flip_to_frontNBDBKP, TEIL II: IM GESPRÄCH MIT NIELS BETORI DIEHL

Getreu dem Motto Ladies first, hatte ich vergangenes Jahre zu erst Barbara K. Prokop den weiblichen Part des NBDBKP Duos zu Gast. Herausgekommen ist dabei ein ganz wunderbares Interview an das ich immer noch gerne denke.
Und weil hier in der perisphere alles ganz langsam geht, wir eh nicht primär für die Gegenwart, sondern vor allem immer für die uns Nachfolgenden, die Zukunft und die Ewigkeit – so viel Pathos muss sein – arbeiten, kommt nun ganz in Ruhe, aber immer noch rechtzeitig zum morgen anstehenden Midterm Massaker Wahlen in den USA das Gespräch mit Niels Betori Diehl, Barbaras dynamischem Partner on fire.

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Barbara K. Prokop

Nur selten habe ich bisher einen Künstler, oder in diesem Fall eine Künstlerin getroffen, die sich zu den politischen und ästhetischen Fragen unserer Zeit so klar äußert und deutlich positioniert. Prokops Antworten auf meine Fragen sind schnörkelos, offen, klar und fügen sich damit stringent in ihr künstlerisches Werk ein. Ihre Arbeiten erscheinen im ersten Moment nüchtern, sind aber vor allem einfach knochentrocken, konzeptuell streng bis zum Anschlag, dabei aber – oder vielleicht auch deswegen? – dennoch oft auf subtile Weise witzig.
Gemeinsam mit dem Künstler und Social-Media-Haudrauf Niels Betori Diehl arbeitet sie unter dem Label nbdbkp.
Damit sind hier eigentlich alle relevanten Links gesetzt. Ihr klickt Euch da bitte vertiefend rein und falls Ihr dann an ihrer Arbeit dran bleiben wollt hier noch der link zu ihrem Facebookfeed.

Ansonsten hoffe ich sehr, dass Ihr beim Lesen diese Interviews ebenso viel Vergnügen habt wie ich, als ich es mit ihr führen durfte.

NO ONE HAS THE RIGHT TO BE LIKED, 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 40 X 30 cm

fk: die nutzung der Arial in deinen arbeiten sticht natürlich sofort ins auge. und da ich sie ja selber konsequent einsetze, meine frage an dich, warum Arial und wie kam es zu der entscheidung für die schrift?

bkp: Ich verwende Helvetica, aber konzeptionell macht das keinen Unterschied. Mir gefällt, dass die Schrift gleichzeitig sehr bold aber auch banal ist. Es ist die Schrift, die man benutzt, wenn man keine Entscheidung treffen will – aber auch die Schrift, die eigentlich immer funktioniert. Als ich angefangen habe, mit Text zu arbeiten, habe ich mich länger mit verschiedenen Schriftarten beschäftigt, weil ich mir dachte, dass ich es mir vielleicht nicht so einfach machen sollte. Letztendlich habe ich mich entschlossen, dass diese Schrift gerade wegen ihrer gewordenen Langweiligkeit und ihrer gleichzeitigen Fähigkeit, einen über den Kopf zu hauen, so sehr in die Gegenwart passt.

fk: hahah, da habe ich mich ja direkt zum einstig mal ordentlich blamiert … 🙂 woher stammt das material für deine skizzen arbeiten, du erwähntest einiges stamme aus onlineshops?

bkp: Ja, die Zeichnungen aus der Serie ITEMS FOR THE GREAT RESET basieren auf Gegenständen, die ich auf AliExpress bestelle und in Skulpturen umdeute. Billige Dinge für eine billige Zeit. 

 ITEMS FOR THE GREAT RESET (SMART NAIL ART), 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 40 X 30 cm
ITEMS FOR THE GREAT RESET (WATER BOTTLE WITH PILL BOX), 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 40 X 30 cm
– erhältlich im perisphere Shop –
 ITEMS FOR THE GREAT RESET (DOOR OPENER), 2021, pastel on paper, edition of 3, 40 X 30 cm

fk: deine arbeiten thematisieren aktuelle wende- und grenzpunkte der zeitgenössischen wirklichkeit. so etwa die us-wahl, oder auch die unterschiedlichen interpretationen des von Klaus Schwaab in die welt gesetzten begriffs des ‚Great Reset‘. wie nimmst du diese ereignisse wahr? was reizt dich an ihnen?

bkp: Ich wollte Künstler werden, weil ich dachte, dass ich dann alles hinterfragen und auf den Kopf stellen könnte. Andere Zeiten. Heute wird man Künstler, weil man Aktivist sein will. Von Anfang an habe ich immer instinktiv das gemacht, was ich eigentlich nicht hätte tun dürfen. Sehr oft wurde mir das erst im Nachhinein klar. Ich fing früh an, zu bemerken, dass das Spektrum von dem, was ich nicht machen durfte, immer größer wurde, und dass das, was erwünscht und gefördert wurde, nicht das war, was mich interessierte. Da habe ich erst versucht, mich für das eine oder andere Modethema zu begeistern – oder zumindest habe ich versucht, zu verstehen, was an dem Thema möglicherweise dran war. Mir wurde aber auch immer stärker bewusst, dass das, was von mir erwartet wird, eine Art Propagandakunst ist, und dagegen habe ich eine wahnsinnige Allergie. Kunst muss die aktuelle Zeit erfassen, aber sich deshalb auch mit ihrem historischen Kontext auseinandersetzen, um im Idealfall heute wie in 200 Jahren relevant zu sein. In Bezug auf Deine Frage, beschäftige ich mich seit einiger Zeit sehr intensiv mit dem, was gerade in den USA passiert. Seit der letzten Wahl ist das so spannend und wahnsinnig, dass Netflix eigentlich dicht machen kann! Mein Interesse dafür hat begonnen, weil ich mich für Strategien interessierte, wie mit Cancel Culture umgegangen werden kann. Die Amerikaner können das gut, und da ich und Niels Betori Diehl, mit dem ich unter dem Akronym NBDBKP zusammenarbeite, auf verschiedenen Ebenen immer wieder Begegnungen mit Cancel Culture hatten – schon lange bevor der Begriff allgegenwärtig wurde – war dieser Blick auf die USA sehr erfrischend. Als Künstler finde ich diese Debatte überhaupt das Wichtigste: Man kann nicht arbeiten, wenn man nicht frei reden darf. Die Kunst muss heute als wirklich letzter Ort, an dem man noch irgendetwas sagen kann, erhalten bleiben. Ansonsten ist es überall korrekt und kastriert geworden, und das ist der tot von allem. So habe ich mich auf die Untersuchung der Medien und deren Mechanismen der Meinungsbildung gestürzt, und auf die Durchforstung der alternativen Medien. Von meiner linksliberalen kanadischen Artigkeit hatte ich mich eh schon lange verabschiedet, und so konnte ich einen Mengen Spaß haben. 

A VOTE FOR BIDEN, 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 60 X 40 cm

fk: deine abeiten thematisieren politische ereignisse und prozesse, was hälst du generell von politischer kunst?

bkp: Ich finde politische Kunst super, wenn sie einem nicht vermitteln will, was man zu denken hat. Wenn sie unbequeme Fragen stellt und den Betrachter selbst zum Denken auffordert. Die meiste „politische Kunst” gibt nicht nur die Richtung an, sondern auch genau, wo der Betrachter hin soll. Das ist nicht nur langweilig, sondern auch unethisch. Ich beschäftigt mich schon von Anfang an damit, was es eigentlich bedeutet, politische Kunst zu machen, wer die Macht besitzt, etwas zu sagen, und wie man überhaupt politische Kunst machen kann, wenn alle in die gleiche Richtung denken. Bereits vor 15 Jahren habe ich versucht, “rechte“ Kunst zu machen – etwas ziemlich Unmögliches, weil so etwas immer als linke Kritik von rechts gelesen wird. Kunst von rechts ist gar nicht vorgesehen. Damals empfand ich es eher als Spaß, jetzt aber finde ich es einfach nur schrecklich, dass wir alle dazu genötigt werden, in die gleiche Richtung zu marschieren. Die viel beschworene Diversität schneidet letztendlich in der Kunst ganz schlecht ab, denn was nutzen uns die unterschiedlichen Hauttöne, die unterschiedlichen Pronomen, oder die 300 Genderidentitäten, mit denen wir ins Bett gehen können, wenn am Ende alle das gleiche denken? 

TRUST US, 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 40 X 30 cm 

fk: wir erleben seit einiger zeit eine starke repolitisierung von kunst, und in diesem zusammenhang eine sehr offensive nutzung von kunstfreiheit um ideologische botschaften zu vermitteln. wie nimmst du diese politisierung des kunstbetriebs wahr? ist das für dich von relevanz?

bkp: Das ist gerade das größte Problem. Als ich Kunst studierte, kam ich irgendwann zu dem Punkt, zu dem wahrscheinlich die meisten Künstler irgendwann kommen, wo ich mich fragte, ob der Beitrag, den ich durch Kunst leisten kann, groß genug ist. Mit der Frage habe ich mich jedoch nur ziemlich kurz beschäftigt. Mein Schluss war, dass ich Kunst an und für sich sehr wichtig finde. Mir scheint es als ob viele Künstler bei der Frage stecken geblieben sind. Das ist aber nur Teil des Problems. Das andere, viel größere Problem, hat mehr mit dem Kunstbetrieb zu tun: Einfach zu verstehende, woke Gutmenschenkunst verkauft sich auf allen Ebenen gut, und daher ist es auch eine solche Herausforderung, diesen Reflex, sich ihr zu verschreiben, loszuwerden. Künstler, die aus bürgerlichem Hause kommen, können das Gefühl genießen, einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, befreit von der Schuld, nicht etwas sozial Relevanteres zu tun. Die öffentlichen Förderstellen freuen sich dabei, jemanden zu haben, der für sie die notwendig Arbeit der politischen Propaganda übernimmt, die ja deren Daseinsberechtigung darstellt. Und während Cancel Culture die Gelegenheit bietet, jemand anderen zum Beispiel als Rassisten hinzustellen, um die eigene fragwürdige Vergangenheit zu verbergen, bietet der Markt woke Kunst geradezu als Instrument an, um die eigene Unschuld zu bekunden. Das hat etwas Unheimliches. Was das mit der Kunst macht, kann man am besten bei der Documenta beobachten, aber auch auf den zahlreichen Biennalen, wo vorhersehbar jedes Thema abgehakt wird und sichergestellt wird, dass sich bloß niemand traut, das Ganze infrage zu stellen, da die wenigsten sich leisten können, doch auch irgendwie als rassistisch oder sexistisch oder homophob zu gelten. Wir leben in einer Zeit, in der Macht nach vermeintlichem Opferstatus verteilt wird, und das natürlich auch nur an der Oberfläche. Die Kunstwelt fördert gerne eine Zeit lang jene, die sie als Opfer verstehen wollen und als solche taugen. Nicht allzu lange dauert es aber, bis ihre Opfergruppe nach ein paar Ausstellungen und ein paar trendy Parties wieder in die Ecke geschoben wird, weil jetzt die nächste Gruppe an der Reihe ist. Kunst ist nicht nett, soll sie auch nicht sein. Sie soll herausfordernd und kompromisslos sein, und nicht jeder soll sie gleich verstehen können. Es muss schon genügend Arbeit hineingesteckt werden, um sich einen Zugang zu erlangen. Kunst soll uns weiterbringen, aber in ihrer aktuellen Rolle als pseudo-politische Pseudokunst kann sie dies keineswegs. 

fk: welche quellen nutzt du um das geschehen in den USA aktuell zu verfolgen? hast du ein paar gute links und tips für uns?

bkp: Haha, ja gerne. Ich höre mir viele Podcasts, Interviews und Analysen an. Ich versuche, mir nie nur Clips anzuschauen und mir wirklich das ganze Segment anzuhören. Ich verschaffe mir dadurch einen genaueren Einblick in die Leute, die im Mainstream als problematisch gelten. Ich habe mit The Rubin Report angefangen, ich empfehle ihn auch heute noch als Einstieg. Inzwischen ist sein Beitrag zur Erweiterung der Debatte schon fast historisch: Vor fünf Jahren begann sich der schwule kalifornische Liberal Dave Rubin gerade vom progressiven Lager abzuwenden und aus seiner Garage, die er als Fernsehstudio umfunktioniert hatte, Interviews mit Figuren zu führen, die als „Alt-Right“ verschrien wurden. Momentan folge ich regelmäßig James Lindsay, Tucker Carlson Tonight und The Mark Levin Show über Facebook oder YouTube, Andy Ngo auf Twitter, und den Podcasts The Ben Shapiro Show, The Jordan B. Peterson PodcastRudy Giuliani’s Common SenseThe Megyn Kelly Show, Candace Owens’ Podcast CandaceVerdict with Ted CruzThe National Pulse with Raheem KassamThe Ayaan Hirsi Ali PodcastThe Larry Elder Show, Glenn Loury und John McWorther auf The Glenn Show, Gad Saad auf The Saad Truth und, nicht zuletzt, Bannon’s War Room. Was man sofort bemerkt, wenn man sich mit „der anderen Seite“ beschäftigt, ist, wie offen und entspannt die Leute sind. Sie versuchen sich nicht gegenseitig zu zerstören oder zu entblößen. Wenn sie ein Interview mit jemandem führen, der gerade frisch dem Aggro-Linken-Milieu entflohen ist, müssen sie die Person erst einmal beruhigen und ihr klar machen, dass sie über alles offen sprechen darf, ohne attackiert zu werden. 

On earth for 36 hours and stuck to a wall. 2018, 20×15 cm

fk: zuweilen frage ich mich ob die kategorien links/rechts überhaupt noch greifen. es ist ja manchmal gerade so als würde man alles im spiegel betrachten müssen um es richtig erkenne zu können. aber lassen wir die meta-ebene mal beiseite, im großen und ganzen verstehe ich etwa worauf du hinaus willst. was mich interessieren würde, was könnte eine „rechte“ kunst ausmachen? ich weiß, das ist schwer zu beantworten, aber eventuell lohnt sich der versuch. lassen sich merkmale dafür finden, sind es themen oder könnte es auch eine ästhetik der rechten kunst geben?

bkp: Ich empfinde Kategorien von Rechts und Links schon länger nicht mehr als zutreffend, und es erscheint mir eher altmodisch, in diesen reinen Kategorien zu denken. Man muss auch die unterschiedlichen Kontexte und die historischen Hintergründe unterschiedlicher Gesellschaften verstehen, bevor man überhaupt beginnen kann, mit solch groben Begriffen zu operieren. Was man in Europa unter Links versteht ist nicht unbedingt das, was man in den USA darunter versteht, oder zumindest bis vor kurzem verstanden hat, als Linke noch eine liberale Haltung vertraten. Bis vor kurzem verband man dort Links noch mit den Hippies und Punks der Sechziger und Siebziger, mit einem irgendwie sympathischen und unschuldigen Aussenseitertum. Jetzt, mit der allgegenwärtigen Cancel Culture und der aggressiven Kultur der Wokeness, nähern wir uns schon den Experimente an, die im 20. Jahrhundert für mehr Tod und Leiden gesorgt haben als irgendeine andere Ideologie in der Geschichte. Zensur und Selbstzensur gehören mittlerweile in den USA zum Mainstream, und wie immer geht es um Macht und Unterwerfung Andersdenkender. Das Positive, das sich daraus entwickelt, ist ein stetig wachsendes Sammelbecken all derer, die sich gegen autoritäre Tendenzen äußern. Von ihnen sind übrigens viele links, prominente Beispiele sind Glenn Greenwald oder Bari Weiss. Man sollte sich heute überhaupt fragen, was es bedeutet, rechts zu sein. Rechts- und Linkssein hängt schon etwas davon ab, wo man gerade steht. Für die, die weit links stehen, ist so ziemlich alles rechts. In der Kunst wird längst nicht mehr hinterfragt – zumindest nicht öffentlich –, ob Rechts tatsächlich schlecht ist oder ob man vielleicht nicht beide Konzepte in einer Demokratie bräuchte. Rechts ist der Feind, und dagegen wird gekämpft. Aus dieser Kunst, die sich in erster Linie als politisches Instrument betrachtet, hat sich eine bestimmte Ästhetik herausgebildet, die sich kritisch gibt, dabei jedoch konsensverstärkend wirkt. Daher wird es nur dann spannend, wenn Kunst die dominante Ideologie ablehnt. Dann kommen dabei auch andere Ästhetiken raus. Als Denkexperiment finde ich es durchaus interessant, abzuwägen, ob es rechte Kunst geben kann, aber rechte Kunst würde ich genauso ablehnen wie linke Kunst. Kunst soll mit Konzepten spielen und sich nicht festbeißen, sonst wird sie zur Propaganda.

fk: die in meinen augen eventuell machtvollstes verschiebung derzeit geschieht wohl im netz rund um das thema NFT. blockchain und die cryptoszene waren und sind stark dominiert durch eine radikal libertäre idee von welt und märkten. ich frage mich ob hier eventuell eine gegenbewegung zu dem sich links gebenden tribalistischen kollektivismus entstehen könnte, wie nimmst du das thema wahr?

bkp: Es war schon länger klar dass zentralisierte Macht im Internet ein Problem darstellt. Jeder, der nicht brav im Mainstream mitschwimmt, kennt jemanden, der zum Beispiel schon einmal mit Zensur in den sozialen Medien konfrontiert worden ist. Aber spätestens seit Donald Trump als ehemaliger amerikanischer Präsident von allen populären sozialen Medien verbannt wurde und dann der Plattform Parler noch aufgrund ihres Einsatzes für  Redefreiheit von Amazon der Garaus gemacht wurde, ist die Lage ernst. Was auch immer man von Trump hält, muss man es ablehnen, wenn eine Handvoll Unternehmen die Macht besitzen, einem Präsidenten und gleich dazu vielen Vertretern der zweiten Partei im Land die Kommunikationskanäle abzuschalten. Das ist keine Demokratie mehr. Daran sieht man, dass es logisch und auch notwendig ist, dass sich die digitale Welt in Zukunft dezentraler gestaltet. Ich bin einerseits optimistisch, dass eine Pluralität der Macht sich positiv auswirken wird, aber das allein wird nicht helfen, den tribalistischen Kollektivismus zu überkommen. Die Leute bleiben weiterhin in ihren Echokammern. Ich glaube, dass schlechte Ideen nur durch ein Aufeinanderfolgen von Crash and Burn entkräftet werden können, aber die Anzahl derer, die dies erkennen können und den Mund aufmachen, muss wachsen.

NOT ALL ARTISTS WANT TO BE DICTATORS BUT A LOT DO, 2021, Pastellkreide auf Papier, Edition von 3, 40 X 30 cm
erhältlich im perisphere Shop

fk: lange zeit habe ich die linke als einen ort wahrgenommen, an dem autonomie und die freiheit des individuums verteidigt wurde. aus heutiger perspektive erscheint das teilweise fast schon absurd. war das illusion und täuschung oder hat sich da etwas fundamentales verschoben?

bkp: Das ist eine wichtige Frage. Ich würde sagen, dass es sich ganz stark verschoben hat heute, im Verhältnis dazu, wer damals links war – nicht im Sinne von Linksaußen. Bis dahin, wo Linkssein als etwas verstanden wird, bei dem es gilt, dass man sich gegenseitig in Ruhe lässt, kann ich mitgehen, aber eine solche Haltung würde man heute als konservativ bezeichnen. Das ist für viele schwierig zu akzeptieren: Links klingt netter, progressiv klingt vorwärtsgewandt, konservativ klingt mindestens altmodisch und spießig, wenn nicht nach etwas Schlimmeren. Wenn man aber nicht will, dass sich am Ende sehr schlechte Ideen durchsetzen, sollte man im Zweifelsfall eher dorthin. Die spannendere Frage wäre, ob links grundsätzlich totalitär ist. Wie man an Religionen sieht – und die woke Linke gleicht ja einer religiösen Sekte –, endet man immer mit einem autoritären Regime, wenn man einem Konzept 100-prozentig folgt. Keine Idee sollte sich zu 100-Prozent durchsetzen. Im Idealfall vertraut man den Individuen, dass sie sich aus den unterschiedlichen Konzepten das nehmen, was für sie gut ist.   

fk: wenn ich mich so im klassisch rechten und rechtskonservativen spektrum umsehe dann scheint mir da eher wenig interesse an zeitgenössisches kunst vorhanden zu sein. das dort vorgeschobene wirkt oft doch sehr trocken, preussisch, ideologisch funktional und ästhetisch eher beim klassischen naturalismus verblieben. wie ist deine wahrnehmung dazu?

bkp: Das linke Spektrum hat die Kultur seit Dekaden fest im Griff. Das ist etwas, dass Konservativen zu spät gemerkt haben. Jetzt haben sie es aber sehr wohl gemerkt und versuchen, etwas in diese Richtung zu tun, aber das wird dauern. Sie sind oft gar nicht gebildet, was Kunst betrifft, weil Kunst schon lange nur ein gewisses, ideologisch geprägtes Publikum anspricht. Damit sich das ändert, bräuchte man beispielsweise Professoren, die Kunst wieder politisch neutral unterrichten, sodass zumindest die neuen Generationen weg von diesem linken Kitsch kommen können. Ironischerweise ist Cancel Culture das Beste, was Kunst und Kultur generell passieren konnte: Jetzt muss sich gezwungenermaßen etwas Neues in der Mitte bilden. Ich hoffe aber nicht auf eine rechte Kunst, ich hoffe auf eine (auch politisch) diverse Kunst.

fk: kunst, kultur und medien sind derzeit ziemlich stark dominiert durch ein tendenziell linkspolitisches denken, insbesondere die grünen haben hier im vorpolitischen raum in den letzten jahren wirklich ganze arbeit geleistet und fahre die ernte nun zurecht ein. die dominanz in den strukturen ist stark und aktuell scheint sich da auch wenig zu ändern. wie siehst du das perspektivisch? wird kunst, die sich nicht in die ideologischen schemata einfügt, in zukunft ein nischendasein führen? 

bkp: Ich glaube es wird irgendwann einen großen Knall geben, man sieht schon Anzeichen dafür in Deutschland, so wie man sie in der USA sieht. Die grüne Mafia in Deutschland hat ja einen historischen Hintergrund, diese Obsession mit der Natur ist eine urdeutsche Sache. Ich sehe es zum Teil aber auch als eine Art seelische Wiedergutmachung für das Grauen der Vergangenheit, was dann aber gleichzeitig ein Wegschauen von dem, was eigentlich infrage gestellt werden sollte, ist. Die Welt ist kompliziert und ein gut gemeinter Ansatz führt bekanntlich nicht unbedingt zu einem guten Ergebnis. Man sieht es ja in der sogenannten Energiewende oder in unterschiedlichen EU-Richtlinien, die entweder nicht viel bringen oder eigentlich das Gegenteil von dem bewirken, was intendiert war. Und natürlich, wie so oft, manipulieren die Medien zu sehr und machen alles noch viel schlimmer. Kunst, die sich nicht fügt, wird nicht erst zu einem Nischendasein verdammt, das ist sie schon längst. Aber vielleicht war es ja auch immer schon so, dass echte Kunst nur in Nischen zu finden ist.

fk: vielen dank für deine zeit!

bkp: Danke für deine Fragen.

FOR A MINUTE NO ONE HAD THE ANSWERS, 2020, Pastellkreide auf Papier, 210 X 165 cm

IN DER FALLE?

IN DER FALLE?

Hat sich das Netz durch Soziale Netzwerke von einem offenen, quasi grenzenlosen Kommunikationsraum in eine Falle der Aufmerksamkeitsökonomie verwandelt? In eine Falle in der die psychosozialen Grundbedürfnisse nach Information und Interaktion nun zur Droge [0] gewordenen sind und als Köder für den unseren Wahrnehmungsfokus fungieren?

Das Netz, mit dem wir es heute zu tun haben, scheint kein Ort der kommunikativen Emanzipation und des sozialen Interagierens mehr zu sein. Vielmehr ist es zunehmend ein Raum in dem vor allem das Gegenteil geschieht, in dem Kommunikation nämlich permanent misslingt. Wer sich Debatten in Foren, auf Facebook oder auf Twitter anschaut, stellt fest, dass im Zentrum der Interaktionen nicht mehr der Austausch von Argumenten, von Wissen und von Informationen steht, sondern vor allem Anderen das Generieren von möglichst vielen hochpotenten Affekten, deren kumulierte Höhepunkt im Erfolgsfall ein entfesselter Mob und durch diesen befeurte Shitstorms sind.

Das passiert nicht ganz zufällig, denn die Plattformen allen voran Facebook und Twitter treiben diese affektgetriebene Kommunikation oder viel mehr NON-Kommunikation durch ihr Design und ihre Architektur immer weiter voran. In dem sie uns zur Prokastination animieren, quantitative Interaktion durch Likes und Drukos belohnen gestalten sie unsere Sprachkultur massiv mit und leisten gleichzeitig durch die völlige Kommerzialisierung dieser öffentlichen Sphäre einer neuen Form der kulturellen Barbarei Vorschub. [1]

Institut für Moderne Kunst, Nürnberg, 2017

Gleichzeitig werden die digitalen Netzwerke zu einem wichtigen Tool zur Konstruktion von dem was wir als Ich bezeichnen, sowohl nach Innen als auch nach Außen, ich poste also bin ich, diese Erkenntnis ist uns allen schon mal gekommen. 

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Maskierungen der Macht

Es ist zweifelsohne eine hochpolitische Zeit in der wir uns befinden. Die zu beobachtenden Verschiebungen sind für denjenigen der es denn wahrnehmen möchte gewaltig und überfordern naturgemäß die, die sich darauf einlassen, also sehen wollen, oder sehen müssen. Zunehmend ungläubig schaut man dem Treiben in der Welt zu und versucht dabei gleichzeitg doch irgendwie die eigene Position, die eben nicht mehr die sein kann, die man über die Jahrzehnte erlernt hat, zu finden oder zumindest zu halten.
Alles aber auch wirklich alles steht zur Disposition und es fällt schwer sich damit Abzufinden, dass da eventuell nur noch das Glück ist, welches einen Selber und die Liebsten schützen wird. Oder eben auch nicht, sollte der kleinen schwarzen Schwester Pech einmal nach etwas Anderem zu Mute sein. Und so sind wir, ohne es wirklich zu wollen, zu einer Gemeinschaft der Spieler geworden. Ärgerlich und dumm natürlich, wenn man – so wie die Allermeisten von uns – feststellen muss, dass der Spieleinsazt leider nicht wie bei den Zockern in Nadelstreifen das Leben der Anderen, sondern das Eigene, ist.

Aernout Mik – Shifting Sitting, 2011Aernout Mik – Shifting Sitting, 2011

Harte Nerven, höchste Konzentration, Flexibilität, Mut, Stärke, Gewandtheit, gleichzeitig aber extreme Gelassenheit und – ja wir sind wohl bald wieder dort angelangt – tiefes Gottvertrauen sind die Eigenschaftten die in der beginnenden Metamoderne von uns allen eingefordert und abverlangt werden.
Nichts ist mehr wirklich und der noch vorhandene Rest Wirklichkeit wird zu einer hochdynamischen Ansammlung der Zeichen, die keinerlei Rücksicht mehr auf das gewachsene historische Verhältnis zum Bezeichnete nehmen. Medien, allen voran das Netz, und Computer spielen natürlich eine Rolle in diesem Prozessen der parallelen Simulation und Dissimulation. Und wenn auch das Leben in diesem sozialen Zustand des zunehmend unspezifischen und undefinierten Daseins oftmals anstrengend ist, so ist es für die Künstler eigentlich gar kein so schlechter Ort.
Natürlich ist die, sich neu entfaltende (Un)Wirklichkeit auch, oder vieleicht sogar gerade, für diese prekären Lebensmodelle ein äußerst heikles Umfeld. Aber wir befinden uns in einer Situation in der Menschen mit künstlerischen Bildung und Prägung gebraucht werden, weil eben diese gelernt haben mit dem Unspezifischen zu arbeiten und die damit verbundenen Zustände auszuhalten wie es nur wenige Andere können. Sprich es gibt in der Jetztzeit zwar leider keinen Markt aber durchaus einen realen Bedarf an Künstlern und ihren spezifischen Fähigkeiten.
Der Künstler Aernout Mik widmet sich seit Ende der 90er Jahre mit raumgreifenden, oft begehbaren Videoinstallationen den politischen und psychosozialen Verfaßtheiten unserer gegenwärtigen Gesellschaften mit all ihren Brüchen, Veränderungen, Ängsten und Widersprüchen. Im Daremag gibt es unter dem Titel ‚Maskierungen der Macht‚ einen tollen Artikel zu seiner Arbeit zwischen Dokumentation und Fiktion, den ich an dieser Stelle empfehlen möchte.

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Die Verwendung des Wortes Kunst verbietet sich derzeit. Zu viel Reaktionäres und Ungutes, welches unter diesem Begriffen subsumiert wird, und einem, wenn man es zu Nah an sich ran lässt, merklich die Laune und den Glauben an die Sache verdirbt. PR-Profis, Hasenfüße und Streber haben auch hier das Kommando übernommen und halten glücklich und devot das Heft fest in der Hand – und für die nächste Eins mit Auszeichnung bereit.
Das ist nichts für Leute mit Haltung, so wie einem gewissen ästhetischen und politischem Mindestanspruch an sich und die Welt. Und so gilt es Abstand zu nehmen von der Kunst, die zwar auch nur ein Wort von vielen, meist im komplett neutralisierten Umfeld, von netten, freundlichen, braven, zuvorkommenden und überaus distinguierten Leuten verwendet, aber dennoch und eben auch gerade deswegen derzeit Tabu, ist. Und wer sich Heute noch unbekümmert als Künstler bezeichnet, ohne dabei verschämt, leicht rot zu werden, der oder die hat offensichtlich den Schuss nicht gehört.
Dabei geht es natürlich nicht um die Sache an sich, sondern um die Dinge, mit denen man sich gemein macht, in dem man den Begriff für das eigenen Tun und Schaffen verwendet.
Nennt es also wie Ihr wollt, macht was Ihr wollt, aber seht zu, dass Ihr Abstand haltet oder einen wirklich, wirklich(!) guten Deal rausholt, wenn Ihr Euch und Euren guten Namen als Stütze des Systems hergebt. Und wer diesen Deal nicht unterschrieben und gesichert zuhause und auf dem Bankkonto hat – und das sind natürlich alle die, die das hier lesen – hat sich für unbestimmte Zeit fern zu halten von allem was Kunst genannt wird, hat sich fern zu halten um die Dinge zu tun, die Kraft haben, Potentiale entwickeln und diese frei zu setzen vermögen.

Von daher fängt das nachfolgende Video mit der Frauenstimme etwas mau an, („i am an artist, … „) mag sein, dass das wie so oft halb-ironisch angelegt ist. Ich weiß es nicht und will es aber an dieser Stelle eigentlich auch nicht wissen müssen.
Zum Glück ist das dann aber auch schnell vergessen, denn im weiteren Verlauf wird der Clip herrlich schräg und voll versöhnlich. Die modernen Storm-Trooper-Ritterkostüme mag ich sehr, das Hand-Zepter ist einfach top und lässt das Gerede vom Künstlerin-sein schnell vergessen. Ein solches Kostüm wollte ich immer schon mal haben um damit Nachts durch Düsseldorf zu schweben! Eventuell würde ich dann sogar endlich mal am Karneval gefallen finden.

Und völlig gleichgültig in welche Kategorie die 4:30 Min nun gehören, am Ende bleibt eine knappe aber schöne Remineszenz an den Tausendfüssler, die ehemalige Hochstraße durch Düsseldorfs Mitte, um deren Abriss es viel Diskussionen gab, die aber jetzt, da sie weg ist, nicht wirklich fehlt. Und wenn ein Abriß zu solchen Videos führt, dann gibt es jetzt einen weiteren triftigen Grund in dieser Stadt noch so einiges mehr umzugraben…

 

Weisser Westen is a Duesseldorf artists duo formed by Angela Fette and Phillip Schulze. In her work Fette refers to the idea of the artist in the spirit of the classical avant-garde — embracing painting, costume design, poetry, and performance art. The media-artist and composer Schulze creates and programs electroacoustic sound and light sculptures.

In Weisser Westen Angela Fette chants absurd hymns and manifestos in an imperative, gestural way over the intermittent beats and chiseling electronica of Phillip Schulze. The group presents itself guised in masks and armor, with a look reminiscent of Constructivism or Dada.

www.weisserwesten.com

(via e-mail, Danke Phillip!)

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen


Der nachfolgende Text erschien erstmalig am 7. Februar 2013 im tumblr-Blog von UBERMORGEN.COM und wird im Sommer 2013 in: What’s next? Kunst nach der Krise, herausgegeben von Johannes M. Hedinger/Torsten Meyer im Kulturverlag Kamdos erscheinen. Wir kopieren, verweisen und verlinken jetzt schon mal, sagen artig Danke und freuen uns, dass wir uns hier um unsinnige letzte Leistungsschutzrechte einer verschwindenden Verlagswelt nicht kümmern wollen und müssen.
Film ab!

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen


UBERMORGEN.COM / Februar 2013

Die Prämisse klingt in unseren Ohren wie Ketzerei: Kunst sei nutzlos, ja komplett sinnlos und es wäre immer schon so gewesen und es würde auch immer so bleiben. Dem liegt die These zu Grunde, dass die Kunst – wie auch die Finanzindustrie – keinerlei Produkte und auch keine Dienstleistungen erzeuge. Kunst produziere keine Nahrungsmittel, keine Medizin, keine Energie, keine Baustoffe, keine Maschinen, keine Information, und auch keine Kultur, nicht einmal Sinn oder Wissen würde durch Kunst erschaffen, und das hieße Kunst sei einzig und alleine für die Unterhaltung, die Ablenkung und die Befriedigung der Menschen da, und ab und zu diene sie auch als Statussymbol und Geldwaschanlage für reiche und einflussreiche Menschen und Firmen, ja sie sei sogar verbraucherfreundlich, und dieser Zusatznutzen sei überhaupt das schlagendste Argument gegen die romantische Verklärung eines solch unregulierten Bereichs unserer Gesellschaft.

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen“,
anonymer Museumsbesucher.

Nun zur nahen Zukunft, dort wo Investitionen in elitäre und ekelhaft teure Kunst in Form von Ideen, Objekten, Zertifikaten auch für die Proleten der Unterschicht und für die Emporkömmlinge oder Statuserhalter der Mittelschicht möglich wird. Es drängt sich vordergründig der Vergleich zum Finanzmarkt der späten 1990er Jahre auf (Volksaktie, Dotcom, NASDAQ), kleine Investoren bekommen die Möglichkeit sagenhaft teure Kunst kollektiv zu erwerben, häppchenweise und zu einem erschwinglichen Preis, mit dem Versprechen, dass diese Kunst auch auf immer und ewig an Wert zunehmen werde. Die Kleininvestoren können in einzelne Kunstwerke oder ganze Werkgruppen, in umfassende Nachlässe und in globale Kunstmarken – Künstler, Galerien, Auktionshäuser, Museen – investieren. Aber wie schon seit jeher fließt der Hauptanteil des Profits auf wundersame Weise bergauf, es werden Transaktionsgebühren aufgeschlagen und der konsolidierte Mehrwert bewegt sich dann unaufhaltsam in Richtung der 0,01%. Der Mensch von der Straße dient als immerwährend stumpfer und zunehmend einfacher zu manipulierender Liquiditätslieferant, durch Massenmedien dumm gehalten und durch Medikamente und Drogen gedämpft, unfähig zu eigenem Willen, dienen diese Arbeitsesel zur schnellen und günstigen Finanzierung des weiteren Wachstum des sogenannten Kunstmarktes, diesem korruptesten und intransparentesten Gebilde mit limitiertem Zugang, Pragmatiker nennen es Marktversagen, Verschwörungstheoretiker und Wirtschaftswissenschaftler sprechen von einer Oligarchie.

In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre gibt es dann erstmals Anzeichen von Demokratisierung und Regulierung dieses plutokratischen Systems. Die neugegründete Art Exchange Commission (AEC) in Shanghai wird als globale Regulierungsbehörde eingesetzt und in der Folge werden die neuen großen Marktplätze, gegen allen Widerstand, von den Chinesen aufgekauft und verstaatlicht. Der chinesische Staat greift auch sonst stärker in den Kunstsektor ein und beginnt eine globale Kunsttransaktionssteuer zu erheben. Durch Förderungen, Stipendien und zielgerichtete Zensur wird etwas mehr Stabilität für die kapitalstarken Investoren und eine Grundsicherheit für die kleinen Anleger suggeriert. Kunstobjekte von staatlich finanzierten Künstlern werden zumeist als Bonds zertifiziert und vertrieben. Der Staat hat ein neues Finanzkunst- / Kunstfinanzinstrument geschaffen und finanziert damit Kunstsubvention. Das System wird selbsttragend und dadurch ein lohnendes Zielobjekt für profitorientierte Entitäten.

Parallel dazu geschieht der Durchbruch, in Form des Konzeptes der „virtuellen Existenz“: Das Kunstwerk muss von nun an nicht mehr existieren, um gehandelt zu werden, es genügt ein Zertifikat um den Besitz zu manifestieren und zu legalisieren. Nun werden auch alle historisch relevanten Kunstobjekte verstaatlicht und eingezogen und nur noch zeitnahe, sogenannt zeitgenössische Kunst darf offen und virtuell gehandelt werden. Die Objekte und Dateien verschwinden in den Depots und auf den Servern der Institutionen zirkulieren legale und illegale Raubkopien und Zertifikate ungehindert. Dadurch wird die Kunst metaphysisch, sie beginnt erst im Moment ihrer eigentlichen Auflösung wirklich zu existieren.

Dieser radikale Schritt öffnet Tür und Tor für Spekulation, neue Transaktionsarten, geteilte Besitzmodelle und Handelssysteme entstehen und das neu erschaffene „Glaubenssystem“ basiert auf einer Pyramide deren Basis aus Kunstmarken, und die darüber liegenden Ebenen aus Nachlasssystemen, Genres, Generationen, Kunstbewegungen und -szenen, besteht. Kunstbesitz wird nun ausschließlich in Fonds strukturiert, und durch die, dank der Digitalisierung, sehr hohe Bewegungsfähigkeit entwickeln sich neue Formen der Distribution. Der Markt beweget sich in Richtung binäre Objekte – Zertifikate, Unterschriften, Gif-Animationen, Jpgs, Mp3, Filme, Textfiles und weitere historische Objekte wie html-, css- und flashfiles sowie neue noch unbekannte Formate. Obsolete und mittlerweile illegale Konzepte der Finanzindustrie (Aktien, Derivative, Optionen, Futures, Credit Default Swaps), Arbitrage und die Idee des Hedge Fonds werden adaptiert. Nun steht dem globalen Crash des Kunstsystems nichts mehr im Wege.

Die Marktplätze verschieben sich dramatisch, von den verstaatlichten Institutionen und Marktplattformen, den historischen Kunstgalerien und den letzten übriggebliebenen Messen hin zu den neuen digitalen Hochgeschwindigkeitshandelsplattformen.

Die Dinosaurier der Kunstmessen werden in spektakuläre, oscarartige, Preisverleihungsshows umgewandelt, um den Unterhaltungsaspekt des Kunstsektors und dessen Protagonisten optimal zu vermarkten. Kunst wird weiter popularisiert und immer mehr zu einem vordergründig praktischen Medium, vergleichbar mit Musik oder Film.

Der daraus entstandene, moderne Kunstmarkt und seine Teilnehmer sind Maschinennetzwerke in denen sich, einst von Menschenhand geschaffene, komplexe Algorithmen autonom weiterentwickeln. Es dominiert der Hochfrequenzhandel: Serverfarmen in Dubai, anonyme Handelsteilnehmer, offshore Zertifizierungsgesellschaften, bitcoinartige Währungssysteme und andere, dem Menschen unverständliche und seiner Kontrolle gänzlich entzogene Technologien und Instrumente, dominieren die Marktlandschaft.

Nun verlieren auch die Künstler komplett die Kontrolle über ihre Zuliefertätigkeit und die Netzwerke übernehmen die Kunstproduktion. Zu Beginn werden aufgrund der Analyse der Kunstgeschichte neue Konzepte errechnet und zertifiziert, ähnlich eines modernen Schachcomputers errechnen die Netzwerke optimale Varianten und Produkte. In der Folge werden alle Bereiche der Kunstproduktion autonom, und in einem ultimativen Akt der Autonomiemanifestation beginnen die Maschinencluster neue Identitäten, Marktsättigungslevels und Finanzierungs- und Marketingstrategien zu errechnen.

Die Konvergenz ermöglichte zu Beginn des binären Zeitalters die Benutzung einer Plattform für Handel, Produktion, Distribution und Konsumation von Kunst, und genau diese Konvergenz ermöglicht es nun den Netzwerken die Kunstproduktion zu emulieren, zu kapern und zu monopolisieren. Das Hauptargument: Die Qualität der Netzwerkkunst ist um ein vielfaches höher als die herkömmlich erstellten Produkte und auch die Kritik und das Bewertungssystem sind längst an die Netzwerke ausgelagert und in Folge übernommen worden.

Die Menschen sind obsolet geworden, sie sind reine Übersetzer, Beobachter ihres eigenen Machtverlustes und entweder Bewunderer der neuen Ästhetik oder fundamentalistische Kritiker jeglicher Netzwerkkunst. Die vormals neoliberalen Kuratoren und Kritiker dienen nunmehr als Handlanger, sie arbeiten als Assistenten für die virtuellen Instanzen – Historiker und Archäologen. Ihr Versuch die Netzwerke zu verstehen scheitert an der übermenschlichen Geschwindigkeit und an der unglaublichen Vielfältigkeit der Entwicklung. Es entsteht Natur pur, chaotisch und komplex und ohne Quellcode unmöglich zu interpretieren.

Nach einer längeren Periode der rein binären Kunst einigen sich die Netzwerke darauf wieder materielle Objekte herzustellen. Sie beginnen 3D-Macher – vormals 3D-Drucker – zu entwerfen, diese wiederum drucken 3D-Macher, welche dann effektiv materielle Kunst herstellen können. Ehemalige Museen, Fast-Food Restaurants, Copy-Shops, Bibliotheken und Kleidergeschäfte werden Musterzimmer für die Zurschaustellung maschinengemachter Dinge. Offensichtlich haben die Netzwerke Ironie und einen Sinn für Romantik entwickelt, und es stellt sich die Frage, ob eine Art kollektives Bewusstsein mit verschiedenen Seinszuständen und Selbstkritik folgen wird.

Bis heute wurden in den Netzwerkarchiven keine Kunst gesichtet, die fette Frauen beinhaltet, und anonyme Museeumsbesucher gibt es schon seit langen nicht mehr.

Alexander Kluge und Bazon Brock im Gespräch über Dada und die Folgen

Der Griff ins Schwarze – Bazon Brock über Dada und die Folgen

Zwei Männer sprechen über Dada und die Folgen und scheinen sich dabei prächtig zu verstehen. Für den Zuschauer ist bei aller offen zur Schau gestellten Übereinkunft natürlich nicht immer ganz klar um was es geht und über was gerade gesprochen wird. Aber eventuell geht es ja auch um gar nichts oder gibt es nichts, oder zumindest nicht immer etwas zu verstehen, außer dem Verstehen des Nichtverstehenkönnens.

Wie auch immer wir das nun interpretieren, die 45 Minuten lohnen sich definitiv. Einfach mal laufen lassen, wenn es am Rechner mal wieder was stupides zu tun gibt – so wie ja eigentlich immer.

„Der Griff ins Schwarze – Bazon Brock über Dada und die Folgen“
News & Stories vom 09.01.2012, RTL
Bazon Brock und Alexander Kluge

Ein Tischgespräch als Instagram Sprachmemo

Wir führen unsere kurze Reihe der Noninterviews an dieser Stelle fort. Und natürlich geht es auch dieses mal wieder um die Fragen nach der Metamoderne. Gewohnt Reflektiert und auf hohem analytischen Niveau wird zwar Anfangs etwas scheu, dafür dann aber ohne Hemmungen öffentlich und laut zu den Fragen der Zeit gedacht.
Das Gespräch wurde auch dieses mal von Gonzomode auf einem I-Phone der ersten Generation aufgezeichnet.

Aber schnell wird klar, dass jede Person absolut belanglos ist!

Wir empfehlen den Download der Datei und das Abspeichern auf Ihrem mp3-Abspielgerät zur Verwendung beim Joggen oder einer vergleichbaren Freizeitaktivität. Bitte aber unbedingt im Loop hören!

[audio:http://www.perisphere.de/wp-content/sounds/Metamoderne_2.mp3] (04:21)

Wenn Sie diese Aufnahme nicht über unsere Webseite hören wollen, können Sie diese selbstverständlich gerne herunter laden. Das mp3-file steht unter der Creative Commons License CC BY-NC 2.0 zum Download bereit.

Metamoderne_2.mp3

Auf den Spuren der Metamoderne – mit 8000PS

Der Begriff der Metamoderne ist virulent, dient als dynamische Metapher und Container oder einfach nur als letzter Haltegriff für uns Heute, die wir über das nachdenken was um uns herum geschieht.
Dabei ist die eigentliche Bedeutung der Metamoderne derzeit noch gar nicht von Bedeutung. Zuerst einmal klingt der Begriff einfach gut, weil optimistisch, nach Mehr und nach dem, was Dahinter liegt. Metamoderne klingt nach etwas was für unsere Kultur aktuell nur schwer Vorstellbar ist. Metamoderne klingt nach der Zukunft.
Angesichts der täglich reaktionärer und – das ist ja der wahre Skandal – immer fantasieloser werdenden Entscheidungen einer Politik die sich den Namen nicht mehr recht verdienen will, gibt es nur wenig was wir derzeit so gut gebrauchen können wie diese.


Johannes Thies, Autor aus Köln, gehört zu denen die der Metamoderne bereits jetzt aktiv nachstellen. Er greift dabei auf das vom ihm und Kai Erdmann (Powergallery Hamburg) entwickelte Format des Non-Interviews zurück.
Das Non-Interview ist eine spezielle Form des Interviews, welches er am 31.07.2010 um 17:14:05 mit den Worten „sprachmemo instagram gratislover lederhose“ umschreibt – natürlich per E-Mail.
Als exemplarisches Interviewformat einer Metamoderne unterliegt diese Definition aber, wie alles andere auch, dem Wandel. Und so gilt nur wenige Minuten zuvor, am 31. Juli 2012 17:06:52 „Das Non-Interview ist der gleichermassen verzweifelte wie extrem selbstbewusste Versuch, die Ahnungen zur Metamoderne in einen wie auch immer gearteten Æther zu bringen. Die einzigen, vaguen Bestimmungen sind: das Non-Invterview ist (wie auch die gesamte Metamoderne) völlig ohne Richtung, brutal sachlich, total im Jetzt und jederzeit global.

Und wer nun einen Eindruck davon bekommen möchte wie sich das anfühlt, klickt nachfolgend das 4:50 Min lange Non-Interview zur Metamoderne, aufgenommen am 21.07.2012 etwa um die Mittagszeit bei voller Fahrt auf einem 8000PS starken Speedboat zwischen Wien und Bratislava. Durch das Gespräch führt Johannes Thies, in weiteren ergänzenden Rollen zu hören sind Götz Gramlich, Kai Erdmann und ich.

[audio:http://www.perisphere.de/wp-content/sounds/metamoderne_1-21_07_2012-speedboat_wien_bratislava.mp3]

Wenn Sie diese Aufnahme nicht über unsere Webseite hören wollen, können Sie diese selbstverständlich gerne herunter laden. Das mp3-file steht unter der Creative Commons License CC BY-NC 2.0 zum Download bereit.

metamoderne_1-21_07_2012-speedboat_wien_bratislava.mp3

 

Kunst, ACTA und das Netz – Alexander Kluge wird 80

Selbst wer die Nachrichten der letzten Tage nur am Rande verfolgt hat, sollte von den Diskussionen um ACTA gehört haben. ACTA ist ein Abkommen bei dem der Umgang mit dem was man landläufig als geistiges Eigentum bezeichnet, international geregelt werden soll.
Eine ziemlich trockene Angelegenheit, politisch aufgeladen noch dazu und von daher eigentlich nicht Thema dieses Blogs. Da aber regelmäßig der Schutz von Kunst, Künstlern und künstlerischen Arbeiten als Anlass für die ACTA-Verträge vorgeschoben werden, wir uns mit unserem Blog mitten im Medium des Streits befinden und noch dazu ein so kluger Mann wie Alexander Kluge an seinem 80. Geburtstag etwas dazu sagt, wollen wir das Thema ACTA zumindest einmal kurz streifen.

Unter dem Titel „Transkription ist ein Ursprung der Kultur“ hat der SWR ein kurzes Interview mit dem Filmemacher, Autor und Schriftsteller veröffentlicht, das hier zu lesen und zu hören ist.

Da ich nicht weiß wie lange der SWR Audiodateien im Netz behält, haben wir das mp3-File bei uns noch mal abgespeichert und hoffe dass wir damit nicht gegen ACTA oder ähnliches verstoßen. Der Download der Datei wird zwar offiziell angeboten, leider gibt es keine Informationen zu den Nutzungsrechten.

Letztes Wochenende waren übrigens deutschlandweite Demos, unter anderem auch in Düsseldorf. Wer hätte gedacht dass Menschen einmal wegen dem Copyright und Patentrechten auf die Straßen gehen?


Wer weitere Informationen zu ACTA sucht wird eventuell hier fündig:

 

Wozu Kunst? – Aisthesis

Mit unseren Bildstrecken zum Rundgang der Düsseldorfer Kunstakademie 2012 sind wir in den letzten Tagen sehr bildlastig geworden. Nicht, dass wir etwas dagegen hätten, aber das Gleichgewicht soll doch auch hier gewahrt bleiben. Und so verweisen wir heute auf eine Artikelserie die bei ‚Aisthesis‚ unter dem Titel ‚Wozu Kunst?‘ im vergangenen Jahr erschienen sind.

Natürlich wissen auch wir, dass eigentlich schon der Verweis auf die, sich hinter den nachfolgenden Links verbergende, Textmenge in diesem Medium eine Zumutung ist. Aber wir möchten Ihnen gerne etwas zu muten, weil wir fest davon überzeugt sind, dass sie das abkönnen und Dieter Bohlen hier nicht mit liest.
Nehmen Sie sich also am Wochenende einfach mal etwas Zeit und widmen sich den Texten dort, es lohnt sich (so wie im übrigen der gesamte Blog). Denn die Frage ‚Wozu Kunst?‘ ist auch im Kontext der großen Schau an der Düsseldorfer Akademie, welche den Betrachter zu Weilen alleine schon durch die riesige Menge an Exponaten zu erschlagen droht, von Interesse.
Wir wünschen den tapfersten Lesern unter Ihnen auf jeden Fall viel vergnügen bei der Lektüre und gratulieren bei dieser Gelegenheit auch gleich mal Blog und zugehörigem Autor Bersarin zum 3-jährigen Diesntjubiläum.

Teil 1 – Wozu Kunst? – 30.04.2011
Wozu Kunst? (Teil 2) – Das unendliche Kreisen um das Ende – Apokalypse Now (Part 1)12.05.2011
Wozu Kunst? (Teil 3) – Das unendliche Kreisen um das Ende – Apokalypse Now (Part 2) – 20.06.2011
Wozu Kunst (4) – Interludium, die Tonspur zum Sonntag25.06.2011
Wozu Kunst? (5) – Noch einmal: Hegel22.07.2011
Wozu Kunst? Zu Walter Benjamins „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1) – 08.08.2011