SZOBART in BUDAPEST

Die erste Spur auf der Suche nach einer Budapester Off-Initiative führt zu ein Projekt, das  von deutschen Künstlern mitinitiiert wurde: Teresa Szepes, Charlotte Schmid und Eike Harder kuratierten und betreuten für einen Monat “Szobart”. Den ausstellenden Künstlern der Finissage gelang es, sich innerhalb des vom Projekt gegeben Rahmens zu bewegen und gleichzeitig eine eindringliche Ausstellung zu realisieren.

Bilder: Axel Braun

Das Konzept von “Szobart”, bei dem eine wöchentlich wechselnde Künstlergruppe jeweils Freitagabends das Ergebnis ihrer Arbeit präsentierte, schuf einen Freiraum, in dem kontinuierlicher Wandel herrschte und der unabhängig vom institutionellen, Budapester Kunstbetrieb funktionierte. Das Projekt fand seinen Platz in einem leerstehenden Ladenlokal und den darunterliegenden Kellergewölben. Für die letzte Ausstellung wurden drei deutsche Künstler eingeladen, die die Möglichkeit eine ihnen fremde Umwelt zu erkunden nutzten und all jenes, was sie für bemerkenswert hielten, archivierten.

Auf halber Treppe, beim Heruntersteigen in den katakombenhaften Ausstellungsraum, bekommt der Besucher die erste Ahnung von der Grundstimmung der Ausstellung: Er trifft auf einen Index von kleinen, in schwarz-weiss auf Faxpapier gedruckten Fotos, die Ausschnitte aus einem städtischen Umfeld zeigen. Schon diese visuelle Hilfestellung lässt auf einen dokumentarischen Anspruch schließen.

Von hier aus ist gleich auch schon der erste Blick auf die gemeinsame Arbeit von Axel Braun, Colin Penno und Max Schaffer möglich: reconstructed column. Eine archoälogisch anmutende Installation aus mehreren umgefahrenen, aus der Innenstadt zusammengetragenen Straßenbegrenzungen. Trotz ihrer zentralen Positionierung und theatralischen Beleuchtung, passt sie sich durch die minimalistische Formsprache perfekt in den Raum ein, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und ist wohl das eindruckvollste, das Kernstück der Ausstellung. In diesem Exponat verdichtete sich sowohl die für alle drei Künstler typische reduzierte Ausdrucksweise als auch deren gemeinsamer archäologischer Ansatz.

Der Besucher ist nach den ersten, sehr intensiven Eindrücken auf sich gestellt und muss die schlecht beleuchteten, verschachtelten Nebenräume selbst erkunden. Hinten links findet sich, hinter einer Mauer versteckt, die Arbeit von Axel Braun: Über das unverputzte Mauerwerk wurde Schwefelpulver verteilt, das – von einem Spot in Szene gesetzt – den Eindruck enstehen lässt, es würde aus der Wand selbst geradezu herausschwitzen. Die Augen müssen sich erst an die wechselnden Lichtverhältnisse gewöhnen, um dieses bei gebotener Aufmerksamkeit umso eindringlichere Werk wahrzunehmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Backsteingewölbes öffnet sich eine weiterer dunkler Nebenraum. Auch hier gelingt die Irritation durch eine Setzung, die sich die Lichtsituation zu Nutzen macht: Colin Pennos bildhauerische Arbeit erscheint, trotz einer meiner Meinung nicht besonders interessanten Formgebung, aufgrund der geschickten Inszenierung sowie einer zwischen matt und glänzend osszilierenden Oberfläche unheimlich und bedrohlich. Diese Rekonstruktion eines „sich im Umbau befindlichen Kirchturms am Ufer der Donau“ wirkt im Zusammenspiel mit dem ausladenden Gemäuer wie die Hinterlassenschaft eines nicht nachvollziehbaren Vorgangs und bescheinigt Penno einen wachen Blick sowohl für die neue Umwelt als auch für die Räumlichkeiten.

Im gleichen Raum, hat Max Schaffer ein Fax an der Rückseite einer Säule befestigt. Es ist die Kopie eines Briefes den Schaffer beim “Entleeren des Briefkastens einer seit Jahren leerstehenden Markthalle” gefunden hat. Sowohl das Fax wie auch der Rentenkassenbescheid, sind  Relikte des Vergangenen und eine Spur der  Forschungsarbeit der Künstlergruppe.

Ein vierter Raum, vielmehr Lüftungsschacht, ist Ausgangspunkt für das perfomative Element der Ausstellung: Unter dem Eindruck der Bauarbeiten in der Stadt,wurde die Arbeitsweise ungarischer Bauarbeiter ( großer Aufwand, mit relativ bescheidenem Ergebnis) für die Performance übernommen. In einem Lüftungsschacht eingerichteten “Labor” wurde über Stunden, auf umständliche Weise Teer erhitzt; Dieser dann in mehreren Gängen in den oberen Raum gebracht, um eine dort vorgefundene, noch von den Bauarbeiten stammende Unebenheit im Beton, mit Teer auszugießen. In dieser Aktion vereinen sich schlussendlich alle für die Ausstellung bezeichnenden Charakteristika. Eine auf der Beobachtung der Umwelt basierende Vorgehensweise, deren Endprodukt mit Rücksichtnahme auf die Eigenheiten des Raums fragil gesetzt wurde und eine bleibende, aber unscheinbare Spur hinterlässt.

Der bewusste Verzicht auf die oberen, durch Bar und Veranstaltungen belebten Räume, erwies sich als Vorteil für die konsequente Ausstellung. Die Ideen zu den vor Ort geschaffenen Werken wurden im Dialog formuliert und es fand sich sichtbar eine gemeinsame Formsprache. Das Ergebnis waren jedoch  autonome Werke, die allesamt eine Reaktion auf die vorgefundene Raumsituation und das urbane Umfeld darstellten.

Szobart” wurde von Budapestern besonders positiv aufgenommen: Die Offenheit und gleichzeitige Ernsthaftigkeit den Künstlern und Werken gegenüber, positiv aufgenommen. Die Einzigartigkeit dieses Projekts und seine zeitliche Begrenzung wurden mehrfach ausdrücklich bedauert. Ob es sich tatsächlich um einen Einzelfall handelt, wird die Such nach den nächsten off-spaces in Budapest zeigen.