haben den Raum im Bethanien als erweitertes Atelier genutzt. In einem mehr oder weniger parallel stattfindendem künstlerischen Prozess sind die Wandarbeiten >Ohne Titel< (Hünig) und >Kreise aufsteigend< (Heinke)  entstanden, die beide auf die Kraft der Farbe im Raum setzen. Wunderbar, dass Rebecca Michaelis ihre Bodenstücke >Bendpainting 1< und >Bendpainting 2< genau in diesem Raum platziert hat! Die auf Rädern angebrachten, länglichen Aluminiumstreifen spiegeln jeweils kleine Ausschnitte des ephemeren Geschehens im Raum wider.

Rebecca Michaelis und Geka Heinke

 

Christl Mudrak

Einen ganz anderen Ansatz wählte Christl Mudrak: Sie hat zwar einen ganzen Ausstellungsraum für sich, doch ist dieser auf den ersten Blick leer. Dass die Künstlerin hier gesaugt, die Fenster geputzt, die Luft durch einen Riesenkaktus gereinigt, mit Kerzenlicht erhellt und mit Gebeten und Wünschen bereichert hat, ist nur den ausgiebigen Materialangaben von >Clearing and Cleansing, Raumüberschreibung< zu entnehmen. Mudraks Verweigerungshaltung ist vielleicht durch die Tatsache zu erklären, dass die Künstlerin 2007 in eben jenem Raum schon einmal ausgestellt hatte (>Überhitzt<, Meisterschülerausstellung) und sie dem Vorangegangenen etwas gänzlich anderes entgegensetzen wollte.

Martin Schepers

Martin Schepers hat an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Siegfried Anzinger Malerei studiert, wagt sich aber inzwischen auch auf das Terrain der Plastik vor. >Verwerfungen< ist eine Materialschlacht aus Holz, Gips, Draht, Fensterscheiben, Pressspanresten und anderen typischen Baumaterialien, die aus fünf kastenartigen Modulen zusammengesetzt ist. Dazu zeigt er die großformatige Zeichnung >Großer Querschnitt<. Mit den aus der Geologie stammenden Werktiteln ist ein vager Hinweis auf den Kontext der Arbeiten gegeben. Konkret basieren Schepers Werke auf den Kenntnissen, die er bei “Forschungsreisen“ zum Braunkohletagebaugebiet in der Lausitz gewonnen hat.

Ilona Kálnoky

>strrr…< wiederum ist eine wunderbar verspielte, kinetische Arbeit von Ilona Kálnoky. Ein raumhohes Gummiband ist hier zwischen Boden und Decke aufgespannt. Über eine Angelschnur sind die beiden Seiten des Gummibandes mit zwei kleinen Seilwinden verbunden, die dafür sorgen, dass sich das Band verzieht und dabei Vierecke oder dreieckige Formen im Raum erzeugt.

Ina Geißler

… in your room, in >Myspace<.

 

MYSPACE – RAUMINTERVENTIONEN
Ina Geißler//Geka Heinke//Franziska Hünig//Ilona Kalnoky//Anke Mila Menck//Rebecca
Michaelis//Christl Mudrak//Martin Schepers//Nicola Stäglich//Alexandra Schlund//Benedikt Terwiel
Kunstraum Kreuzberg / Bethanien ( Projektraum 1)
21.04.- 29.04.2012
Öffnungszeiten: täglich von 12 – 19 Uhr
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
U-Bahn Kottbusser Tor
www.kunstraumkreuzberg.de

Katrin Laade und Charlie Citron im plan.d.

ein Bildbeitrag von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Rauminstallation von Charlie Citron

 

an der Wand: Katrin Laade

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Katrin Laade

 

Katrin Laade

Katrin Laade

Katrin Laade

 

Katrin Laade

 

Katrin Laade und Charlie Citron
im plan.d.
Dorotheenstr. 59
40235 Düsseldorf
Ausstellung vom 31.3-22.4.2012
geöffnet Samstags und Sonntags v. 15-18 Uhr
und nach Vereinbarung: 0179 59 000 62

Die Klasse Katharina Grosse bei Transmission e.V.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Der Worringer Platz gilt immer noch als laute und stinkige Verkehrsdrehscheibe in der Stadt. Mit der Verpflanzung der sog. „grünen Insel“, mitsamt Dönerbude, verbesserter Beleuchtung und neuem Pissoir (das war übrigens ein toller Wurf…), hat sich die Kommune vor ein paar Jahren darum bemüht, die dortige „Aufenthaltsqualität“ zu erhöhen. Trotz dieser halbgaren Maßnahme entspricht der unwirtliche Fleck immer noch nicht der Grunddefinition eines öffentlichen Platzes und taugt als Ort der Begegnung, des Austausches oder des Verweilens wenig.

Bis auf die Präsenz des unverwüstlichen Künstlervereins WP8 (ein Pionier an dieser Stelle) und des Glashauses, war der Worringer Platz nicht gerade der Treffpunkt der Intellektuellen und der Avantgarde. Einmalige Projekte wie die Ausstellungen in der Bauhaus-Filiale oder relativ kurzlebige Initiativen wie das Hobbypop-Museum in der alten Posthalle kamen und gingen. Und nun rollt die nächste Welle – und diese wirkt massiver, als alles, was bisher an dem Standort erlebt wurde. Daniel Fritschi hat seinen gehypten Foyer mittlerweile etabliert; ob die Kunst-Komponente allerdings immer noch eine so große Rolle spielt, ist uns nicht klar. Der Galerist Max Meyer hat sich unweit des Platzes niedergelassen und sorgt für ein konzeptuelles und minimales Gegengewicht zur Döner-Meile. Julia Stoschek, wie wir berichteten, ist zur neuen Nachbarin des WP8 geworden und macht demnächst Programm dort. Regelmäßige und intime Ausstellungen in seinem Grafik-Kabinett veranstaltet seinerseits Sebastian Riemer. Und nun das: Ein Verein namens Transmission richtet sich auf der Worringer Straße ein und bespielt eine ehemalige Halle im Hinterhof der Meyer-Galerie.

Es sind immerhin um die 20 Mitglieder, die den Verein animieren. Seine Front-Frau, Anna Czerlitzki, hat Kunstgeschichte an der Uni Düsseldorf studiert und verspürte den Drang, sich für die hiesige Kunstszene einzusetzen – eine für junge Kunsthistoriker seltene Angelegenheit. Sie trat in Kontakt mit der Klasse von Katharina Grosse aus der Kunstakademie Düsseldorf, die ihrerseits auf der Suche nach einer neuen Spielstätte war. Die vier Wände der ehrwürdigen Institution an der Eiskellerstraße waren den Studenten zu eng geworden; Möglichkeiten, mit dem Raum zu experimentieren und den akademischen Rahmen zu brechen waren da nicht vorhanden. Grosse, deren Lehre sich auf die Wahrnehmung der besonderen Eigenschaften eines Raumes und auf die Entwicklung einer adäquaten künstlerischen Reaktion konzentriert, betrachtete die vorhandenen Ateliers der Akademie als ausgeschöpft und wollte den Spielraum ihrer Schüler ausweiten. Es musste ein Ort gefunden werden, der einen eigenständigen Charakter besitzt und den junge Künstler mit neuen Problemen konfrontiert.

Die Lagerhalle auf der Worringer Straße 57 bietet eine solche Herausforderung. Zufälligerweise kamen Verein und Klasse auf diese schöne Räumlichkeit im Hinterhof der Galerie Max Meyer und waren ziemlich schnell vom Ort begeistert. Neben der großen, zentralen Halle, die von einer langen Empore bekrönt ist, befinden sich in dem Keller weitere Räume zum bespielen, die, selbstverständlich, einen ausgeprägten Charakter besitzen und nicht für jede Arbeit tauglich sind.

Nun sollen sich die Studenten mit dem genius loci auseinandersetzen. Im Rotationsprinzip  werden die Räume von Mai bis Juli besetzt; die Ergebnisse dieser ortsbezogenen Arbeit werden dann in einer Ausstellung präsentiert. Trotz einer Förderung der Kunstakademie reicht das Geld nicht ganz für die Miete. Der Verkauf kleinerer Papierarbeiten und Editionen, der am vergangenen Wochenende stattfand, sollte diese Lücke schließen – und nach Aussagen der Organisatorin verlief die Veranstaltung sogar besser als erwartet. Live-Musik, Performances und Happenings rundeten das Programm ab. Wir haben aber nur den Kuchenstand und einen Haufen sich selbst zelebrierender Bohemienanfänger erlebt – selber schuld.

Und was passiert denn, wenn Grosse und ihre Studenten wieder nach Hause einkehren? Da tritt Transmission stärker in den Vordergrund und veranstaltet seine erste Ausstellung. Angekündigt sind junge Künstler aus Warschau. Weiterhin soll der Ort als Plattform eines verstärkten Austauschs zwischen Kunstakademie und kunsthistorischem Institut der Uni Düsseldorf dienen – eine Maßnahme, die in der Stadt längst fällig war. Darauf sind wir sind besonders gespannt.

 

Kunst im Knast – Ausstellung in der Ulmer Höh

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Demokratie bizarr: Freiwillig und gut gelaunt scharen sich die Menschen vor dem Portal, um in die JVA eintretten zu dürfen. Die Warteschlange war am vergangenen Samstag Nachmittag über Hundert Meter lang. Vorausgegangen war anscheinend eine gute PR-Arbeit, die den natürlichen Voyeurismus unserer Gattung geschickt kitzelte. Wann werden wir die nächste Gelegenheit bekommen, einen solchen Ort zu betreten? fragte ein Organisator die Besucher, die von der langen Wartezeit entmutigt waren.

 

Zu den Entmutigten gehörte ich übrigens. Die Vorstellung, unendlich lange warten zu müssen, um ein reales Gruselkabinett von Innen zu erleben fand ich etwas pervers und absurd. Ausserdem bin ich kein Freund von Sneak-Previews. Unwissend über die Qualität der Ausstellung und nicht gerade bereit, ein Nachmittag  für schlechte Kunst zu opfern, machte ich kehrt.

Am nächsten Tag war ich in der Früh wieder da. Es war kurz nach 10, fantastisches Wetter, kein Mensch auf der Straße. Ideale Bedingungen, könnte man meinen. Doch die Schlange war immer noch da. Ob Sie vor Ort gezeltet hätten?, fragte ich dem Mann vor mir. Nein; und er würde nur seit 30 Minuten warten, es wären aber bereits 200 Personen im Haus und mehr dürften momentan nicht eintreten.

Das war mir erneut zu doof. Ich gab endgültig auf. Ich hätte gerne für die Leser unseres Magazins berichtet, aber der Preis war zu hoch.

Deshalb den Aufruf:

WER WAR IN DER AUSSTELLUNG UND WER MÖCHTE SEINE EINDRÜCKE UND EIN PAAR BILDER AUF PERISPHERE TEILEN? Beiträge, klein oder groß, sind willkommen: redaktion (at) perisphere.de

Franziska von Stenglin in der Treppenhausgalerie

Das Presse- und Informationsamt in Frankfurt verfügt über ein Treppenhaus, das sich mittlerweile zu einer Galerie der besonderen Art etabliert hat. Seit 19 Jahren nehmen dort Künstler der Stadt die Herausforderung an und zeigen ihre Arbeit in einem Ort, der nicht gerade einfach zu bespielen ist. Die aktuelle Präsentation von Franziska von Stenglin heißt Himmel und Abgrund so nah und geht sowohl auf die spezielle räumliche Situation als auch auf die Frankfurter Hochhaus-Landschaft ein.

von Havva Erdem (Frankfurt / Main)

 

(der an der Eingangstür beigefügte Text der Künstlerin)

„Sie blieb einen Moment stehen, bevor sie die glänzende Lobby betrat.

Sie war kaum einen Kilometer weit gelaufen, aber es fühlte sich an wie eine ganz andere Welt. Sicher würde es Leuten, die hier arbeiten, nicht anders gehen, wenn sie den Fluss überqueren würden.

Die Lobby war sehr großzügig, hell und sauber, dass sie sich auf einmal ihrer eigenen Erscheinung bewusst wurde. Sie trat an die Rezeption, stellte sich vor und fragte nach der Person, deren Namen man ihr genannt hatte. Der Rezeptionist wählte eine Nummer und gab ihr ein plastikumhülltes Namensschild.

Sie setzte sich in einen, wie sie feststellte, Le Corbusier-Sessel und schaute sich um. Überall Dreiecke. Die Deckenplatten waren dreieckig, die Fliesen auf dem Boden, selbst der Aschenbecher stand da wie eine Pyramide.

Männer und Frauen eilten an ihr vorbei. Nach einer Weile erschien ein junger Mann. Er trug einen schwarzen Anzug, der aus einem leicht glänzenden Material gemacht war, und spitz zulaufende schwarze Schuhe. Er musste etwa in ihrem Alter sein. Gemeinsam gingen sie durch die Barrieren, die ihr Gastgeber mit einer Chipkarte öffnete.

Sie waren allein, der Fahrstuhl war nur für Gäste reserviert. Sie schossen hoch in das 43.Stockwerk. Eine Seite des Fahrstuhls war aus Glas. Die Stadt verschwand fast lautlos unter ihr, man hörte nur die Luft, die ihren Druck veränderte.

Der Fahrstuhl öffnete sich. Drei Sicherheitsmänner standen an der gegenüber liegenden Wand der Halle, die vor ihnen lag. Sie lief hinter dem jungen Mann her, die drei Sicherheitsmänner folgten ihr. Sie durchquerten verschieden kleine Konferenzzimmer, alle nach Opern benannt: Aida, Lohengrin, Don Giovanni. Sie fragte sich, ob einer wohl „Cosi fan Tutte“ hieß (So machen sie es alle).

 

In jedem Zimmer stand ein Konferenztisch und weitere Corbusierstühle. Die Wände den Türen gegenüber bestanden immer komplett aus Glas, so dass sie weit in die Ferne blicken konnte. Sie trat an das Fenster hean bis sie fast am Abgrund stand, nur das dicke Glas trennte sie. An den Wänden zur rechten und zur linken hingen großformatige Farbfotographien und oder großformatige, bunte Gemälde.

Sie gingen weiter. Der junge Mann führte sie in einen Raum, der wohl das Hauptkonferenzzimmer sein musste. Er war fünfmal so groß wie die anderen und hatte runde Wände. Der riesige Tisch hatte ein Loch in seiner Mitte. An der Wand hing eine große Weltkarte. Sie fand, dass es wie das Natohauptquartier aussah.

Die Männer blieben an der Türe stehen, während sie sich umsah. Nach einer Weile suchte sie sich einen Punkt am Fenster aus. Sie stellte ihr Stativ auf die Fensterbank, montierte ihre Kamera darauf und richtete sie gen Himmel. Sie zog ihren Belichtungsmesser hervor und hielt ihn ans Fenster, änderte die Einstellungen ihrer Kamera und drückte auf den Auflöser.

Auf dem Weg zurück hinunter war der Fahrstuhl etwas voller, die Sicherheitsmänner begleiteten sie. Dieses Mal bemerkte sie, dass sich auf jedem zweiten Stockwerk ein kleines Schild befand, dass auf eine Eiswürfelmaschine hinwies. Der Klang des Luftdrucks hatte sich umgekehrt.

Die Stadt eilte ihr entgegen.“

 

Franziska von Stenglin wurde 1984 in München geboren, wuchs in Afrika, Indien und Deutschland auf und studierte Fotografie in London. Zur Zeit absolviert sie die Städelschule in der Klasse von  Simon Starling.

 
Franziska von Stenglin
„Himmel und Abgrund so nah“
8.11.2011-31.03.2012
Mo-Fr 8.00-18.00 Uhr
Treppenhausgalerie im
Presse- und Informationsamt
Römerberg 32
60311 Frankfurt am Main

An den Rändern der Kunst im MAP

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Ein Heimspiel für Markus Ambach

Markus Ambach öffnet seinen Raumtriptychon zur nächsten großen Show und widmet sich sieben unabhängigen, langfristig angelegten Künstlerprojekten. An den Rändern der Kunst ist so etwas wie eine Liebeserklärung an die autonomen Kunsträume und an die freie Kunstszene. Wie ein Entomologe auf der Suche nach seltenen und fragilen Spezies, hat Ambach im Laufe seiner zahlreichen Reisen artists run spaces und Off-Räume besucht und z.T. in seine eigene Projekte einbezogen. Diese Bekannt- und Freundschaften aus Berlin, Sydney, Tokyo, Stuttgart (und natürlich aus Düsseldorf) präsentiert er nun im MAP.

SITEmagazine

SITEmagazine

Dabei operiert Ambach weder kommentierend noch wertend. Er schenkt jedem Projekt ein bisschen Raum und Aufmerksamkeit und schafft dadurch eine hervorragende Informationsstation zu einigen ausgewählten Off-Projekten. Aus der Düsseldorfer Umgebung sind alte Bekannte wie das SITEmagazine dabei. Die zwei Herausgeber Ralf Brög und Petra Rinck (letztere konzentriert sich seit 2010 um ihre Galerie auf der Ackerstraße) haben elegante Raumteiler geschaffen um ihre Künstlerzeitschrift in die Dreidimensionalität wirken zu lassen. An den Rändern… war für sie auch die Gelegenheit, das neue Format Site XF zu präsentieren, das als Hybridform zwischen Magazin, Katalog, Multiple und Ausstellung oszilliert.

singleclub

singleclub

singleclub

In seiner Bemühung, die junge Generation der Düsseldorfer Off-Szene an sein Haus zu binden, hat Ambach den Mann hinter dem bereits legendären singleclub eingeladen. Alexander Wissel, der hier nicht mehr vorgestellt werden muss, stellt einige Reliquien seines Langzeitprojektes singleclub aus: mehr oder weniger gut erhaltene Elemente der vergangenen Veranstaltungen, allesamt von befreundeten Künstlern hergestellt. Die Dekorationsstücke und Ausstattungsobjekte unterhalten interessanterweise auch im ramponierten oder bruchstückhaften Zustand ihre Ambiguität zwischen autonomen Kunstwerk und angewandter Gebrauchskunst. Diejenigen, die den singleclub nur als ausgelassene arty-party kennen, werden sich hier mit der nächsten Phase Wissels vielschichtigen Konzeptes beschäftigen können.

Sammlung Karl Heinz Rummeny

Wenn man unbedingt auf Stringenz setzt, kann man die Präsentation der Sammlung Karl Heinz Rummeny als kleine konzeptuelle Entgleisung auffassen. Der Düsseldorfer Rummeny, der vor fünfzehn Jahren mit Gregor Russ und Jost Wischnewski das Parkhaus gründete – und nun seit vier Jahren das Projekt allein weiter führt – hat mittlerweile den Ruf eines erstrangigen Entdeckers und Ermöglichers erlangt. Wie viel junge Talente, kurz vor dem Sprung in den kommerzielle Kunstbetrieb stehend, hat er schon in dem kleinen, dunklen und feuchten – aber atmosphärisch starken – Raum im Malkasten-Garten präsentiert? Ambach hat ihn allerdings nicht als Parkhaus-Verantwortlicher und wichtiger Akteur der hiesigen Off-Szene eingeladen, sondern als Kunstsammler. Rummeny steht nämlich seit 25 Jahren in Kontakt mit internationalen Künstlern, manche namhaft, andere weniger, und hat eine feine Sammlung von meist leichten und fragilen Papierwerken angelegt. Es sind Briefe, Postkarten, schnell durchgeführte Skizzen oder illustrierte Widmungen, die vom Freundschaftsverhältnis des Ausstellungsmachers mit Leuten wie Gilbert & George bezeugen. Die Dokumente sind wertvoll, z. T. sogar aufschlussreich (und es ist eine große Chance, sie überhaupt wahrnehmen zu dürfen); hier aber verschwindet das Projekt Parkhaus hinter seinem Betreiber.

Bezeichnenderweise wurde die Wahl der nicht-Düsseldorfer Off-Spaces auf Projekte gelegt, die sich spezifisch mit urbanistischen Fragen auseinandersetzen und auf Probleme der Privatisierung, bzw. der Gentrifizierung oder der Wiederaneignung des öffentlichen Raums eingehen – und sich damit genau mit Ambachs eigenen Themenschwerpunkten decken. Das Stuttgarter Büro für transdisziplinäre Forschung und Kulturproduktion, das derzeit von Yvonne P. Doderer geführt wird, hinterfragt beispielsweise die Relevanz und Wirksamkeit der Zivilgesellschaft in urbanistischen Entscheidungsprozessen – mit dem Fall Stuttgart 21 als brisanter Hintergrund.

Abseits eines reinen analytischen Ansatzes, greift das in Berlin basierte Projekt KUNSTrePUBLIK frech und direkt in das Geschehen ein und eignet sich den zur Verfügung stehenden Stadtraum wieder an. Die Gruppe hat einen „Skulpturenpark“ auf einer Brache eingerichtet und dort, ohne Absprache mit dem Besitzer, verschiedene Aktionen durchgeführt. Das situationistisch angehauchte Projekt stellt den spekulativen Umgang mit Lebensraum in Frage und demontiert gleichzeitig die Vorstellung einer „demokratischen“, allen zugänglichen Kunst.

Bill + George

Bill + George ist ein von elf australischen Künstler betriebener Off-Raum in Redfern, einem Stadtteil von Sydney, der hauptsächlich von Aborigenes bewohnt ist. Der Ort, einst als heruntergekommener Umschlagplatz für Drogen und Treffpunkt der Kriminellen verrucht, wird nun von den lokalen Kreativen und Hipstern kolonisiert. Bill + George geht auf diese Situation ein und organisiert diverse Aktionen im öffentlichen Raum, schafft Kommunikationsräume, setzt in agitatorischen Performances starke Zeichen und geht bis zur Besetzung repräsentativer Gebäude, um auf die Gentrifizierung aufmerksam zu machen.

M. Ichimura und T. Ogawa

Eine ähnliche Dynamik finden wir beim Projekt Enoaru Cafe wieder. Im großen Tokyoer Yoyogi Park hat sich eine Siedlung von Obdachlosen niedergelassen und lebt seit längerer Zeit unter blauen Zelten. Mitten in diesem „blauen Dorf“ haben die Künstler Misako Ichimura und Tetsuo Ogawa eine Bar der anderen Art gegründet. Dort bekommt man gegen einer Lebensmittel- oder Sachspende einen Tee und kommt in direkte Berührung mit Künstler, Spaziergänger und Obdachlosen. Vertreter aller Bevölkerungsschichten treffen sich hier zum Zeichnen und Verweilen; es entsteht einen Raum des Austauschs und der Kommunikation, der in der wenig porösen japanischen Gesellschaft selten zu finden ist.

Weil sie nie als Gruppenausstellung durchzugehen versucht, erweist sich An den Rändern der Kunst als angenehm unaufdringlich und informativ. Das Format ist zwar nicht sonderlich überraschend, aber die Abfolge von Projektpräsentationen, die zum Teil mit den Modi der dokumentarischen Ausstellung kokettieren, wirkt solid und angemessen. Und eine klare Vermittlung der Inhalte ist in diesem Fall allemal besser als eine verspielte räumliche Inszenierung. Wie die letzten Shows an diesem Standort bestätigt haben, taugen es die schwierigen Räume für Gruppenausstellungen eh nur bedingt. Von daher ist die konzeptuelle und formelle Zurückhaltung der aktuellen Präsentation eine wahre Wonne.

An den Rändern der Kunst
im MAP – Markus Ambach Projekte
vom 36.3-5.5.2012
Bachstr. 139-143
40217 Düsseldorf
Tel. (0049) 0211-15927623

 

Back from Japan in der HPZ-Stiftung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Mit der Eröffnung der Ausstellung „Back from Japan“ scheint Con-Sum endgültig gestorben zu sein – auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis die Düsseldorfer sich an den neuen Namen gewöhnen. Die Lokalität an der Ronsdorferstraße, die einige legendäre künstlerische Aktionen und Projekte beherbergte, ist vielen in der Stadt noch bekannt. Auf Initiative ihres Inhabers Hans Peter Zimmer wurde  dort in den 80er  Jahren eine ehemalige Backfabrik in ein pulsierendes Zentrum für Kultur umgebaut. Unter dem Namen Con-Sum wurden ca. 70 Musikstudios sowie zahlreiche Künstlerateliers und Arbeitsräume für Architekten, Modemacher und Fotografen eingerichtet. Nach dem Tod von Zimmer (der die Gefahr der Gentrifizierung an diesem Standort vorausgesehen hatte und die geschichtsträchtige Substanz  sowie die kulturelle Vielfalt des Hofes aufrecht erhalten wollte), wurde auf seinen Wunsch hin die Hans Peter Zimmer-Stiftung gegründet.

Seit wenigen Monaten hat die Institution ihre offizielle Arbeit  aufgenommen und konzentriert sich zunächst auf die Sparten Bildende und Darstellende Kunst. Mit dem Künstler Wolfgang Schäfer an ihrer Spitze wurden bereits manche Weichen gestellt. So wird anstatt eines Zweckes (wie bei jeder Stiftung üblich) eine „Mission“ kommuniziert, und diese liegt in der „Gewissheit eines uns alle verbindenden universellen geistigen Potentials“ – eine in der gegenwärtigen Kunstwelt unübliche Selbstdefinierung. Wer übrigens bei dem Begriff „Mission“ an den wenig glorreichen Ausweitungsdrang des Christentums denkt, wird möglicherweise an dem benannten „universellen geistigen Potential“ zweifeln. Mit dieser Einstellung sticht jedenfalls die HPZ-Stiftung aus der dichten Düsseldorfer Kunstszene heraus und behauptet so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal.

Katja Stuke

Katja Stuke

Weil die Stiftung noch nicht vollständig gewachsen und in erster Linie von der Persönlichkeit von Wolfgang Schäfer geprägt ist, steht sie unter dem Einfluss des Künstlers. Letzterer macht ein Programm aus seinen persönlichen Vorlieben und drückt seinen Stempel auf  die Institution. Genauso verhält sich übrigens jeder künstlerische Leiter eines kleinen bis mittelgroßen Hauses; daran ist nichts auszusetzen. Die starke subjektive Bindung der HPZ-Stiftung an Schäfer (und vice-versa) erklärt jedenfalls die Themenwahl von Back from Japan: Da kehrt der Japan-begeisterte Schäfer aus dem Land der aufgehenden Sonne zurück und, noch unter dem Eindruck der dortigen Kultur, bringt in Düsseldorf einige japanische und deutsche (deutsche, aber japanophile) Künstler zusammen.

Yasutake Iwana

Yasutake Iwana

Im Zimmer von Yasutake Iwana

Dabei ist diese sehr persönliche deutsch-japanische Brücke längst nicht alles: Mit der Veranstaltung wurde vor allem ein wichtiger Bestandteil der Stiftung eingeweiht. Nach einer lange Phase des Umbaus wurden nämlich sieben Gästezimmer offiziell eröffnet. Diese stehen künftig für eingeladene Künstler zur Verfügung, die ihre Arbeit in der HPZ-Stiftung realisieren sollen. Der intelligente und nüchterne Umgang des Architekten – Jochen Weyer – mit dem Raum wurde an dem Abend genauso goutiert wie die Kunst selbst.

Die Präsentation der Wohn- und Arbeitsräume wurde dabei geschickt inszeniert. Anstatt einer platten Wohnungsbesichtigung, transferierte Schäfer die Ausstellung (die er gut in einem der geräumigen Säle des Komplexes hätte unterbringen können) in die Gästestudios. So ergaben sich sieben heterogene Zellen, die zwar in keinen Dialog traten (die unbedingte Dialogsuche kann auch lästig werden), dafür aber wie geschlossene, dichte Einheiten wirkten. Der Korridor wurde von einer Porträtgalerie von Oliver Sieber bespielt. Jenseits aller Klischees zur uniformierten japanischen Gesellschaft, fing er das Gesicht der japanischen Alternative ein und und verewigte seriell Rockabillies, Punks, Hardcore, Emos, etc, vor einem neutralen Hintergrund. Menschen, die keineswegs „japanisch-typisch“ wirken und eher an westlich geprägten Subkultur-Stile orientiert sind.

Oliver Sieber

In seinem Zimmer tobte Hiroyuki Murase mit seinen Freunden aus Osaka. Bei Letzteren handelt es sich um die Performancegruppe Shinaikankei, die übrigens nicht leibhaftig anwesend war, sondern  als riesiges lärmproduzierendes Bild im Hintergrund agierte – per Skype-Übertragung. Interkontinentaler Rausch, elektronische Ekstase und schön-schmerzhafte Verzerrungen. An der Decke drehte sich zwar eine Schlaufe aus kleinen Spiegeln wie eine Discokugel, getanzt wurde nicht – gehangen aber auch nicht.

Hiroyuki Murase im Skype-Kontakt mit Shinaikankei; oben: Taka Kagitomi

Der Strang war übrigens eine Arbeit von Taka Kagitomi, der ein paar Zimmer weiter sein wunderbares Bett-Klavier installiert hatte. Der Künstler hatte in einem eigenartigen Montage Bestandteile eines Bettes und eines Klaviers verkoppelt und damit eine Liegefläche kreiert, die Klangvibrationen körperlich spürbar machte. Die Demonstration seines Objektes wurde zu einem Mini-Fluxus-Event.

Taka Kagitomi

Das Zimmer von Thomas Neumann wurde als Gästezimmer des Gasten verwendet. Neumann war kurz vor Ausstellungsbeginn nach Japan gereist und hatte vier Beiträge von Künstlern, die er vor Ort kennen gelernt hatte in seinen Koffern mitgebracht. Neumann präsentierte selbst eine während seinem Aufenthalt enstandene Arbeit.

Im Zimmer von Thomas Neumann

Thomas Neumann

Mit ihren gestrickten Objekten an en Wänden, dem auf dem Boden liegenden Leuchtkörper und den vielen, kleinen Ton-Kugeln, die sie an einer Wand und in einem Regal des Zimmers angebracht hatte, ging Isabella Fürnkäs am ehsten auf die heimelige und private Raumsituation ein. Auch wenn die Gursky-Schülerin in Düsseldorf wohnt und nur einen mäßigen Gebrauch des Zimmers gemacht hat, gaben ihre intimen und sehr persönlichen Stücke den Eindruck, vor Ort entstanden zu sein und in Gespräch mit den räumlichen Beschaffenheiten zu treten.

Isabella Fürnkäs

Isabella Fürnkäs

Isabella Fürnkäs

Dass die japan-fixierte Ausstellung am 10.3. eröffnet wurde – ein Tag vor dem ersten traurigen Jubiläumstag des großen Erdbebens und der Tsunami-Flut – ist natürlich kein Zufall. In Gedenken an die Opfer der vielfachen Katastrophe, eröffneten Wolfgang Schäfer, Tomoko Tezuka und Yuki den Abend mit einer kurzen und konzentrierten Performance. Barfüssig und kopfbedeckt erschienen sie aus dem Hof in dem abgedunkelten Treppenhaus und Korridor des Gästetrakts. Langsam tanzend, bedächtig, die Augen geschlossen und eine Rose in der Hand, die sie vor sich trugen, als ob es sich um eine Gabe handeln würde, schritten die drei Performer vom Außenbereich bis zum Herz („zum Kern“ wäre hier unangebracht) der Gästestudios, eine Welle des respektvollen Schweigens auflösend. Ein Auftakt voller demütiger und poetischer Zurückhaltung, ohne unnötigen Pathos und Theatralität.

Back from Japan
in der Hans Peter Zimmer-Stiftung
Ronsdorferstr. 77a
Ausstellung v. 11. – 30. März
Öffnungszeiten Do-So 14-18 Uhr

 

Format:C in Wort und Bild

Unter dem Label Format:C haben Benny Höhne, Jan Kaps und Nils Emmerichs seit Janur 2011 drei unterschiedliche Austellungsformate in den Orten Meerbusch, Düsseldorf und Köln realisiert. Zuletzt waren sie mit der Gruppenausstellung „Vor Gott Ist Alle Kunst Scheisse II“ in der ursprünglich einmal von Timothy Shearer und Benjamin Tillig zur Artcologne 2011 projektierten Boutique am Kölner Ebertplatz zu Gast – Bilder davon gibts auf Facebook.

Anna-Lena Werner von artfridge hat mit den drei Dandys ein Interview gemacht und sie zu ihrem Projekt befragt. Das Interview gibt es in voller länge auf englisch und deutsch in Anna-Lena Werners Blog. Wir erlauben uns an dieser Stelle lediglich eine der einleitenden Fragen zu übernehmen um so einen kurzen Eindruck davon zu vermitteln was Format:C ist und sein soll.

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Die Nordkaap Tour macht Station bei Jack in the Box

Das Projekt Nordkap tourt seit 2011 durch Europa und behandelt das Phänomen des Populismus. Nach München und Istanbul war das Projekt am 3. und 4.2. in Köln zu Gast, bevor es dann nach Lissabon und Budapest weiter geht. Gastgeber in Köln war JACK IN THE BOX, ein gemeinnütziger Verein für Entwicklung und Erprobung innovativer Modelle der Beschäftigungsförderung, mit Sitz auf der Brache des ehemaligen Güterbahnhofs Köln-Ehrenfeld. Weitere Infos dazu gibt es hier.

Die Infos zum Nordkap-Projekt selber befinden sich auf der Projektwebseite www.noordkaap.org.
Mit dabei sind:
Arturo Hernández Alcázar (Mexico City), Hans van den Ban (Amsterdam), Nada van Dalen (Dordrecht), Dan Dryer (Cologne), Foundland (Amsterdam), Fabian Hesse (Munich), Oliver Kunkel (Cologne), Daan den Houter (Rotterdam), Filippo Minelli (Brescia), Federico D’Orazio (Den Bosch/Bangkok) and Art van Triest (Utrecht).

Nordkaap in Köln
zu Gast bei JACK IN THE BOX,
Vogelsanger Straße 231,
50825 Köln-Ehrenfeld

3.2./4.2.2012

http://www.noordkaap.org

„HOSTED BY“ IM MAP

M-A-P: Diese drei Buchstaben stehen für drei Räume am Bilker Bahnhof und für das dort beherbergte Markus Ambach Projekte. Der Künstler Ambach, der nach dem titanischen B1/A40-Projekt immer größere Aufträge für die höchsten kulturellen Gremien des Landes zu bewältigen hat, hat ein Faible für die systematische Vernetzung und die forcierte Kooperation. Das war schon in seiner Reihe „The Chain“ zu spüren und es ist nicht anders bei der aktuellen Ausstellung „Hosted by“.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Markus Ambach lädt zwei Künstler (Erika Hock, Sascha Hahn) und ein Kollektiv (Volker Bradtke) ein, jeweils einen der drei Räume zu bespielen und zieht sich vollständig aus der kuratorischen Verantwortung zurück –  wenn ich es richtig sehe, hat Ambach an diesem Standort nie eine richtige kuratorische Tätigkeit ausgeübt. Die eingeladenen Künstler laden wiederum andere Künstler ein und generieren so eigene Formen der Kooperation. Es sind drei distinkte Ausstellungen entstanden, die drei völlig unterschiedliche Modi der künstlerischen Zusammenarbeit ausmachen. Ein interessantes Experiment mit ungleichen Ergebnissen.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)

Die Bildhauerin Erika Hock bespielt das Haus M und lädt dazu Kasper Akhøj aus Kopenhagen ein. Auch wenn die zwei Künstler es bisher nicht geschafft haben, sich persönlich kennen zu lernen, führt ihre Assoziation zu einer erstaunlich gut gelungenen Symbiose. Akhøj zeigt hier eine fotografische Installation, bestehend aus zahlreichen projizierten Bildern. Schwarz-weiße, zum Teil grobkörnigen Architekturaufnahmen oder Interieurs wechseln sich mit Portraits von einigen Menschen ab. An den Formen und an der Kleidung erkennt man die intellektuelle Aristokratie der 20er Jahre in ihrer avantgardistischen Umgebung. Scharfsinnige Beobachter identifizieren Le Corbusier und Eileen Gray, zwei Ikonen der Architektur und des Designs der Moderne. Während des langsamen und stetigen Laufes der Bilder erzählt uns eine Stimme  im Hintergrund die Geschichte dieser Menschen und dieser Orte. Es ist ein schönes Märchen um den Bau und die Restaurierung zweier Häuser, um die anekdotische Erfassung eines Inkunabels der Architektur, um die Utopien der Moderne, um die Verschmelzung von Kunst und Leben – wobei Akhøj Fakten und Fiktion eng verwebt und die Aussagekraft der Bilder von seiner Narration abkoppelt. Wir stehen – im postmodernen Sinne – vor einer Erzählung, die sich in den Myriaden von Möglichkeiten zwischen Realem und Möglichem auflöst.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)
Dass diese Arbeit in einem der drei Pavillons des MAP präsentiert wird, also in einer Architektur, die sich selbst um Modernität bemüht, passt wie die Faust aufs Auge. Erika Hock führt die Annäherung noch weiter und gestaltet den langen Raum mit einer Paravent-artigen Abtrennung, die die Projektion von Akhøj umfasst. Ihre Struktur aus Holz und einem seidigen Stoff widerholt den Stahl-Glas-Rahmen des Raumes, der die Distinktion zwischen Innen und Außen operiert. Sie nimmt also eine neue Trennung in den Innenbereich vor, lässt aber aufgrund der bedingten Transparenz des Materials die architektonische Referenz durchschimmern.

Zugleich rahmt sie Akhøjs Arbeit ein und verschafft ihr die notwendige Dunkelheit. Diese Shifters, wie Hock die Modulen nennt, stehen also im stetigen Bezug zu ihrer Umgebung, die zitiert, reflektiert und zurückprojiziert wird. Auch wenn sie zu Diensten der anderen Exponaten zu stehen scheinen und als Projektionsfläche fungieren, schaffen sie es, ihre fragile Autonomie zu bewahren.

Erika Hock: Shifters (2011)
Ein wenig weiter sind zwei Objekte im Schaufenster ausgestellt und liegen da, als ob sie auf den Zugriff eines Design-Liebhabers warten würden. Ihre klaren Strukturen werden teilweise von weichen Konturen abgerundet; eine geschmeidige und elegante Angelegenheit. Auch diese Skulpturen behaupten sich zwischen erlesener Funktionalität und Autonomie. Mit ihren puristischen Linien und edlen Materialien erinnern sie an Designklassiker der Moderne – und weben dadurch eine neue Verbindungslinie zu Akhøjs Thematik.

Aber es bleibt hier alles beim Ansatz. Die Gegenstände – es handelt sich wohl um Zitate vorhandener Art Deco-Möbel –   taugen als Sitz, Regal oder Serviertischchen nichts. Sie sind nutzlose, selbstverliebte Dinge, die nichts anderes als ihre skulpturale Präsenz haben. Das Zusammenspiel beider Positionen erscheint ideal: Akhøj und Hock gewähren ihre Selbstständigkeit bei gleichzeitiger inhaltlicher Durchdringung. Ein feiner Zug.

Erika Hock: o.T. (2011)

Der minimalste Eingriff in den herausfordernden Räumen von MAP liefert Volker Bradtke im Haus A. Das Projekt, das sein bisheriges Lokal auf der Birkenstraße kurzfristig verlassen musste, war sicherlich froh, zwischenzeitlich von Ambach aufgenommen zu werden und die norwegische Künstlerin Toril Johannessen zeigen zu können. Wie gewohnt agiert das Künstlerkollektiv hinter Volker Bradtke gedeckt und aus der Distanz. Die Kooperation, wenn man sie als solche bezeichnen kann, beschränkt sich hier auf ein Kurator-Künstler-Verhältnis. Eine Gelegenheit, die Arbeit von Johannessen kennen zu lernen. Ihr techno-konzeptueller Ansatz bezieht sich auf Fragen der – formulieren wir es mal so: – technologisch bedingten Synchronizität. Zeitgleich zur Präsentation in Düsseldorf werden alle im MAP ausgestellten Arbeiten auch in Oslo gezeigt.

An der großen Uhr, die in einem der verglasten Schlauch der MAP-Räumen angebracht ist, geht der Zeiger höchst unregelmäßig, stockt immer wieder und beschleunigt ruckartig seinen Lauf. Er misst dabei nicht die Zeit, sondern – seinen Impulsen von einem Computer erhaltend – folgt dem Rhythmus des Datenverkehrs im WWW. Wenn dieser hoch ist, dann geht der Zeiger entsprechend schnell. Die Uhr funktioniert also als Pegel der menschlichen Aktivität im virtuellen Netz. Daneben an der Wand sind zwei Grafiken eingerahmt, die den Gebrauch des Begriffs „Synchronicity“ in ausgewählten psychologischen Zeitschriften und des Begriffs „Synchronization“ in naturwissenschaftlichen Zeitschriften vergleichend erfasst.  Hinter der neutral-wissenschaftlichen Fassade des Diskurses und den anhaftenden mise en abyme-Effekt, wirken die Arbeiten etwas zu demonstrativ und  pädagogisch-bemüht. Der intellektuelle Spaß hält sich hier in Grenzen.

Das Haus P ist das problematischste. Anders als bei dem konzentrierten Ansatz von Volker Bradtke und Erika Hock, hat sich Sascha Hahn für eine kleine Gruppenausstellung und für die Konfrontation verschiedener Medien entschieden. Hahn hat dabei ein „Portfolio“ mit vier Positionen aus Berlin erstellt. An sich keine schlechte Idee – aber weil sie so wenig Raum erhalten, bekommen die vier Positionen nicht wirklich die Chance, sich zu behaupten. Lobenswert ist indes die Tatsache, dass der gut gefüllte aber nicht überfüllte Raum ein  (gesamtkompositorisch gesehen) Gegenwicht zu den zwei anderen spärlich bestückten Häusern schafft.

Haus P

Besonders hervorzuheben wäre hier die Arbeit von Jörg Schlürscheid. Auch wenn man über die Angemessenheit der Präsentation nachsinnen kann (ob die Unmöglichkeit, die Installation von allen Seiten wahrzunehmen, Teil der künstlerischen Strategie von Schlürscheid oder nur eine fragwürdige kuratorische Entscheidung ist, könnte hier nicht bestimmt werden), ist sein „Nördlicher Wald“ ein der gelungensten Stück der Ausstellung. Schlürscheid recycelt Sockel aus etablierten Kunstinstitutionen und transformiert sie  in autonomen Skulpturen. Das Sehinstrument „Sockel“, für gewöhnlich ein Behilfsmittel zur Inszenierung und Legitimierung von Bildhauerei, fungiert dank einer minimalen Verfremdung und Neukontextualisierung zu einem künstlerischen Objekt, mit einer weiten Verwandtschaft zum Minimal Art.

Jörg Schlürscheid: "Nordischer Wald" (2011)

Sascha Hahn, der eigentlich aus der Malerei kommt aber eine besondere Vorliebe für das Medium Film entwickelt hat, ist selbst vertreten – „Angela“, ist der Film einer in der Kunsthalle Düsseldorf gedrehten Performance von und mit Angela Fette. Die Avantgarde-Pathetik des Films, der zwischen zwei schwarz bemalten Folien projiziert ist, wirkt ein wenig angestrengt. Hommage oder Kooperation?

Sascha hahn: Angela (2011)

Alexander Lieck ist in erster Linie Maler und hat einen Ansatz entwickelt, der sich nicht ohne Ironie auf die Abstraktionen der klassischen Moderne oder auf heroischen Positionen der nicht-gegenständlichen Kunst der Nachkriegszeit bezieht. Hier ist er mit zwei Bodenarbeiten vertreten, in denen hermetisch-glatte Materialien mit grob gemalten Holzklötzen und –brettern kombiniert werden. Lieck komponiert kleine dreidimensionale, suprematistisch-alike Objekte, die einige Leichen heraufbeschwören; hier ein Malewitsch zum anfassen, da ein Mondrian in der Spielstube und dort ein Schwitters ohne Schutzvitrine. Die xte Lektüre der Avantgarde und ihre universalistischen Anmaßungen sind stimmig und intelligent –  aber es ist eben die xte Lektüre.

Alexander Lieck: o.T. (2011)

Alexander Lieck: o.T. (2011)

Schließlich soll hier die Arbeit von Michael Franz Erwähnung finden. Es handelt sich um sehr unterschiedliche, im gesamten Raum verteilte Papier-Arbeiten. Darunter eine Mandala-artige Filsstift-Zeichnung und eine rätselhafte Collage. Ersteres Stück ist insofern interessant als das Medium relativ selten ist. Es lässt einen groben und nervösen Duktus zu und, durch die konzentriert-penible flächendeckende Technik, die Reminiszenz zur Schulzeit oder zu Hobbykunst schafft, sucht eine widersprüchliche Nähe zur Dekoration. Alles in allem ein desorientierendes Eklektizismus, das in dieser Form etwas profillos wirkte.

Michael Franz: o.T. (2010)

Michael Franz: o.T. (Kupka) (2007)

Michael Franz: o.T. (2011)

„Hosted By“ im Markus Ambach Projekte
Ausstellung vom 6.11- 23.12.2011
geöffnet Mi., Do. und Fre. von 11-16 Uhr
Bachstr. 139-143
www.markusambachprojekte.de