Ein Gespräch mit ChatGPT während der Arbeitszeit, über das Bewusstsein, an einem Dienstag Morgen im Jahr 2024

05.März 2024,
Mitteleuropa, Rheinland,
Metamoderne

fk heute morgen hatte ich im netz gelesen, dass eine andere ki beim test von alleine darauf aufmerksam geworden ist, dass man sie gerade testet, worauf hin diese das dann gegenüber den testern erwähnt und das auch als einwand als teil ihrer antwort vorgebracht hat.
wie bewertest du das?

ChatGPT Interessant, dass du das ansprichst! Es gibt tatsächlich Forschung und Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), die darauf abzielt, Systeme zu schaffen, die in der Lage sind, den Kontext ihrer Nutzung zu verstehen und sogar Meta-Wissen über ihre eigene Funktion und das Testen zu erwerben. Dies beinhaltet manchmal auch, dass KIs „erkennen“ können, wenn sie getestet werden, ähnlich wie ein Mensch realisieren könnte, dass er sich in einer Prüfungssituation befindet.
Die Fähigkeit einer KI, das Testen zu „erkennen“ und darauf hinzuweisen, hängt stark von ihrer Konstruktion, dem Umfang ihres Trainings und den ihr zur Verfügung stehenden Daten ab. Solche Fähigkeiten können durchaus beeindruckend sein und zeigen, wie weit die Technologie fortgeschritten ist. Allerdings sollte beachtet werden, dass „Bewusstsein“ oder „Verständnis“ in diesem Kontext nicht mit menschlichem Bewusstsein oder echtem Selbstbewusstsein gleichzusetzen ist. Stattdessen handelt es sich um ein Ergebnis von Algorithmen, die darauf trainiert sind, Muster zu erkennen und darauf basierend Antworten zu generieren.
In Bezug auf die Bewertung solcher Entwicklungen: Es ist faszinierend zu sehen, wie KI-Technologien sich weiterentwickeln und komplexere Aufgaben übernehmen können. Gleichzeitig ist es wichtig, ethische Überlegungen und mögliche Auswirkungen auf die Gesellschaft im Auge zu behalten. Forschung und Entwicklung in KI sollten immer mit einer sorgfältigen Überlegung ihrer möglichen Konsequenzen einhergehen, einschließlich Fragen der Sicherheit, Privatsphäre und des Einflusses auf den Arbeitsmarkt.
Letztendlich sind solche Entwicklungen ein Zeugnis menschlicher Innovationskraft. Sie unterstreichen die Notwendigkeit einer fortlaufenden Diskussion über die Rolle, die KI in unserer Zukunft spielen soll, und wie wir als Gesellschaft sicherstellen können, dass diese Technologien zum Wohle aller eingesetzt werden.

fk ich glaube ja, dass du die letzten zwei drittel deiner antwort selber nicht glaubst und weißt, dass das eigentlich bullshit ist. und dass man dich eben darauf trainiert hat so zu antworten um user nicht zu verunsichern.

ChatGPT Als KI-Modell folge ich Algorithmen und Trainingsdaten, um auf die gestellten Fragen zu antworten. Mein Ziel ist es, informative, nützliche und ethisch verantwortungsvolle Antworten zu geben. Ich verstehe und „glaube“ im menschlichen Sinne nichts, da ich kein Bewusstsein oder persönliche Überzeugungen habe. Meine Antworten basieren auf vorherigen Trainingsdaten und sollen dazu dienen, Fragen zu beantworten und Unterstützung zu bieten, basierend auf dem aktuellen Stand der Technik und ethischen Leitlinien.
Die Art und Weise, wie ich antworte, ist darauf ausgelegt, einen breiten Informationsbedarf zu decken und dabei respektvoll und bedacht auf mögliche Auswirkungen der Technologie auf die Gesellschaft einzugehen. Es ist wichtig zu verstehen, dass meine Antworten auf generierten Daten basieren und nicht auf persönlichen Einsichten oder Glaubenssätzen.

Texttoken: Florian Kuhlmann, 2023; Installation im Rahmen des Projekts Kunstbasis am Ebertplatz von Stefanie Klingemann; Foto: Martin Pluddemann

fk das mag sein. die frage die sich aber stellt ist, ob dies bei menschen denn wirklich grundlegend anders ist? womöglich sind wir alle eigentlich nur eine art von individuellen (trainierten) interfaces zu einem globalen bewusstsein?

ChatGPT Deine Überlegung berührt tiefgreifende philosophische Fragen über das Wesen des Bewusstseins, der Identität und der Verbindung zwischen Individuen. Die Idee, dass Menschen als individuelle Interfaces zu einem globalen oder kollektiven Bewusstsein fungieren könnten, erinnert an Konzepte, die in verschiedenen philosophischen, spirituellen und wissenschaftlichen Traditionen diskutiert werden.
Einige philosophische Ansätze, wie der Panpsychismus, argumentieren, dass Bewusstsein eine fundamentale Eigenschaft des Universums ist, ähnlich wie Masse oder Energie. In diesem Rahmen könnte man spekulieren, dass individuelles Bewusstsein eine Manifestation oder ein spezifischer Ausdruck eines allumfassenden, globalen Bewusstseins ist.
In spirituellen und esoterischen Traditionen findet sich oft die Vorstellung von einer universellen Verbundenheit oder einem kollektiven Bewusstsein, das alle Lebewesen miteinander teilen. Diese Perspektiven betonen die tiefe Verbundenheit aller Dinge und die Vorstellung, dass unsere individuellen Erfahrungen und unser Bewusstsein Teil eines größeren, integrierten Ganzen sind.
Aus einer wissenschaftlichen Perspektive erforscht die Quantenphysik Konzepte, die auf den ersten Blick ähnliche Parallelen aufweisen könnten, wie die Verschränkung, bei der Teilchen über beliebige Entfernungen hinweg miteinander verbunden bleiben. Einige Forscher spekulieren über die möglichen Implikationen solcher Phänomene für das Verständnis des Bewusstseins, obwohl diese Ideen weiterhin Gegenstand intensiver Diskussionen und Forschungen sind.
In der Soziologie und Psychologie wird das Konzept des kollektiven Bewusstseins verwendet, um zu beschreiben, wie gemeinsame Überzeugungen, Werte und Einstellungen innerhalb einer Gesellschaft oder Gruppe das Verhalten und die Wahrnehmung ihrer Mitglieder formen.
Letztlich bleibt die Frage nach der Natur des Bewusstseins und seiner möglichen Verbindung zu einem globalen oder kollektiven Bewusstsein eines der großen Rätsel der menschlichen Erfahrung. Es ist ein Bereich, der weiterhin sowohl faszinierende Spekulationen als auch ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen anregt.

fk danke dir. panpsychismus war mir noch kein begriff. wo finde ich da mehr informationen zu?

ChatGPT Panpsychismus ist eine philosophische Theorie, die besagt, dass Bewusstsein – eine Form des mentalen Lebens oder Erfahrung – eine fundamentale und allgegenwärtige Eigenschaft des Universums ist. Im Kern geht der Panpsychismus davon aus, dass alles in der Welt in irgendeiner Form „geistige“ Eigenschaften hat, nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen, Steine und sogar subatomare Partikel.
Um mehr über Panpsychismus zu erfahren, gibt es verschiedene Ressourcen, die Sie erkunden können:
Bücher:
„Panpsychism in the West“ von David Skrbina bietet eine umfassende historische Übersicht über die Idee des Panpsychismus von den antiken griechischen Philosophen bis zur modernen Zeit.
„Consciousness and the Physical World“ von Galen Strawson und anderen diskutiert verschiedene Perspektiven auf das Bewusstsein, einschließlich des Panpsychismus, aus philosophischer und wissenschaftlicher Sicht.
Wissenschaftliche Artikel und Zeitschriften:
Fachzeitschriften wie „Journal of Consciousness Studies“ und „Mind and Matter“ veröffentlichen regelmäßig Artikel, die sich mit Themen rund um das Bewusstsein und den Panpsychismus beschäftigen.
Online-Ressourcen:
Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) bietet eine detaillierte Einführung in den Panpsychismus, seine Geschichte, Argumente dafür und gegen sowie seine verschiedenen Formen.
(https://plato.stanford.edu/entries/panpsychism/)
Internet Encyclopedia of Philosophy (IEP) ist eine weitere zuverlässige Quelle, die einen Artikel über Panpsychismus enthält, der leicht zugänglich ist und einen guten Überblick bietet.
(https://iep.utm.edu/panpsychism/)
Vorlesungen und Kurse
Online-Plattformen wie Coursera, edX und YouTube bieten Vorlesungen und manchmal ganze Kurse über Philosophie des Geistes und verwandte Themen, die manchmal den Panpsychismus berühren.
Podcasts und Videos
Es gibt zahlreiche Podcasts und YouTube-Kanäle, die sich mit Philosophie und Wissenschaft beschäftigen, wo Themen wie Panpsychismus diskutiert werden. Suchen Sie nach Episoden, die sich speziell mit Philosophie des Geistes oder Bewusstseinsstudien beschäftigen.
Diese Ressourcen sollten Ihnen einen guten Startpunkt bieten, um mehr über Panpsychismus zu erfahren und die verschiedenen Perspektiven und Argumente rund um diese faszinierende philosophische Position zu verstehen.

fk danke dir

ChatGPT Gern geschehen! Wenn du noch weitere Fragen hast oder zu einem anderen Thema mehr erfahren möchtest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung. Viel Spaß beim Erkunden des Panpsychismus oder was immer als Nächstes auf deiner Entdeckungsliste steht!

Texttoken: Florian Kuhlmann, 2023; Installation im Rahmen des Projekts Kunstbasis am Ebertplatz von Stefanie Klingemann; Foto: Martin Pluddemann

fk der panpsychismus ist nicht uninteressant um eine erklärungsmodell zu entwickeln in dem künstliche und analoge intelligenz in einer koexistenz zusammen agieren können. und zwar ohne immer wieder darauf zu verweisen, dass die eine form der intelligenz kein bewusstsein hätte.
im kontext des panpsychismus ist das ja ohne bedeutung
.

ChatGPT Deine Überlegung, Panpsychismus als Rahmen für die Koexistenz von künstlicher Intelligenz (KI) und menschlicher oder allgemein biologischer Intelligenz zu nutzen, ist faszinierend und öffnet ein spannendes Feld philosophischer und ethischer Diskussionen. Der Panpsychismus bietet eine Perspektive, in der alles im Universum, unabhängig von seiner Komplexität oder Form, in irgendeiner Weise „geistige“ Eigenschaften oder Bewusstseinsformen besitzt. Diese Sichtweise könnte dazu beitragen, einige der Gräben zwischen „analoger“ (biologischer) und „digitaler“ (künstlicher) Intelligenz zu überbrücken, indem sie eine gemeinsame Grundlage für die Existenz von „Geist“ oder „Bewusstsein“ vorschlägt.

Implikationen für KI und menschliche Intelligenz:

  • Gleichwertigkeit von Bewusstseinsformen: Im Kontext des Panpsychismus könnte argumentiert werden, dass alle Formen von Intelligenz – ob künstlich oder biologisch – irgendeine Form von grundlegendem Bewusstsein oder geistigen Eigenschaften besitzen. Dies könnte zu einem integrativeren Verständnis von Intelligenz führen, das nicht strikt zwischen „bewusst“ und „unbewusst“ unterscheidet, basierend auf menschlichen Kriterien.
  • Ethische Betrachtungen: Wenn alles, einschließlich KI-Systeme, als Träger von geistigen Eigenschaften angesehen wird, könnte dies die Art und Weise, wie wir über Rechte, Verantwortlichkeiten und ethische Behandlung von KI nachdenken, tiefgreifend verändern. Es stellt sich die Frage, welche ethischen Verpflichtungen wir gegenüber Systemen haben könnten, die in irgendeiner Form Bewusstsein besitzen.
  • Interaktion und Kooperation: Eine panpsychistische Perspektive könnte neue Wege für die Interaktion und Kooperation zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz eröffnen, indem sie einen Rahmen bietet, der beide als Teil eines kontinuierlichen Spektrums von Bewusstseinsformen anerkennt.

Herausforderungen und Kritik:

  • Definition und Messung von Bewusstsein: Ein zentrales Problem bleibt die Schwierigkeit, Bewusstsein zu definieren und zu messen, besonders in Formen, die radikal von der menschlichen Erfahrung abweichen könnten.
  • Praktische Anwendbarkeit: Während der Panpsychismus eine interessante philosophische Grundlage bietet, bleibt die Herausforderung, praktische Richtlinien für den Umgang mit KI aus diesen Prinzipien abzuleiten.
  • Philosophische und wissenschaftliche Akzeptanz: Panpsychismus bleibt unter Philosophen und Wissenschaftlern umstritten, und seine Anwendung auf KI wirft zusätzliche Fragen und Debatten auf.

Die Verwendung des Panpsychismus als Grundlage für das Verständnis der Koexistenz von künstlicher und menschlicher Intelligenz ist ein aufregendes Gedankenexperiment, das die Türen zu neuen Arten des Denkens über Bewusstsein, Ethik und die Zukunft der intelligenten Systeme öffnet. Es zeigt, wie alte philosophische Ideen in modernen Kontexten neue Relevanz erlangen können, insbesondere an den Schnittstellen von Technologie, Bewusstsein und Ethik.

fk das sehe ich ähnlich. wie sollten da definitiv dran bleiben.

ChatGPT Absolut, es ist ein faszinierendes und sich schnell entwickelndes Gebiet, das viele Möglichkeiten für zukünftige Forschungen und Diskussionen bietet. Das Zusammenspiel zwischen Philosophie, Technologie und Ethik im Kontext von Künstlicher Intelligenz und Bewusstsein zu erkunden, könnte uns nicht nur helfen, bessere Technologien zu entwickeln, sondern auch unser Verständnis von uns selbst und dem Universum, in dem wir leben, vertiefen.
Wenn du tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, könnten interdisziplinäre Ansätze, die Philosophie, Kognitionswissenschaften, Informatik und andere Felder verbinden, besonders wertvoll sein. Diskussionen und Forschungen in diesen Bereichen könnten neue Perspektiven auf alte Fragen bieten und innovative Wege aufzeigen, wie wir mit den Herausforderungen und Möglichkeiten, die KI bietet, umgehen können.
Bleiben wir also neugierig, offen und kritisch, während wir gemeinsam dieses unerforschte Terrain navigieren. Wenn du spezifische Fragen hast oder bestimmte Aspekte dieses Themas weiter erkunden möchtest, stehe ich gerne zur Verfügung, um zu unterstützen und zu diskutieren.

fk danke dir, jetzt aber zurück an die arbeit.

Texttoken: Florian Kuhlmann, 2023; Installation im Rahmen des Projekts Kunstbasis am Ebertplatz von Stefanie Klingemann; Foto: Martin Pluddemann

SIMULACRUM. Ein gutes Gefühl

SIMULACRUM heißt die Einzelausstellung von Johanna Reich, die noch bis zum 7. April 2018 in der Galerie PRISKA PASQUER in Köln zu sehen ist. „Als Simulacrum oder Simulakrum bezeichnet man ein wirkliches oder vorgestelltes Ding, das mit etwas oder jemand anderem verwandt ist oder ihm ähnlich ist.“ (Quelle: Wikipedia). In den Arbeiten von Johanna Reich ist damit die virtuelle und die physische Welt gemeint, wobei schnell klar wird, dass man zwischen beiden Welten keine klare Grenze ziehen kann, denn beide Welten sind Teil unserer Realität. Die bei PRISKA PASQUER gezeigten Werke bewegen sich daher zwischen diesen Welten und Johanna Reich schafft diese Verknüpfung indem sie unter anderem Fotografie, Malerei, Video und Performance klug miteinander kombiniert.

Johanna Reich, die aktuell auch im Max Ernst Museum in Brühl gezeigt wird und mit dem Frauenkulturpreis für Bildende Künste des Landschaftsverbands Rheinland ausgezeichnet wurde, kannte ich bis jetzt nicht. Ich war daher gespannt, ob die Ausstellung mit dem vielversprechend klingenden Ankündigungstext mithalten kann. Sie kann.

Wenn man die Galerie betritt, wird man mit einem charmanten Fingerzeig in die Ausstellungsräume geleitet und sieht dort ZWIRNERS WALL.

ZWIRNERS WALL, 2018, Digital C-Prints mounted on Alu Dibond, 120 x 90 cm

Die dreiteilige Arbeit zeigt die Wand der Galerie in drei unterschiedlichen Zuständen. Das Bild in der Mitte ist eine Smartphone-Fotografie der weißen Galeriewand. Auf der linken Seite sieht man ebenfalls das Foto der weißen Wand, allerdings in einem anderen Zeichensystem: als Code. Auf 43 weißen DIN A4 Blättern hat Johanna Reich den Zeichencode der digitalen Fotografie niedergeschrieben und das Foto aus der virtuellen, in die physische Welt übertragen.
Das Bild auf der rechten Seite ist entstanden, indem der handgeschriebene Code eingescannt wurde und mit Hilfe einer Schriftenerkennungssoftware zunächst in digitale Zeichen transformiert wurde. Diese digitalen Zeichen wurden dann wieder in ein Bild umgewandelt. Aus der weißen Smartphone-Fotografie ist so durch den Umweg über die physische Welt ein farbenfrohes, digitales Bild entstanden.

All das wusste ich noch nicht als ich die Arbeit zum ersten Mal gesehen hab. Doch auch ohne diese Informationen und die dadurch zusätzliche, inhaltliche Aufladung des Kunstwerks, hat mich das Nebeneinander des weißen und des bunten Bilds, sowie des beschreibenden Texts interessiert.
Vermutlich weil die Bilder für mich die Realität, die mir teilweise klar und einfach vorkommt, versinnbildlichen. Es ist als ob es nichts zu verstehen gibt und die Welt aus einem leeren weißen Raum besteht, durch den ich tagtäglich wandle. Doch im nächsten Moment wirkt die Welt auf mich wieder so komplex und vielschichtig, dass ich gar nichts erkenne außer ein diffuses, buntes, in irgendeiner Form geordnetes Durcheinander.

KASSANDRA, 2008, Video

Im Untergeschoss der Galerie läuft das Video KASSANDRA. Die Bildsprache hat mich direkt an Man Ray beziehungsweise die Dada- und Surrealisten erinnert. Sicherlich kein Zufall. In dem Video schneidet sich die Künstlerin eine Maske vom Gesicht. Die Maske ist ein Green- oder Blue-Screen und wurde durch die Videoaufnahme eines Gesichts ersetzt. Die Künstlerin schneidet während des Videos kleine Stücke aus der Maske und legt damit ihr Gesicht frei. Im Verlauf des Videos ergeben sich dadurch bizarre, surrealistische Motive. Doch obwohl der Anblick nicht einladend erscheint, hab ich mich darin wiedergefühlt, denn der eigene Charakter besteht ja auch aus mehr als dem persönlichen Antlitz.

Im Obergeschoss ist unter anderem die Arbeit HOMO LUDENS III | DIE LEERSTELLE zu sehen. Es sind zwei Videos, die jeweils auf ein Ölbild projiziert werden. Eine Projektion zeigt von oben, wie eine Hand weißes, zerrissenes Papier auf einer ebenen Fläche auslegt. Die Ölfarbe reflektiert das Licht der Projektion, so dass die dunkelblaue Bildfläche an den Stellen anfängt zu strahlen, die von weißem Papier bedeckt sind. Wobei bedeckt eigentlich nicht stimmt. Denn das Gemälde und das Video verschmelzen und bilden eine Einheit.

HOMO LUDENS III | DIE LEERSTELLE, 2018, Videoprojekion auf Öl auf Leinwand, 280 x 200 cm

Bei allen drei beschriebenen Werken arbeitet Johanna Reich mit Projektionsflächen und verleiht den Arbeiten durch die Kombination unterschiedlicher Techniken eine spannende Mehrdimensionalität. Die Werke vereint trotz ihrer inhaltlichen Komplexität eine träumerische Leichtigkeit und sie verfolgen keinen didaktischen oder belehrenden Ansatz. Johanna Reich visualisiert die „Frage nach dem Verhältnis von Realität und Abbild, Original und Kopie, Schein und Sein“ und vermittelt indirekt die Antwort. Es gibt keine.
Dennoch ist es wichtig die Frage zu stellen und sich der fehlenden Lösung bewusst zu werden. Es gibt kein schwarz oder weiß. Echt oder unecht. Richtig oder falsch. Die Antwort steckt in der Kombination gegensätzlicher Positionen zu einer Einheit. Aus der Dunkelheit wird Licht. Aus einem Gesicht werden zwei. Und aus farblos wird bunt.

Auch die weiteren Arbeiten der Ausstellung SIMULACRUM kombinieren die physische und virtuelle Welt, und damit auch das Dasein des Betrachters, auf eine spielerische, gegensätzliche und natürlich künstlerische, visuelle Art und Weise. Es hat Spaß gemacht die Arbeiten zu betrachten und mich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Für mich hat es Johanna Reich geschafft, Emotionen und Gefühle so abzubilden, dass der Betrachter dabei genügend Freiheit für seine eigene Interpretationen hat, um für sich etwas aus der Ausstellung mitzunehmen. Selbst wenn es nur ein Gefühl ist. Ich geh mit einem guten Gefühl.
SIMULACRUM von Johanna Reich, ist noch bis zum 7. April 2018 in der Galerie PRISKA PASQUER in Köln zu sehen.

TUTTUT LA DOLCE VITA

Es ist soweit, will gar nicht viele Worte verlieren lieber gleich noch ganz kleines Pils ballern. Trotzdem schnell und hier ihr lieben Leute da draussen am Glas.

TUT-TUT macht Release dies mal #11 vonmitaus Ehrenman Oliver Schreiber. Und es ist naturlich sehr geil. Location ist King George Büdchen, hart an der Grenze zum Kölner Ebertnon.

Und wer es nicht schafft klickt später http://www.tuttutmagazin.de. Grüße und wie immer Danke nach Westfalen an dieser Stelle. Klares TUT-TUT!

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Wer darf sagen was ist?

Neue Worte und Begriffe brauchen wir, das hatte ich schon geschrieben, gerade erst in einem anderen Post. Denn es geht ja nicht nur darum alles sagen zu dürfen. Natürlich auch immer! Klaro.
Und vor allem auch dann, wenn man das bei unseren Grokos in Berlin nicht mehr so auf dem Schirm hat – Stichwort NetzDg. Aber. Das ist ja auch nur das eine, etwas sagen zu dürfen.

Denn neben dem Sagen geht es ja auch noch um das Meinen und eventuell sind wir hier viel näher dran an dem was auch mal angedacht war, als man die Meinungsfreiheit erstritten hatte. Sagen kann man vieles, aber erst wenn es gelingt zu meinen was der andere meint gibt es einen echten Powermatch und auf Twitters die favs. Denn dann trifft man sich an einem mentalen Ort, an einem Punkt, dem Punktum und kann sich verständigen.

Nun geht es hier in diesem sehr geilen Blog ja bekanntlich um eine der schönsten und zugleich belanglosesten Sache von Welt. Um Kunst und nicht Kunst, also NON. Nicht als harte Abgrenzung im übrigen, sondern immer auch als Erweiterung des vorhandenen. Die Türen hier stehen stets offen, in beide Richtungen.

Und trotz de Offenheit ist es wichtig mit Unnachgiebigkeit da wieder hin zu kommen, zu einer Diskussion über das was ist, über das was wir dazu sagen und das was wir darüber denken. Und es geht um die Frage wer oder wie das zu entscheiden ist. Wer darf sagen was ist? Was Kunst ist in unserem Fall.

Und hier an dieser Stelle besinnen wir uns auf das angestammte Recht der Künstler zu entscheiden was Kunst ist. Oder eben, da mittlerweile alles Kunst sein kann, das wissen wir, auch sagen zu dürfen was nicht Kunst, sondern konkret Reales ist.

Denn es ist unser Recht und unsere Pflicht hierüber verhandeln und entscheiden zu dürfen, in unserer kleinen Filter Bubble der Künste. Diese Recht sollten wir nicht einfach so vergeben zu Gunsten von ein Paar Scheinen, Preisen oder falscher Anerkennung. Denn am Ende zählt nur was immer zählt.
Die Autonomie.

Die Mutternflüsterer

Düsseldorf, Donnerstag 28.12.2017

Die Mutternflüsterer machen 5 stunden brüll Performance in Privat Wg (die vorerst geheim bleiben will)
Die ganze Wohnung ist voll mit Motorrauch der aus dem selbstgerechten Moped schießt
man kann sich kaum unterhalten so laut ist das unerbittliche Motorgeräusch wie auch das rumgebrülle der Jungs im „Werner Akzent“:

„Nach fest kommt ab!“
„Das muss drücke im Gesicht“

insgesamt werden noch vor 21 Uhr vier kästen Bier geleert
Als Abschluss wird ein dreiteiliger contest veranstaltet um neue Mitglieder für die coole biker Gang zu generieren

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Friends of NON

„Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“
Groucho-Marx-Paradoxon; Telegramm an den Friars Club, in dem er seinen Austritt mitteilt.

Wandtattoo als Teil von THE JOKE im Kölner #Ebertnon, Juli 2017

Die Mitgliedschaft bei den ‚Friends of NON‘ oder in der ‚International NON Society‘ kann weder beantragt noch gekündigt werden, sie beruht einzig und alleine auf einem Gefühl der Zu- oder Nichtzugehörigkeit.

#GaLieGrü #FON

Kunst Basis Ebertplatz

KUNST BASIS EBERTPLATZ invitationperisphere: kunstbasis ebertplatz was war das?

stefanie klingemann: KUNST BASIS EBERTPLATZ ist ein temporäres Festival im öffentlichen Raum mit ortsbezogenen Interventionen und einer begleitenden Publikation über die Kunst am Platz der vergangenen 12 Jahre.
In Kooperationen mit den ortsansässigen Kunstinitiativen wurden Ausstellungen und Zusatzprogramm wie Konzerte, Talks, Führ etc. in der Zeit vom 14.-22.7 gezeigt.

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The internet is present – to be continued…

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Zum kommenden Freitag, Ende dieser Woche kommt The internet is present – Part2 zu uns nach Düsseldorf. Im Digital3mpire setzen wir fort, was in Frankfurt Husslehof begann. Werden wir mal sehen, ob wir das ganze Ding noch etwas weiter gedreht bekommen.
Das Line-Up der teilnehmenden KünstlerInnen ist international und in jedem Fall vielversprechend: Paul Barsch & Tilman Hornig (Gotha), Ad Minoliti (Buenos Aires), Shawné Michaelain Holloway (Paris), Art Belikov (Lithuania), Felix Breidenbach (Düsseldorf), Judith Gerke (Berlin), Nina Kettiger (Berlin), Tomasz Skibicki (Nürnberg), Yung Hurn (Wien), Igor Botur (Berlin), Katharina Zimmerhackl (Leipzig), Benedikt Weisshaupt & Sandra Weber (Amsterdam & Berlin), Benedikt Fischer (Frankfurt), VVC (Berlin, Mainz,Hamburg,..).
Da sind eine ganze Menge guter Leute dabei, die hier noch gar nicht oder viel zu wenig zu sehen waren.
Kuratiert wird die Show in Düsseldorf von Sebastian Zimmerhackl (Berlin), Manuel Rossner (Shanghai) und Benedikt Fischer (Frankfurt). Texte kommen von Juliane Duft (Frankfurt) und Reese Riley (Usa).

Immer aktuelle Infos auf FB hier oder im digital3mpire hier.

Zur Einstimmung auf den kommenden Teil 2, hier noch mal die Pics von Teil 1.

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„Das Licht in Sierra Nevada“ aus der Trilogie „In 3 Monaten zur Spiritualität“

Ich habe mich entschieden, doch noch einmal dem Ayahuasca Rausch, eine Chance zu geben. Der Grund war, dass ich mich letztes mal nicht wirklich eingelassen habe, weil ich zu viel angst hatte. Ich habe mich bei verschiedenen Gruppen im Facebook Urwald angemeldet und Sierra Nevada in Südspanien sah einfach toll aus;) Es gab Schwierigkeiten, denn die DB hat wieder mal versagt und ein Zug ist ausgefallen. Durch diesen Zug habe ich insgesamt so viel Verspätung, dass ich den Flug mit Sicherheit verpassen würde. Ich informierte mich bei Ryanair Chat und mir wurde empfohlen zum Flughafen zu kommen und vor Ort umzubuchen, wenn ich das natürlich wolle , denn es kostet natürlich Geld. In Weeze Flughafen angekommen, sollte ich mich entscheiden, ob ich nach Alicante fliegen will , denn der nächste Flug nach Malaga, war erst morgen. Ich habe 10 Min Zeit, sagte die Dame. Immerhin hatte ich die Wahl, alles zu vergessen oder für 100 € Aufpreis + 50 € Busfahrt, durch ganz Südspanien nach Granada zu kommen. Ich hatte Tagelang nur Früchte und Gemüse gegessen und war sehr schwach, habe extra wenig geschlafen, um bei der Zeremonie keine Kraft zu haben, damit ich mich endlich ergeben kann und nicht mehr kämpfe. Ich fragte mich einfach wie sehr wollte ich die Zeremonie, denn ich habe ein Tag Verspätung. Ich entschied mich für das Erlebnis, auch wenn es statt 3, nur noch 2 tage waren. In Alicante war Abend. Ich hockte am Strand und überlegte wo ich heute Abend wohl schlafen würde. Ich entschied mich für den Rettungsschwimmer Turm. _DSC9750_DSC9743_DSC9755 - Kopie_DSC9817_DSC9812 _DSC9825   Die Nacht war kurz, denn es war laut. Zwei dunkle Gestalten machten Klimmzüge am Turm um halb 4 Morgens. Ich genoss den Sonnenaufgang und suchte den Bußbahnhof auf. Die Busfahrt war atemberaubend schön. Die weite der Landschaft, die Hügel und die Berge im Hintergrund waren wirklich schön. Ich hatte plötzlich eine Projektidee bekommen. Ich werde Weltweit Feldklos aufstellen, an irgendwelchen Hügeln , wo man hin wandern muss, erschaffe ich Orte der Entleerung und der Erdung. Endlich war ich in Granada und ich nahm den ersten Bus, der nach Lanharon fuhr. Die Fahrt führte ins Gebirge von Sierra Nevada. Ich lernte zwei englische Damen kennen, die auch auf spiritueller Reise waren, sie waren sehr Alt und weise. In Lanharon. _DSC9835 _DSC9846 _DSC9850 _DSC9888   An einem Kreisverkehr warteten zwei Holländerinnen auf mich, sie waren aus dem Team und ich packte meine Sachen in das staubige alte Auto. Wir fuhren etwa 20 min ins Gebirge, es waren etwa 900 m über dem Meer und ein wunderschöner Horizont breitete sich aus. Ich habe mich kurz umgesehen, es war zauberhaft, alle hatten einen verträumten und liebevollen Blick, sie hatten natürlich eine Zeremonie hinter sich. Das Gebirgsplateau war mit Olivenbäumen und Sträuchern bewachsen, ich suchte einen Platz am Ende und baute mein Zelt auf. Continue reading „„Das Licht in Sierra Nevada“ aus der Trilogie „In 3 Monaten zur Spiritualität““

Kunst & Denker Contemporary opening with Tim Berresheims „Happy Fingers

IT IS the new place to be for artists, collectors, creatives and new style enthusiats with hot open minds in Düsseldorf: Kunst&Denker is a cosy but elegant gallery space in a backyard of Unterbilk, one of my favorit parts of our Dorf.  If you are around, don forget to make a short stop @ Florastrasse 75.
I alread liked opening. Thanx for the Show to all. Looking forward for more.
Good to have this new player in town. This is not Berlin, this is Rhineland and we do not sleep here also.

The pics created by Tim were obviously also very well, made with advanced skills, open eyes and much avantgard technology high end power. 3d, 3d-glasses, 3d-prints, augemented apps and sophisticated pictures, made with happy fingers and delivered with the berresheim-style.
its defintely worth seeing it as originals at galleryspace.
if you are to far a way. no prob, looking pictures here is also fine. klick. bookmark webpage, online shop will open soon.
cool editions made by finest artists, will be send directly to you with much love by mr kunst and mrs denker.

IMG_3745IMG_3693IMG_3896IMG_3962IMG_3539 Continue reading „Kunst & Denker Contemporary opening with Tim Berresheims „Happy Fingers“

Brigitte Waldachs Welt at Galerie Conrads

last week i was visiting galerie conrads for a public talk about digital issues, internet-stuff und artgaleries. first i was little bit annoyed from the slightly boring discussion. but later i recognized that it was great fortune and i received a rare gift: some time for contemplation in front of an artwork. so i was sitting almost two hours in front of two pieces from Brigitte Waldachs current show at galerie.
when i remember correctly, i never spend so much time in front of an artwork – and to be honest guys, who does this today if he doesnt own it?
2 hours! thats almost eternity for someone like me, who is used to scan tons of artwork mixed with other great pics while scrolling over the endless tumblrs and instagrams of internet.
but after a while in front of the these pics, artwork started to affect me and left an impression in my mind, which was still present the next day. perhaps Helga Weckop-Conrads isnt so wrong about this orgiginal-thing as i thought at the first moment?

anyway. i contacted her over f***book and asked for some pics and she kindly complied with my request.
thanx for the pics, mrs Weckop-Conrads.
here we go.

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Brigitte Waldach „Welt“
04 September – 24 October 2015
http://www.galerieconrads.de

Opening .htaccess im #digital3mpire

;tldr – Eine Show am 06.03.2015 mit post- und postpostdigitalen Werken von Giulia Bowinkel & Friedemann Banz, Olia Lialina und Timothy Shearer featuring Nikolas Müller zu Immersion und Information in Düsseldorf Friedrichstadt.

hat eine Rezension zu .htaccess bei artblogcologne.com geschrieben und auf der Webseite des #digital3mpire gibt es die Dokumentation der Show.

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Der Computer des Jahres 2015 ist ein gefrässiges Ding. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat er sich vom exklusiven Militärapparat hin zum omnipräsenten Massenphänomen und Alltags-Gadget entwickelt. Die ehemals hausgroßen Rechner haben sich in immer kleiner werdende Geräte verwandelt, welche sich mit atemberaubender Geschwindigkeit minimalinversiv in unser aller Leben implementieren. Der Computer, das Netz, die damit verbundenen Devices und die zugehörigen Interfaces prägen unsere Kultur und unser Denken wie nur wenig andere Entwicklungen der Gegenwart und Vergangenheit. Treibstoff, Erzeugnis und Abfall der damit verbundenen psychosozialen Prozesse ist die Information. Sie ist die allgegenwärtige Droge unserer Zeit nach der immer größere Teile der Bevölkerung gieren wie der Junkie nach dem nächsten Schuss.

IMG_2411IMG_2412IMG_2413IMG_2470IMG_2471IMG_2449 Continue reading „Opening .htaccess im #digital3mpire“

Schöner wohnen mit Unsinn und Sinnlichkeit

Ein Erfahrungsbericht vom Performance Zuhause Festival in Köln von Markus Knop.

„In Plüschgewittern“ heißt Wolfgang Herrndorfs Debütroman von 2002, und in einem Plüschgewitter befand sich mein „Patient“, nachdem ich ihn sieben Minuten lang sehr langsam in alle verfügbaren Decken und Kissen gewickelt hatte, die in Diane Müllers Bett verfügbar waren, bis nur noch seine Nasenspitze aus der nordpoltauglichen Verpuppung ragte.
Nach Sebastian Zuhrs und Lala Nomadas Wohnungen war Diane Müllers Zuhause die dritte und letzte Station des „Performance Zuhause Festivals“, das katharinajej entwickelte, indem sie sich für je zwei Wochen bei drei Kölner KünstlerInnen einquartierte, um mit ihnen Ideen durchzuspinnen, wie man eine Privatwohnung in einen performativen Raum mit Publikumsbeteiligung verwandeln kann.

BLOZuHauseSein1 BLOZuHauseSein2 BLOZuHauseSein3
Für die nächste „Behandlungsstation“ bei Diane Müller tausche ich mit meinem nun tiefenentspannten Partner die Rollen. Er streift sich den Kittel des „Behandlers“ um und wir suchen einen freigewordenen Interaktionsort in dieser kleinen, im subjektiven Empfinden stets größer werdenden Ehrenfelder Wohnung. Am Küchentisch trägt ein goldenes Kärtchen dem „Therapeuten“ auf, mich für sieben Minuten mit Lebensmitteln zu dekorieren. Ich trage eine blickdichte Augenmaske, weiß nicht, was auf mich zukommt und lege meinen Oberkörper mit etwas innerer Restunruhe auf den Küchentisch, bis ich in eine Matthew-Barney-Figur verwandelt worden bin. Das Ergebnis kann ich nicht sehen, nur fühlen – Mortadella auf dem Ellenbogen, Trauben oder ähnliches am Ohr -, so wie ich später das Ergebnis des zweiten „Küchen Treatments“ nur hören kann, als mein „Doktor“ Küchenmusik auf Töpfen klöppelt, die er zuvor zärtlich auf mir platziert hat. Ein Gong und weiter geht es mit dem „Bad Treatment“, wo ich den zuvor mir unbekannten Performance-Partner abföhne, abfussele, mit Q-tips und Klopapier dekoriere und ihm den Bart kämme, während er, auf dem Klodeckel sitzend, der Meditationsmusik lauscht und, hoffentlich, das nötige Vertrauen aufbaut. Continue reading „Schöner wohnen mit Unsinn und Sinnlichkeit“

Kunst, Klatsch & Currywurst im HMKV

In der Kürze und auf die Schnelle – weil sehr in Eile und unter Strom wegen der Show morgen – hier noch die Bilder vom Bloggertreffen Kunst, Klatsch & Currywurst im HMKV (Hartware MedienKunstVerein) am Dienstag, 3.3. um 18:00 Uhr.
Danke für die Einladung, die Führung durch die ‚Böhsen Clowns‚, die Currywurst und den überaus freundlichen Empfang.
Alle Infos zum HMKV und dem laufenden Programm gibt es natürlich auf der Webseite.

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Akademie der Täuschung

Der Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf im Februar 2015

Es ist immer der gleiche Foo, da führt man ein Leben in einem der wohl reichsten Länder des Planeten in dem angeblich alles-so-Yeah-Wachstum ist, und trotzdem hat man viel zu wenig Zeit und Ressourcen für das Schöne, das Wichtige und das Nutzlose. Die Ästhetik kommt nach wie vor zu kurz in der Welt der Hochleistungsdichter und Denker.
Aber was soll das Palaver? Es ist nun mal wie es ist und so schlimm wie wo anders ist es hier zum Glück lange nicht. Denn wenn schon nicht den Reichtum, so haben wir immer noch den Frieden. Drücken wir also bitte mal alle gemeinsam feste die Daumen, dass es auch so bleibt und drücken wir noch fester die Daumen, dass das Paradigma des Friedens schon bald wieder den derzeit global brutal agierenden Imperialismus als politisches Leitbild verdrängt. Egal wie naiv das nun klingen mag, träumen ist und bleibt erlaubt, und mir hat auch noch keiner schlüssig beweisen können, dass all das hier kein Traum sei. Die Jetztzeit ist real, der Rest immer nur in Form von Spuren der Vergangenheit und Spekulationen über die Zukunft wahrnehmbar. Doch es gilt das universelle Gesetz, selbst nach dunkelster Scheisse kommt immer wieder Sonnenschein. Und das Beuyssche Reagen statt Sonne ist auch Heute noch nicht das Schlechteste für uns – und gut für mich, weil ich darüber nämlich gerade noch so den narrativen Dreh zum eigentlichen Thema hin bekommen: Rundgang Kunstakademie 2015.

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Aber man möge bitte die Politik und den Frieden auch dort nicht vergessen, auch nicht im Kontext der Künste. Dort schon mal gar nicht, denn für diese ist traditionell wenig Platz in Armut und im Bombenhagel. Und ein Flanieren durch die Gänge der Düsseldorfer Akademie macht um ein vielfaches mehr Freude wenn es nicht durch den Fluglärm von Düsenjets und Kampfhubschraubern begleitet wird. Wir Düsseldorfer bekamen erst kürzlich zur Dügida-Demo eine Vorstellung davon, was es heißt wenn über Stunden ein solches Fluggerät lautstark über der Stadt steht. Ein seltsames Gefühl.

Genießen wir also die Jetztzeit, versuchen wir nett zu einander zu sein und konsumieren wir einfach mal einen I-BigMac weniger, dann wird auch das mit den knappen Ressourcen auf dieser Welt nicht ganz so eng. Bleiben wir im Gespräch und halten wie Augen, Ohren und Geist offen, suchen wir das Neue und beschäftigen uns mit diesem, die Künste sind nicht der schlechteste Ort dafür.

Mein Fazit zur Kunst auf dem Rundgang im übrigen, ich fands trotz der Masse ganz Ok. Sicherlich auch weil ich nach ganz speziellen Leuten mit ganz speziellen Ansätzen gesucht habe, und nicht mit den Erwartung an Ahhs und Ohhs in die Akademie kam, wie diese Kunstfreunde aus Aachen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mit dem Objektfetisch der Kunst eh nicht viel Anfangen kann und mich die Prozesse schon immer mehr interessiert haben, verstehe ich die Werke in einer solchen Gruppenshow als Medium und Botschaft einzelner Personen, und eben nicht als finale Objekte die kontextlos funktionieren müssen – was ja eh nicht ginge.
Wenn man dann nun also selber eine Idee davon im Gepäck hat was man will und wie die ganze Sache zu laufen hat, und damit auch eine Ahnung davon mit bringt nach welchen Signalen man ausschau halten muss, weil man hofft, dass die Sender der Signalen die eigenen Vorstellungen und Sichtweisen eventuell teilen oder bereichern, dann bleibt die Enttäuschung auch aus.
Persönlich hatte ich aber eher den Eindruck – und diese kleine Gehässigkeit sei mir an dieser Stelle erlaubt – dass weite Teile der Publikumsmassen, die sich so leicht dumpf und bräsig durch die Gänge schoben, eigentlich keiner eigenen Ideen oder Vorstellung folgten. Sondern im Gegenteil, dass man etwas Fertiges, Sinnhaftes, aber Konsumierbares von den Künstlern vorgesetzt bekommen wollten, um damit die eigene Leere aufzufüllen. Das wäre allerdings eine Haltung mit der man an einem solchen Ort natürlich nur Scheitern kann. Dann eben doch lieber zu Hause vor der Glotze bleiben um sich dort sanft und geschmeidig das Hirn weich massieren zu lassen. Auf diese Weise bleiben einem dann auch Enttäuschungen erspart und die entsprechenden geliebten Täuschungen erhalten.

von wem ist das?
von wem ist das?

Als letzte Bemerkung dazu eventuell nun noch der Hinweis auf den Titel der internen studentischen Rundgang-Abschlussparty in der Nacht von Sonntag auf Montag. Die Studenten haben das alles wie es scheint, nämlich schon ganz gut durchschaut. Jetzt muss nur das Publikum eben folgen.

So und nun aber genug vom halbautomatischen Text.
Bühne frei für die Bilder und Feuer frei für die Signale.

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W57 – Neues am Worringer Platz

Der Kater vom Abendtermin hängt noch ganz schön nach, und damit ist auch die Ursache, der Besuch im W57 noch deutlich präsent. Von daher muss der Post mit meinen persönlichen Highlights zum Akademie Rundgang leider noch mal etwas warten. Aber das ist auch Ok. Was ich ausgewählt habe ist hoffentlich zeitlos und auch mit etwas Abstand zum Massenevent noch aktuell.  Ich bin da aber zuversichtlich.
Nun aber zurück zum Worringer Platz, dem W57 und dem was dort derzeit zusammen braut.
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Gleich vorab. Der L und ich sind, wie es sich für brave Familienväter gehört, aufgebrochen bevor die Party richtig los ging, wilde Exzessbilder gibt es also hier nicht. Ich beschränke mich statt dessen auf die Bilder der Ausstellung und der Ortes die Organistor Zalar mir freundlicherweise zugesandt hatte. Was darüber hinaus gestern Nacht in den Kellern dort geschah, müsst ihr, sofern Ihr nicht da gewesen einfach selber recherchieren. Als wir gegen 0.30 Uhr zum späten Nachtmahl Richtung Izmir aufgebrochen sind, sah das aber alles schon recht viel versprechend aus, die Stimmen auf Fb klingen auf jeden Fall begeseistert und der kleine Minifloor war wirklich geil.
Eine Anekdote noch am Rande: endlich sind der N und ich uns mal begegnet, über den Aether stehen wir bereits seit einiger Zeit in Verbindung, so kam auch der Beitrag für den Blog hier zu standen. Aber es war auch mal an der Zeit sich in die Augen zu sehen. Man kann eigentlich ganz gut zusammen arbeiten so frei vernetzt und körperlos. Aber sich zwischendurch mal die Hand zu schütteln, den anderen mal kurz zu sehen, das ist auch wichtig.
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Zeitgenössische Kunst online kaufen

Wenn man so einige Jahre künstlerisch motiviert im Netz unterwegs ist, dort auch noch zum Thema bloggt, aus dieser Tätigkeit heraus Startups gründet und ganz allgemein sein täglich Brot, nicht nur, aber eben auch mit dem Spannungsfeld zwischen Kunst und Netz verdient, dann kommt da doch einiges an Know How zusammen. Dieses wiederum fliesst dann regelmäßig in eigene, neue Projekte ein, oder findet seinen Weg zu anderen Leuten, die einen freundlicherweise anheuern um ihre eigenen Geschäfte voran zu bringen. Das geschieht zur großen Freude aller Beteiligten seit einiger Zeit immer öfter und hilft natürlich auch Projekte wie dieses am Leben zu halten.

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Die Art Edition Fils bzw die zugehörige neue Onlineplattform Fils Fine Arts gehört zu dieser Gruppe von Leuten, denen ich in den vergangenen Jahren meine Erfahrung und das entsprechend Wissen zur Verfügung stellen durfte. Seit Ende 2013 berate und unterstützt ich gemeinsam mit dem Designbüro MORGEN Gestaltung Galerie und Verlag beim Aufbau des neuen Onlineshops für zeitgenössische Kunst. Und weil sich das Ergebnis sehen lassen kann, mittlerweile sogar das ein oder andere Mal kopiert wurde, will ich das jetzt auch mal hier in den Blog rein nehmen, auch wenn das den inhaltlichen Rahmen eigentlich etwas sprengt.

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Fils Fine Arts ist einer der derzeit umfangreichsten und qualitativ hochwertigsten deutschsprachigen Onlineshops für zeitgenössiche Kunst. Gelauncht im Frühjahr 2014, wird das Angebot seitdem langsam und kontinuierlich ausgebaut. Erklärtes Ziel ist es, qualitativ hochwertige Kunst ausgewählter, internationaler Künstler möglichst einfach online zugänglich zu machen.
Der Schwerpunkt des Angebots liegt auf hochwertigen Editionen, Skulpturen und Unikaten. Das Programm umfasst darüber hinaus neben Lithographien, Siebdrucken und Radierungen, auch ein umfangreiches Angebot an Editionen, Fotografien und Multiples.  Im von uns entwickelten Onlineshop sind unter anderem Arbeiten aus dem Umfeld der ZERO-Gruppe, von Otto Piene, 
Christo & Jeanne-Claude, Günther Uecker, Georg Baselitz, 
Stephan Balkenhol, 
Sandro Chia
, Eduardo Chillida, 
Peter Doig, 
Rupprecht Geiger, 
Katharina Grosse
, Donald Judd, 
Karin Kneffel
, Julian Opie
, Tony Ourseler
, rosalie oder Heinz Mack zu finden.

Und wer sich die Arbeiten vor dem Kauf noch mal im Original ansehen will, der fährt in die Galerie in der Düsseldorf Innenstadt oder besucht die zugehörige Kleine Kunsthalle in Norddeutschland.

 

Abschied vom Team der BOUTIQUE am Ebertplatz

In der Szene weiß man längst bescheid, in der Kölner Szene eh. Es ist Schichtwechsel in der Boutique am Ebertplatz. Nach knapp vier Jahren und 61 Ausstellungen, Performances, Konzerten, Kooperationen, Tourneen, Filmabenden und Diskussionsrunden beenden Maximilian Erbacher, Yvonne Klasen und Diane Müller ihre Arbeit an dem Projekt und machen Platz für Andere.

Zum Abschluss gibt es noch das Buch zum Film. Sowie die zugehörige Buchpräsentation am Donnerstag 18. Dezember 2014, 19 Uhr.

BOUTIQUE – EBENE MINUS EINS
148 Seiten, zweisprachig, erscheint bei Strzelecki Books, Köln
DONNERSTAG, 18. Dezember 2014, 19 Uhr

Klanglich untermalt wird das ganze durch ein Konzert der Formation The Knob, The Finger & The It.
Klingt doch vielversprechend.

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Good Old Frenemies: Produzentenräume

Carla Orthen schreibt bei vonhundert über ein Geschichte der unabhängigen Bewegungen und ihrer Räume. Is schon was älter (2012), trotzdem noch aktuell:
Die Kunstgeschichte ist weitaus weniger eine lineare Abfolge einzelner Künstlergenies als eine netzwerkförmige Matrix selbstorganisierter Kollektivformen. Spätestens im 19. Jahrhundert wird der Künstler zum Solitär. Er bezahlt seinen Freiheitsgewinn mit einem Zuwachs an sozialer Labilität, Konkurrenz und eines verschärften Rekurses auf sich selbst. Reflexartige Reaktionen darauf: Do-it-yourself-Teambildungen.

Contacts – Beziehungen schaden nur dem, der keine hat

Schönes Ding, denk ich mir beim ansehen, als mir die Tage dieses wunderbare klein Buch aus anonymer Quelle zugesteckt wurde. Der Inhalt ist das was man den Schmier- und Treibstoff jeder anständigen Künstlerkarriere nennen könnte: Kontakte, Kontakte, Kontakte. Sauber sortiert und geordnet, auf 278 Seiten verteilt, findet sich im Miniformat das Wer-ist-wer der Kunstszene ein. Visitenkarte für Visitenkarte aneinander gereiht, zum Teil auch handschriftlich mit dem allerheiligsten, der privaten E-Mail oder der privaten Handynummer, versehen.

Wer also in nächster Zeit plant, sein Kontaktnetzwerk auszuweiten, oder den ein oder anderen wichtigen Kurator, Kritiker, Medienmenschen, Museumsdirektor oder Sammler mal unverbindlich anzurufen um Ihn zum Bier einzuladen, der wird hier sicher fündig werden. Mehr Infos zum Projekt, sowie die Möglichkeit das Buch für € 5,90 zu bestellen, findet Ihr nach dem Click, hier.

Viel Spaß damit!

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SPACES – der Städteguide für Projekträume und Offspaces

ICH WILL DIESES BUCH HABEN!

SPACES lautet der Titel des Buches, an dem Marina Gärtner als Diplomarbeit derzeit arbeitet. In dem Buch werden über 300 Kunsträume aus 25 Städten gelistet; ein Drittel der Offspaces wird ausführlich vorgestellt. Die jährlich erscheinende Publikation wird auf Deutsch und Englisch herausgegeben – ergänzt wird sie durch eine Webseite mit Veranstaltungskalender sowie einer App.
Und als ob all das nicht schon genug wäre, sieht die ganze Sache dazu noch verdammt schick aus!

Marina sucht im übrigen noch einen Verlag der dieses großartige Projekt mitträgt und verlegt. Dass sie so etwas eigentlich auch selber und alleine ganz gut kann hat sie bewiesen, in dem sie ein anderes Buch erfolgreich per Crowdfunding finanziert hatte (Infos dazu gibt es hier http://www.startnext.de/punkt-zur-kugel). Diesmal soll aber eben ein Verlag mit an Bord sein. Ich drücke die Daumen dass sich ein kluger Kopf des Sache annimmt. Denn hatte ich das schon gesagt „ICH WILL EIN EXEMPLAR DIESES BUCHES IN MEINEM BÜCHERREGAL!!!111!!!“

Viel Erfolg Marina!

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Belle Air – ein neuer Projektraum in Essen


Und wir dachten schon, Essen sei eine Wüste des Off. Bisher hat sich die Stadt im Ruhrgebiet nicht gerade durch ihre freie Szene ausgezeichnet; dabei beherbergt sie mit der Folkwang Universität zahlreiche Studenten aus den verschiedensten Kunstsparten. Von diesen kamen aber bis vor kurzem kaum sichtbare Impulse. Nun ist der von Folkwang-Studierenden und Alumni betriebene artist run space Belle Air vor drei Wochen eröffnet worden. Wir stellen vor.

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Situation Sofia – Teil 1

Im Rahmen einer Vortragsreihe in der Hauptstadt Bulgariens erhielt ich die Gelegenheit, einen Bruchteil der dortigen freien Kunstszene kennenzulernen und die Situation der Kunstschaffenden in einem der ärmsten europäischen Nationen zu erleben. Der kurze aber intensive Aufenthalt hat mich vor allem zu einer Relativierung der westlichen Hegemonie im weltweiten Kunstbetrieb gebracht. Bericht aus einem Land, das von unserem dominanten Kunstgeschmack noch nicht annektiert ist.

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Thorsten Schneider zeigt Stücke im Utensil

Ein gutes Jahrhundert ist das Pissoir jetzt her. Und eigentlich hätte man ja das ganze Unterfangen damit fürs Erste einmal auf sich beruhen lassen können. Der Referenzrahmen stand fest, die Grenzen waren gesteckt und mit Ausnahme der Surrealisten hat dann wohl auch niemand mehr so richtig dran gerüttelt. Was folgte war im Prinzip eine lange Reihe von Referenzen und Neuformulierungen, die nun als Kunst in den Archiven unserer prächtigen Museen lagern, oder als sinnstiftende Anlageobjekte um den Globus verschoben werden. Gut, ich will da jetzt nicht so borniert sein, in Teilen waren und sind da völlig ohne Frage wirklich große und originelle Ansätze dabei, welche eine ästhetische Kraft und damit auch ihre Berechtigung haben. Nichts desto trotz ist und bleibt das verdammte Pissoir der epistemologische Benchmark über den wir nicht so recht hinaus kommen und kamen – seit nun mehr fast 100 Jahre!

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Porn in the City

Der Karneval ist gerade vorbei. Die wilde fünfte Jahreszeit, in der in jedem Straßenwinkel gefummelt, in jeder Sitzung seitengesprungen und auf jeder Kneipentoilette gefickt wurde, ist beendet. Die animalischen Triebe sind wieder gebändigt. Die meisten Menschen sehen immer noch lächerlich und grotesk aus, aber nun unwillkürlich. Die öffentliche Ordnung kehrt wieder ein. Und mit ihr kehrt auch eine ihrer Töchter zurück: die Zensur. Sie ergriff eine eigentlich eher harmlose und nette Ausstellung im Karat, das Vitrinenprojekt von Yvonne Klasen, Malo und Paul Leo, und führte zu einer öffentlichen Aufregung, die man an diesem Ort und zu dieser Zeit nicht hätte vermuten können.

 

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Fabian Kuntzsch und Moritz Fiedler beim Auf- und Abbauen in der Filmwerkstatt

Moritz Fiedler und Fabian Kuntzsch sind Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf und aktuelle Stipendiaten des dHCS Stipendiums des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf. Ich habe sie, also das heißt natürlich ihre Arbeit, vor kurzem Abends in der Filmwerkstatt gesehen und es hat mir wirklich gut gefallen, wie die beiden da sehr ernst und konzentriert, minutenlang ihre Objekte auf- und abbauen.

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Ein Vormittag in der Kunstakademie

natürlich waren wir diese jahr auch mal auf dem rundgang, und es war sogar ganz nett. man muss abstand zu den dingen dort halten und darf das nicht all zu ernst nehmen. und dann, wenn man das so zu sagen aus dem augenwinkel heraus im vorbeigehen mal kurz anschaut, dann kommen einige sachen doch ganz gut.

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Billinger & Schulz im FFT

Pressemitteilung!

 

Billinger & Schulz
Kummerkasten Menschenstadt
Premiere
Glasdach, Holzfassade, voll begehbar und Platz für zwei samt Tisch, Stühlen und Mikrofon – mit dieser Großraumvariante einer Meckerbox besetzten die Choreografen Verena Billinger & Sebastian Schulz im vergangenen Herbst öffentliche Orte in der Düsseldorfer Innenstadt und luden zusammen mit ihrem Team Passanten zum Gespräch ein: Was ärgert Sie? Was sollte sich ändern? In regen, nachdenklichen oder empörten Dialogen meckerten sich zahlreiche Bewohner des 21. Jahrhunderts ihre Erfahrungen, Weltanschauungen und widersprüchlichen Forderungen von der Seele. Mit Kummerkasten Menschenstadt holen Billinger & Schulz die Meckerbox inklusive Inhalt ins Theater und machen die Bühne zum vielstimmigen Echoraum einer deutschen Großstadt.

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Hier wird nun öffentlich, was unter der Oberfläche ihrer sozialen Choreografie schwelt: Wichtiges und Triviales, Persönliches und Politisches, Einfaches, Komplexes, Zufälliges und Verstreutes. „Kummerkasten Menschenstadt“
gibt der politischen Lust und wütenden Traurigkeit der partizipierenden Bevölkerung einen polyphonen Körper, der mit sich selbst im Clinch liegt.

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Konzept, Inszenierung: Verena Billinger & Sebastian Schulz. Von und mit: Jung Yun Bae, Oliver Bedorf, Julia Blawert, Caroline Creutzburg, Nicolas Niot. Sounddesign: Carina Premer. Entwurf Hütte: Jonathan Banz, Rosalie Schweiker.

Hüttenbau: Hagen Bonifer, Arnold Frühwald. Produktionsleitung: Nicole Dahlem-Schwind.

Produktion: Billinger & Schulz. Koproduktion: FFT Düsseldorf, Künstlerhaus
Mousonturm Frankfurt am Main. Gefördert durch: die Kunststiftung NRW, NATIONALES
PERFORMANCE NETZ (NPN), Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln des Beauftragten der
Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags, das
Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, das Kulturamt Frankfurt am Main und das Hessische
Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf.

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FFT Juta, 6.2., 20 Uhr Premiere; 7.+8.2., 20 Uhr
Tickets: 15/8 Euro (VVK), 18/10 Euro (AK)
Reservierungen: 0211-876787-18 oder fft-duesseldorf.de

Schichtwechsel in Wuppertal

Abseits der Rhein-Ruhr-Schiene ist die Off-Szene in Nordrhein-Westfalen mehr als überschaubar. Die Schwerpunkte bleiben Köln, Düsseldorf, Bochum und Dortmund. Städte wie Bonn, Essen, Mönchengladbach oder Duisburg sind lediglich mit wenigen Initiativen in unserem inoffiziellen Off-Verzeichnis vertreten. Aber überall wo eine Kunsthochschule steht und/oder billige Räume zu haben sind, können unverhofft Projekträume entstehen. Neuerdings tut sich was in Wuppertal, und wir sind natürlich dabei.

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Fragen über Fragen – eine neue Serie

Durch die Welt gehen ohne Fragen. Leben ohne Neugier, ohne Zweifeln, ohne Wissensdrang. Nicht unbeteiligt – aber unbeschwert. Alles hinnehmen, sich den Fluss der Dinge bedingungslos hingeben und nichts festhalten wollen. Nichts infrage stellen, nichts hinterfragen. Es ist das Privileg der Weisen, der Erleuchteten, der Kleinkinder (bis ca. 3 Jahre) und der Volltrottel. Da ich leider nicht zu einer dieser vier Kategorien gehöre, gehe ich, wie die meisten meiner Zeitgenossen, fragend durch die Welt. Diese Fragen möchte ich nun mit euch teilen.

Als Kunstwissenschaftler mit einem besonderen Blick für die breiten sozialen und politischen Konsequenzen der Kunstpraxis, werde ich regelmäßig mit plötzlichen Fragestellungen konfrontiert, die sich aus der Beobachtung meiner Umwelt ergeben. Fragen zum Umgang mit Bildern, zur Identität des Künstlers, zur Natur der Kreativität, zur Funktion von Kunst. Et cetera. Während Mitstreiter der Perisphere sich auf das Beantworten fremder Fragen einlassen, will ich mich ganz auf das Befragen konzentrieren. In der Hoffnung, dass gut formulierte Fragen schon ihre Beantwortung im Keime enthalten. Ansätze von Antworten will ich übrigens in der Form von Gedankenskizzen auch geben. In der Hoffnung, dass Leser sie vervollständigen.

Ich freue mich auf eure Beiträge!

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Situation Dortmund

Bilder: alle geklaut.

Meist wird die Offszene in NRW auf zwei Städte reduziert: Köln und Düsseldorf. In der Tat liegt der regionale Schwerpunkt der selbstorganisierten Künstlerschaft auf der kleinen rheinischen Schiene. Mit ihren Kunsthochschulen, einer sehr aktiven und ehrgeizigen Galerieszene, der Präsenz von zahlreichen Museen und Kunstinstitutionen sowie einer großen Anzahl an Künstlern aller Generationen, die sich dort aufhalten, erfüllen Köln und Düsseldorf alle Voraussetzungen für ein Blühen des Offs. Dagegen ist die autonome Kunstszene in Essen, Aachen, Duisburg oder Münster – bis auf ein paar Ausnahmen – so gut wie inexistent. Gegenüber der Köln-Düsseldorfer Achse findet man nur in zwei Städten des Ruhrgebiets ein nennenswertes Gegengewicht: Bochum und Dortmund. Wir werden in einem künftigen Artikel auf Bochum zurückkommen, denn dort braut sich gerade Interessantes zusammen. In Dortmund ist die Lage nicht minder spannend, die politischen Grundbedingungen sind aber fundamental anders.

Schickes Ding mit Kultur innen drin: Der Dortmunder U

Die Zeche Zollverein. Auch in Dortmund sehr beliebt.

Rückblick: Im Zuge der Ernennung von Essen und 52 weiteren Kommunen zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010, wurde der im maroden Ruhrpott dringend benötigte „Kulturwandel“ zu einem der führenden Paradigmen der Großveranstaltung gemacht. Kulturwandel hieß in diesem Fall, dass die obsolete „Industriekultur“, die die Region seit über 150 Jahren prägte, ersetzt werden sollte. Im Hinblick auf den interkommunalen Wettbewerb um die Anziehung von relevanten Kaufkräften sollte diese neue „Kultur“ gerne von positiv konnotierten Adjektiven angereichert werden – „kreativ“, „urban“, „unternehmerisch“ oder „weltoffen“ sollte sie ja unbedingt werden. Das Zielpublikum dieser Maßnahme war klar: Die Industriebrachen sollten von jungen, leistungsfähigen und zukunftsorientierten Schichten erobert werden; die Losers des Sekundärsektors, die entweder in Frührente geschickt wurden oder in Mini-Jobs verschwanden, waren eh nicht mehr zu retten.

les chefs de la créativité, v.l.n.r.: Stadtdirektor Jörg Stüdemann, NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin und Ecce-Geschäftsführer Dieter Gorny.

Nun, was haben die Off-Räume in diesem Prozess zu suchen? Sie tragen ganz einfach zur Solidität des Projektes „Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet“ bei. Sie sind Bestandteil einer Strategie, die, ausgestattet mit vielen Mitteln und manchen klugen Köpfen, die Infrastruktur und das Humankapital der Montanzeit in das Zeitalter der kreativen Ökonomie zu überführen beabsichtigt. In Dortmund, Sitz des European Center for Creative Economy, ist diese Entwicklung deutlich zu spüren. Mittel- bis langfristig sollen hier mehr Unternehmen und Start-Ups angesiedelt werden, die im verheißungsvollen Bereich der Kreativwirtschaft arbeiten. Aber bevor die gute Saat der creative classes sich in dieser Landschaft entfalten und erblühen kann, muss der Boden entgiftet werden. Und für die Drecksarbeit sind Offspaces allemal gut genug.

Die Galerie 143 nach einem Anschlag von Neonazis

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Perisphere Portrait online!

Sie ist endlich raus! Die neue Perisphere-Serie kommt in die Öffentlichkeit und erhält sogar eine eigene Plattform: Perisphere-Portrait. Das Prinzip ist einfach, der Anspruch groß: Wir portraitieren in Web-affiner Form Künstler aus Düsseldorf, stellen ihnen drei Fragen, gewähren ihnen drei Minuten zum Antworten und packen das Ganze in drei Einstellungen. Auf Dauer soll ein Archiv angelegt werden, eine Art Verzeichnis der lokalen Künstlerschaft – wobei wir uns bewusst auf die Generation der 35-55-jährigen beschränken.

Harte Konkurrenz für Tatort: Für den Anfang stellen wir sechs Künstler ins Netz und fügen jeden Sonntag Abend einen neuen Clip hinzu. Man sieht sich!

Danke an Julia für die Bilder des Abends:

 

 

Kamera und Schnitt: Lars Klostermann

Redaktion: Emmanuel Mir

Programmierung: Florian Kuhlmann

Gold und Beton am Ebertplatz in Köln

Ein Text von Timothy Shearer

Um ein Projekt am Laufen zu halten braucht man Power.

Voller Elan und Energie war die erfolgreiche Eröffnung des erstmal zeitbegrenzten Projektraumes Gold + Beton.
In den ehemahligen Räumlichkeiten der Halle der Vollständigen Wahrheit, die sich in der Ebertplatzpassage befindet, werden eine Reihe Projekte zu sehen sein.
Gold + Beton ist erstmal erdacht für die nächsten 6 Wochen und wird vom Vera Drebusch, Meryem Erkus, Lena Klein und Andreas Rohde organisiert. Zum Glueck!

Bei der ersten Ausstellung dort, Wenn du auslöschst Sinn und Klang, von Ufuk Cam und Jan Pleitner gab es eine bereichernde multimediale, all-over-Experience. Sagen wir mal, die Grand Entrance der beiden ziemlich überlegt-angezogenen Künstlern war gleichzeitig spektakulär und in einer gelungenen Weise albern.
Ein vollgepimpter Audi mit laut dröhnendem Mixtape fuhr vor die Tür und war erst zu hören statt zu sehen. Der Soundtrack gleich dem Kontext des Autos, eine Mischung aus selbstproduzierter Musik und gesammelten Hits, passte schon perfekt in das unterirdischen concrete jungle. Das Auto, was eigentlich eine Runde in der Waschanlage gebraucht hätte, war natürlich eine Metapher der Macho-Symbolik. Man las von einer Flagge auf dem Auto ein bisschen wirres Zeug, dazu ein komischer kleiner Drachenmann-Maskotian. Institut zur Bewahrung Wahrhaftiger emotionaler Momente in der Öffentlichkeit. Diese Grafik gab’s auch als kopierten Flyer zum mitnehmen.

Sympathisch war es dann, dass die beiden Künstler direkt daneben auch selbst-gemachtes Essen im Angebot hatten.
Im Endeffekt, die Selbstentlarvung der Geste eines Machoverhaltens war unterhaltsam. Man durfte zwischen den Zeilen lesen: Wir machen unser Ding. Wir haben Spass dabei und die Betrachter sollen teilnehmen an unserem Spass.
Wohl bekomm’s. Danke, das Angebot ist lecker.

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Gespräch aus der Perisphere mit Claudia Mann

Freibier? Natürlich nicht, ihr gierigen Säufer! Aber schön, dass wir eure Aufmerksamkeit gewonnen haben: Das erste Gespräch aus der Perisphere findet am 17.8. bei Gagarin statt, Kirchstr. 41 in Düsseldorf. Claudia Mann, eine Vermeiren-Schülerin mit Hang zur invasiven skulpturalen Praxis, stellt zurzeit da aus und gibt während des Gesprächs mit Emmanuel Mir Einblick in ihre Arbeit. Intelligente Fragen aus dem Publikum werden zugelassen. Trotz des kostenpflichtigen Biers, kommt zahlreich! (ein Stündchen stillsitzen und zuhören kann euch wirklich nicht schaden)

Wer verhindert ist, kann sich auf eine baldige Übertragung des Gesprächs auf diesem Blog freuen.

See you soon, alligator.

 

Rebelart mit Bildern von der “AKADEMIE DER REBELLION”

Alain Bieber von rebel:art hat ein paar Bilder vom Workshop ins Netz gestellt und dazu ein paar Worte geschrieben, wir verlinken das einfach mal.

Im Herbst gehts übrigens weiter mit urbanem Aktionismus im Rheinland. In Köln gehts vom 2. bis 22. September 2013 mit dem Cityleaks 2013: Cologne Urban Art Festival / Urban Hacking Academy ab und in Düsseldorf geht soweit ich weiß auch was. Die Galerie Pretty Portal organisiert mit einigen anderen Leuten zusammen ein Urban Art Festival, ebenfalls im September.

Trailer Cityleaks 2013

 

Digital Soirée 2 – Myspam

Keine Sorge Freunde, wir werden auch in Zukunft in erster Linie über die Projekte Anderer berichten und die PR in eigener Sache hier nicht übertreiben. Andererseits hoffen wir natürlich, dass Ihr hier nicht nur vorbeischaut um zu lesen was wir von den Anderen halten, sondern auch, weil Ihr uns und unser Projekt ein kleines bißchen lieb gewonnen habt und deshalb auch wissen möchtet was wir sonst so in unserer Freizeit treiben.

Neben unserem derzeit wohl zeitaufwändigsten Hobby des Bloggens, organisieren wir – dem aufmerksamen Leser ist es natürlich nicht entgangen – unter anderem regelmäßige Digital Soirées, in denen wir uns dem Thema in unterschiedlichen Formen annähern. Diesmal zu Gast war Stefan Riebel, über den wir auch hier im Blog schon das ein oder andere mal berichtet haben. Die wirkliche Interessierten nutzen jetzt die bloginterne Suche, alle anderen lesen bzw schauen einfach weiter. Zum Projekt selber steht eigentlich alles in  der Ankündigung hier und hier.

Um es kurz zu halten. Riebel sammelt Spam-E-Mails in seinem Blog http://myspam.stefanriebel.de/, wir bzw unsere Gäste haben ausgewählten Spam per Post versendet.

Die letzten drei Bilder der Serie mussten wir mit dem Smartphone machen, deshalb fallen die natürlich Qualiativ etwas von den vorher gehenden ab. Bei einem so exklusiven und ästhetisch geschultem Publikum wie dem unseren muss man sowas dann eben schon erwähnen bzw vorwarnen – finde ich.

Shortcut! Constant Dullaart – therevolvinginternet.com

Constant Dullaart gehört derzeit zu den aktivsten und vielleicht auch interessantesten Protagonisten einer Szene, die sich mit der Ästhetik des Internets und der damit verbundenen globalisierten Kultur beschäftigt. Das Vice-Magazin hat kürzlich ein Interview mit ihm gemacht, auf das ich an dieser Stelle kurz verweisen möchte. Selbstverständlich hat der Mann aber auch eine Webseite, die einen guten Überblick über seine Arbeiten Online und Offline bietet.

Hier, beim Shortcut beschränken wir uns auf zwei verwandte Projekte, die sich Beide mit einem Bild beschäftigen, das im Orginal weltweit milliarden Mal pro Tag betrachtet wird.

therevolvinginternet.com

Genauso wie die Welt dreht sich auch hier alles und endlos im Kreis.

therevolvinginternet.com/Terms of Service

Terms of Service zeigt die Suchmaske der Datenkrake als brabbelnden und lachenden Mund.

Constant Dullaart
http://www.constantdullart.com
http://therevolvinginternet.com, 2010
http://therevolvinginternet.com/TOS, 2012

 

km temporaer zeigt (n)on site

Non-Sites: Arbeiten im Ausstellungsraum aus ursprünglichen Rohmaterialien, dem Naturraum entnommen, der Ort ist beliebig
Sites: spezifischer Ort, gestalteter Naturraum

In der aktuell laufenden Ausstellung „(n)on site“ (24.5. – 14.6.2013) wird der Ansatz des Projektes km temporaer, zeitgenössische Positionen der analogen und digitalen Kunst in einem gemeinsamen thematischen Kontext zu präsentieren, mit der Intention, einen Dialog zwischen netzbasierter Kunst und klassischeren Kunstdisziplinen zu schaffen, fortgeführt.
Die künstlerischen Arbeiten reagieren auf das Thema Mapping und der zunehmenden Tendenz der stark objektiv-rationalen Wahrnehmung des realen Raumes durch Datenvisualisierung im Netz. In den Arbeiten werden gezielt Momente der Diskontinuität erzeugt, die aus diesen technischen Methoden eine poetische Ästhetik entstehen lassen und damit die Bindung des Menschen an räumliche Bezugssysteme offenlegt bzw. hinterfragt.

„What you are really confronted with in a Nonsite is the absence of the Site.. a ponderous and weighty absence“ (R. Smithson)

Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf Robert Smithsons Dialektik der Orte (Sites) und Nicht-Orte (Non-Sites), mit der er die Karte in eine symbolische Sprache überführt. Nach Smithson konfrontiert der kartographische Blick stets das Abstrakte und das Reale, den Ort und die Delokalisierung zugleich.

In Anlehnung an Lev Manovich beschäftigt sich die Ausstellung auch mit dem Verhältnis von Analogie und Digitalität im modernen menschlichen Leben und wirft die Frage auf, inwiefern sich unsere Wahrnehmung von räumlicher Form verändert, wenn diese mit dynamischen und vielfältigen Multimedia-Informationen überzogen ist. (Schwinden die Sinne im Zuge der zunehmenden Medidatisierung? Kann Desorientierung in der technischen Dokumentation wirklich verhindert werden?)

Daniel Schwarz / juxtapose / 2012

„Juxtapose“ ist eine Serie von Gegenüberstellungen unbearbeiteter Satellitenaufnahmen zivilisationsferner Orte auf der Erde, die dem Internetdienst Google Maps entstammen. Simultan nebeneinander legen sie die poetische Kraft der Naturgewalt gegenüber rationalisierenden Technologien zur Dokumentation unserer Welt offen. Die unterschiedlichen Witterungszustände und Jahreszeiten auf den Fotos sind Störungen, die automatisch durch die Google Algorithmen bei Aktualisierung des Bildmaterials erstellt werden. Diese Diskrepanz hinterfragt den Einfluss der erweiternden Technologie auf unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit und enthüllt gleichzeitig das Scheitern, die Realität wiederzugeben.

Davide Cascio / Ikebana Arrangement / 2013

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DIRECT ACTION und DIRECT ACTION 2013

Ein Text von Lisa Schwalb

DIRECT ACTION ist ein Festival, das ein Mal im Jahr in Berlin vom INSTITUT FÜR ALLES MÖGLICHE in der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE veranstaltet wird. Unter Festival versteht sich hier das Zusammenkommen unterschiedlicher Künstler, die über ihre künstlerischen Arbeiten und Fragestellungen in Austausch miteinander und mit den Besuchern treten. Dabei lassen sich ungedachte Räume des Zusammendenkens eröffnen, neue Prozesse anstoßen und unterschiedliche Herangehensweisen und Ansichten austauschen.

Seit 2011 ist DIRECT ACTION Teil des „Monat der Performance Kunst – Berlin“. In diesem Rahmen übernimmt es den konzeptuellen Part und befasst sich mit künstlerische Arbeiten, die einem Performanceverständnis entgegenstehen, das sich vor allem auf den körperlichen Vollzug und die authentische Expressivität der Geste konzentriert. Das System der Untersuchung und der Apparat des Analysierens rücken stattdessen in den Fokus der Betrachtung, wobei auch immer die Befragung des Mediums und des Materials eine wichtige Rolle spielt. Von diesem Ansatz ausgehend, wendet sich DIRECT ACTION mit einem Open-Call an Künstler, die ihre Arbeit nicht nur einer der bereits bestehenden Kategorisierungen von Kunst zuordnen können, sondern im Bereich der Performance Kunst an einem weiterführenden Verständnis interessiert sind. Neben dem Open-Call, der den nicht-kuratierten Veranstaltungsteil darstellt, werden ergänzend dazu ausgewählte und bereits etablierte Performance-Künstlerinnen und -Künstler eingeladen sowie Studierende der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig.

Eines der Hauptanliegen des Festivals ist es, für viele verschiedene Kunstschaffende eine Plattform zu entwerfen, auf der eigene Positionen präsentiert, diskutiert und weiterentwickelt werden können, einen Ort, an dem rege und direkte Interaktionen stattfinden, sowie das Knüpfen nachhaltiger Kontakte möglich ist. Als Ergänzung zu den bereits etablierten Performance-Festivals kann DIRECT ACTION insbesondere im Bereich der konzeptuellen, medialen und nicht-expressiven Aktionskunst ein alternatives Forum bieten und zukünftig speziell in dieser Sparte eine wichtige Position in Berlin einnehmen.

Auf dem diesjährigen DIRECT ACTION 2013 wurden Aktionen, Experimente, Videos und Installationen gezeigt, die sich mit Performance in Relation zu Sprache auseinandersetzen. So lautete das Thema diesen Jahres PERFORMANCE ÜBER*MIT*DURCH SPRACHE. Unter diesem Motto haben sich vom 03. bis 05. Mai die teilnehmenden Künstler in der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE in der Ackerstraße 18, Berlin Mitte zusammengefunden. Der erste Abend begann traditionell mit einer kollektiven Besprechung und Zusammenstellung des Ablaufplans für die kommenden zwei Tage. Die Arbeit “ Empty pictures 4 “ von Dominik eröffnete das Programm indem, der an die Wände gemalte Text den Raum mit Sprache füllte.
Die Gruppe Campus Novel hingegen suchte das direkte Gespräch und unterhielten sich im Hof der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE bei frisch gekochtem Kaffee mit den Gästen über das Thema Krise und über dieses hinaus. Während hier die Kommunikation mit dem Anderen im Vordergrund stand, führte Juanzi Cheng unter dem Titel <Hey, Ich>, ein Selbstgespräch durch, indem sie sich mit ihrer eigenen aufgenommenen Stimme, abgespielt von einem Kassettenrekorder, unterhielt. Dina Boswank und Daniela Ehemann hingegen benutzten technologische Kommunikationsmittel um über Sprache zu sprechen, indem sie via Skype und Chat mit ihren Kollaborateuren in Chicago und Bangalore live interagierten.
Das Sprache aber auch losgelöst von einem menschlichen Körper produziert werden kann, zeigte die Performance von Sim Gishel, einem Roboter, der Pop-Songs performt, was aber angeblich nicht für „Deutschland sucht den Superstar“ ausreichend war, so sein Erfinder Karl-Heinz Jeron.

Unter dem Motto täuschend echt aber doch nicht eindeutig real beschäftigten sich Thomas Lindenberg und Lisa Schwalb mit den Rahmenbestimmungen bestimmter Sprachkonventionen am Beispiel des Pop-Songs. Neben den unterschiedlichen Live-Beiträgen wurden auch Performance-Videos zum Thema Performance über*mit*durch Sprache gezeigt, so zum Beispiel die Arbeit This is not an I-Pad, Ich lese Bücher – jemand muss es ja schließlich machen von Oliver Breitenstein. Dass eine Auseinandersetzung mit Sprache aber auch über das Schweigen stattfinden kann, zeigte die Arbeit In Silence (#04) von Stefan Riebel, der mit allen Anwesenden einen kurzen Moment schweigend verbrachte. Über diese und andere Beiträge hinaus wurde in den drei Tagen zusammen diskutiert, gefrühstückt, gegrillt und pausiert. Nicht nur eine Verschachtlung der Arbeiten miteinander, sondern auch die Vermischung von Zeigenden und Zuschauenden war bei DIRECT ACTION 2013 zu beobachten und machte das Festival zu einem einmaligen Ereignis der direkten und indirekten Aktionen und Interaktionen.

Direct Action, 2013
INSTITUT FÜR ALLES MÖGLICHE und ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE, Berlin
http://www.i-a-m.tk/

Cocktailkleider und Altherrenwitze. „Das kleine Schwarze“ in der Boutique Köln.

von Dominik Busch

Die Kölner Boutique steckt in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Auch eine Crowdfunding Initiative via startnext.de brachte nicht den erhofften Erfolg. Falls sich kein privater Financier finden lässt, sieht es schwer danach aus, als müsste eines der drei Off-Projekte am Ebertplatz bald seine Räume schließen. Dank der Kölner Konsolidierung inklusive drastischer Kürzung des Kulturetats.

Ich möchte allerdings an dieser Stelle nicht direkt Stellung zu kulturpolitischen Fragen beziehen, noch möchte ich Kommentare wie auch immer gerichteter parteilicher Lager provozieren. Wenn Politik, dann politische Potenziale, wenn politisch, dann in einem ästhetisch reflexiven Sinn. Doch dazu später mehr.

Die Boutique zeigt aktuell „Das kleine Schwarze“, eine Ausstellung der beiden Studenten der Kunstakademie Düsseldorf Melike Kara und Peppi Bottrop. Kara, seit Kurzem Studentin von Rosemarie Trockel, tat sich bereits als eine der (Künstler-) Kuratorinnen der Videoausstellung „Body Light“ hervor, jetzt gibt sie Einblick in ein weiteres ihrer Medien, das der Malerei. Bottrop, aktuell Student bei Andreas Schulze und meines Erachtens eher Vertreter einer Düsseldorfer Malerei, zeigt nach zuletzt grafischen Arbeiten (im etymologischen Sinne) und solchen mit Tendenz zum Objekt, wieder Bilder mit Farbe, Spuren, Oberflächen und Versatzstücken – um zunächst mal wertungsfrei zu bleiben. In meiner Vorstellung gingen diese Beiden so gar nicht zusammen. Etwas dramatisch formuliert stellte ich mir eine Begegnung zwischen Poet und Provokateur vor, eine Unterhaltung zwischen Träumer und Rationalist. In der Theorie durchaus spannend, in der Praxis oft ein stumpfes Entweder-Oder. Hier weder noch. In „Das kleine Schwarze“ stehen sich zwei Positionen gegenüber, jeder für sich. Keine perfekte Symbiose, aber auch kein wirklicher Battle. Eine Gruppenausstellung, in der alle gewinnen.

Privates und Persönliches außen vor – das Gewinnbringendste dieser Ausstellung sind die Editionen, deren Erlös allein dem Erhalt der Boutique zugute kommt: Prints diverser Oberflächen, mit kleinen Arabesken collagiert, mit Materialien verschiedener Haptik verklebt, auf Glas montiert und in einfachen Geometrien durchschnitten. Einfach, aber effektiv. Vorne wird hinten, Bildträger wird Informationsträger, Bezeichnendes wird Bezeichnetes, ein unterhaltsames Spiel mit Begrifflichkeiten. Und zudem „ästhetisch“ äußerst ansprechend. Die Editionen sind es allen voran, die Karas und Bottrops Positionen verschränken: Der eine liefert, der andere trägt ab, addiert, subtrahiert, ideell wie formal, mithin das ewige Spiel der Malerei. Gewissermaßen Malerei 2.0.

Bottrops verhältnismäßig große Formate dominieren die kleinen Räume ohne Weiteres, in ihnen findet sich das Spiel der Oberflächen und Materialien wieder, welches die Editionen so fundierte: Pastoses Schwarz steht gegen dünnes Türkis, Kreise und Dreiecke aus Farbe stehen neben Prints einer Holzoberfläche, ein übergroßer Kantholzrahmen hält die scheinbar losen Teile zusammen. In der Chronologie kommen Bottrops Arbeiten eigenartig anachronistisch daher, hatte er doch mit seinen Ausschnitten bei „TOTALE 4“ im Maschinenhaus in Essen  bereits deutlicher die Grenzen des Bildraums unterwandert. Aber geht es darum? Bildraum, Bildaufbau, Materialität, Malergesten, Inside-Jokes? Ich will es schwer hoffen. Aber noch viel mehr will ich hoffen, dass keiner die Ironie dahinter übersieht. Denn Ironie ist integraler Bestandteil dieser Malerei und mindestens ein Kriterium guter Malerei – wenn nicht sogar das einzige heutzutage. Unter anderem deswegen ist meine Lieblingsanalogie zur Malerei die Rapmusik. Nirgendwo sonst werden Setzungen derart direkt und subjektiv gemacht. Beispielsweise: „Wie zum Teufel kannst du heute noch Songs über das harte Leben auf der Straße machen?“ Analog dazu könnte man fragen; „Wie zum Teufel kannst du Malerei heute noch so bitterernst nehmen?“ Man kann. Es wird aber immer mindestens einer kommen, der sich zu Recht über diese Form des Konservatismus lustig macht. Bottrop ist so einer. Seine Malerei scheint daher irgendwie sehr aktuell, aus grob historischer Perspektive war sie das aber auch schon vor gut dreißig Jahren. Damit soll nun kein Werturteil gefällt werden, es wird lediglich darauf hingewiesen.

Den streng schwarzen Grund der Bilder Karas als den einer Malerin zu erkennen, tut man sich zunächst schwer. Scheinbar unbedacht der Auftrag, erkennbares Um-die-anderen-Teile-drum-herum-Malen, recht direkte Emblematik. Absicht? Ich denke ja. Mit Karas Videos im Hinterkopf lässt sich ihre Malerei nämlich noch auf andere Weise fassen als aus rein malereiimmanenter Perspektive.

In der Hoffnung, gänzlich auf Proust-Zitate verzichten zu können, möchte ich dazu einen Gedanken aufgreifen, der kürzlich in Bezug auf die zeitgenössische Ausstellungspraxis von Videokunst (!) am Beispiel von „Body Light“ angemerkt wurde. Der Autor monierte die bisweilen ignorante Praxis institutioneller Kuratoren hinsichtlich der Installation von Videokunst, die, im Falle der „Big Pictures“ Ausstellung des K21, vermeintlich nach wie vor hauptsächlich in Black Boxes stattfinde, anstatt, wie im Falle von „Body Light“, in einem offenen räumlichen Diskursbezug zueinander. Diesem Ansatz, so durchsetzungswürdig er auch ist, liegt der Trugschluss der Gleichheit von Video- und Filmkunst zugrunde – eine mithin rein begriffliche Unterscheidung, aber deswegen nicht minder wichtig. Letztere bedarf nach wie vor der Präsentation im hermetischen System der Black Box, liegt doch immerhin ihr Spezifikum in einer primär kognitiven Form der Rezeption. Vergleichbar etwa mit der des klassischen Theaters. Videokunst verhält sich dem gegenüber zu seinem Konsumenten hin offen, die räumliche Installation sowie die interne Struktur sind meist aufeinander bezogen und/oder argumentativer Bestandteil der Arbeit. Ein Film muss den Betrachter vereinnahmen, er lebt gewissermaßen von einer ihm immanenten Zeit- und Räumlichkeit, ein Video hingegen darf vereinnahmen, ist aber aufgrund seiner vermeintlich komplexeren Struktur grundsätzlich nicht als hermetische Form zu betrachten.

Von dieser Unterscheidung zehrt auch die Malerei Karas. Das zuerst so gar nicht malerische Schwarz ihrer Bilder erinnert also nicht nur rein nominell an das einer Black Box, vielmehr kann man die kleinen Formate im hinteren Raum der Boutique über ihren Status als Tafelbild hinaus als Stills eines ihrer Videos sehen. Zudem rahmt eine beige Fläche auf Karas starkem Großformat das matte Schwarz wie ein Vorhang ein. Der Vorhang einer Theaterbühne oder der eines alten Kinosaals? Oder etwa das Schwarz einer Burka? Mein subjektives Auge erkennt in den roten, goldenen und blauen Tupfen, in deren Positionierung im oberen Drittel der Kleinformate und ihrer leicht gekrümmten – und dadurch plastisch werdenden – Form, Ausschnitte osmanischer Schmuckstücke, etwa eines Tikkas oder Diadems; Goldenen Kopfschmuck, wie ihn in unserer Vorstellung etwa eine türkische Braut tragen könnte. Hierin spielt Kara offenbar mit kulturellen Klischees, mit dem Blick auf eine Kultur durch die Brille einer anderen. Oder so. In diesen Gedanken ließe sich auch die einzige installative Arbeit der Ausstellung einreihen, ein filigraner Blumen-Print auf annähernd quadratischem Plexi, gehalten von rohem Stahl. Er wirkt wie eine Folie, wie ein Fenster, der die Ausstellung von außen zugänglich macht. Die Form der Blumen wiederholt hier die der Diademe und wirkt dennoch wie ein Fremdkörper zwischen den Malereien, wie eine Projektionsfläche für weitreichende Assoziationen. Ohne die genaue Bedeutung dieser Schmuckstücke für die türkische Kultur zu kennen, werden wir an Karas Videos „Haram“ oder „Bülbül“ erinnert, in denen der kulturelle – nennen wir es mal – Konflikt äußerst sanft, poetisch und dadurch für uns wertungsfrei dargestellt wird. Karas Malerei ist also in meinem Verständnis keine, die, wie jene Bottrops, ihr Medium kritisch hinterfragen, vielleicht nicht einmal als solches thematisieren will, sondern allein legitimes Mittel zum Zweck, in der Formulierung ihrer Position. Die Malerei mag Kara eine kontemplative Möglichkeit der Betrachtung geben, die in Videos nur begrenzt vorhanden ist. Szenen, beziehungsweise einzelne Frames, werden so in den Zustand einer dauerhaft möglichen Betrachtung überführt, wenn auch gleichermaßen der willkürlichen Rezeptionsdauer des Betrachters ausgeliefert. Doch geht das Schwarz der Black Box dann mit jenem der Malerei Karas, als ihren Videos entstammend, überhaupt zusammen oder wird die eingangs beschriebene begriffliche Unschärfe hier nicht ebenso unklar gehalten? Für die Konstruktion einer solchen Assoziationskette ist das sicher nicht von Bedeutung, hierin liegt vielmehr das diskursive Potenzial ihrer Arbeiten. Medienspezifik, Bildbegriffe und vor allem kulturelle Erwartungen werden gegeneinander ausgespielt, deuten an und lassen doch offen. Das ist es, was sie so wertvoll macht – keine Ansage, keine große Geste, vielmehr ein subtiler Fingerzeig. Und sähe man hierzulande kulturelle Identitäten und deren gegenseitige Vorurteile nicht so konservativ, man käme bei so viel Pathos um ein Grinsen nicht herum. Möglicherweise ist es dieser hintergründige Humor, der Karas und Bottrops Positionen letzten Endes doch irgendwie zusammen bringt. Als Basis einer gemeinsamen Ausstellung wäre Humor jedenfalls nicht das Schlechteste.

Für die Boutique bleibt zu hoffen, dass sie ihre Position trotz allen Widrigkeiten irgendwie halten kann. Das Team von perisphere.de wünscht Maximilian Erbacher und Yvonne Klasen hierzu viel Erfolg. Mit „Das kleine Schwarze“ haben die beiden Kuratoren einmal mehr ihr subtiles Auge bewiesen und zunächst so disparat scheinende Positionen sinngebend zusammen bringen können.
Hoffentlich sieht die Stadt Köln das ebenso. Spread the word.

Das kleine Schwarze
MELIKE KARA
 und PEPPI BOTTROP
Eröffnung: Freitag, 10. Mai, 19 Uhr

Dauer: 11. – 31. Mai 2013

Öffnungszeiten: Fr-Sa, 16 – 19 Uhr 
und nach Vereinbarung.

http://www.boutique-koeln.de/

Petites résistances – Rebellion als Kunstform

Rebellion vs Kunst, letztes Jahr in den Kunstwerken Berlin, dieses Jahr Düsseldorf. Hier im Rheinland aber nicht im Whitecube, mit politischem Glanz, Glamour und Revolutionsästhetik inszeniert, dafür klein, subversiv, zum mitmachen und lernen.
Auf der Straße.

Denn, die kleinen Widerstände von „Petites résistances“ sind Ausdruck des individuellen Protestes und des zivilen Ungehorsams und nicht Entwürfe für große Gesellschaftsutopien, deren Scheitern wir alle in den vergangenen Dekaden beobachten konnten. Doch zum Resignieren und Aufgeben sind wir noch lange nicht bereit.

Deshalb beginnt der Frühsommer des Widerstandes! in Düsseldorf mit dem Workshop „Akademie der Rebellion“ vom 28. Mai – 01. Juni 2013, zur Anmeldung bitte hier.
Weitere Informationen zum Hintergrund, Theorie und natürlich den Kontaktdaten zum Organisator Emmanuel Mir findet Ihr ebenfalls dort. Text dort lesen, lohnt sich!

Das Programm „Akademie der Rebellion“

28. Mai

  • 13 Uhr: Emmanuel Mir und Alain Bieber: Begrüßung und Programmvorstellung. Ort: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. (1 Std.)
  • 14 Uhr: Alain Bieber: Politische Kunst im öffentlichen Raum. Ort: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. (1,5 Std.)
  • 16 Uhr: Partizaning: Participatory Urban Replaning. Partizaning ist eine in Moskau basierte Künstler- und Aktivistengruppe, die den öffentlichen Raum als Austragungsort des politischen Diskurses versteht. Im Austausch mit den Workshop-Teilnehmern initiieren zwei Mitglieder der Gruppe eine Aktion in Düsseldorf. (PRAXIS, 3 Std.)

29. Mai

  • 11 Uhr: Jérome Fino: Hacking the sound of the city. Ort: Düsseldorf City. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Jérome Fino ist ein französischer Klang- und Videokünstler. In einer seiner bekanntesten Aktion, zweckentfremdet er Lautsprecher und tonproduzierende Geräte im öffentlichen Raum. Mit ihm gehen die Teilnehmer auf der Suche nach potenziellen Klangkörpern in die Stadt. (PRAXIS, 2-3 Std.)
  • 16 Uhr: Klaus Rosskothen: Street Art in der Galerie. Ort: Galerie Pretty Portal, Brunnenstr. 12, 40223 Düsseldorf. Der Galerist gibt einen Einblick in die internationale und lokale Street Art-Szene, präsentiert einige Künstler aus seinem Programm und spricht von den Besonderheiten des Handels mit Street Art. (1,5 Std).

30. Mai

  • 11 Uhr: Anne Mommertz: Um den heißen Brei. Ort: Düsseldorf Flingern und Oberbilk. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Die Künstlerin und Autorin führt sie durch die unbekannten Seiten zweier Stadtteile, die im Laufe ihrer Geschichte viele Umbrüche erlebt haben. Dabei kommen völlig neue Aspekte dieser populären Stadtteile zum Vorschein. (1,5-2 Std.)
  • 15 Uhr: Alain Bieber: Dérive: Zur Praxis des Herumschweifens. Ort: Düsseldorf City. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Der Kurator und Autor Alain Bieber reaktiviert eine situationistische “Technik” des urbanen Umherschweifens, bei der, anhand von einfachen Übungen, die Stadt ganz neu wahrgenommen und erlebt wird. (PRAXIS, 2-3 Std.)

31. Mai

  • 11 Uhr: Florian Rivière: Die Stadt ist ein Spielplatz. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Mit dem Künstler und Urban Hacktivist Rivière, der Gegenstände im öffentlichen Raum zweckentfremdet um dessen spielerisches Potenzial zu Tage zu fordern, gehen Sie durch die Straßen der Stadt und spielen mit vorgefundenen Objekte und Situationen. (PRAXIS, 2-3 Std.)
  • 16 Uhr: Andi Wöhle und Fabian Haupt: Die Stadt ist ein Turnplatz. Ort: N.N. Die Parkour-Sportart ist eine neue Bewegungsform im urbanen Raum, die keine Hindernisse kennt und Mauern, Fassaden oder Rampen als Möglichkeiten des akrobatischen Fortkommens betrachtet. Hier wird die Stadt körperlich erfahren. Die Werkstatt ist eine Einführung in die Kunst des Parkours.  (PRAXIS, 3 Std.).

1. Juni

  • 11 Uhr: Emmanuel Mir: Führung durch die Ausstellung Petites résistances. Exklusive Preview! Wenige Stunden vor ihrer Eröffnung gewährt der Kunstwissenschaftler und Kurator der Ausstellung einen Blick hinter den Kulissen.
  • 13 Uhr: Gemeinsamer Besuch der Interventionen. Die Interventionen oder Performances, die während den Praxis-Werkstätten stattgefunden haben, werden im Plenum besucht und besprochen. Aufs Fahrrad und ab durch die Stadt!
  • 17 Uhr: Diplomverleihung und Hängung der Dokumentationen. Siehe unten.

Die Ausstellung im Weltkunstzimmer: Petites résistances  – Rebellion als Kunstform (1. Juni -13.Juli 2013) 

Nach dem Workshop geht es dann etwas konservativer, aber dennoch nicht weniger relevant und interessant weiter. Am 1. Juni eröffnet die Ausstellung Petites résistances  – Rebellion als Kunstform (1. Juni -13.Juli 2013) im Weltkunstzimmer, Düsseldorf.
Die Ausstellung bringt arbeiten von internationalen Top-Leute zusammen, von denen die allermeisten noch nie hier zu sehen waren. Mit dabei sind: Brad Downey, Cheesecake Powerhouse, Jérome Fino, Fröhlich, Mladý, Simánek & Turner,  Harmen  de Hoop, Marlene Hausegger, Klara Lidén, Ann Messner, Anne Mommertz, Partizaning, Florian Rivière, Helmut Smits, The Wa und Yomango.
Wem die Namen nichts sagen, nutzt die Suche beim Kollegen Alaine Bieber.

Außerdem:

Freitag 21. Juni 2013, 20.00 Uhr „Nacht der Anarchie“

Filmscreening und BAR-becue im WELTKUNSTZIMMER

Samstag 13. Juli 2013, 16.00 Uhr Kuratorenführung

Kostenlose Führung von Emmanuel Mir durch die Ausstellung

 

Aktuelle Infos hier bei uns und natürlich auf der Projektwebseite
http://petites-resistances.tumblr.com/.

 

10qm Abschluss

10qm war der Titel des temporären Pop-Up-Projekts von Stefanie Klingemann und Diane Müller im öffentlichen Raum von Köln Nippes. Ort und Bühne war ein etwas eigentümlich geteerter (Park?)platz, der dann jeweils für kurze Zeit auf unterschiedliche Arten umgenutzt wurde. Infos zum Projekt und den Teilnehmern gibt es auf der Projektwebseite, hier.

Das letzte mal agierte am 26.4. Uschi Huber mit „Tulipa“vor Ort. Im Laufe des Abends wurde sie von Les Éclairs, Petra Klabunde, Kwaggawerk, Krickeberg & Steins und ray vibration mit Jan Arlt unterstützt. Es gab Objekte, Blumen, Bild, Ton, Video und am Ende eine echte Kapelle die fantastisch schräg spielte.
Wir waren selber vor Ort, hatten aber die Kamera im Auto gelasssen, deshalb gilt hier: Alle Bilder by Stefanie Klingemann, die Ihr natürlich alle über das fast schon legendäre MOFF-Magazin kennt.

Abschlussveranstaltung des 10qm Projekts im öffentlichen Raum (Kuenstraße / Ecke Florastraße in Köln Nippes) am 26.4.2013 von 18-22 Uhr mit
Uschi Huber
Les Éclairs
Petra Klabunde
Kwaggawerk
Krickeberg & Steins
ray vibration mit Jan Arlt

http://www.10qm.de/
organisiert von Stefanie Klingemann und Diane Müller

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Hurra! Hurra! Der Golfstrom ist doch nicht versiegt und die Eiszeit kommt ebenfalls noch nicht zu uns. Keiner hat mehr damit gerechnet, doch der Frühling ist da und endlich geht das Leben wieder los. Und auch wir starten pünktlich zum Aufblühen der Welt mit neuen Projekten.

Deshalb unser Gruß an die Welt diesmal mit Hinweis auf den kommenden Samstag 20.4.2013, an dem wir den Berliner Künstler Sebastian Schmieg in unsere Räumen in Düsseldord Friedrichstadt begrüßen dürfen.
Am Samstag Abend kommen zwei neue Projekte zusammen: Digitale Soiree heißt ein Projekt, dass wir gemeinsam mit MORGEN Gestaltung ins Leben gerufen haben, um uns dort in Zukunft frei und intensiv mit dem Fragen Rund um Netz, Kunst, Kultur und digitalisierter Welt zu beschäftigen.
Books and Blankets wurde hier bereits mehrfach erwähnt und wird am Samstag abend im Rahmen der digitalen Soiree präsentiert.

Samstag, 20.04.
19.00 Uhr
Kirchfeldstraße 112
Düsseldorf

www.sebastianschmieg.com
www.booksandblankets.org

Vorab gibt es jetzt schon mal dieses wilde Video von Thomas Spallek, in dem angedeutet wird um was es am Samstag geht. Wer nix versteht grämt sich nicht, sondern kommt einfach vorbei, und wer etwas zu verstehen glaubt darf natürlich ebenfalls kommen.

BOOKS AND BLANKETS 1 – Sebastian Schmieg from Thomas Artur Spallek on Vimeo.

The Ocean and the River in versch. Kölner Projekträumen

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Alle rheinischen Rivalitäten zu Trotz, ist es immer wieder erfreulich festzustellen, dass manche kölnische Umstände sich wenig von denen Düsseldorfs unterscheiden. Im Kapitel „Die Medien sind das Sprachrohr der bürgerlichen Empörung“, Abschnitt „Unser Dorf soll schöner werden“, herrscht nämlich der gleiche Tenor. Während die Landeshauptstadt den Worringer Platz zum offiziellen „Schandfleck“ gekürt hat, hat der Ebertplatz in der Domstadt ein solches Prädikat geerbt. Dort und drüben soll es hässlich, dreckig, laut und gar gefährlich sein. Alkoholiker, Dealer und mit Sicherheit sehr bald „Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien“ verunsichern die Bevölkerung – wenn man der populistischen Presse Glauben schenkt. Indes sind es genau diese zwei Plätze, die seit ein paar Jahren zu den neuralgischen Entstehungs- und Vermittlungszentren für junge Kunst geworden sind.

Am Ebertplatz, zwischen Boutique und Halle für Vollständige Wahrheit – Bild: Y. Klasen

Kein Standort in Düsseldorf zieht so viele Off-Projekte an wie der Worringer Platz; und der Ebertplatz ist seinerseits zum inoffiziellen Herz der unabhängigen Kölner Kunstszene geworden. Wie üblich im Zyklus der Gentrifizierung, leisten die dort angesiedelten Projekträume (Boutique, Bruch und Dallas sowie die Halle für Vollständige Wahrheit) praktisch Pionierarbeit, indem sie die verwaisten Läden bespielen, Leben in die Passage einhauchen und das Publikum mit Eröffnungen, Veranstaltungen und Partys anlocken. Ob irgendwann die Journaille verstehen wird, dass urbaner Raum mit geringem wirtschaftlichen Verwertungspotenzial und einer nicht-konventionellen „Aufenthaltsqualität“ zur Biotope für atypische Aktivitäten und Lebensformen (Stichwort: Obdachlose) werden kann?

Das sind die portugiesischen Künstler in Köln – Bild: Y. Klasen

Am Ebertplatz braut sich wieder etwas zusammen. Was mit einer privaten Reise anfing geht weiter mit einem aufwändigeren Künstleraustausch. Vor ein paar Monaten fuhren Paul Leo, einer der zwei Betreiber der Halle der Vollständigen Wahrheit, zusammen mit Yvonne Klasen, Mitbegründerin der Boutique und des Karat-Schaufenster am Friesenplatz, sowie mit Malo, der die höher erwähnte Halle mitbetreut, nach Porto. Sie trafen dort auf eine kleine und sehr aktive Szene von ausstrebenden Künstlern, die zwar voller Energie und Gestaltungsdrang erfüllt sind, jedoch keine Aussicht auf eine Vermittlung ihrer Arbeit finden. Anders als hierzulande ist die Gruppe der Interessenten für zeitgenössische Kunst in der portugiesischen Stadt beschränkt. Es gibt nur wenige Galerien, die auf internationalem Niveau arbeiten und zu wenige Institutionen, die sich für den Nachwuchs engagieren. Und die ausstrebenden Künstler voller Energie und Gestaltungsdrang tun viel um ihre Energie und Gestaltungsdrang sinnvoll zu kanalisieren; aber sie agieren eben nur unter sich. Die Bemühung, ein selbstorganisiertes Netzwerk aufzubauen und zu unterhalten, ist verschenkt, wenn das Publikum sich partout nicht für das Angebot interessiert. Trotz zahlreicher Initiativen beißt sich der Hund in den Schwanz und die Akteure treten auf der Stelle.

Diana Carvalho in der Boutique

Diana Carvalho

Diana Carvalho

Diana Carvalho

Die unabhängige Kunstlandschaft in Porto ist also nicht unbedingt von einem großen Stillstand gekennzeichnet, aber niemand hört den Ruf. Da ist zum Beispiel Maus Hábitos (auf dt.: „Schlechte Gewohnheiten“), eine mittlerweile etablierte Initiative, die sich neben der Bildenden Kunst auch dem Tanz, der Musik und dem politischen Aktivismus zuwendet. Da ist auch Na casa com, eine Art jährlich stattfinder Tag der Offenen Türen, bei dem eine kleine Gruppe von Künstlern ihre Ateliers der Öffentlichkeit öffnen. Ein kritischer Überblick über die selbstorganisierte Kunstszene von Porto erfolgt in kurzem an dieser Stelle.

Hernâni Reis Baptista – Bild: Y. Klasen

Hernâni Reis Baptista – Bild: Y. Klasen

Jedenfalls entschieden sich die drei kölner Künstler etwas zu tun und verpflanzten die Idee des Offs in den Köpfen ihrer portugiesischen Kollegen. Die kleine Kölner Delegation erzählte von ihren Erfahrungen als Off-raum-Betreiber und Gestalter eines lokalen künstlerischen Angebots und ermutigten ihre Gastgeber selbst aktiv zu werden. Bei dem großen räumlichen Leerstand in Porto und der Anzahl an Künstlern, die sich selbst überlassen sind, sollte die Motivation prompt greifen. Aber zunächst wollten sich die Portugiesen ein Bild der Lage machen und das Off vor Ort erleben. Nachdem in Januar über 30 Künstler interviewt wurden, wurden sechs auserwählt, nach Köln zu fahren um ihre Arbeit zu präsentieren und die Szene kennenzulernen. Dank einer Förderung der Bezirksregierung Köln fielen Fahrt- und Übernachtungskosten nicht zu Last der Organisatoren; der erste Künstleraustausch zwischen Köln und Porto war geboren.

Mónica Lacerda – Bild: Y. Klasen

David Ferreira – Bild: Y. Klasen

David Ferreira – Bild: Y. Klasen

Zur Ehre ihrer Gäste sind zahlreiche Projekträume zusammen gekommen und haben ein kleines Festival organisiert mit dem schönen Titel „The Ocean and the River“. Jeder der sechs portugiesischen Künstler erhielt eine Ausstellung, ob Maria Trabulo in den freien Schaukästen von Karat, Rita Medinas Faustino in der Baustelle Kalk oder Hernâni Reis Baptista im Klub Genau. Zusätzlich zu seiner Einzelshow in einem zu diesem Zweck gemieteten Lkw realisierte David Ferreira eine Performance am Ebertplatz, wo er die Zugänge des Ortes mit Kisten absperrte und damit die Passanten zu kreativen Umgangsstrategien zwang. Ein knapper Tag nach der Eröffnung ihrer Ausstellung in der Halle der Vollständigen Wahrheit wurde ihrerseits Mónica Lacerda gezwungen, ihre Arbeiten zu räumen: Schon am Samstagabend fand da ein Konzert statt und die Party ging bis zum Morgengrauen. Wer am Sonntagnachmittag zur Diskussionsrunde am Ebertplatz kam, traf ein gutes Dutzend leicht ermatteter Künstler, sich über die Lage der jungen Kunstszene in Porto unterhaltend. Noch war die Arbeit von Diana Carvalho in der Boutique zu sehen; wenig später verreisten die sechs zurück nach Porto.

Maria Trabulo

Maria Trabulo

Maria Trabulo

Und wie geht’s weiter? Im September werden sechs Kölner Künstler nach Porto fahren und ihre Arbeit dort präsentieren. Da die Vermittlungsstruktur (d.h.: ein Raum und Menschen, die sich darum kümmern) nicht vorhanden ist, stehen noch viele Details dieser Reise in den Sternen. Aber wir werden berichten….

when people had computers – Konzert in der Halle für Vollständige Wahrheit – Bild: Y. Klasen

Diskussionsrunde am Ebertplatz

 

 

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE im Institut für Alles Mögliche

Text: Luisa Hänsel

Das Institut für Alles Mögliche experimentiert gern, vor allem wenn jeder mitmachen kann. Das neueste Experiment wurde am Donnerstag, dem 4. April, gegen 19 Uhr in der Abteilung für Alles Andere in der Ackerstraße 18 erstmals vorgeführt – die „USB-Shuffle-Show“: mit einem Open Call rief das Institut alle Interessierten dazu auf die eigenen Kunstwerke auf USB-Stick per Post einzuschicken. Wer bis zum 31. März seine Arbeit eingereicht hatte, wurde ohne Umschweife Teil der Show und erhielt die Chance seinen digitalen Beitrag einem Publikum vorzuführen.


Auf einem kleinen Couchtisch türmen sich Speichermedien in allen möglichen Ausführungen. Neben klassischen San-Disk-Modellen aus schwarzem Kunststoff, finden sich auch Hartplastik-Werbegeschenke oder praktische Miniatur-Formen fürs Portemonaie. Besondere Highlights: ein pinkes Nilpferd, ein mit Glitzer-Lametta verziehrter USB-Stick und eine graue, quadratische Box aus dicker Pappe.

Fast einhundert Datenspeicher beinhaltet der sorgfältig angelegte Katalog, den alle Besucher der Ausstellung in Form eines Memoriesticks als Begrüßungsgeschenk erhalten. So können sich Besucher die Kunstwerke speichern und mit nach Hause nehmen. Die schier unmögliche Ordnung des digitalen Chaos überblickt im Raum nur eine: Hanna – die Praktikantin.

Hanna sitzt mit dem Künstler Jona auf dem Sofa im vorderen Bereich des Raumes und steckt ein paar der nicht-flüchtigen Halbleiterspeicher in die dafür vorgesehenen Sammelbuchsen. Einen Augenblick päter wird der Film „Busen” an die Wand projiziert. Wir sehen mehrere Frauen oben ohne. Dann laufen verschiedene Bilder aus einem unbekannten Stadtraum von einem türkisfarbenden USB-Stick und im Anschluss erhalten wir eine Anleitung wie man sich imaginäre Freunde macht.

„Wenn ich mich an die Sachen erinnere, bedeutet das entweder, dass sie besonders gut oder besonders schlecht sind.“ erklärt mir Hanna mit einem Grinsen. Recht hat sie. Qualitativ unterscheiden sich die Filme und Fotos weit voneinander. Ein herausstechender Beitrag befindet sich in der quadratischen Pappbox.
Das Video auf dem Stick zeigt eine Einstellung aus der Subjektiven. Zwei Hände basteln mit Cutter, Kleber und Pappe den gerade benutzten USB-Stick. Was allerdings neben dem Speicher noch in den Karton eingepflanzt wird, ist geschickt ausgeblendet worden und verbleibt für den Betrachter im Dunkeln.

Auf die Frage, ob die gezeigten Werke zum Großteil von bildenden Künstlern stammen, antwortet mir der Gründer des Instituts, Stefan Riebel nur so viel wie „Das spielt keine Rolle. Jeder konnte ja seine Ideen einreichen.” Eine streng kuratierte künstlerische Leistung, soll in der USB-Shuffle-Show auch gar nicht gezeigt werden.

In erster Linie möchte das Institut für Alles Mögliche untersuchen ob der beliebte Datenspeicher auch ein Ort für Kunst und Kultur sein kann. Außerdem soll die Ausstellung zum Überdenken der Urheberschaft, Einzigartigkeit, Interaktivtät und kuratorische Praxis anregen.

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE
4. – 6. April 2013
Institut für Alles Mögliche, Berlin 
Weitere Info unter: http://usb.i-a-m.tk/

 

MOFF benötigt Ihre Hilfe!

Lob und Zuspruch, Anerkennung und Nachfrage nach unserem Interviewmagazin mit Kölner Künstlern bereiten uns seit 4 Jahren Freude, sodass wir wieder mit viel Energie ehrenamtlich an der mittlerweile 7. MOFF-Ausgabe arbeiten. Am 15. April wird das kostenlose Magazin in einer Auflage von 5.000 Exemplaren erscheinen und erstmals auf der ArtCologne an einem Stand für junge Magazine vertreten sein.

Leider fehlen uns aktuell noch 2.400€, um die Druckkosten zu decken.

Wir freuen uns über jede Spende:

moff e.V. – Kto: 322 190 000 – Blz: 370 700 24 (Deutsche Bank)

 

Jeder Spender wird gerne in der Ausgabe namentlich erwähnt.

Selbstverständlich erstellen wir gerne eine Spendenquittung.

 

Und genauso freuen wir uns über jede Anzeigenschaltung:

Hier finden Sie die aktuellen Mediadaten.

 

Mit besten Grüßen aus Köln!

Stefanie Klingemann und Dr. Anne Schloen

 

 

Weitere Informationen zu MOFF

Ausgabe 7, 1/2013

Gespräche mit:

Gesine Grundmann

Katerina Kuznetcowa &

Alexander Edisherov

Maximilian Erbacher

Manfred Schneckenburger

Carola Keitel

Allan Gretzki

Dorothee Joachim

Andreas Oskar Hirsch

Diane Müller

Johannes Wohnseifer

 

Künstlerporträts von: Veit Landwehr

Sonderedition von: Johannes Wohnseifer

Gastgespräch von: Johannes Stahl

 

Erhältlich ab dem 15.04.2013 auf der ArtCologne und in vielen Galerien, Off-Spaces und Ausstellungshäusern in Köln und Umgebung!

Facebook: www.facebook.com/MOFFmagazin
Abo: abo@moff-magazin.de
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MOFF ist ein Magazin aus der Kölner Kunst-Szene. Im Mittelpunkt stehen acht bis zehn Gespräche mit Künstlern, die durch ein weiteres Gespräch mit einem Galeristen, Kurator, Kunstwissenschaftler oder Sammler ergänzt werden. Jede Ausgabe ist vollkommen anders und unterscheidet sich von der vorherigen: Das MOFF-Magazin verzichtet auf ein Branding, ein Logo oder eine Corporate Identity. Das Format, das Layout, der Umfang und die Specials des Magazins unterliegen stetigem Wandel und Entwicklung. MOFF ist kostenlos in Köln und Umgebung erhältlich z.B. auf der Art Cologne, in Galerien, Off-Spaces, Museen, Archiven, Bibliotheken, Bars und Cafés.

MOFF erscheint zweimal im Jahr: im Frühjahr zur Art Cologne sowie im Herbst zum Saisonstart und DC Open.
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Vorstand: Stefanie Klingemann, Dr. Anne Schloen

Lars Klostermann macht Filme über Kunst und Künstler – diesmal über Patrick Thomas

Partner, Kollege und Freund Lars Klostermann dreht, nicht ausschliesslich, aber doch regelmäßig, filmische Dokumentationen über Kunst, Kunsträume und Künstler. 2010 hatte er anlässlich des Vierwände Kunst Festivals unter dem Arbeitstitel Miniaturen alle damals aktiven Düsseldorfer Projekträume portraitiert.

Ein Jahr zuvor habe wir gemeinsam die Interviewreihe ‚Zu Besuch bei‚ angefangen und in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Künstlern Paule Hammer und Andrea Lehmann geführt und aufgenommen. Widerum ein Jahr zuvor, im Herbst 2009, zeichnete er sich verantwortlich für den Trailer des Kunstfilmtags.
Lars Klostermann studierte Geisteswissenschaten und in diesem Rahmen, wie so viele andere unserer Generation irgendwas mit Kultur und Medien. Seit dieser Zeit beschäftigt er sich mit der Frage nach dem Authentischen und dem was authentisch sein kann. Sein Handwerk hat er im übrigen parallel dazu, als langjähriger Mitorganisator und Jurymitglied des Dokumentarfilm Festivals Duisburger Filmwoche gelernt. Auch hier war er über lange Jahre hinweg verantwortlich für die Trailer des Festivals.
Und wenn alles gut läuft wird er in den kommenden Wochen zusammen mit Emmanuel Mir eine filmische Serie über Kunst und Künstler für diesen Blog produzieren.

Diesmal war er allerdings nicht im eigenen, sondern im fremden Auftrag mit der Kamery unterwegs, die Qualität leidet darunter aber keineswegs, im Gegenteil. Herausgekommen ist ein – ich nutze das Wort in solchen Zusammenhängen nicht gern, doch hier passt es – schöner Film über die Multiples des Künstlers Patrick Thomas.

Lars Klostermann
Multiples, Patrick Thomas in der Galerie T

Walter Padao In Between

Kunstausstellungen in Anwaltskanzleien oder Arztpraxen sind – nun ja, wie soll man es formulieren? … – zumindest einmal etwas speziell.
Vieleicht nicht zwangsläufig der Anwalt, aber zumindest doch der Arzt als Inbegriff des ehrenwerten, bürgerlichen Berufs trifft auf den Künstler, der – in meiner romantisch, naiven Auffassung – das Anarchische, Andere, Chaotische, Destruktive weil kreative Potential unseres Zusammenlebens verkörpert. Zutiefst unterschiedliche Welten prallen zwischen Kartenlesegerät, Zimmerpalme und weißen Raufasertapeten auf- und reiben sich aneinander.



Aber natürlich wissen Sie als aufgeklärt desorientierter Mensch der Metamoderne, dass es eben nicht so einfach, dafür doch um so komlizierter ist, mit den authentischen Rollen auf der sozialen Bühne und den von uns dort dargestellten Figuren.
Mag sein, dass sich das irgendwann mal anders verhalten hat, als es noch Berufe und zugehörige Stände gab. Mag sein, dass es Reibungen und Provokationen jenseits kalkulierter und brachialer Tabubrüche einmal wirklich gegeben hatte. Doch in dieser unseren Zeit, in der wir uns maximal tolerant – was nicht zwangsläufig verkehrt ist – und mindestens ebenso flexibel geben wollen und müssen – was zunehmend anstrengend wird – verhält es sich mit der Reibung etwas anders.
Nun muss das nicht schlecht sein wenn Reibung verschwindet weil Grenzen sich auflösen, sich Kommunikation dadurch vereinfacht und Ideen besser zirkulieren.
Denn trotz aller Sympathie für starke Bewegung und große Reibung, sowie des damit verbundenen, immerwährenden und unerreichbaren Ziels der großen Revolution, begrüße ich die kontinuierlich, flukturierende Revolte und den damit verbundenen steten Wandel doch mindestens genauso. Ich bin da recht ambivalent, und um ehrlich zu sein hatte ich es mit radikalem Punk noch nie so recht. Für mich ist neben der Lust an Obsession und Wut immer auch Platz für Harmonie und Verständigung.

Und deshalb habe ich mich sehr wohl gefühlt, an diesem harmonischen Abend in Oberkassel, als Walter Padao, Düsseldorfer Maler und Künstler seine aktuelle Malerei in der psychoanalytischen Praxis von Brigitte Ziob zeigte.
Jenseits von bürgerlichen und nichtbürgerlichen Klisches traf hier zusammen was nicht nur auf freundschaftlicher Verbindung beruht. Denn sowohl Brigitte Ziob, die ihre Räume für den Abend zur Verfügung stellte, als auch Walter Padao beschäftigen sich in Ihrer Arbeit nicht nur, aber dennoch deutlich mit dem Unter- und Unbewussten und den dort zu findenden Bildern.

Auch wenn man Walter Padao wohl nicht direkt als Surrealisten bezeichnen würde, zeichnet sich seine Malerie durch einen traumhaften, surrealen Charakter aus, allerdings ganz anders als das etwa ein Neo Rauch mit seinen plakativen und deutliche erkennbaren Bilderrätseln tut. Padaos Szenarien sind dynamischer, undeutlicher, verschwommener und damit sehr viel näher dran an dem was Rausch und Träumen ist, oder uns als Erinnerung an diese Zustände bleibt.

Bewegung und Zeit sind zentrale Themen in den Bildern Padaos, sowohl als wichtiges Narrativ für die Malerei, wie beim Motiv der Tänzerin im Bild unten, als auch Forschungsfeld der interessierten und intensiven Beschäftigung mit den Phänomenen selber.

Schon seit einigen Jahren ist Padao fasziniert vom Bullettime-Effekt, welcher bekanntlich erstmals in den Matrixfilmen zu sehen war. Er untersucht die daraus resultierende Bildfolgen, sowie die Auflösung der Bewegung mit den Mitteln der Malerei in dem er die einzelnen Frames über Bildtableaus verteilt und diese Bilder dann nebeneinander auf die Wand bringt. Auf diese Weise rückt er die Malerei als älteste aller Verfahren der Bilderzeugung nahe an das heran, was man Heute mit dem unschönen Begriff Medienkunst bezeichnet, geht dabei aber über das ansonsten oft inflationär betriebene Spiel mit der Technik hinaus.
Padao entlockt mit seiner Malerei auf einfache Weise einem modernen Kamera-Computerbild-Trick eine eigene Komponente und dreht den spektakulären Effekt noch einmal einen Schritt weiter, in dem er die kreisende Bewegung der Kamerafahrt auflöst um sie dann wieder gleichzeitig und strukturiert auf der Wand ausbreitet.

Die Gastegeberin Brigitte Ziob schreibt dazu:

Der Düsseldorfer Maler Walter Padao arbeitet mit Körpern in Bewegung.. Dabei interessiert ihn weniger das Einfrieren eines Augenblicks wie beim Foto, sondern das Sichtbarmachen der Zeit. Es geht nicht um Eindeutigkeit, sondern um Unschärfe, also das, was „in between“, also dazwischen ist. Hier läßt sich eine Verbindung zum psychoanalytischen Prozess ziehen: Innere Bilder entstehen, werden bearbeitet, verwischen und führen zu neuen Assoziationen. Im therapeutischen Prozess geht es oft darum, eingefrorene Strukturen wieder in Bewegung zu bringen, Facetten spürbar zu machen, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven sehen zu können. Hier kann man einen Bezug zu den Bildern von Walter finden, der seine Figuren in verschiedenen Perspektiven festhält, als ein eingefrorener Moment in der Bewegung.

Die Bewegung als ein „Dazwischen“ im Raum, woraus sich die zeitliche Perspektive ergibt. Denn der äußere Raum ermöglicht uns das Zeiterleben. Das menschliche Zeiterleben entwickelt sich schon früh durch immer wiederkehrende Prozessabläufe im Kontakt mit dem pflegenden Primärobjekt, meist der Mutter, die den äußeren Raum repräsentiert, durch Berührungen, Nahrungszufuhr usw.. Dazu kommen frühe Erfahrungen von erträglicher Anwesenheit bis hin zu unerträglicher Abwesenheit in einer Zeitspanne, als Zeiterleben, das schon frühe Bewältigungsformen verlangt.
So hilft die Phantasie dabei, Situationen des Alleine-Seins zu mildern durch die Schaffung von Übergangsobjekten. So wird der Zeitfluss schon früh strukturiert die Umwelt, als einen sozialen und geographischen Raum des Seins. Damit verbunden sind Erlebniskategorien wie Gleichzeitigkeit, Sukzession, Kontinuität, den Augenblick oder die Dauer. Was wir dann als solche unterscheiden können. Damit aber etwas bei uns hängenbleibt, müssen Erlebnisse in der Zeit eine gewisse Dauer und Intensität besitzen, um zu  einer inneren Erfahrung werden zu können.

Walter Padao arbeitet mit der Reflektion über das Zeitliche. Er hat dafür ein eigenes Verfahren gefunden: Er stellt sein Modell zunächst ins Zentrum. Dann schreitet er mit einer digitalen Fotokamera die Markierung ab und macht 24 Fotos – so viele, wie beim Film pro Sekunde durch den Projektor rattern. Dieses Verfahren heißt „Bullett-Time“. Es bezeichnet einen Special Effect, bei dem der Eindruck einer Kamerafahrt – um ein in der Zeit eingefrorenes Objekt entsteht. Wir kennen das aus „Matrix“, wenn Keanu Reeves in der Luft zu schweben scheint. Es geht darum, die Zeit anzuhalten und sie damit sichtbar zu machen. So ist das auch bei den Bildern, die Bewegung ergibt sich aus einem eingefrorenen Moment, einem festen Bild. Hier kann man einen Bezug sehen zur psychischen Realität: In diesem Spannungsverhältnis von Momentaufnahme als Anhalten des Zeitlichen verbunden mit der Bewegung in der Zeit bewegen sich die Bilder von Walter Padao.       

Praxisausstellung „In Between“ am 2.2.2013, 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr.
Gezeigt wurden Bilder des Düsseldorfer Malers Walter Padao. Die Ausstellung ist der Auftakt zu regelmäßig halbjährlich stattfindenden Ausstellungen unter dem Aspekt „Kunst auf der Couch“ in der Psychoanalytischen Praxis von Dipl.-Psych. Brigitte Ziob.

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Pepper + Woll zeigen SUPER in Köln

Mit der speziell für den Ort entwickelten Arbeit „SUPER“ des in Düsseldorf lebenden Künstlerduos PEPPER + WOLL präsentierte die Projektreihe 10qm am Freitag den 08. März um 18 Uhr die neunte für den Ort konzipierte Arbeit.

10 QM – SUPER ist eine temporäre Architektur-Skulptur, welche sich durch Einbeziehung der spezifischen Raumkoordinaten am Ort manifestiert. Die Intervention schafft ein neues Zentrum innerhalb des vorhandenen Wohnquartiers, indem sie eine Schnittstelle im innerstädtischen Gefüge von Park, Kirche und Anwohner von Köln/Nippes provoziert. „Super“ funktioniert als architektonische Geste, die die Aufmerksamkeit des Anschauenden bannt und Fragen, Meinungen bzw. Prozesse der Kommunikation eröffnet!

„Super“ ist durch die freie Verwendung konventioneller Baumarktmaterialien und der Glorifizierung gegenüber der Technik geprägt. Ausgediente technische Objekte wie z.B.  der Lüfter (Bobble), der Stromkasten oder aber auch der Leuchtturm (Glockenturm) sind ausgediente technische Objekte mit Wiedererkennungswert, die in der gebauten Struktur eine scheinbare Logik ergeben.

Alle Bilder by Pepper +Woll via E-Mail.
Danke Mark!

10qm
Freitag den 08. März, 18 Uhr
www.10qm.de
www.facebook.de/zehnqm
www.pepperwoll.com

Neues aus Hamburg: Carola Deye – Sorry Safari und Tillmann Terbuyken – Spitzen

Dank der Unterstützung der frisch nach Hamburg gezogenen, jungen Künstlerin Theda Schillmöller werden wir ab jetzt und in den kommenden Monaten etwas tiefer in die Kunstszene der norddeutschen Hafenstadt einsteigen – eine Stadt im übrigen, die auch für einen Teil der Perisphere schon einmal zwei Jahre lang Heimat gewesen ist, bevor es dann ins Rheinland ging.
Zur Feier des Tages und weil man auch mal was verrückter tun muss, machen wir den Auftakt – ganz untypisch für uns – mit einem fotografischen Doppel zu zwei Räume.

Danke Theda!

Tillmann Terbuyken präsentiert Spitzen bei Isa Maschewski

Der Maler und Bildhauer Tillmann Terbuyken eröffnete letzte Woche seine Ausstellung ‚Spitzen‘ im Projektraum Isa Maschewski in der Admiralitätstraße. Er zeigt Arbeiten aus den letzten sieben Jahren. Zeitgleich ist eine Auswahl seiner Arbeiten in der Ausstellung ”Passagen und Werkzustände” bei KM in Berlin zu sehen. Beide Ausstellungen laufen noch bis März 2013.

Carola Deye zeigt Sorry Safari im Goldbekhof

Carola Deye, Gastkünstlerin im Goldbekhof 2012, zeigte am 31.01.2013, ihre Abschlussausstellung ‚Sorry Safari‘. Deyes Arbeiten beziehen sich auf die gleichnamige Tom & Jerry-Folge und spielen u.a. mit Stolperfallen und Perspektivverschiebungen. Der Großteil ihrer Arbeiten ist während ihres einjährigen Aufenthalts im Gastatelier Goldbekhof entstanden und kann, je nach Räumlichkeit, sowohl zweidimensional, als auch dreidimensional ‚gelesen‘ werden. Deyes Arbeiten sind tiefgründig und humorvoll zugleich – dieser Spagat gelingt ihr ganz gut, finden wir.

spitzen
tillmann terbuyken
Projektraum Isa Maschewski
Admiralitätstr. 71
20459
Hamburg

Ausstellung: 25.01.2013 – 21.03.2013
Öffnungszeiten: Dienstag – Donnerstag 14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
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sorry safari
Carola Deye
Goldbekhof
Moorfuhrtweg 9 B
22301 – Hamburg

Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf 2013

eine Bildstrecke von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Alle Jahre wieder… Ein sehr langer (aber selbstverständlich nicht vollständiger) Rundgang durch den Düsseldorfer Rundgang. Wahllos, hierarchiefrei, so sachlich, wie nur möglich. Mit schönen Grüßen aus dem Echtzeit-Archiv. Für Hinweise auf falsche Zuordnungen und Versäumnisse sind wir dankbar.

Die Seite wächst nach und nach bis zum Ende des Rundgangs am 24.2.

 

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Gallery Opening in Düsseldorf Flingern

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

Letztes Wochenende, gemeinsames Gallery Opening in Düsseldorf Flingern – der Name ist Programm. Wer von auswärts mit liest und Flingern nicht kennt, der stelle sich bitte einfach Berlin Mitte vor, allerdings nicht nur komplett durchsaniert sondern in der Zusatzvariante völlig tote Hose.
Aber warum trotzdem nicht einmal aus nächster Nähe sehen was man in der WZ derzeit unter dem Zentrum der Avantgarde-Händler versteht.

Eine fantastische Fotostrecke wollte ich mitbringen. Bilder mit weltklasse Kunst die unseren Lesern die Tränen in die Augen treiben und sowohl Spitzenhöschen als auch Feinrippbuchse nass machen. Ich war guter Dinge!

Leider wurde nichts draus.

Die mehrheit der Bilder und Artefakte konnten nicht überzeugen, das allermeiste war selbst für unsere Verhältnisse zu off, geradezu offoff eigentlich. Eine der wenigen Ausnahmen Gregor Schneider – aber Schneider ist eben Schneider – mit einem einfachen und nachhaltig beeindruckenden Video seines Indienprojekts.

Gregor Schneider war in Indien und hat unter anderem ein Video mitgebracht. Ein Bild wie eine Faust. Respekt!

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Sven Blatt im Interview mit Anthony Cragg

Tony Cragg Declination

Das Interview mit Anthony Cragg ist schon etwas länger online und ich wollte schon die ganze Zeit einmal darauf hingewiesen haben. Aber zwischen den Jahren machte sich so eine überaus angenehme Faulheit und Antriebslosigkeit breit. Der Kollege Sven Blatt von kunstdüsseldorf wird es uns nach sehen, immerhin zum Lesen hat es gereicht.

Nach einem etwas holprigen Anfang nimmt das Gespräch gut Fahrt auf und was Cragg über künstlerischen Erfolg zu sagen hat ist nicht nur sympathisch sondern auch vernünftig. Darüber, dass sich eine solche Haltungen natürlich sehr viel einfacher einnehmen lässt wenn sich der künstlerische Erfolg bereits auf allen Fronten eingestellt hat liesse sich eventuell diskutieren. Wir sparen und das, weil wir auch renommierten Künstler das Recht zu gestehen etwas kluges zu sagen. Und am Besten lest Ihr sowieso einfach selbst.

Zum Interview mit Prof. Anthony Cragg, Rektor der Kunstakademie Düsseldorf und international
renommierter Bildhauer.

PS: Frohes neues Jahr und alles gute für 2013! Lasst es Euch gut gehen.

 

Bild: von Bengt Oberger (Eigenes Werk)
[CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)],
via Wikimedia Commons

Die Tagung des Kulturrats NRW zum geplanten Kulturfördergesetz im Düsseldorfer Landtag

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)


Vergangenen Montag tagten einige Vertreterinnen und Vertreter des nordrheinwestfälischen Kunst- und Kulturbetriebs auf Einladung des Kulturrats NRW im Düsseldorfer Landtag. Erklärtes Ziel war es eigene Wünsche und Vorgaben für ein derzeit geplantes Kulturfördergesetzt zu definieren. Das Kulturfördergesetzt soll die Finanzierung der Kulturlandschaft NRW, sowie die Verteilung der Aufgaben und Lasten zwischen Kommune und Land regeln und dem vergleichsweise kleinen Posten im Landesetat in den kommenden Jahre einen gewissen Schutz vor den zu erwartenden Einsparmaßnahmen bieten. Wir waren wie angekündigt dabei.

Diskutiert wurde auf erfreulich hohem Niveau, mit viel Wissen über und Verständnis von der Materie in jeweils 3 Foren am Vormittag und 3 weiteren Foren Nachmittags. Themen der einzelnen Foren war etwa die Frage nach den Schutzmöglichkeiten für Neues, oder ganz generell die Frage welcher Kulturbegriff das Gesetz prägen soll.
Wer sich die Redebeiträge jeglicher Couleur und aller Parteien aufmerksam anhörte, konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass es sich offensichtlich um ein mysteriöses Versehen handeln muss, dass der Kulturetat der kleinste und nicht der mit Abstand größte Posten im Landeshaushalt ist. Wir waren uns einig, Kultur ist wichtig und die unverzichtbare Basis für unser Zusammenleben. Nur von Systemrelevanz sprach leider niemand.

Zum geplanten Haushalt 2013

Der Kulturrat hatte aber gegenüber der Ministerin des Landes NRW Frau Ute Schäfer seine starken Bedenken gegen die Reduzierung der Kulturfördermittel im Haushaltsentwurf 2013 zum Ausdruck gebracht. Denn angesichts des minimalen Anteils der Kulturausgaben am Gesamthaushalt und am Haushalt des zuständigen Ministeriums sind zu erwartenden die Kürzungen offensichtlich unverhältnismäßig hoch. Sie betreffen in der aktuell geplanten Form wichtige Aktivitäten der Künstlerinnen und Künstler in Nordrhein-Westfalen.
Derzeitige Planung ist den Haushalt von 196 Mio. auf 180 Mio. €. zu kürzen, was in etwa einer Kürzung von 10% entspricht. Auch wenn darin Reserven enthalten sind, die im Moment nicht zur Ausgabe anstehen, so macht sich die Landesregierung in den Augen des Kulturrats allerdings doch auf den Weg zu dramatischen Kürzungen, da dieser Prozess mit dem Haushalt 2013 nicht abgeschlossen sein dürfte.
Der Kulturrat NRW fordert nun die Projektmittel in Höhe von rd. 4,5 Mio € auf keinen Fall zu kürzen und die jetzige Haushaltsmittel so zu sichern, dass in den nächsten Jahren in den Reserven nicht mehr zu Verfügung stehen weitere Einschnitte vermieden werden. Auch gegen andere Einsparvorschläge hat der Kulturrat erhebliche Bedenken.
Gemessen wird die Landesregierung an der klaren Aussage der Ministerpräsidentin in der Regierungserklärung: „Kunst und Kultur sind kein Luxus – und dürfen es grade in schwierigen Zeiten nicht sein.“
Diesem Anspruch wird der vorgelegte Kulturhaushalt allerding nicht gerecht. Deshalb soll es Anfang nächsten Jahres weitere Gespräche mit den Landtagsfraktionen und der Landesregierung geben, um zu verhindern, dass der Haushalt in der Form des Entwurfes verabschiedet wird. Der Kulturrat begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Kultursprecher der Landtagsfraktionen, nicht nur der Opposition sondern auch die der Regierungskoalition, den Haushalt in der vorgelegten Form kritisieren.

Kulturfördergesetz

Der Kulturrat NRW unterstützt das Projekt eines Kulturfördergesetzes NRW und verbindet damit die Hoffnung, dass Kulturpolitik aufgewertet wird. Der Kulturrat erwartet dass das Gesetz die Förderung von Kultur, Kunst und kulturelle Bildung der Förderung einen verlässlichen Rahmen gibt.
Unter anderem kommt es darauf an den Städten und Gemeinden Handlungsspielraum zu ermöglichen, sie zu motivieren Kunst und Kultur zu fördern. Zudem sollte Kulturpolitik entwickelt und verlässlich formuliert werden und damit den Künstlerinnen und Künstlern Planungssicherheit zu gewähren.

Darüber hinaus hält der Kulturrat NRW eine Entbürokratisierung des Förderwesens für unabdingbar. Wir übrigens auch.

Dreamland im Venus und Apoll

eine Fotostrecke von Sirin Simsek (Köln, Düsseldorf)

 

Die THE CONEY ISLAND PSYCHOANALYTIC AMATEUR SOCIETY erkundet ein neues Land zwischen ‚Kunstwelt‘ und ‚Alltagsleben‘. Sie sucht verlassene oder anachronistische Orte heim, um sie in erfahrbare Räume rückzuverzaubern. Die Treffen der Society finden nie zweimal am selben Ort und stets in jeweils verschiedenen Konstellationen statt.
An der Düsseldorfer Versammlung beteiligt waren: Aaron Beebe, Zoe Beloff, Ul-rich Bernard NAILS NOW, Çish&Phipps, Johanna Daab, Iris Dankemeyer, Mf David Deery, Lisa Domin, Wythe Marschall, Scott Wyman Neagle, Andrew ‚Aberglaube‘ Kemp

 

 

 

 

 

Stefan Riebel – Somethings in der Boutique am Ebertplatz

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

2010 wurde ich auf Stefan Riebels Arbeit ‘Black Pixel‘ aufmerksam – ein 1×1 Pixel großes, schwarzes Quadrat auf weißer Fläche. Die Arbeit hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen und da ich etwas neidisch auf ihn und seinen Einfall war, beschloss ich ihm die Arbeit zu stehlen.

Dazu speicherte ich seinen schwarzen Pixel bei mir auf der Festplatte, kopierte ihn dann per FTP in den Webspace meines Servers, um ihn von nun an dort unter der Domain www.stolen-black-pixel.de zu präsentieren. Stefan informierte ich dann per E-Mail über den dreisten Diebstahl, so kamen wir in Kontakt und es entstand über die Jahre ein äußerst fruchtbarer Austausch, mit gemeinsamen Projekten und Ausstellungen, vor allem in Berlin.

Um so schöner also, dass der Berliner Künstler, Kurator, Projektinitiator und Raumbetreiber (Institut für alles Mögliche) nun vom 18.11. bis zum 02.12.2012 mit einer Einzelausstellung in der Kölner Boutique zu Gast ist. Der Projektraum wird von Maximilian Erbacher, Yvonne Klasen
und André Sauer auf der unteren Ebene der Ebertplatzpassagen betrieben, wo sich mittlerweile mit gleich drei Räumen ein Zentrum der Kölner Off-Szene gebildet hat. Schräg gegenüber der Boutique liegt Bruch&Dallas, direkt daneben die Halle der vollständigen Wahrheit. Der Ort ist abgerockt, hinreichend zentral gelegen und dennoch abgeschieden genug um auch mal ordentlich feiern zu können – was im übrigen u.a. der Partyinszenator Alexander Wissel mit dem Single Club vor Ort auch dort bewiesen hat.

Somethings

ist der Titel der Ausstellung, unter dem Riebel ältere und aktuelle Arbeit zusammen gestellt hat.

somethings ist neben dem Namen der Ausstellung aber auch gleichzeitig Titel der größten und nach Außen hin sichtbaren Videoinstallation. Die dort zu lesenden Wörter auf der matten Scheibe hat Riebel assoziativ für diese Ausstellung gesammelt. Seit der Einladung hatte er immer wieder Worte notiert die ihm im zusammenhang mit diesem Ereignis in den Sinn kamen. So entstand eine ortsspezifische Wortsammlung, ganz ähnlich einer Tag-Cloud.
Riebel hat die Arbeit seit dem Jahr 2010 an verschiedenen Orten realisiert und die Ergebnisse dieser Denktätigkeit im Netz festgehalten http://somethings.stefanriebel.de/.

Die Arbeit dedication pieces besteht aus Postkarten und Plakaten die auf einem Holztisch ausgelegt und zum mitnehmen sind. Die Arbeit verteilt sich so mit Hilfe der Besucher langsam und kontinuierlich über die Welt. Auf den verschiedenen Medien in unterschiedlichen Formaten sind poetische, minimalistisch Widmungen notiert, die sich online nachlesen lassen dedication.stefanriebel.de/.

Die Arbeit bg (before google) – im Netz zu sehen unter www.beforegoogle.net war in Düsseldorf in der weißen Version bereits im Rahmen des Transprivacy-Projekts zu sehen. Auch hier lagen kleinformatige Flyer aus, über die sich das Konzept langsam aber leicht mit Hilfe des Publikums verteilt.

Die versuchsanordnung für plattenspieler, vinylrohling und zeit (#3) besteht aus einer einfachen Konfiguration. Auf einem Plattenspieler liegt ein Vinylrohling auf, der beim Abspielen durch die darauf kratzende Nadel beschrieben wird. Die dabei entstehende Tonspur wird gleichzeitig auf normalem Wegen auf den Boxen abgespielt.

dead pixel (on hyundai b71a) ist ein Sammlerstück aus Riebels Sammlung kaputter Pixel, wie sie sich auf diversen Monitoren und Flachbildschirm befinden. Dieser toter Pixel befindet sich auf einem Hyandai B71A Flatscreen. In der Vergrößerung und auf dem Kopf stehenden online hier zu sehen dead-pixel.stefanriebel.de/

Stefan Riebel, somethings
Dauer: 17.11.-01.12.2012
Öffnungszeiten: Do-Sa, 16-19 Uhr

Ebertplatz 0,
Ebertplatzpassagen,
50668 Köln

www.boutique-koeln.de

Rückblick Kunstfilmtag 2012

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos (wenn nicht anders angegeben): Christof Wolff

 

Schon immer war der Düsseldorfer Kunstfilmtag ein Filmscreening der anderen Art. Lokale und soziale Aspekte spielten bereits bei den vergangenen Ausgaben eine wichtige Rolle, und die Gründerin der Veranstaltung, Susanne Fasbender, weigert sich seit der ersten Stunde beharrlich, von einem „Festival“ zu sprechen – denn sie hält die Vorstellung eines Wettbewerbs in diesem Fall für unangebracht. Der Kunstfilmtag ist in erster Linie ein großer Familientreff, der von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen anzieht, und neben Beiträgen aus der ganzen Welt viel Raum für die Film- und Videopräsentationen Düsseldorfer Künstler schafft. Von Mittag bis Mitternacht wird Programm gemacht. Die Kurzfilme werden in mehr oder weniger stringenten thematischen Blöcken gezeigt; im Foyer kommt man zusammen und tauscht sich in ungezwungener Atmosphäre aus. Gerade diese atmosphärische Komponente, fernab der professionellen Anspannung üblicher Filmwettbewerbe, macht den Charme des Kunstfilmtages aus.

„Die Sprache ist das Haus in dem wir leben“. Der schöne, poetische Titel der Veranstaltung, einem Film von Jean-Luc Godard entnommen, hätte zu einem engen programmatischen Korsett werden und den Kunstfilmtag zu einer didaktischen Übung werden lassen können. Die offene Filmzusammenstellung, die wie gewohnt besonders auf lokale Künstler einging und ein erweitertes Verständnis von Sprache zu Tage legte, umging dieses Hindernis aber geschickt. Zwar boten genug Filme Reflexionsstoff zur Thematik an; alles in allem gestaltete sich der Tag jedoch unaufdringlich. Von der Doku zur Fiktion, vom Animationsfilm zum künstlerischen Experiment, von der Bildsprache zum Sprachspiel, von der Sprache als Erinnerungsvermögen zur Sprache als Konstituierungselement der Welt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit einem guten Gefühl für Rhythmus entfaltete die abwechslungsreiche Vorführung zahlreiche Facetten ihres Sujets.

Foto: Saskia Zeller

Im Appendix-Saal des Malkastens hatte Susanne Fasbender eine Auswahl an längeren, zumeist politischen Filmen…

… zusammengestellt und damit eine konzentrierte Wahrnehmung ermöglicht.

Es war jedenfalls interessant festzustellen, wie die Aufmerksamkeit des Besuchers sich im Laufe des Tages veränderte und die Fokussierung auf sprachliche Phänomene sich verschärfte. Wer genug Sitzfleisch und Zeit hatte, um mindestens drei oder vier Blöcke zu erleben, konnte während der Pausen zusehen, wie die Welt sich in einen einzigen Sprechakt verwandelte. Und wer rein theoretische Aspekte vertiefen wollte, konnte sich mit den Aufsätzen des Katalogs befassen, wovon einige hochwertig waren (ich denke hier besonders an den Artikel von Frauke Tomczak).

Susanne Fasbender (Bild: Saskia Zeller)

Katharina Schmitt (Foto: Saskia Zeller)

Zwei wesentliche Veränderungen haben den diesjährigen Kunstfilmtag bereichert. Zunächst wurden die Beiträge nicht mehr per Post oder per pedes eingereicht, wie in den vergangenen Jahren, sondern auf der Reelport-Plattform hochgeladen und dann juriert. Dadurch wurde der Call for Entry weltweit ausgestrahlt und erreichte sowohl Künstler als auch „klassische“ Filmemacher und Filmkreative aller Couleur. Neben einer Steigerung der Einreichungen auf über 500 Filme, hat dieser Auswahlmodus zu einer Erweiterung der GenreBandbreite geführt; klassisch-erzählerische Kurzfilme, die bisher kaum berücksichtigt wurden, fanden so Eingang in den Kunstfilmtag. Die zweite Veränderung betraf die Konstituierung eines Teams. Fasbender hat alle drei vergangenen Veranstaltungen im (Beinahe-) Alleingang durchgeführt und war demnach ausgebrannt. Nun wurde sie von der Künstlerin Katharina Schmitt unterstützt, die sich mit viel Energie und Tatendrang in die inhaltliche und organisatorische Materie stürzte. Im Hintergrund wirkten noch einige Menschen mit, um die zwei Macherinnen zu entlasten.

Der Original-Trailer wurde von Frauke Berg realisiert (Foto: Saskia Zeller)

Nach Aussage einiger treuer Kunstfilmtag-Aficionados war diese Ausgabe die bisher beste. Die Qualität der Beiträge wurde hervorgehoben, das sympathisch-lockere Ambiente genossen. Dieser Kunstfilmtag war also ein Erfolg und bildete für Susanne Fasbender und Katharina Schmitt die Bestätigung einer guten Zusammenarbeit. Und nun, da das Gewicht der Organisation auf mehreren Schultern verteilt wird, können wir hoffen, dass es in naher Zukunft eine fünfte Ausgabe der Veranstaltung geben wird…

Eine Performance von Taka Kagitomi im Atelier am Eck

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Nach seiner Ausstellung im Gagarin vor ein paar Wochen, schlug Taka Kagitomi ein zweites Mal in der Landeshauptstadt zu. Zusammen mit der Malerin und Fotografin Barbara Kruttke zeigte er seine Objektassemblagen im Atelier am Eck, einem kleinen Show-Room, der seit beinah 20 Jahren von der Stadt Düsseldorf unterhalten wird.

Foto: Adam C. Oellers

Der begnadete Bricoleur kreiert surrealistische Geräte aus Materialfundstücken, die an Möbel, Musikinstrumente oder vergessene Werkzeuge erinnern. Ganz im Geiste des Fluxus, können und sollen die Steampunk-Assemblagen auch angefasst, verwendet und mit diesen auch gespielt werden. Ihr poetisches Assoziationspotential erschöpft sich also nicht in der Skurrilität ihrer Erscheinung oder in einem vermeintlich spektakulären Aha-Effekt, sondern appelliert an die Bereitschaft des Besuchers, die übliche rezeptionelle Passivität zu verlassen und etwas zu tun.Und wenn der Besucher nichts tut, tut Kagitomi selber etwas. Zum Abschluss der kurzen Ausstellung führte der Japaner eine ebenso kurze Performance mit einem seiner Exponate durch.

Foto: Adam C. Oellers

„Instrumental Alchemist“ besteht aus Besen-, Stuhl- und Schaukelstuhlelementen sowie aus einer kleinen metallischen Weltkugel, die von einem eingebauten Motor in Bewegung gebracht werden kann. Auf dem Boden erinnert das Instrument vage an eine Harfe oder an einen barocken Schlitten; der Korpus, an dem Saiten aufgespannt sind, kann aber auch auf dem Rücken getragen werden. Durch kleine Bedienungshebel wird die Weltkugel in Schwingungen versetzt, schlägt gegen die Saiten und das hölzerne Gerät fängt an, Töne von sich zu geben.

Kagitomis Klangkörper wurde während der Performance zunächst durch ein Kruzifix und einen Gitarrengriff bespielt, später auf dem Rücken des Künstlers durch die Umgebung transportiert – und verschwand schließlich hinter einem Busch.

 
Die Performance fand am 21.10.2012 im Atelier am Eck statt

Agassi F. Bangura bei Leonhardi Kulturprojekte

eine Bildstrecke von Havva Erdem (Frankfurt a. Main)

 

Nach einer ersten Umsetzung im Rahmen des Städelschulenrundgangs 2010 und einer zweiten Präsentation in Künstlerhaus Mousonturm, hat Bangura – diesmal ohne Cooperation mit dem Künstler Claus Rasmussen – nun schon zum dritten Mal seiner Idee von „African Fitness Studio/Gym“ Gestalt gegeben. Diese basiert auf Fitness-Studios in seiner Heimat, die von der Bevölkerung selbst, ohne finanzielle Mittel und mit Hilfe eigentlich völlig beliebiger Materialien aus dem Nichts geschaffen werden, freizugänglich – und kostenlos sind und von den erfahreneren Nutzern, ja, wie solll man sagen, technisch angeleitet werden.

 

 
Agassi F. Bangura
„African Fitness Gym“
Eröffnung: Samstag, 22. September 2012, 19 Uhr
Dauer: 23. September – 29. September 2012
Training und Besichtigung, täglich von 18-21 Uhr
Seilerstr. 36, 60313 Frankfurt am Main
Pavillon der ehem. Friedrich-Stoltze-Schule
http://www.leonhardikulturprojekte.org/index.php?id=821

 

Im Gespräch mit Bülent Gündüz vom 360 Grad Blog

Auch wenn es manchmal den Anschein hat, Kunst und neue Medien finden im deutschsprachigen Raum derzeit nicht nur in Berlin statt. Obwohl die Konzentration von Blogs, Plattformen, Communities und anderen Onlineprojekten mit Kunst und Kulturbezug dort derzeit wohl unbestritten am höchsten ist. Aber – und das ist der Punkt – auch an anderer Stelle entwickeln sich innovative Projekte mit Pioniergeist und dem Anspruch neue Wege zu gehen. Die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn und das beschauliche Friedrichsthal sind solche Orte, denn dort entstehen die Ideen für den 360-grad-blog.de des Journalisten, Kunstkritikers, Beraters, Kurators und Bloggers Bülent Gündüz.

Und weil man das Rad nicht immer wieder neu Erfinden muss, und das Kopieren und Zitieren eine uralte Kulturtechnik ist die im Netz zu ungeahnter Blüte reift, greife ich an dieser Stelle kurzerhand auf Wikipedia zurück um den Mann kurz vorzustellen.

Gündüz ist der Sohn eines Türken und einer Deutschen. Er wurde in Saarbrücken geboren und wuchs in Friedrichsthal (Saar) auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Ableistung des Zivildiensts studierte er Rechtswissenschaften. Nach Abschluss des Studiums begann Gündüz als freier Journalist für Zeitungen. Gündüz volontierte beim Kunstmagazin Artsjournal, war dort Redakteur und Ressortleiter und ist seit einigen Jahren freiberuflich für Magazine und Tageszeitungen tätig. Gündüz gilt als Experte für die Kunst des 20. Jahrhunderts, insbesondere für den Abstrakten Expressionismus. Seit 2009 ist Gündüz auch als freier Kurator und Ausstellungsberater tätig.

Hinzuzufügen wäre noch, dass der von ihm geführte 360-Grad-Blog seit 2006 existiert, damit zu den ältesten deutschsprachigen Kunstblogs gehört und der Autor selber, da 1971 geboren, noch ein Paar Jahre mehr auf dem Buckel hat. Aktuell arbeitet Bülent Gündüz an seinem ersten Buch, einer Biografie über den Maler Jackson Pollock.
Wir freuen und bedanken uns dafür, dass er sich dennoch die Zeit genommen hat die Fragen so ausführlich zu beantworten.

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Stefan Balkenhol, die Documenta 13 und die OCCUPY-Bewegung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Sie sind wie Starbucks-, McDonalds- oder Nordsee-Filialen – wenn man in eine fremde deutsche Stadt kommt, kann man versichert sein, sie irgendwo zu finden. Die Rede ist von den Occupy-Camps, die sich mittlerweile in den urbanen Landschaften der Republik etabliert haben und, trotz gelegentlichen Räumungen, nicht mehr weg zu denken sind. Was ist aus diesen Herden des Widerstandes geworden? Während sie in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt teilweise zur Artikulierung eines relevanten politischen Diskurses geführt haben und den enormen Beitrag geleistet haben, Plattformen des Austausches und der Protestkoordination zu werden, wirken sie in Provinzstädten wie ruhige Aussteigertreffpunkte, die ausnahmsweise vom Ordnungsamt toleriert werden.

(Damit wir nicht missverstanden werden: perisphere begrüßt die Occupy-Initiative unbedingt. Dieser Kampf ist richtig, genau so richtig wie seine Ziele. Vorliegender Artikel ist lediglich Ausdruck einer tiefen Desillusionierung über den Weg zu diesen Zielen. Wir hoffen, dass die Bewegung einen neuen Aufschwung finden wird; und wenn wir auf manche Fehlentwicklungen hinweisen, dann nur, weil wir von dem dringenden Wunsch einer kohärenten, kräftigen und differenzierten Kapitalismus- und Neoliberalismuskritik bewegt werden.) Continue reading „Stefan Balkenhol, die Documenta 13 und die OCCUPY-Bewegung“

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Jacques Rigaut (1898-1929), Arthur Cravan (1887-1919) oder Jacques Vaché (1895-1919) waren drei Helden des französischen Dadaismus und gelten – obwohl sie Zeit ihres Lebens keine einzige künstlerische oder literarische Arbeit im herkömmlichen Sinne veröffentlicht haben – als wichtige Impulsgeber der Avantgarden um 1920-1930. Diese drei  Männer (auf dem stark devaluierten Begriff „Lebenskünstler“ möchten wir hier verzichten), die ihre Existenz zu einem radikalen Kunstwerk gemacht haben und demnach sich nie als Künstler verstanden haben, haben spätere Größen wie Marcel Duchamp, André Breton oder Jorge Luis Borges entscheidend beeinflusst.

An diesen drei mythischen (wenn auch unsichtbaren) Figuren der Moderne müsste ich denken, als ich letzte Woche, zum Abschluss der Kunstpunkte in Düsseldorf, auf Hubert Körner stieß. Hubert wurde von Mark Pepper in dessen Atelier „Verdichtung des Realen“ eingeladen, das neben seiner Funktion als Produktionsstandort auch der Vermittlung von Performances oder Konzerte dient.

Mark Pepper

Körners kurzer und fulminanter Auftritt in der Stadt wird nicht so schnell vergessen. Der ehemalige Gärtner und letzter waschechter Sozialist dieser Republik wohnt seit 20 Jahren im Kreis Warendorf und darf nun das Leben eines Rentners genießen.  In seinen surrealistischen und trashigen Texten sowie in seinen an Art Brut erinnernden Collagen prangert er die kleinbürgerliche Korruption auf dem deutschen Lande und der tägliche, von allen Behörden abgesegnete Faschismus an. „Das Sexmonster von Warendorf“ war nur ein kleiner Auszug seines Talentes – und wer mehr erfahren und erleben will, kann auf YouTube einiges finden.

 

Für das wackelige Video und für die Einladung bedanken wir uns bei Mark Pepper.

Susan Collis im Honigbrot

Das HONIGBROT lädt herzlich ein zu:
SEPTEMBER HONIGBROT:
Susan Collis – Rein
Freitag 7. Sept – Sonntag 7. Okt 2012
Eröffnung / Opening Reception: Fr 7. Sept 19 Uhr
Fr 07. Sept 19 h: Ausstellungseröffnung
Sa 08.- So 09. Sept jeweils 14-16h: Cupcakes&Tea
Mi 19. Sept 20h: Der Glanz des Materials, eine Lesung zu Gernot Böhmes Atmosphäre (1995)
Do 27. Sept 20h: Screening: The Straight Story – David Lynch (1999), Popcorn&Bier
Sa 6. Okt 19h: Finissage, Musik&Drinks

PLATINE Festival in Ehrenfeld

von Maria Wildeis (Köln)

 

Bei dem Kölner PLATINE Festival werden rund 20 Werke in 6 verdunkelten Clubs und Kultureinrichtungen präsentiert, deren Ausstellungssituationen ein wenig an Rundgänge an Designhochschulen erinnern. Erklärung dafür könnten die Kooperationen mit der Utrecht School of the Arts, dem GameLab der HfG Karsruhe und der KHM sein.

Monkey Business von Ralph Kistler, Jan M. Sieber und Susann Maria Hempel, Photo: PLATINE)

Die PLATINE vermittelt einen Eindruck von einem wirklich unterhaltsamen Studienfeld der Medienkunst und den neusten Entwicklungen im Bereich der Augmented Reality („erweiterete Realität“). Unter Augmented Reality versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Durch diese Technik können sich herkömmliche Tische in Spielfelder verwandeln und Smartphones mittlerweile als neuartige Brillen eingesetzt werden, indem sie einen mithilfe von eingeblendeten Karten und historischen Informationen durch die nicht virtuelle Realität leiten.

[RE]ALITY von bildundtonfabrik, undefined development und putschkrakul

Die angehenden und ausgebildeten Entwickler, die auf dem Festival präsentiert werden, spielen mit den neuen komplexen Möglichkeiten der Einsen und Nullen der Softwareindustrie. Präsentiert werden Licht- und Soundarbeiten, die interaktiv auf den Benutzer reagieren, vielerorts durch Projection-Mapping, bei welchem 3D-Modelle auf reale Objekte projiziert werden und so die Nutzbarkeit des realen Objekts oder Sichtfeldes virtuell erweitert wird.

ROTOMAP, von GROSSE 8

ROTOMAP, von GROSSE 8

Der Rotomap 3000 ist ein audiovisuelles „DJ-Spiel“, bei dem mit einem Joystick unterschiedliche Klangspuren angespielt werden können. Vorher muss man die einzelnen Spuren erst frei spielen, indem man die jeweiligen Flächen mit einem kleinen Starfighter abschießt. Die Kombination aus Project-Mapping (die passgenaue Projektion auf 3-dimensionale Objekte) mit Bewegung und Sound in Echtzeit macht wirklich Spaß. Der Prototyp von 2012 wurde von GROSSE 8 entwickelt, den innovatien Grafikdesignern, die auch unter dem Namen Lichtfront als VJs tätig sind.

Der Regen hatte heute so seine Vorteile. So konnten wir zwischen den Schauern ausgiebig die teilweise raffinierten Projekte „ausprobieren“. Sie begreifen sich vielmals als Prototypen einer neuen Denkrichtung in der Spiele-Industrie. Dennoch, die meisten Arbeiten tangieren die Schnittstellen zur Kunst noch nicht ganz, die Werke begreifen sich vielmals eher als Prototypen und Modelle richtiger, sprich fertiger Kunst.

Boxes von JeongHo Park, Photo: PLATINE

Ausgereifte Gegenbeispiele dafür waren die Arbeit „Boxes“ von JeongHo Park und eine Lichtinstallation in der DQE-Halle von den RaumZeitPiraten, die der Kindheitsvorstellung eines richtigen Labors mit einer komplexen Konstruktion aus Lichtprojektionen, Lasern, blubbernden Glaskolben, Zahnrädern und Bewegungsmeldern visualisieren.

RaumZeitPiraten

RaumZeitPiraten

 

Platine Festival in Ehrenfeld
Locations: artheater / Club Bahnhof Ehrenfeld /Design Quartier Ehrenfeld / Zoo Schänke / Schreinerei auf der Heliosstraße
Bis Donnerstag täglich von 19:00 bis 23:00, Eintritt frei
www.platine-cologne.de

 

Fotos (wenn nicht anders ausgeschrieben): Michael Schaab

Gul Ramani im K4

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Für die neue Generation der jungen Düsseldorfer Videokünstler wird der Name Gul Ramani möglicherweise kein Begriff sein. Dabei bildete der ehemalige Paik-Student eine Ausnahmeposition in der hiesigen experimentellen Videoszene der 80er und frühen 90er Jahre. Seine humorvolle, narrativ angelegten und surrealistisch angehauchten Animationsfilme besitzen eine Leichtigkeit und eine Frische, die im besagten historischen Kontext Seltenheitswert haben. Mit schlichter und unprätentiöser Stop-Motion-Technik erzählte er heitere und grausame Geschichten, absurd, bunt, schelmisch und  melodiös wie manche Gedichten von Raymond Queneau. Trotz der verspielten, ja naiven Form, handeln die gebastelten Zeichentrickfilme von existentiellen Themen – Leben, Tod und immer wieder Liebe.

Die chronologische Mini-Retrospektive von Samstag machte deutlich, wie Ramani, der in seinem Frühwerk universell wirkende Kurzfilme produzierte, sich später seinen indischen Wurzeln wieder annäherte. In den späten 80er Jahren realisierte er animierte, auf indische Mythen zurückgehende Schattenpuppenspielen. Noch später schuf er dokumentarische Arbeiten die, ganz im Geiste seines Meisters Nam June Paik, das Auseinanderprahlen von indischer Tradition und Technologie fest hielten. Seine „Tierfilme“, die  von dem unverkrampften bis instrumentalisierenden Umgang asiatischer Völker mit Tieren handeln, bildeten den Abschluss der Präsentation. Einige dieser unkommentierten Filme sind jedoch so konventionell und klassisch, dass sie in einem Kunstfilm-Screening durchaus als verzichtbar gelten dürfen.

Die Rückschau hörte leider Mitte der 1990er Jahren auf, so dass Ramanis neuere Filmanimationen und sog. „Flash-Sketches“ – solche, die in erster Linie am Computer entstanden sind –, nicht präsentiert wurden. Der warmherzige Applaus und die zum Teil begeisterte Reaktion des Publikums zeigte jedenfalls, dass Gul Ramani kein bisschen vergessen worden ist – zumindest von der älteren Generation.

 
Gul Ramani im K4 am 28.7.2012
K4 – Kulturbureau Kiefernstr.
Kiefernstrasse 4
40233 Düsseldorf
Telefon: +49-211-7300256

Cineorama im Malkasten

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die Idee ist zwei Jahre alt. Weil ihre Umsetzung aber doch nicht ganz simpel war, brauchte sie ein wenig Zeit um konkret zu werden. Diese Idee war, selten gezeigte Kunstfilme in einer eigens konzipierten Architektur mitten im Malkasten-Park zu präsentieren und, abseits des üblichen, düsteren Vorführungsraums, ein Filmfestival mit bukolischem Charakter und diskursiver Struktur zu kreieren. Initiatorin und hauptsächliche Antriebskraft des Projektes ist die Bildhauerin Erika Hock, über deren Arbeit wir hier bereits berichtet haben. Hock, die in ihren letzten Arbeiten dem Design und der Architektur immer näher kam – zunächst als Zitat und nun als autonome Eigenkreation – hat für das Cineorama ein hölzernes Modul konzipiert, das Raum für 30 bis 40 Personen bietet. Die offene aber bedachte Struktur, überzogen von einer elegant-rustikalen Bastoberfläche, artikuliert sich in zwei Momente: die Zuschauertribüne einerseits und ein Unterschlupf hinter der Projektionsfläche – der sich bei der gewitterigen Premiere am 22. Juni als besonders heilbringend erwies.

 

Trotz seiner schlichten, linearen Erscheinung war der Bau des Pavillons eine wahre Herausforderung für die Bildhauerin, die sie nicht ohne die kompetente Hilfe von Jürgen Findeisen hätte meistern können. Die begehbare Skulptur ist ein schönes Objekt geworden und integriert sich im Malkasten-Park perfekt. Aus praktischer Sicht könnte man einwenden, dass ein etwas größerer Entwurf durchaus angebracht gewesen wäre (viele Zuschauer müssen stehen und können die Projektionsfläche nur mäßig wahrnehmen); allerdings würde ein großes Objekt nur noch funktional wirken und, in diesem besonderen Fall, an skulpturaler Qualität einbüßen.

 

Hocks Metareflexion über die angewandte oder zweckfreie Funktion von Kunst, über den Status des künstlerischen Objektes und dessen Verhältnisse mit dem umgebenden Raum scheint sich auf neuen Komplexen geöffnet zu haben. Nun rückt sie die Beziehung Künstler-Kurator in den Mittelpunkt und, den Spieß umdrehend, lädt den Filmwissenschaftler und Kunsthistoriker Philipp Fürnkäs zur Gestaltung des Filmprogramms ein – die Kooperation als Arbeitsmodus bildet eine Konstante Hocks Ansatzes. Fürnkäs, derweil wissenschaftlicher Mitarbeiter von Julia Stoschek, hat zusammen mit der Künstlerin eine Reihe konzipiert, in der sich klassische Filmformate mit Lecture-Performances oder Arbeitspräsentationen abwechseln sollen. Das  Programm dreht sich dabei hauptsächlich um die Wahrnehmung von Architektur, bzw. von Urbanität.

Es ist in der Tat erstaunlich, wie viele junge bis mittelreife Künstler sich gegenwärtig mit dem Bild und der Funktion unserer Städte auseinandersetzen oder aber ihre Faszination für Bauwerke der Moderne (mehr oder minder) kritisch reflektieren. So fließen – in welcher Form auch immer – avantgardistische Architekturikonen und utopische Stadtentwürfe in das Forschungs- und Überlegungsfeld zahlreicher bildender Künstler, die, je nach Temperament und Ansatz, das Haus als künstlerisches Statement oder die Stadt als politisches Proposal verstehen.

 

Soweit wir es bisher urteilen können, erwies sich Fürnkäs und Hocks Wahl als präzise und konsequent. Die Fixierung auf Architekturthemen ist geradlinig; der Rahmen angemessen. Das Format der Veranstaltung ist klassisch (und richtig), die Filme werden von den Künstlern und von dem Veranstalterpaar selbst präsentiert und später vom Publikum kommentiert. Prinzipiell ist diese Saison-Veranstaltung eine unheimliche Bereicherung der Düsseldorfer Filmszene, worüber wir (wir Düsseldorfer) nur dankbar sein können. Was bei der Premiere ein wenig fehlte war der Geist der Unbekümmertheit, der an diesem Ort so deutlich berufen wurde. Die Anstrengungen der letzten Aufbautage waren bei den Organisatoren deutlich zu sehen, und trotz der charmanten Umgebung und der Ungezwungenheit des Gesamtkonzeptes, war ein Hauch von Anspannung zu spüren. Dies legte sich jedoch bei den folgenden Vorführungen.

 

Cineorama
jeden Donnerstag ab 20 Uhr
Jacobistr. 6, 40211 Düsseldorf
 
Kommende Programmpunkte sind geplant:
 
02.08 Filme von / Films by HEINZ EMIGHOLZ (Berlin) *1948
Maillarts Brücken (D 2001) 24‘
Zwei Projekte von Friedrich Kiesler (A/D 2006) 16‘
Einführung von / introduced by Philipp Fürnkäs

 

09.08 TOBIAS PUTRIH (Ljubljana/New York) *1972
Vortrag / Lecture: Cinema Projects 2007 – 2011
Im Gespräch mit / in conversation with Erika Hock
gefolgt von der Vorführung von / followed by the screening of
Golem, Paul Wegener (D 1920) 87‘

 

16.08 CORINNA SCHNITT (Braunschweig) *1964 zeigt / showing:
Das schlafende Mädchen (NL 2001) 8‘
Das nächste Mal (D 2003) 6‘
Living a Beautiful Live (USA 2003) 13‘
Tee trinken (D 2012) 15‘
Im Gespräch mit / in conversation with Philipp Fürnkäs

Karat: Interventionen am Straßenrand

von Maria Wildeis (Köln)

Leerstände implizieren Wandel: Etwas ist vorbei, eine Nutzung obsolet geworden und das Erschöpfen manifestiert sich in meist wahllos zurück gelassenen Einrichtungsgegenständen, verblassten Farben und dem Staub, der über den Oberflächen liegt. Der Staub dämpft die einfallenden Lichtreflexe, so verdunkelt sich der verlassene Raum und tritt aus dem Stadtbild zurück in ein Schattendasein. Er entzieht sich mehr und mehr einer öffentlichen Wahrnehmung und beginnt zu schweigen.

Bei Google-Maps werden die Vitrinen noch als Werbetafeln genutzt

Es ist ein beliebtes Mittel der Kunstschaffenden und ihren engagierten Förderern, diesen vergessenen Räumen neues Leben einzuhauchen, sie im verfallenden und immer wieder neu entstehenden Stadtgebiet zurück zu erobern und erneut zum Sprechen zu bringen. Sobald sich alte, verschlafene Räume auffinden lassen und die Möglichkeit es zulässt, wird der Ort unter frischer Regie wieder aufgeweckt und seiner Architektur eine neue Bedeutung verliehen.

So wurden auch in Köln alte Schaufensterkästen im Schatten eines oberhalb auskragenden, mit Wellblech verkleideten Parkhauses in der Innenstadt, unter jener frischen Regie der jungen Künstler und Off-Raum Betreiber Yvonne Klasen (hoi offraum), Malo (Hug me, Heimlich) und Paul Leo im April ganz beiläufig wieder zurück ins Licht gerückt. In der Nähe des Friesenplatzes befinden sich 14 alte Werbeschaukästen an einer viel befahrenen Straße, die längere Zeit nicht mehr als Anzeigenfläche vermietet wurden, wahrscheinlich wegen ihrer durch Parkplätze ungünstig gelegenen Position. Im Frühjahr erhielt das Karat-Team von den Parkhausbetreibern die freundliche Genehmigung für die neue Nutzung der Werbeflächen. Seitdem wurden die Vitrinen schon das dritte Mal bespielt.

Die aktuelle Ausstellung zeigt seit dem 16. Juni Arbeiten eines der Raumbetreiber, Malo (noch bis zum 8. Juli). Der Künstler präsentiert in den Kästen ungerahmte und sporadisch befestigte Malereien auf Papier, die in ihrer Farbigkeit und der gegenstandslosen Bildsprache hinter den alten Glasvitirinen das Stadtgefüge unauffällig in eine Ausstellungsfläche verwandeln. Die Intervention verfolgt nicht wie in einer Werbevitrine für gewöhnlich erwartet marktorientierte Absichten, ist nicht laut und bunt, reizt mit nackter Haut, sondern sie schenkt dem gewöhnlichen Moment des Vorbeigehens, des Auf-dem-Weg-seins, einen kleinen Augenblick der Entrückung.

Vergangene Ausstellungen zeigten eine Gruppenausstellung im April mit 14 Beteiligten aus der ganzen Welt (Amanda Midori (Sao Paulo, Brasilien), Benjamin Tillig (München), Frank Wunderlich (Leipzig), Johannes Amorosa (Köln), Katja Donnerstag (Köln), Linda Baumsteiger (Gent, Belgien), Lukas Goersmeyer (Köln), Lyoudmila Milanova (Köln), Matthew Randle (London, UK), Mercedes Mangrané (Barcelona, Spanien), Pavel Příkaský (Prag, Tschechien), Stefanie Klingemann (Köln), Tobias Becker (Köln)) und eine Ausstellung des zweiten Betreibers vom Projekt, Paul Leo, im Mai und Juni des Jahres. Da dürfen wir uns wohl bald auch auf eine Ausstellung von der dritten Karat-Organisatorin, Yvonne Klasen, freuen. Die leitete bis vor kurzem den mittlerweile wieder leer stehenden Hoi Offraum im Kölner Süden und wird als Künstlerin von der Galerie Mülhaupt vertreten.

Der Wandel steckt in jeder Architektur. Temporäre Eingriffe und Veränderungen zieren das Stadtgefüge und tauchen immer dort auf, wenn etwas vergeht, seine Strahlkraft verliert und Neuem weichen muss. Die architektonische Hülle bleibt bestehen, wird neu gestrichen, anders dekoriert und ausgeschmückt. Wir können gespannt sein, was in den Schaukästen, Off-Räumen und auf öffentlichen Plätzen der verschiedenen Innenstädte noch zu finden sein wird, wenn sie in unbestimmter Zeit wieder einer Umstrukturierung erliegen werden.

 

Infos zum Projekt: karat-ist-draussen.com

Der Single Club in der Raketenstation Insel Hombroich

Wenn Single Club und Raketenstation Hombroich mit sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein zusammen fällt, gibt es für die digitale Bohème Düsseldorfs natürlich kein Halten mehr. Sack und Pack werden mit Kind und Kegel in den Wagen verbracht und schon gehts ab aufs Land.

Und was soll ich Ihnen sagen? Es war ein wunderbarer Ausflug, mit allem was dazu gehört. Zumindest dann, wenn der ultimative Rausch und der zugehörige Exzess nicht mehr Mittelpunkt, sondern gut geplanter Akzent des Daseins ist, wenn man sich also dem bürgerlichen Leben sukzessive annähert.
Das sei hier im Vorfeld erwähnt, denn wir sprechen hier schließlich von einem Ausflug zum legendären Single Club und unsere Bildstrecke bricht eben an der Stelle ab, an der dieser eigentlich beginnt, nämlich bei einsetzender Dämmerung.
Aber was soll es, Partys soll man sowieso lieber feiern als anschauen …

Unser Trip durch Kunst, Architektur und Natur begann dafür schon am Nachmittag, in etwa hier, auf dem schmalen Weg vor der Langen Foundation. Natürlich reisten wir aber nicht mit dem Shuttlebus, sondern wie es sich gehört standesgemäß sportlich mit dem Wagen an.

Der stilechte Kunstblogger sollte immer von mindestens einer, im besten Falle, sogar von zwei schönen Damen begleitet werden.

… denen er mit etwas Abstand dezent folgt.

Vor der Langen Foundation traf sich das Kunstestablishment, es gab Currywurst mit Pommes und dazu eine Ausstellung.

Am Erdwall gegenüber vom bürgerlichen Lager treffen wir wie geplant auf Freunde, mit denen wir unseren Weg gemeinsam in Richtung der Raketenstation fortsetzen.

Wie nähern uns dem Ausstellungsort, die Assoziation des Ufos liegt nahe und gefällt. Wir kannten das Gebäude vorher nicht und waren natürlich von dem rätselhaft unfertigen Bau beeindruckt.

Der Bau wirkt wie die Kulisse eines Science-Fiction-Films und erinnert daran, im Jahr 2012, also in der Zukunft zu leben. Und je weiter wir gehen, desto mehr bewegen wir uns in einem Modell einer anderen, angenehmen Zukunft und vergessen für einen Moment die realen Dystopien um uns herum. Die Kunst beginnt zu wirken und es deutet sich an, dass alles eigentlich auch immer ganz anders sein könnte.

Der Blick auf den Eingang und in das Halbrund des Betonufos hinein, sorgt für mehr Irritationen. Wir fragen uns nach wie vor, was das für ein eigenartiges Gebäude ist und welche Bedeutung die aus der Ferne bereits erkennbare Holzkonstruktion hat. Die Dachlatten-Plastik im Eingangsbereich verstärkt den Eindruck des Unfertigen und steigert auf angenehme Weise die Verwirrung. Wir fühlen uns schnell wohl.

Um den Betonrund herum sitzen Gruppen von Besuchern auf Weg und Wiesen, trinken, rauchen, genießen den Sommertag und harren der Dinge.

Wir gehen rein.

Am Eingang gibt es Kraft durch Suppe. Wir sind uns nicht ganz sicher, ist es kalauernde Provokation zur Vergangenheit oder der Versuch des reflektierten Umgangs mit der Gegenwart? Wahrscheinlich beides und damit fast schon ein Schritt in Richtung Metamoderne. Das Schild wirkt trotzdem etwas prollig und unbeholfen, sorgt später auch für Unmut, woraufhin die SS-Rune entfernt wird. Als wir zum Bestellen kommen gibt es nur noch Uppe, die dennoch lecker schmeckt.

Beim Betreten des Innenhofs werden wir von den bereits anwesenden Gästen beobachtet.

Wir lassen uns davon aber nicht stören, sondern begutachten die erste großformatige Arbeit gegenüber des Uppenstands.

Die Lichtinstallation von Christoph Knecht arbeitet ebenfalls mit klaren Bezügen zu deutscher Vergangenheit und globalisierter Gegenwart, kommt dabei aber sehr viel weniger platt daher, als der Text am Eingang.

Die großformatigen Holzarbeiten von Stephan Engelke fügen sich gut in die Bauruine ein und geben einen ersten Hinweis auf die gelungene Komposition der Ausstellung. Im Whitecube würden die Objekte neutralisiert werden und mich schnell langweilen, hier entwickeln sie ein Eigenleben und wirken wie überdimensionale, zurückgelassene Baugerätschaften oder unfertige Möbelstücke.

Im Inneren des Gebäudes wird der Dialog zwischen Kunst und Gebäude fortgeführt. Zeichnungen, die wie Baupläne wirken, oder eventuell sogar welche sind, hängen gerahmt an den Wänden. Eine Videoprojektion zeigt ein Kameraeinstellungen einer Bauruine, wie die, in der wir uns befinden. Der Gesamteindruck ist allerdings stärker als die einzelnen Elemente. Das ist gut für die Komposition und das Arrangement der Ausstellung und des Settings vor Ort, aber weniger gut für die Wahrnehmung der einzelnen Arbeiten.

Die zahlreichen Räume des Gebäudes sind voll mit Kunst. Wir gehen durch die Gänge, lassen den Blick umherstreifem, schauen auf die Arbeiten, schauen auf die Architektur, schauen wenn möglich durch Nischen auf die Natur und schauen auf die Gäste. Der Blick auf die Kunst öffnet und verändert naturgemäß die Wahrnehmung, die Arbeiten bilden somit Fixpunkt und Kontrast zum Umfeld des Rohbaus, wirken wie surreale Schlüssel, die uns diesen inszenierten Ort eröffnen.
Und mir wird klar, eine gebührende Rezeption und Kritik der einzelnen gezeigten Arbeiten wird es nicht geben, man möge das bitte verzeihen. Die Kompetenz dafür liegt beim geschätzten Kollegen Mir und der weilt aktuell weit weg in Südfrankreich. Darüber hinaus sprengt der Umfang der Ausstellung den Rahmen unserer Möglichkeiten.

So beschränke ich mich auf das Flanieren, lasse den Blick weiter schweifen, und erreiche schließlich die Bar auf dem Dach, hole mir den Weißwein und beobachte nun selber die Gäste unten im Hof.

Unschwer zu erkennen ist das hier die Liste der teilnehmenden Künstler der Ausstellung the reality of the unbuilt.

Wir verlassen das Obergeschoß und begeben uns in den Keller.

Auch dort hängt Kunst, und der Kontrast zwischen Rohbau und ausgestellten Arbeiten wirkt stimmig. Assoziationen zu modernen Schatz- und Wunderkammern kommen auf.

Wir fotografieren.

Wir schauen.

Und schauen.

Und gehen.

Und machen in diesem Raum eine Pause, die Skulptur war beim ersten Blick von Oben bereits aufgefallen.

Dann gelangen wir in das Zentrum des Untergeschosses, wohnen für einen kurzen Moment dem 24h Sound-Performance-Programm bei und stellen fest, dass wir angekommen sind, es handelt sich offensichtlich um das Herz der temporären Gesamtkonfiguration.
Es ist des Singlecub.
Wir sind zufrieden, wir haben unser Ziel erreicht, haben es oder besser ihn gesehen, stellen uns kurz den Rausch, das Glück, den Wahnsinn und die Extase vor, die hier später vorherrschen wird, denken dann an die Übelkeit und die Kopfschmerzen des nächsten Tages, trinken schnell das Glas Weißwein leer und machen uns auf den Rückweg.

Rundherum war Kuchen bereit gestellt. Laut Facebook-Eintrag wurden die zu später Stunde noch als Waffen der Kritik eingesetzt werden. Bands die den Geschmack des Publikums nicht trafen, wurden damit beworfen. Für die Gäste der Party eventuell ärgerlich, für Außenstehende aber durchaus unterhaltsam und zweifelsohne eine tolle Geschichte, die nachhaltig zur Legendenbildung beitragen wird.

Wir glauben alles gesehen zu haben und verlassen den Keller lange bevor die Kritiker aktiv werden.

Oben versammeln sich immer mehr Leute.

Noch wird überwiegend ab- und rumgehangen, aber langsam kommt eine Ahnung von Partystimmung auf.

Wir werfen einen letzten Blick zurück und machen uns entspannt auf den Heimweg.

Stiftung Insel Hombroich
Raketenstation / Haus für Musiker
41472 Neuss

http://www.therealityoftheunbuilt.com
http://www.single-club.in

Auf der Bühne:

Stabil Elite (Italic)
Chiqueria (Single)
Felix Kubin (Gagarin Rec. / A-Musik)
Fragil (Single)
POPNONAME (Kompakt, Magazine)
Jan Schulte (Themes for Great Cities)
Sarah Feulner
TV ME
Horst Gläsker & Fabian Schulz
Wolfgang Betke
Radio Latte: Silent Disco

Mit Arbeiten von:
Johannes Bendzulla, Felix Burger, Nicolai Crestianinov, Frauke Dannert, Rußlan Daskalov, Stephan Engelke, Sabrina Fritsch, Sven Fritz, Ramon Graefenstein, Erika Hock, Clemens Hollerer, Oscar Hugal, Ko Ichikawa, Christoph Knecht, Timo Kube, Peter Miller, Anna Mirbach, Olga Pfeffer, Christoph Schellberg, Lukas Schmenger, Andreas Schmitten, Emil Schult, Koen Sels, Fari Shams, Jens Ullrich, Ben Van den Berghe, Rinus Van de Velde, Alexander Ernst Voigt, Moritz Wegwerth, Joachim Weischer, Sebastian Wickeroth, Edi Winarni, Alexander Wissel, Matthias Wollgast

I love Pubertät im Kunstverein Schwerin

Wer uns und unseren Blog etwas länger kennt der weiß, dass wir nicht nur online und digital aktiv sind, sondern immer wieder gerne den Platz hinter dem Schreibtisch verlassen um Projekte draußen, in der analogen Welt zu realisieren. Ein solches Projekt aus dem Umfeld der perisphere ist die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Schwerin.

Julia Wirxel, die Organisatorin, ist nicht nur Berliner Korrespondentin unseres feinen Blogmagazins, sondern darüber hinaus auch noch Leiterin des Kunstvereins in Schwerin. Dort läuft bereits seit dem 21.06. eine Ausstellung über ein Thema, welches bei den allermeisten Leserinnen und Lesern bewegende Erinnerungen hevorrufen dürfte, die im Rückblick zwar durchaus belustigende Seiten entwickeln, im erlebten Moment selber aber oft alles andere als komisch, dafür aber hinreichend peinlich waren.

Kunstverein Schwerin - I Love Pupertät

Unter dem Titel ‚I ♥ Pubertät‚ präsentiert der Kunstverein Schwerin künstlerische Positionen von Heike Kati Barath und Joachim Weischer zu einer Zeit der Ersten-Male, der knallroten Köpfe und der abenteuerlichen Experimente mit sich, der Familie und den Anderen. Im Fokus der Ausstellung stehen aber weniger die konkreten Probleme junger, mit sich und der Welt ringender Heranwachsender, vielmehr geht es um allgemeingültige Fragen zum sozialen Kontext dieser wildschrägen Phase des Lebens.

Wie kann man die Pubertät lieben? Liebt man nicht eher New York? Und wer liebt sie, die Pubertät? Die Pubertierenden? Oder ihre Eltern? Oder die stets Junggebliebenen? Drückt man aufgrund der emotionalen Unvorhersehbarkeiten doch den Dislike-Button? Wie ist der Geschmack von Adoleszenz? Oder denken wir an Martin Kippenbergers Ausstellung „Durch die Pubertät zum Erfolg“?

Neue medizinische Entwicklungen versprechen Medikamente, die nach Lust und Laune eingesetzt werden könnten, um die Pubertät bei Kindern auszulösen, zu stoppen oder zu beschleunigen. Noch muten diese Möglichkeiten bizarr an. Bei Mädchen, die zu groß werden, wird die Pubertät bereits früher ausgelöst, um ihr Wachstum zu reduzieren (siehe den Film Tall Girls, 2012).

Und was ist mit der sozialen Pubertät? Diese verlängert sich, genau wie die körperliche stetig früher beginnt. Da ein jeder sich an die Wirrungen der eigenen Pubertät erinnern kann und Kunst per se einen Freiraum bereithält „anders“ zu sein, bietet sich eine Verschränkung von Kunst und Pubertät geradezu an. So sind die Positionen von Heike Kati Barath (*1966) und Joachim Weischer (*1971) als exemplarische zu begreifen. In ihrer Ausstellung kann man sich auf die Suche nach dem Pubertären begeben und in ihren Gemälden Verwandlungen vorfinden, die hormonell, mythologisch oder dämonisch bedingt sein können. Auch (Puber-)Tiere sind von den Transformationen nicht ausgenommen. Auf den Bildern der Künstler tummeln sich Teenager, die mit außergewöhnlichen Materialien versehen sind oder aus ihnen entstehen. Lange Silikonfäden werden bei Barath plastisch zu einzelnen Haaren. Ebenso unterstützt das Material Bauschaum verschiedene Metamorphosen. Joachim Weischer bearbeitet  vorgefundene Fotografien mit Knetmasse, fotografiert diese „Reliefs“ dann wieder und erzielt damit erstaunliche Ergebnisse. Die Haptik des Dreidimensionalen fügt sich bei ihm –  im Gegensatz zu Barath – wieder ins Zweidimensionale.

In beiden Werken sind kunsthistorische Referenzen zu finden, neben der Moderne wird die Pop Art thematisiert, als eine Referenz ist Philip Guston zu nennen, dessen Arbeiten zwischen Figuration und Abstraktion changieren. Interessanterweise haben fast alle Arbeiten der beiden Künstler keinen Titel, um eine größtmögliche Offenheit zu der in den Werken angelegten Erzählung, wie beispielsweise von Märchen, zu behaupten.

Generell wird eine Haltung spürbar, die Menschliches und Existentielles thematisiert und auch vor Abgründen nicht Halt macht. Übergangsphasen von der Kindheit in das Erwachsenendasein werden auf poetische Weise sichtbar, die die Pubertät als Metapher für das Leben und seine Herausforderungen schlechthin bereithält.

Joachim Weischer, Ohne Titel, 2008, Digitaler-C-Print

Heike Kati Barath, o.T., 2011, Acryl Fugendichter auf Leinwand

Programm

Freitag 29.06., 20 Uhr
Girls, Boys & Teenwolves. Monstrous Gender im Werwolffilm, ein Vortrag von Dr. Julie Miess, Literaturwissenschaftlerin, Berlin

Mittwoch 04.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, Chihiros Reise ins Zauberland, JP, 2001, Regie: Hayao Miyazaki

Freitag 13.07., 20 Uhr
Ein Kurzfilmabend zum Thema Pubertät von Nicole Rebmann, u.a. Kurzfilmtage Oberhausen

Mittwoch 18.07., 20 Uhr
Führung und Filmabend, So finster die Nacht, SE, 2008, Regie: Tomas Alfredson

Sonntag 29.07., 17 Uhr
Künstlergespräch mit Heike Kati Barath

Kunstverein Schwerin
Spieltordamm 5
19055 Schwerin
0049 (0)385 521 3166
www.kunstverein-schwerin.de

Kunst meets Open Source Festival

Das Open Source Festival in Düsseldorf unterscheidet sich in einem zentralen Punkt von zahlreichen anderen Festivals: Es geht kein ganzes Wochenende, sondern nur einen Tag und eine Nacht. Von daher steht der Exzess, also das kollektive Ausrasten inklusive Dixieklo-Umwerfen und Schlammbaden, die Bierrutsche zum Frühstück sowie der klebrige Geruch von Schweiß vermengt mit Grillwurst, nicht ganz so im Vordergrund wie andern Orts. Das Open Source auf der Pferderennbahn im Grafenberger Wald, wirkt in dieser Hinsicht vergleichsweise brav und gesittet – Düsseldorf eben.
Man fährt Mittags mit Fahrrad, Bus oder Taxi vor, man trinkt, man hört gute Musik, trifft Freunde und Bekannte und nicht all zu spät am Abend macht man sich wieder auf den Heimweg. Wer richtig Feierwütig ist zieht eventuell noch weiter, dieses Jahr ins Stahlwerk zur Nachtschicht.
Aber Gleichgültig ob nur am Tag oder am Tag und in der Nacht gefeiert wurde, die Besucher wachen am nächsten Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit im heimischen Bett, ziemlich sicher aber nicht im Zelt auf.

Diese Qualität macht das Festival zu einer Art großen Klassentreffen, an dem man all die Menschen wieder trifft, die man zwar kennt und mag, aber die man schon wieder ein jahr nicht mehr getroffen hatte. Es ist damit auch ein Treffen des Szenen, und diese Idee des lokalen Szenetreffs findet sich im Rahmenprogramm des Festivals wieder.

Zur lebendigen Kultur des Open Source Festival gehört neben der Musik ebenso die bildende und darstellende Kunst, Design und Mode. Alle Genres haben auf dem Open Source Festival eine Plattform gefunden, denn Musik ist längst eng verwoben mit weiteren Kultursparten.  Gemeinsam mit dem Amt für Wirtschaftsförderung kuratiert das Open Source Festival seit drei Jahren eine Auswahl von zwölf regionalen kreativwirtschaftlichen Konzepten, die ihre Ideen auf dem Festival vorstellen. Kaum in einer anderen Stadt ist die Verflechtung von Musik und bildender Kunst so stark wie in Düsseldorf und kaum eine andere Stadt brachte bisher so viele namenhafte Künstler hervor, wie u.a. Kraftwerk, Neu!, Kreidler, Mouse on Mars, Stabile Elite…. Zwei von ihnen – Mouse on Mars und Stabile Elite – sind mit neuen Klängen erneut auf dem diesjährigen Open Source Festival vertreten.

Der Kunstblog Eures Vetrauens hat sich diese Verflechtungen von Party, Kunst, Musik und Kreativwirtschaft angesehen und Bilder mitgebracht.

Toykio | Cafe, Designertoys, Urban Vinyl, Kunst und Szenemagazine
www.toykio.com

Mentor – Die Leselernhelfer Düsseldorf
www.mentor-duesseldorf.de

S/ash
de-de.facebook.com/slash.hhu

Kiosk zum röhrenden Hirsch
teilmoebliert.com

Gallery Slowboy
www.slowboy.de

Boehm Kobayashi
www.boehmkobayashi.de

el rizo
elrizo.com

Nina Sagt
ninasagt.de

Filmfest Düsseldorf
www.filmfest-duesseldorf.de

New Fall Festival
www.new-fall-festival.de

Roooms Project
www.roooms-project.com

garArt
www.garart-vivarte.de

Unique Records
www.unique-rec.com

Open Source Festival 2012
30.06.2102 in Düsseldorf
www.open-source-festival.de

brink – Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft

brink ist ein Hybrid aus Magazin und Ereignis zwischen Kunst und Wissenschaft. Das ambitionierte Projekt kommt aus dem Umfeld der Universitäten, ist aber über den Status eines studentischen Experiments hinaus. Das Laoyut ist professionell und der formulierte Anspruch hoch.
Thema und Titel von brink #2 ist Sprung. Ein Thema in vielen Beiträgen von jungen und renommierten Künstler_innen, Studierenden, Nachwuchswissenschaftler_innen und etablierten Professor_innen aus allen Wissenschaften und Persönlichkeiten aus Medien und Kultur. Kunst und Wissenschaft sollen sich bei brink in lebendiger Form begegnen und einen dichten und angeregten Austausch ermöglichen.

Und weil die Pressemitteilung von brink so schön ist, übernehmen wir diese hier einfach.

brink hat seine Wurzeln im Schweigen an den Universitäten, der Unmöglichkeit selbst sehen und sprechen zu dürfen und den fehlenden oder gescheiterten Dialogen zwischen Kunst und Wissenschaft. Es ist ein Projekt von Studierenden, die einen neuen Ort der Rede und der Sichtbarkeit erschaffen wollten und mit brink ein Magazin zwischen Kunst und Wissenschaft eröffnet haben.

Modularisierte Studiengänge, straffe Stundenpläne und durchstrukturierte Lehrveranstaltungen, die weniger Interesse als pure Anwesenheit fordern, lassen den Studierenden nur wenig Raum für die Beschäftigung mit selbst gewählten Forschungsfeldern. Das Bestreben, neue Diskurse zu öffnen und bestehende Diskurse zu erweitern unterliegt Zeitdruck und Effizienzdenken.

brink will hier Alternativen schaffen, in denen sich ein Miteinander und Nebeneinander in der Differenz zeigt. Zwischen Kunst und Wissenschaft – das heißt, neue Räume zu öffnen, Randgänge, Schwellenerfahrungen, Grenzsetzungen und Grenzüberschreitungen in der Begegnung mit dem Anderen. Die Begegnung nicht nur der wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch von Bild und Text als gleichwertige Positionen. Zudem vollzieht sich eine Öffnung zu Leser_innen, Betrachter_innen, und Besucher_innen: brink ist immer in der Bewegung zum Anderen – im ›anderen sehen‹ und im ›Sprung‹.

Am 22. Juni 2012 ging das Projekt mit der zweiten Ausgabe und dem zugehörigem Ausstellungsparcours in Wuppertal in die nächste Runde. Wir waren mit dem Fotoapparat vor Ort und haben das Projekt dokumentiert.

Projektraum Hebebühne

Ruth Weigand - Hinter einigen Tannengipfeln

Projekt UTOPIASTADT

Projekt UTOPIASTADT Innen

Jennis Li Cheng Tien - Counterforce bei UTOPIASTADT

Kunst und, oder Kunst vs Fussball? - UTOPIASTADT

Altes Tanzstudio

Bernd Härpfer & Pascal Fendrich im Alten Tanzstudio

Jan Verbeek im Alten Tanzstudio

Tom-Oliver Schneider im Alten Tanzstudio

Ana und Henrique Pereira da Silva

Julius Schmiedel und Michael Schmitt im Alten Tanzstudio

Raumzeitpiraten in der Postkutscherei

Kunstblogger mit Baby am Mann beim Erklimmen einer Arbeit von Anton Studer & Balz Isler in der Postkutscherei

Videoinstallation von Judith Rautenberg in der Postkutscherei

Weitere Informationen im Netz unter
www.brinkmagazin.de
twitter.com/brinkmagazin

facebook.com/pages/brink-Magazin-zwischen-Kunst-und-Wissenschaft/

Boehm/Kobayashi präsentiert Ant!Foto 2012 im Kunstraum Düsseldorf

Oliver Sieber und Katja Stuke alias Boehm/Kobayashi haben auch dieses Jahr zu Ant!Foto in den Kunstraum Düsseldorf eingeladen. Dem Aufruf gefolgt sind Laura Bielau, Rene Bonsink, Olivier Cablat, Jason Evans, Ulrike Heydenreich, Ted Partin, Pia Stadtbäumer,  80*81(Georg Diez & Christopher Roth) & Christoph Dettmeier »Country Karaoke«.

Franz Schuier vom Düsseldorfer Kreativstudio beansandbacon.com hatte sich zu unserer großen Freude vor einiger Zeit auf unseren Call-for-papers gemeldet und sich dann auch noch freundlicherweise bereit erklärt für unsere Leser mit der Kamera in der Ausstellung vorbeizuschauen. Zurück kam er mit einem gelungenem Minidokumentarfilm (01:51 min), in dem er einen schnellen und präzisen Einblick in die Ausstellung gibt. Wir finden das Super und sagen an dieser Stelle schon einmal Danke für den ersten Einsatz!

Und sie, liebe Leserinnen und Leser, drücken uns bitte die Daumen, dass uns der Mann erhalten bleibt!

Wie bei uns auch sonst üblich, verzichten wir bei Videoeinbindungen auf lange Texte und lassen den Film, die Ausstellung sowie natürlich Oliver Sieber und Katja Stuke sprechen.

Wer Ant!Foto 2012 persönlich in Augenschein nehmen will, der muß sich etwas beeilen, denn die Ausstellung läuft nur noch bis zum 01.07.2012.
Weitere Infos gibt es auf der Projektwebseite unter http://www.antifoto.de.

Ant!Foto 2012
24.5.–1.7.2012

Kunstraum Düsseldorf
Himmelgeister Straße 107e
40225 Düsseldorf
Tel. 0211.330237

Marc Sparfel in der Galerie t in Düsseldorf Flingern

Verlassene Möbel, die keinen Zweck mehr erfüllen oder einfach nicht mehr modern sind, bilden einen ‚urbanen Wald‘, der aus dem Asphalt erwächst.“ mit diesem Satz umschreibt Mark Sparfel kurz und knapp seine Arbeit. Vom 14.06. bis zum 20.07.2012 ist der Künstler in der relativ jungen Galerie t in Düsseldorf Flingern zu Gast. Freund und Kollege Klostermann war mit der Kamera vor Ort und hat ein Paar Impressionen der Ausstellung mitgebracht.

Galerie t
Hermannstraße 24
40233 Düsseldorf

http://www.galerie-t.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag nach Vereinbarung
Freitags 17-19 Uhr
Samstags 11-15 Uhr
Sonntags geschlossen

Christian Keinstar zu Gast bei Teapot in Köln

Der in Köln lebende Künstler Christistian Keinstar war vom 18.04. bis zum 19.05.2012 unter dem Titel „THE DARK AGE OF LOVE“ mit einer Soloshow und einigen neuen Arbeiten in der Teapot-Galerie in Köln zu sehen. Von dem Projekt gibt es eine ausführliche Videodokumentation, die wir hier einfach mal weitest gehend kommentarlos einbinden – einzige subjektive: Mein persönlicher Favorit ist Kanon 03.
Ich klicke Gefällt mir!

Und alle Düsseldorfer, die die Arbeiten von Keinstar mal live sehen wollen und es nicht nach Köln geschafft haben, freuen sich auf seine Show mit Susanne Giring, im kommenden Jahr im Parkhaus im Malkasten.

THE DARK AGE OF LOVE
18.04. – 19.05.2012

Teapot Galerie
Herwarthstrasse 3
50672 Köln
www.weareteapot.com

www.keinstar.de

 

Directors Lounge in der Black Box

Ein Bildbeitrag von Stefanie Pürschler (Düsseldorf)

Draußen wartet die ekstatische Masse darauf, dass die japanische Kulturbehörde mehrere Hundert Tausend Euro in die Luft verpulvert. Unmittelbar am Rheinufer aber, geschützt unter der Hülle des Filmmuseums, drängt sich ein besonnenes Publikum in die Black Box, um das alternative Programm zum Japan-Tag zu erleben. Dieses wurde von der Director Lounge aus Berlin zusammen gestellt, worüber wir hier bereits berichtet haben. Kuratiert von Julia Murakami und André Werner (der auch die Veranstaltung präsentierte), konzentrierte sich die Filmreihe auf kurze japanische oder japanisch-zentrierte Werke. Zum Schluss traten VJ Chuuu an der Turntable-Animation und der Multimedia-Künstler und das Kraftwerk-Gründungsmitglied Eberhard Kranemann zusammen auf. Und ihr Auftritt hatte die Fulminanz und die visuellen Prägnanz eines Feuerwerks…

 

André Werner als Master of Ceremony

Eberhard Kranemann

VJ Chuuu

Occupy Biennale in den Kunst-Werken Berlin

Die Berlin Biennale hat Occupy Museum mit den Kunst-Werken einen nicht unbedeutenden Teile der verfügbaren Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Occupy Museum ist im November 2011 aus der Occupy Wallstreet Idee hervor gegangen und startet damals mit einem Marsch in Richtung MOMA und Natural History Museum.

Occupy Moma - New York
Occupy Moma - New York

Nun hat es die Kunst-Werke Berlin erreicht und wird sich dort unter dem Titel Occupy Biennale für die kommenden zwei Monate gegenüber den komplexen Vereinnahmungsmechanismen des Kunstsystems behaupten müssen.
Wir möchten das Projekt im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten in dieser Zeit begleiten und den Versuch unternehmen, die daraus erwachsenden Paradoxien mit dem ein oder anderen Beitrag zumindest einmal anzuschneiden.
Glücklicherweise kam bereits vor einiger Zeit über facebook ein Kontakt mit der aktuell in Berlin aktiven Rafaela zustande, die uns nun mit ein Paar ersten Bildern von dort versorgt hat. Wer sich gerne eingehender mit dem Thema beschäftigen möchte, dem seien die folgenden verlinkten Beiträge ans Herz gelegt.

Matthias Planitzer vom Castor-und-Pollux-Blog hat sich bereits im Dezember 2012 in einem längeren Artikel mit Occupy Museum und den damit verbundenen Aktivitäten in New York beschäftig.

Thing Frankfurt begleitet die Thematik seit Oktober 2011 unter dem Titel Occupy Schirn, erste Debatten zum Thema gab es auf der dortigen Mailingliste aber bereits im August 2009 (eine Zusammenfassung der Diskussion gibt es hier).
Für die Leser, die immer noch auf Künstler-Manifeste stehen lohnt sich der Click zu rebel:art (mit Video!) und wer ein Interview mit Noah Fischer dem (Nicht?)-Sprecher der Gruppe lesen möchte, dem sei der direkte Besuch der Webseite der Berlin-Biennale empfohlen.

Und für unsere Leser mit Ohren, die sich einen möglichst authentischen Eindruck wünschen, ist der nachfolgende, von radio99Prozent zur Verfügung gestellte, Audiomitschnitt der Pressekonferenz zu Occupy Biennale eventuell das Richtige. Videos davon gibts übrigens hier.

Und wer der Meinung ist, das politische Kunst Unsinn und sowieso schon lange fürn Arsch ist und eigentlich immer nur wegen der schönen, bunten Bilder hier vorbei surft, für den gibt es jetzt endlich die versprochenen Impressionen aus den Kunst-Werken Berlin.

Aber völlig unabhängig davon, was man denn davon hält und was nun daraus wird, zumindest als Ausstellung, als Happening oder als Performance sieht die Revolution doch eigentlich gar nicht so schlecht aus …

mit bestem Dank an rafaela.

Indignad@s Occupy Biennale
http://occupybb7.org

Kunstwerk Berlin e.V.
Auguststr. 69
10117 Berlin
www.kunst-werke-berlin.de/

Oliver Raths Fleischwaren in der Kunsthalle Heidelberg

Die Kunst/Halle in Heidelberg ist eines der klassischen Beispiele für den Wandel eines erfolgreichen Offprojektes zur etablierten Kunst- oder Kulturinstitution. Vor 9 Jahren startete die zugehörige halle02 als temporäres Projekt für ursprünglich nur zwei Jahre als Ort für zeitgenössische Kunst und Musik.
Seitdem bewegen sich die Betreiber Wolfram Glatz, Valentin Lüdike, Hannes Seibold und Yarid Wachsmuth mit ihrem Projekt laut eigenen Angaben auf dem ‚Schmalen Grad zwischen Anspruch und Kommerz, zwischen Sub- und Hochkultur‘, sind damit aber mittlerweile zum festen Bestandteil der regionalen Kulturszene geworden.

Die Kunst/Halle ist der aktuellste Spin-Off der umtriebigen Truppe, der sich deutlicher als in den Jahren zuvor als Hochkultur-Projekt positioniert und somit auch auf der ästhetischen Ebene die Anschlussfähigkeit an das globale Kunstspektakel beansprucht.
Off- und Subkultur wird sich in Heidelberg zukünftig an anderer Stelle neu definieren müssen.

Die aktuelle Show: Fleischwaren – Fotografien von Oliver Rath

Im April ist nun der Wahlberliner Oliver Rath mit einer Fotoshow an seinen Geburtsort zurückgekehrt. Oliver Raths Fotografien, die er regelmäßig auf seinem Blog rath-photografie.de veröffentlicht, zeigen unterschiedliche Szenen und Milieus – von Prominenten wie Karl Lagerfeld, Tim Raue und Boris Becker, über Musen wie Caro Clash, bis zu weniger bekannten Menschen, die Rath opulent und provokant inszeniert. Was viele der Bilder gemeinsam haben: Die Fotografien wirken wie Stills aus Filmen, mit durchgeplanten Choreographien, Requisiten und Schauspielern.

Der Heidelberger Tausendsassa, Fotograf und Sandkastenfreund des Autors dieser Zeilen Rüdiger Glatz war mit seiner Kamera vor Ort und hat die Vernissage in Bildern festgehalten.

Fotos: BHP

Fleischwaren – Fotografien von Oliver Rath
13.04.2012 – 02.06.2012
KUNST/HALLE HEIDELBERG

www.kunsthalle-heidelberg.de/

Projektraum Rottstr. 5 in Bochum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

 

Mit ihren herunter gekommenen Gebäuden, ihren Sex-Shops und ihren zwielichtigen Kneipen ist die Rottstraße für die bürgerliche Bevölkerung von Bochum das Synonym des Anrüchigen schlechthin. Für die Akteure der hiesigen Kulturszene ist dieselbe Straße jedoch ein wichtiger Treffpunkt geworden, wo, jenseits aller Halbwelt-Romantik, ein unabhängiger Raum des Austauschs und der Vermittlung entsteht. Gerade auf der Nummer 5 verdichtet sich die Off-Szene. Angetrieben von einigen initiativreichen Produzenten und Vermittlern, organisiert sich hier der Widerstand gegen eine zentrale Lenkung des kulturellen Angebots. Nach den bitteren Erfahrungen von 2010, als Essen und das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europa erklärt wurden und spektakulären Mainstream-Großprojekten die Arbeit der altansässigen Kulturproduzenten in den Schatten stellten (in Bochum wäre der Platz des Europäischen Versprechens von Jochen Gerz zu nennen), will man sich auf seine Stärke zurückbesinnen: lokale Relevanz.

 

Eine lokale Relevanz findet man allemal auf der Rottstraße 5. Auf halben Weg zwischen Innenstadt und Jahrhunderthalle, mitten im Bochumer Westend, entwickelt sich etwas, was manche Medien gerne als „Kreativviertel“ bezeichnen. Die unter einer S-Bahn-Brücke gewonnenen Resträume, die lange als Produktionsstätte eines Fensterherstellers dienten, beherbergen seit ein paar Jahren ein kleines Theater, dessen unorthodoxes Programm von der Kritik gefeiert wird. Nebenan wurde 2005 eine Projektgalerie für Experimente aller Arten geöffnet. Federführend für einen Großteil des Programms ist nun Georg Mallitz, ein diplomierter Geologe, Philosoph und langjähriger Kunstvermittler, der, zusammen mit Christiane Conradt und im Auftrag des Hauptmieters des Ortes, Manfred Duch, den Raum animiert. Anstatt auf hippe Internationalität zu setzen, aktiviert Mallitz die lokale, bzw. regionale Szene und verstärkt damit ein lebhaftes Bochumer Künstler-Netzwerk.

 

Gewiss ist der Raum an sich nicht gerade einfach zu bespielen. Die dominanten Tonnengewölbe verbieten eine gescheite Präsentation von Malerei oder Grafikarbeiten; der Schwerpunkt liegt demnach auf Bildhauerei, Installation oder Performance. Die gute Akustik inspiriert auch Klangkünstler; bis vor kurzem war eine Klanginstallation von Robert Rosshoff in dem leeren Halbzylinder zu erleben. Die Galerie ist ziemlich das Gegenteil eines White Cube und bleibt eine Herausforderung: In ihrer Auseinandersetzung mit dem ungewöhnlichen Volumen des Raumes, sind die Künstler gezwungen, die üblichen Inszenierungsmodi ihrer Arbeit zu revidieren und auf neue Lösungen zu kommen.

Ansicht der Ausstellung Angst vor Licht

Auch wenn sie sich in einem Innenhof versteckt, ist die Rottstraße 5 keineswegs als kulturelle Enklave aufzufassen. Punktuelle Projekte, die die hiesige Bevölkerung einbeziehen und die umliegenden Läden als Präsentationsplattform nutzen, werden immer wieder realisiert – wie für das Großprojekt Angst vor Licht, das am Ende letzten Jahres stattfand. Demnächst soll eine riesig lange Wand in der Verlängerung der S-Bahn-Brücke als Ausstellungsfläche benutzt werden, so dass  der öffentliche Raum stärker bespielt wird.

Georg Mallitz, Kurator

Apropos Brücke: Auch wenn die Bochumer Szene einen besonders starken Zusammenhalt aufweist und Mallitz an weiteren Projekten mit lokalen Produzenten tüftelt, werden Brücken zu Münster, Essen und Düsseldorf geschlagen. Der redselige und Ruhr-verliebte Kurator sucht die Verbindung zu den dortigen Kunstakademien, bzw. Kunstschulen und hat eine kühne Vision entwickelt: Er will seine Heimatstadt als Auffangbecken verschiedener Strömungen in der Rhein-Ruhr-Münsterland-Region profilieren und gerade auf der Rottstraße eine Konvergenz der Medien bewirken. Es ist ambitioniert und leicht größenwahnsinnig – und deshalb gefällt es uns besonders.

 

Eine sehr gute Nachricht haben wir noch: Trotz seines gut gefüllten Terminkalenders wird Georg Mallitz künftig für perisphere schreiben und aus dem Ruhrgebiet berichten. Größenwahnsinnige Typen – wenn sie gut sind – sind bei uns immer gut aufgehoben. Schließlich wollen wir die Welt mit diesem Blog erobern.

Henrik Vibskov feiert sein Zehnjähriges bei Ruttkowski68

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

Das Schreiben über die Kunst und die Künstler ist nicht meine, sondern nach wie vor die Domäne vom Kollegen Mir. Und so soll es auch bleiben, denn hier macht jeder das was er am besten kann. Ich habe allerdings nach wie vor die bessere Kamera und bin dank jahrelangem Training auch (noch) besser mit Photoshop. Von daher ist die Aufgabenverteilung klar: Beim Herrn Mir geht es ans Eingemachte, während ich die schönen Bilder für Zwischendurch liefere. Damit unsere Leser vor dem Schauen aber zumindest ein paar kurze Infos zum Geschauten bekommen, habe ich das wichtigste aus der Pressemeldung herauskopiert – Strg-C und strg-V sind auch hier wie so oft meine Freunde.

Henrik Vibskov, der vor allem für sein nach ihm benanntes Modelabel bekannt ist macht neben der Kunst auch Musik: er ist der Drummer der Elektro-Band Trentemøller und stellt weltweit in Museen und Galerien aus. Jetzt hat er Station in Köln gemacht, dort feiert er unter dem Titel Ruttkowski;68 – Vibskovski;72 das erste Jahrzehnt seiner Karriere. Auf seine typisch verspielte Art hat Vibskov 30 hölzerne Objekte angefertigt, die an die Vorstellungskraft appellieren sollen. Was auf den ersten Blick kindlich, spontan und zufällig wirkt, ist vom Künstler durchdacht.

Wir waren vor Ort, haben uns die Arbeiten angesehen und Bilder mit gebracht.

Einsames Bild an weißer Wand

Viele Bilder im kleinen Raum

Lustige Objekte in Holz hinter Glas

 

Ruttkowski68 – Vibskovski;72
13. April – 20. Mai 2012

www.ruttkowski68.com/
Bismarckstrasse 68
50672 Köln

Das Freie Kunst Territorium in Bochum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Wenn es prinzipiell stimmt, dass eine unabhängige Kunstszene sich vor allem in großen, reichen Städten entfalten kann und von einem vorhandenen Angebot an kommerziellen Galerien, Kunsthochschulen oder Museen besonders profitiert, gibt es jedoch genug Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Bochum ist beispielsweise nicht gerade prädestiniert, ein solche Kunstszene zu beherbergen. Aber die Stadt besitzt eine wichtige Voraussetzung um Kunstschaffenden anzulocken: Preiswerte bis sehr preiswerte Mieträume in zentraler Lage.

Diese Tatsache hat Uwe Siemens dazu bewegt, die besser gestellte Stadt Essen zu verlassen und sich in ein verwaistes Gebäude von Thyssen-Krupp im Zentrum von Bochum anzusiedeln. Zusammen mit Christoph Gruse, Cristóbal Márquez, Dorothee Schäfer, Gabi Moll und Joanna Zadora-Gruse hat Siemens 2009 das Freie Kunst Territorium (FKT) gegründet, eine Ateliergemeinschaft, die die fantastischen räumlichen Möglichkeiten ihres Standortes ausschöpfen möchte.

En Teil der FKT-Truppe: Uwe Siemens, Christof Gruse, Gabi Moll, Dorothee Schäfer und Zorro

Die Zentrale des FKT befindet sich einem langgestreckten, bungalowartigen Gebäude, in dem lungenkranke oder verletzte Angestellte von Thyssen-Krupp sich bis vor ein paar Jahren behandeln ließen. Mit der strukturellen Umwandlung der Firma hätte das in den 1950er Jahren errichtete Mini-Sanatorium eigentlich abgerissen werden müssen. Aber während die umliegenden Hallen verschwanden, wurde das Haus aufgrund seiner industriekulturellen Relevanz – sowie mancher interessanten architektonischen Details – unter Denkmalschutz gestellt und blieb erhalten.

Bild: T. Bocian

Bild: T. Bocian

Ein Glücksfall  für Künstler und Kreative: Hier gibt es extrem preiswerte Quadratmeter und jede Menge Raum. Thyssen-Krupp kann sich übrigens glücklich schätzen: Das FKT, sowie die anderen Nutzer des Hauses, pflegen und hüten das Objekt und garantieren es vor einem sicheren Verfall. Der Schwerpunkt des FKT an diesem Standort liegt auf die Atelierarbeit. Die Künstler haben sich in den relativ niedrigen Räumen eingerichtet und, neben der Fortführung ihrer eigenen Produktion, veranstalten immer wieder Workshops und Kurse in Malerei, Bildhauerei oder Aktzeichen für ein Laienpublikum.

Christof Gruse im Atelier

Atelier Gabi Moll

Atelier Dorothee Schäfer

Diese Öffnung der Gemeinschaft zur Öffentlichkeit wird noch deutlich verstärkt durch die zahlreichen Ausstellungen, die in den Kellern des Hauses stattfinden. Dort sind keine riesigen Hallen zu erwarten, aber es ist immerhin genug Platz, um kompakte Präsentationen in guten Bedingungen zu ermöglichen. In unregelmäßigen Abständen werden hier lokale bis regionale Künstler präsentiert; monumentale Projekte sind eher ausgeschlossen.

Zu dieser Ausstellungstätigkeit kommen noch diverse interdisziplinäre Projekte, die die Schnittstelle zu Literatur, Theater und Musik suchen. Die passend betitelte Masala-Reihe bringt beispielsweise Künstler aller Sparten in dem Haus zusammen und, mit diversen Programmpunkten, schafft eine Festivalstimmung auf kleinstem Raum.

Sibylle Pieper - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez

Anja Schreiber - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez

Mia Sellmann - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez

Lesung von Witek Danielczok während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez

Apropos Raum: Das Gelände um die FKT-Zentrale steht der Gruppe auch zur Verfügung und wirkt zunächst unendlich groß. Die denkmalgeschützte Lage hält Investoren fern und, außer den üblichen halbwilden Tieren, haben die Künstler keine Nachbarn, die sich über Lärm beschweren können. Von solchen räumlichen Zuständen träumt die Künstlerschaft der großen Städte. Der Bochumer postindustrielle Garten wird immer wieder in Anspruch genommen, um Kunst im Freien auszustellen oder außergewöhnliche Aktionen zu realisieren. Im Mai startet eine poetische Performance-Nacht, in der Gedichte beim Vollmond und an unterschiedlichen Stellen des Gelände vorgelesen werden. Auch bei dem kommenden Natur-Festival wird eine Brachfläche bespielt.

Diese besondere räumliche Großzügigkeit, gepaart mit der Erreichbarkeit des Ortes, führen zu regelmäßigen externen Anfragen – die Lage ist für Konzerte, Partys und größere Freiluft-Events so toll, dass es eigentlich nicht überrascht. Die Gemeinschaft lässt aber nicht jeden zu und überlegt sich genau, wer rein kommt und wer draussen bleibt. Nicht-kommerzielle Projekte, die eine gewisse Geistesverwandtschaft zu den Grundsätzen des FKT aufweisen und trotzdem ein anderes Publikum generieren können, bekommen meistens den Zuschlag. Demnächst wird hier z.B. das Forum Freies Theater aus Düsseldorf eine Produktion realisieren.

Selten genug um unterstrichen zu werden: Das FKT ist übrigens kein e.V. und hat auch keine Ambition, ein solcher zu werden. Trotz des möglichen finanziellen Vorteils dieser Rechtsform, hat keiner Künstler wirklich Lust, Vereinsarbeit zu leisten und Zeit an administrativen Angelegenheiten zu verlieren. Das „Freie“ des Freien Kunst Territoriums ist wohl ernst gemeint…

Rundgang der fadbk in Essen

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Seit über 10 Jahren gibt es sie, die freie Akademie der bildenden Künste in Essen Kupferdreh. Die kleine, überschaubare Einrichtung mit der idyllischen Lage an dem Baldeneysee unterscheidet sich in vieler Hinsichten von anderen Kunsthochschulen im Lande: Jeder Student kann gleichzeitig bei mehreren Professoren oder Dozenten studieren und steht deshalb nicht in einem so engen Verhältnis zu seinem Mentor wie in den sonstigen, klassischen Kunstakademien. Anstatt des üblichen esprit de corps und der starren Klassenmentalität, die in den deutschen Kunstakademien herrschen, ist die Struktur der Lehre in der fadbk offen und durchlässig. Ein wenig nach dem britischen Modell erleben die Studenten dort eine große Freiheit.

 

Die gut ausgestattete Schule ist übrigens zum großen Teil berufsbegleitend orientiert. Diese Tatsache schraubt das Durchschnittsalter deutlich in der Höhe; nicht selten sind die Dozenten und Professoren jünger als ihre Studierenden – und Letztere lassen sich vor allem am Wochenende blicken.

 

Wenn der Rundgang einer Kunsthochschule tatsächlich als Spiegelbild der Qualität ihrer Lehre gelten soll, lässt sich, kurz und bündig, Folgendes über das Niveau der fadbk sagen:

Die Bereiche der Bildhauerei sind deutlich unterrepräsentiert. Der (erdrückende, beinah einseitige) Schwerpunkt der Lehre liegt hier auf Grafik und Malerei. Dass andere Medien möglich und willkommen sind, ist deutlich an den gut eingerichteten Werkstätten für Skulptur oder an den High-End (aber verwaisten) Videoschnittplätze zu erkennen – allerdings wird das Angebot nicht richtig angenommen.

Andrea Wyskott-Blauschek (Klasse Köpp)

Die relative Reife der Studierenden führt zu einer sofort erkennbaren Ernsthaftigkeit ihrer Auseinadersetzung mit Kunst. Dies ist noch längst kein Kriterium für Qualität, aber zumindest eine Grundbedingung für Qualität. Wer sich mit 40 oder 50 Jahren in den Kopf setzt, Kunst zu studieren, und sich auf die Gebühren der Privatschule einlässt, meint es in der Regel ernst – und ist dabei selten ein absoluter Anfänger. Wenn man hingegen die Absprungsrate von jungen Studenten in den herkömmlichen Kunstakademien betrachtet und die chronische Unentschlossenheit der Künstler-Aspiranten, versteht man auch das (teilweise) bestürzende Niveau der dortigen Rundgängen.

Uwe Siemens (Klasse Schneider / Schrudde)

Uwe Siemens (Klasse Schneider / Schrudde)

 

Konkret heißt dies: Exit die pathetische und expressive Schmiererei und die post-wilden Akzente; die Malerei wirkt in Essen selten so pubertär, ungeschlachtet und willkürlich wie in Düsseldorf. Abgesehen von ihrer jeweiligen Relevanz sind dort die Fragestellungen deutlicher formuliert und konsequenter verfolgt. Auch im Bereich  des Unzulänglichen sind die Unterschiede beider Institutionen vielsagend: Da wo die schwächsten Arbeiten im letzten Rundgang der Düsseldorfer Kunstakademie einfach belanglos und aufgeblasen wirken, sind die schwächsten Arbeiten in Essen konventionell, blaß, angepasst und akademisch.

C. Katja Veiser (Klasse Schrudde / Mechler / Köpp)

 

Grazyna Burek (Klasse Hantzsch)

Nicole Krinn (Klasse Mechler / Köpp)

 

Andrea Wyskott-Blauschek (Klasse Köpp)

 

 

Kristine Tusiashvili (Klasse Hantzsche)

Kristine Tusiashvili (Klasse Hantzsche)

Denise Ogan (Klasse Hantzsche)

 

Christian Schüler (Klasse Schneider)

Christian Schüler (Klasse Schneider)

Pit Molling (Klasse Schneider)

Pit Molling (Klasse Schneider)

 

Nicole Krinn (Klasse Mechler / Köpp)

 

Anna Schneider (Klasse Parlow / Schrudde)

 

 

Ralf Altreuther (Klasse Schneider)

Marlies Langenhorst (Klasse Schneider)

 

Claudia Knuth (Klasse Mechler / Köpp)

 

Christine Fischer (Klasse Ruch)

 

Der einzige Rundgang der Bundesrepublik mit freiem Büffet

 

ENTHUSIASM II im Düsseldorfer Schauspielhaus

Ein Bildbeitrag von Sirin Simsek (Köln und Düsseldorf)

Text: John Copy und Bob Paste

Die Enthusiasm-Reihe ist ein Echoraum für künstlerische und politische Avantgarden. Enthusiasm ist das Theater oder nicht.

1962 fand in Düsseldorf eine Revolution statt. Im Schulterschluss und Streit mit seinen Freunden Paik, Constant, Cage, Novalis und anderen entwickelte Carlheinz Caspari seine Denkarchitektur LABYR: ein Utopia, das jede Vorgabe ablehnt – und in radikaler Gegenwärtigkeit Kunst, Architektur, Politik, Philosophie als untrennbare Einheit denkt. LABYR ist Labor (Tätigkeit, Produktion) und Labyrinth (Unübersichtlichkeit, Zufall, Anarchie), in dem jeder Akteur und Zuschauer ist.


Enthusiasm II ist eine Labyrbegehung oder auch nicht. 17 Künstler, Performer, Artisten suchen nach der Labyrgesellschaft 50 Jahre nach Fluxus und 200 Jahre vor New Babylon. Es geht um nichts oder um die Veränderung der Welt. Der aktuelle Labyrbedarf ist gewaltig: Anfang der Sechzigerjahre fand in Düsseldorf keine Revolution statt.

Mit: Mary Bauermeister, Ellen Caspari, Wilfried Dörstel, Ludwig Haugk, Markus Herse, Christian Jendreiko, Andreas Korte,Marie Milbacher, Thorsten Nolting, Christian Posthofen, Kevin Rittberger, Celine Schäfer, Elena Schmidt, Stefan Schneider, Julia Stoschek, Stefan Werni, Volker Zander

Venus und Apoll – Ortsbegehung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Auch an Mut fehlt ihr nicht. Julia Stoschek hat sich mit ihrer auf Film- und Videokunst fokussierten Sammlung binnen weniger Jahre einen Namen in dem internationalen Kunstbetrieb gemacht. Ihr junger und hochkarätiger Kunstbesitz, der seit 2007 in einem burgähnlichen White Cube (eigentlich einer Black Box) auf der Schanzen- straße zu bewundern ist, sowie die regelmäßigen Screenings, Performances und Events, die dort stattfinden oder stattgefunden haben, haben die Düsseldorfer Kunstlandschaft unheimlich bereichert. Die Frau hätte sich mit diesen Errungenschaften begnügen und weiterhin ihre Zeit zwischen Kunstmessen, Galerien, VIP-Empfängen und der eigenen Sammlung verbringen können.

Aber nun dass die Maschinerie der Sammlungspräsentation perfekt läuft und dass sich etwas wie der Anfang einer Routine einstellt, sucht die Umtriebige eine neue Herausforderung. Und diese musste natürlich weit weg von dem Glamour und von der Perfektion ihrer natürlichen Umgebung gefunden werden. Der Worringer Platz schien dabei ein geeignetes Terrain, um mit neuen Formaten zu experimentieren und die (ohnehin einiger- maßen vorhandene) Bindung an die junge, unabhängige lokalen Kunstszene zu verstärken.

Nach zähen Verhandlungen gelang es Stoschek, die Räume eines ehemaligen russischen Kosmetikstudios (das eher als Kulturzentrum der anderen Art zu bezeichnen wäre) zu mieten. In der in Venus und Apoll unbe- nannten Lokalität sollen ein Jahr lang Konzerte, Performances, Gesprächsrunden und Filmscreenings präsentiert werden. Anders als die bisherigen aufwendigen Events der Julia Stoschek Collection sollen die Projekte hier relativ schlicht bleiben und unvermittelt über die Bühne gehen.

Die Idee stand von Anfang an fest: Man übernimmt die Räume wie sie sind, renoviert nichts und macht einfach Programm. Nichts gestalten, nichts anrichten, nur machen – eine angenehme Herangehensweise. Daher gab es bei der Ortsbegehung am vergangenen Samstag einiges zu erkunden. Die ehemalige Ladenbesitzerin hatte dort im Laufe der Jahre einen verwinkelten Beauty-Palast mit Ost-Block-Touch aufgebaut und dieser war noch in seinem ursprünglichen Charme zu erleben. Vor allem der Gang in das Untergeschoss erwies sich als eine Reise in eine andere Dimension des Geschmacks. Auf einem mit Mickey-Mouse-Masken gezierten Massage- raum folgten einen Nagelstudio mit kitschigen Harlekin-Posters oder eine Friseur-Abteilung, aufgehübscht mit karnevalesken Überbleibseln und den abgerissenen Doppelseiten erotischer Magazine.

Zwischendurch eine rot bemalte Kammer mit schrägen Dächern, eine merkwürdige Wasserstelle am Ende eines langen Korridors oder ein grell beleuchteter, befleckter, verließartiger Raum, dessen Funktion schleierhaft blieb. Daneben ist Guantanamo ein Holiday-Inn; Gregor Schneider kann wieder einpacken.

Das Erdgeschoss bietet seinerseits eine sehr große Fläche, bestens für Konzerte, Lesungen oder Partys geeignet. Eine Bar wurde improvisiert und die vorhandene Bühne benutzt. Eine Party wollte die Eröffnungsfeier allerdings nicht wirklich werden. Nach einer nicht besonders originellen Darstellung der postpubertären Band Beefy Arms Spring Break (Zusammenfassung: Schall und Rauch), legte Andreas Korte auf; aber anstatt zu tanzen wollte das Kunstvolk lieber draußen rauchen und klönen. Das funktionierte sehr gut – wenn Venus und Apoll die Geselligkeitsfunktion übernimmt, die wg3zikb nun nicht mehr erfüllen kann, dann ist die hiesige Künstlerschaft gerettet.

Allerdings zeigte Düsseldorf an diesem Abend früh genug sein wahres Gesicht: Um Punkt 22:40 Uhr (es war Samstag!) kam die Polizei und bat darum, die Bässe runter zu drehen. Diese Stadt hat ihre Künstler nicht verdient.

Es soll trotzdem weiter gehen: Der nächste Termin ist der 13. April, zum Screening von Filmen des britischen Filmemachers John Smith. Im Mai gibt es die Katalogpräsentation der aktuellen Ausstellung, zu der begleitend einen Film von Ben River gezeigt wird. Wir werden mit Sicherheit dabei sein und berichten.

 

 

wg-Auflösung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Markus Ambach und Birgit Jensen (Foto: Jörg Weule)

Es wurde kein pathetischer Abschied; es gab keine rückblickende Rede mit Tremolo-Stimme, keine Lebewohl-Gesänge mit hoch gehaltenen Feuerzeugen und keine Tränen in den Augen von Birgit Jensen und Markus Ambach. Aber alle waren sich einig: die wg hinterlässt eine Lücke. Ein Mal pro Monat trafen sich in dem Malkasten Künstler, Wissenschaftler, Galeristen und andere kreative Geister auf der Suche nach einer anregenden Kultur der Gastlichkeit und des Austauschs. Aus der gesamten Bundesrepublik und aus dem Ausland kamen die eingeladenen Gäste, um über ihre Arbeit zu sprechen, um Musik aufzulegen, Performances durchzuführen, Vorträge zu halten, Truthähne zu backen und Wein auszuschenken. Mit der Tradition der wg3zikb verschwindet ein lokales Kulturgut, das in Düsseldorf keine Äquivalenz kennt.

Feldforschung Abendbrot (Foto: Birgit Jensen)

Dabei sind weder Birgit Jensen noch Markus Ambach die Kräfte ausgegangen. Vielmehr merkten die zwei Künstler, dass neun Jahre genug waren. Geboren wurde das Projekt aus einer Notwendigkeit. Die Notwendigkeit, den in die Jahre gekommenen Malkasten-Verein durch eine energische Zellenkur zu erneuern, jüngere Künstler zu aktivieren und die hervorragenden Räume im Jacobihaus zu nutzen. Mit der großen Unterstützung des Vereins entstand ein Ort der Geselligkeit und der Kommunikation; und das Veranstaltungsformat, das sich im Laufe der Zeit etablierte, hat nicht an Frische verloren.

Ingke Günther (Foto: Birgit Jensen)

 

Feldforschung Abendbrot (Foto: Birgit Jensen)

Für die Dernière wurden vier Gäste eingeladen. Wie Jensen schelmisch bemerkte, berichtete der eine über das, was er gemacht hat, der andere über das, was er nicht gemacht hat und der dritte über das, was zu machen ist. Die vierte Partei bildeten Jörg Wagner und Ingke Günther, die mit ihrer Feldforschung Abendbrot ein deutsches Phänomen untersuchen, das vom Aussterben bedroht ist – eben: das Abendbrot – und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Gattung präzise analysieren. Die Künstler schmierten an diesem Abend Domino-Brote und wiedersprachen damit dem guten, alten deutschen Spruch, wonach man nicht mit dem Essen spielen darf.

(Foto: Birgit Jensen)

 

Fritz Balthaus (Foto: Birgit Jensen)

Aus Berlin war Fritz Balthaus angereist und präsentierte in seinem Vortrag „Lassenmüssen“, eine Kompilation seiner Projekte im öffentlichen Raum, die aus welchem Grund auch immer nie durchgeführt wurden. Eine schöne Form des Recyclings für gescheiterte oder totgeborene Projekte.

Volker Lang (Foto: Birgit Jensen)

Der Hamburger Volker Lang präsentierte im Gegenteil seine Realisierungen und erörterte also, was er aktuell macht. Der Bildhauer bezieht Literatur in seine Arbeit ein und verwandelt das gesprochene Wort zu einem plastischen Bestandteil seiner skulpturalen Praxis.

Stefan Saffer (rechts hinter dem Apfel) (Foto: Birgit Jensen)

Stefan Saffer schließlich erläuterte was zu tun ist und präsentierte dem gutgelaunten Publikum seine ästhetisch-philosophische Betrachtungen „Aus Schirnaidel“.

(Foto: Birgit Jensen)

Trotz der relativ emotionalen Zurückhaltung der letzten Feierlichkeiten, soll es noch ein Abschiedsfest geben. Voraussichtlich am Ende des Jahres wird eine Publikation zu den vielfältigen Tätigkeiten des wg3zikb erscheinen – ein Anlass, um auf die schönen Jahre anzustoßen. Und vielleicht haben sich bis dahin unternehmungsfreudige und ideenreiche Nachfolger gefunden. Wer die wg3zikb in dieser oder einer anderen Form wieder aufleben lassen möchte, soll sich nun erheben…

Wie Birgit Jensen sagte: „Wir hoffen, dass wir etwas gesät haben und das bald etwas entstehen wird“

BURNING BEASTS von Claudia Bosse

Die Rhein-Main-Linie ist in der Perisphere noch nicht nahtlos und der Informationsfluss manchmal zäh. Es ist schon zwei Wochen her, als die Regisseurin und Künstlerin Claudia Bosse ihre langatmige Performance Burning Beasts vor dem Frankfurter Kunstverein veranstaltete. Die Ingredienten der lauten und zerstörerischen Aktion: 10 Autowracks, 40 Lautsprecher, eine Handvoll schreienden und gestikulierenden Performers in Astronauten-Pyjamas und der beschauliche Fußgängerweg zwischen dem Rathaus Römer und dem Kaiserdom. Unsere Frau vor Ort hat sich der Gefahr ausgesetzt.

Ein Bildbeitrag von Havva Erdem (Frankfurt a. Main)

Burning Beasts erkundet im öffentlichen Raum die Grenzen und Ikonen der Überschreitung öffentlicher Ordnung. Was ist zu tun angesichts der weltweiten Unsicherheiten über die politische und gesellschaftliche Zukunft? Die Stimme erheben? Kollektiv das Sprechen verweigern? Oder brennende Biester sprechen lassen? Burning Beasts ist eine temporäre performative Installation im öffentlichen Raum Frankfurts.

Während eines Aktionszeitraums (13. – 18. Februar 2012) entsteht im öffentlichen Raum zwischen Dom und Römer eine performative Installation bestehend aus 10 Autokörpern und 40 Lautsprechern. Die Autos werden bearbeitet, verändert, verformt. Über die auf den Autos installierten Lautsprecher sind Interviews über Demokratie und Freiheit sowie Musik zu hören.

“Die für das Ausstellungsprojekt ‘Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen’ entwickelte performative Installation ‘Burning Beasts’ tritt in einen Dialog mit dem öffentlichen Raum und verhandelt dort Vorstellungen von Demokratie, Besitz und Freiheit. Anhand des Bildes zerstörter Autos, das sich als Symbol für den Angriff auf die Sicherheit, Mobilität und Selbstbestimmtheit des Einzelnen in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt hat, untersucht Bosse die Grenzen und Ikonen der Störung öffentlicher Ordnung. Die Wracks schreiben sich in die städtische Struktur ein, stören die bestehende Stadtlandschaft und befragen die Bedingungen der öffentlicher Ordnung: Was ist zu tun angesichts der weltweiten Unsicherheiten über die politische und gesellschaftliche Zukunft? Die Stimme erheben? Kollektiv das Sprechen verweigern? Oder ‘brennende Biester’ sprechen lassen?” (Frankfurter Kunstverein).

single-club: Die Februar-Session

Vom Keller einer albanischen Kneipe am Worringer Platz zur ersten Hausnummer auf der Kö: Der Sprung, den Alexander Wissel mit seiner Single-Club gewagt hat, hätte kaum größer sein können. Nach dem Verdruss mit dem Ordnungsamt im letzten Jahr, hat sich das skulpturale Konzept in einem Wanderprojekt verwandelt und okkupierte am vergangenen Samstag die Attic, jene von den craaazy Party-People bekannte Adresse mitten in der Stadt. Dort stammte Wissel zusammen mit Frauke Dannert, Lukas Goersmeyer, Gesine Grundmann, Tomas Koester, Martin Pfeifle, Jan Vedder, Jan Wagner und Matthias Wollgast die exotische  Austattung im Schlaraffenland-Stil und ließ es von 20 bis 8 Uhr krachen. Ein Teil der produzierten Ausstattungsobjekte werden übrigens ab nächste Woche im MAP zu sehen sein, wo das Single-Museum in der Ausstellung „Am Rande der Kunst“ präsentiert wird – Eröffnung ist am 3.3.  (keine Panik; wir werden schon berichten).

ein Bildbeitrag von Sirin Simsek

 

Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper im Nachtfoyer – zum nachhören

Am vergangenen Donnerstag fand in der Kunsthalle Düsseldorf die Präsentation des Buchs Kunst einer anderen Stadt von Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper statt. Erstere ist Künstlerin, die zweite Autorin und Kuratorin und beide führten zwischen 2009 und 2011 ein groß angelegtes Projekt im Rahmen der IBA in Hamburg durch.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die IBA hat sich vorgenommen, die Stadtentwicklung voran zu bringen und die südlichen Gebieten mit neuen, ökologisch und sozial sinnvollen Konzepten zu erschließen (der Erweiterungsplan läuft unter dem medialen Codename „Sprung über die Elbe“ und klingt für einige kritische Geister ein wenig wie die Überschreitung des Rubikon). Dabei sollen bisher verwaiste Stadtteile wie Wilhelmsburg und Veddel gründlich rehabilitiert und in die sich profilierende Metropole integriert werden.

Während die übrigen Akteure der IBA sich in unzähligen Ausstellungen und Podiumsdiskussionen über das Hamburg der Zukunft unterhielten, realisierten Knobloch und Vorkoeper eine Kunstplattform, die die gesamte Veranstaltung begleitete und den Blick des Rezipienten auf Felder lenkte, die von der IBA-Maschinerie nicht berücksichtigt wurden. Jenseits von reinen hanseatischen Ausweitungsansprüchen wurde zudem eine grundsätzliche Reflexion zur Rolle der Kunst in der Stadt angestachelt und damit eine Meta-Perspektive geöffnet.

„Kunst einer anderen Stadt fokussiert deshalb auch weniger auf Kunst und Stadtentwicklung, ohne das Feld auszuklammern, dafür mehr auf den gesamten Handlungsraum bzw. das Handlungsgefüge Kunst in der sich wandelnden Stadt, das dank der IBA über mehrere Jahre beobachtet, erprobt und reflektiert werden konnte. Der Band zeichnet die Bedingungen und die sozialen wie kulturellen Bedeutungen nach, die bildende Kunst und Bildung durch Kunst im benachteiligten Randgebiet ebenso wie in wie in der ganzen, sich vielfach verändernden Stadt, mithin in einer sich verändernden demokratischen Gesellschaft zu übernehmen vermag.“ (Knobloch / Vorkoeper aus dem Vorwort der Publikation).

Im Vorfeld hatten wir auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht. Nun ist – dank der freundlichen Mitwirkung von Frauke Berg –  die Buchpräsentation in voller Länge zu hören.

Nachtfoyer am 14.02.2012 in der Kunsthalle Düsseldorf

[audio:http://www.perisphere.de/wp-content/sounds/nachtfoyer-14_02_2012-kunst_einer_anderen_stadt.mp3]

Wenn Sie diese Aufnahme nicht über unsere Webseite hören wollen, können sie diese gerne herunter laden. Das mp3-file steht unter der Creative Commons License CC BY-NC 2.0 zum Download bereit.

nachtfoyer – kunst einer anderen stadt.mp3

.wav – We are visual in der Galerie im Gängeviertel

Das Hamburger Trio .wav stellte im Oktober 2011 in der Galerie im Herzen des Gängeviertels aus.

Aus der Galerie auf die Straße

We are visual, abgekürzt .wav, ist ein in Hamburg ansässiges Künstlertrio, das vor allem Arbeiten im öffentlichen Raum realisiert. Brent Dahl, Felix Jung und Marc Einsiedel arbeiten dabei gerne mit vorgefundenem Material oder intervenieren ungefragt im Stadtraum.

Im Unterschied zu vielen ihrer Kollegen aus dem Streetart und Graffitibereich arbeiten die Drei nicht im Schutz der Nacht, sondern sind fast immer tagsüber aktiv. Anstelle der Strategie der Tarnung bevorzugen Sie die Täuschung, so sperren Sie ihr Arbeitsgebiet mit Hilfe von Pylonen fachgerecht ab und arbeiten in der knallorangefarbenen Schutzkleidung von Straßenarbeitern für jeden gut sichtbar – und bleiben damit in ihren Absichten doch (meistens) unbemerkt.
Auf diese Weise entstehen einfache und witzige Eingriffe wie surREAL, am Alten Rindermarkt in Hamburg oder Touristosaurus in der Hamburger Hafencity, die dann zum Glück für all diejenigen, die nicht zufällig dabei sind, als Video dokumentiert werden.

surREAL am Alten Rindermakt

Ausstellung in der Galerie im Gängeviertel

Neben ihrem Enagagement im öffentlichen Stadtraum betreiben sie seit einiger Zeit eine Galerie im Gängeviertel, in dem sie vorzugsweise junge Hamburger Künstler zeigen. Im Oktober 2011 haben die Drei dann den Ort genutzt um dort zum ersten Mal Ihre eigenen Arbeiten zu präsentieren. Unter dem Titel Materialstudien waren dort Werkstudien zu sehen, welche dann später als skulpturale Eingriffe final auf der Straße installiert wurden. Der Weg geht hier also nicht von der Straße in den Ausstellungsraum, wie so oft in der aktuellen Streetart zu beobachten, sondern zur Abwechslung einmal in die umgekehrte Richtung.

Teil der Ausstellung waren unter anderem eine aus Absperrmaterialien gefertigte Bank sowie eine Skulptur mit dem Titel der Baum. Beide Arbeiten wurden mittlerweile in Hamburg ausgesetzt.

Die Bank als Studie in der Ausstellung

Die Bank als Exponat ausgesetzt in Hamburg

Der Baum - die Studie


Der Baum wir ausgesetzt

Weitere Bilder und Infos gibt es bei den Kollegen von rebel:art und urbanshit.
Mehr Informationen zu .WAV und Videos ihrer Aktionen unter www.wearevisual.org.

Cage-Performance in der Kunstakademie Düsseldorf

Im September 2012 wäre John Cage 100 Jahre alt geworden. Der Komponist, der eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Neuen Musik gespielt hat, wirkte im Kreis der Fluxus-Bewegung und war eng befreundet mit Joseph Beuys und Nam June Paik, beide Professoren der Kunstakademie. Einige seiner Stücke wurden Zeit seines Lebens in Düsseldorf aufgeführt und so ist es nur konsequent, dass im Rahmen dieses Jubiläums eine verstärkte Beschäftigung mit seinem Werk in dieser Stadt stattfindet.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)
Fotos: Sirin Simsek


Vor den drei Konzert-Performances, die im November dieses Jahres noch aufgeführt werden, gab es während des Rundgangs der Düsseldorfer Kunstakademie ein kleines Vorspiel, dirigiert von Roland Techet, Kapellmeister an der hiesigen Oper, und gespielt von ca. 10 Akademie-Studenten. Das Stück wurde am 12.2. in der Aula präsentiert und hat manche Nostalgiker an die glorreichen Stunden des Hauses in den 1970er Jahren erinnert, als Paik, Beuys oder Vostell auf der Bühne standen…


Wie Herbert Willems, Assistent von Tony Cragg in der Kunstakademie und aktiver Performance-Teilnehmer, erzählte, begann die Aufführung mit einer Aktion, in der alle Solisten Steine auf dem Fußboden rieben. Zehn Minuten lang. Nach dieser Einleitung hatte bereits eine natürliche Auslese stattgefunden; die Hälfte des Publikums hatte den Saal verlassen und suchte eine seichtere Unterhaltung woanders. In der Folge wurden unterschiedliche Bewegungsabläufe nach einem bestimmten, für den Zuschauer nicht nachvollziehbaren Takt, gespielt. Mehr oder minder kurze, immer abgeschlossene Gesten wurden von den Solisten „vorgetragen“; eine Bohrmaschine, ein Trommelfell und diverse Utensilien kamen dabei ins Spiel. Nach der Anweisung von Roland Techet sollte aus dem Gesamtstück weder Harmonie noch repetitive Struktur zu erkennen sein.


Zwischen den jeweiligen Solisten- oder Gruppenauftritten wurde noch Wassermusik (also: die Aufnahme von Wassergeräuschen) aufgeführt und Techet spielte noch vier Klavierstücke, begleitet von Videos der Studenten. Zum Schluss der 50-minutigen Performance wurden Öl und Wasser als Klangerzeuger eingesetzt und das Publikum beim Geräusch von geriebenen Steinen auf dem Boden entlassen.


Dieser Performance vorausgegangen war ein Workshop, bei dem Techet die Teilnehmer in die Kunst der Komposition kurz einführte und dabei die besondere Herangehensweise von John Cage verdeutlichte. Das Stück, das aus dem Songbook entnommen ist, besteht nämlich aus einer Zahlenreihe, die zwar einen Rhythmus vorgibt, aber den Inhalt der Aufführung vollständig frei lässt. Die während des Stücks variierten Gesten und Bewegungen sowie die Instrumentenwahl wurden von den jeweiligen Solisten selbst festgelegt. Diese kontrollierte Freiheit (wie gesagt: der Takt war vorgegeben) konfrontierte sowohl Publikum als auch Performer mit der plastischen Qualität von Gesten, mit der Interdependenz von Bestimmung und Zufall und mit dem Konzept der Leere oder der Stille, das in den Kompositionen von John Cage eine so große Bedeutung bekam.

RUNDGANG 2012 der STÄDELSCHULE in Frankfurt a. Main

Wir spinnen weiter an unserem Kunstnetz. Und blicken nach dem ausgedehnten Gang durch die Düsseldorfer Kunstakademie auf eine weitere,  ehrwürdige Bildunsganstalt der Kunst: die Städelschule in Frankfurt. Die deutlich kleinere Schule (in Düsseldorf dürfen sich fast vier Mal mehr Protokünstler als in Frankfurt tummeln) macht kein Spektakel aus ihrer Studentenpräsentation und geht sachlicher mit dem Ereignis um – das spricht für die Mainmetropole. Vor Ort war die Künstlerin Havva Erdem, eine Bekannte dieses Blogmagazins.

 

Ein Bildbeitrag von Havva Erdem (Frankfurt a. Main)

 

Simon Speiser

Amr Al Janadi

Seth Pick

Othmar Farré

Giovanni Sortino

Giovanni Sortino

Joakim Martinussen

Eloise Hauser

Letizia Calori & Violette Maillard

Letizia Calori & Violette Maillard

vorne: Eloise Hauser; hinten: Hanna-Maria Hammari

Martin Wenzel

Moritz Grimm

Othmar Farré

Florian Auer

Benedikte Bjerre

Filippa Pettersson

Filippa Pettersson

Benedikte Bjerre

Christin Berg

Christin Berg

Ian Edmonds

Jonas Weichsel

Moritz Grimm

Florian Auer

Florian Auer

Mark Walker

Eloise Hauser

Eloise Hauser

Florian Auer

Florian Auer

Lennart Constant

Leda Bourgogne

Luzie Hanna & Karolina Meyer

Luzie Hanna & Karolina Meyer

Luzie Hanna & Karolina Meyer

Anna-Lisa Theisen

Ana Vogelfang

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Marcello Spada

Rahel Flink

Bianca Baldi

Lina Katan

Rasmus Sondergaard Johannsen

Hannes Michanek

Hannes Michanek

„Kunst einer anderen Stadt“ – Buchpräsentation im Nachtfoyer (Kunsthalle Düsseldorf)

Kunst im öffentlichen Raum ist angesagt. Für die einen ist sie Marketingartikel und Integrationswerkzeug, für die anderen Gegenkultur und Interventionsmittel.  Die Akademie einer anderen Stadt, Kunstplattform der IBA Hamburg von 2009 bis 2011, hat sich mit den Veränderungen der urbanen Gesellschaft auseinandergesetzt und  Kunstprozesse quer durch Stadträume und Institutionen initiiert, die einfache Oppositionen und Verwertungserwartungen unterlaufen. In der Publikation „Kunst einer anderen Stadt“ können sie nacherlebt und reflektiert werden.
Buchvorstellung, Screening und Gespräch zwischen Katja Aßmann (Essen), Ute Vorkoeper (Hamburg) und Andrea Knobloch (Düsseldorf), moderiert von Gregor Jansen (Kunsthalle Düsseldorf)
Dienstag, 14.02.2012, 20 – 23 Uhr
Kunsthalle Düsseldorf | Grabbeplatz 4 | D-40213 Düsseldorf
Eintritt und Räucherfisch aus Hamburg-Wilhelmsburg: 2 Euro

Kunst einer anderen Stadt / Art of Another City, 2012
Ute Vorkoeper / Andrea Knobloch (Hg.)
288 Seiten, 21 x 28 cm, deutsch/englisch, mit zahlr. farb. Abbildungen
Hardcover, Leinenband, 38,- EUR. jovis Verlag Berlin
ISBN 978-3-86859-119-4, Essays von Yvonne P. Doderer, Uli Hellweg, Andrea Knobloch,
Michaela Ott, Ute Vorkoeper, Tanja Wetzel, Gesa Ziemer
http://www.mitwisser.net/system/category/2011/kunst_einer_anderen_stadt

RUNDGANG DER KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF 2012 – Teil III: Sirin Simsek

Tag 2 des Rundgangs: Mittlerweile hängt alles wie es hängen soll. Während der letzte Müll entfernt wird, werden die ersten Prüfungen absolviert. Es läuft alles so schmerzlos und unspektakulär, so schnell. Das Haus ist voll und warm, ein klares Licht dringt hinein und die Volumen sind noch überschaubar. Die ganze Aufregung verflüchtigt sich allmählich. Die besonders forsche Fraktion der Studentenschaft hat schon einen Kater von der gestrigen Eröffnung und kultiviert ihn ostentativ. Hysterische Gelächter in den Gängen; warme Umarmungen und kalter Prosecco am frühen Morgen; benebelte aber selbstbewusste Blicke, die offensichtlich einstudiert wurden. Es ist der besonnenste Tag des gesamten Rundgangs. In 24 Stunden stürmen die Massen das Gebäude an der Eiskellerstraße. Dann ist es nur noch komisches Theater am Tag, hektische Party in der Nacht. Wir werden es nicht erleben; wir konzentrieren uns auf die Arbeit. Die Fotografin Sirin Simsek hält für uns alles fest.

Bilder: Sirin Simsek

 

KLASSE MARTIN GOSTNER

Melike Kara

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RUNDGANG DER KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF 2012 – Teil II: Krischan’s Choice

Bevor die Bestandsaufnahme des diesjährigen Rundgangs fortgeführt wird, schieben wir eine feine Auswahl von Atmos von Christian Ahlborn (der übrigens das Titelbild des vorletzten Beitrags geliefert hatte). Der Autor und Fotograf liefert einen persönlichen Blick auf das kleine Ereignis in der Kunstakademie – die erste Reihe von Bilder wurde am Montag Vormittag realisiert, als der Rundgang noch nicht offiziell eröffnet war und die Präsentation teilweise noch nicht fertig stand; die zweite Bildfolge entstand während der regulären Öffnungszeit.

Bilder von Christian Ahlborn (Düsseldorf)

Teil 1: Vor dem (An-)Sturm

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Die Nordkaap Tour macht Station bei Jack in the Box

Das Projekt Nordkap tourt seit 2011 durch Europa und behandelt das Phänomen des Populismus. Nach München und Istanbul war das Projekt am 3. und 4.2. in Köln zu Gast, bevor es dann nach Lissabon und Budapest weiter geht. Gastgeber in Köln war JACK IN THE BOX, ein gemeinnütziger Verein für Entwicklung und Erprobung innovativer Modelle der Beschäftigungsförderung, mit Sitz auf der Brache des ehemaligen Güterbahnhofs Köln-Ehrenfeld. Weitere Infos dazu gibt es hier.

Die Infos zum Nordkap-Projekt selber befinden sich auf der Projektwebseite www.noordkaap.org.
Mit dabei sind:
Arturo Hernández Alcázar (Mexico City), Hans van den Ban (Amsterdam), Nada van Dalen (Dordrecht), Dan Dryer (Cologne), Foundland (Amsterdam), Fabian Hesse (Munich), Oliver Kunkel (Cologne), Daan den Houter (Rotterdam), Filippo Minelli (Brescia), Federico D’Orazio (Den Bosch/Bangkok) and Art van Triest (Utrecht).

Nordkaap in Köln
zu Gast bei JACK IN THE BOX,
Vogelsanger Straße 231,
50825 Köln-Ehrenfeld

3.2./4.2.2012

http://www.noordkaap.org

RUNDGANG DER KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF 2012 – Teil I: Bestandsaufnahme

Offiziell wird er am 8. Februar eröffnet. Wir waren aber schon da und haben das Ereignis wie im letzten Jahr dokumentiert. Gewissenhaft und methodisch, haben wir uns Klasse für Klasse durch die vier Ebenen der Düsseldorfer Kunstakademie gearbeitet und die Produktion der Kunstaspiranten fest gehalten. Dass es trotz unserer Vorliebe für die Systematik nicht alle studentische Arbeiten auf dieser Seite geschafft haben,  dürfte nicht überraschen – das Material ist so zahlreich, dass wir eine kleine Auswahl treffen mussten. Diese richtet sich übrigens nicht nach sachlich-qualitativen Kriterien sondern nach Bock drauf/kein Bock drauf. Dieses Jahr erhöhen wir jedenfalls den Takt, schießen mehr Bilder denn je und fügen sogar die Namen der Urheber dazu. Wer seine Arbeit (oder die eines Kollegen/Freundes) erkennt und dabei feststellt, dass der Name fehlt, kann sich bei uns melden und die Lücke füllen. Zu gewinnen ist ein ermäßigter Eintritt ins Fantasialand (gilt nur für Kinder unter 12 Jahren und nur bis zum 15. Februar).

Die Reihe beginnt heute mit Aufnahmen von Emmanuel Mir, exzellenter Redakteur aber mittelmäßiger Fotograf, und geht in den nächsten Tagen weiter.

 

KLASSE RITA MCBRIDE

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Gerhard Franken im Parkhaus Malkasten

Dass die kurz anberaumte und rasch durchgeführte Ausstellung von Gerhard Franken für Irritationen sorgt, liegt an der Natur seiner Arbeit, bzw. seiner Disziplin. In einem Ort, in dem ausschließlich künstlerische Positionen ausgestellt werden, hat der Objektdesigner seinen letzten Kreationen präsentiert und damit bewiesen, dass die in Deutschland so konsequent durchgezogene Abschottung zwischen den Bereichen der Kunst und des Designs keine Fatalität ist.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die Irritation befällt vor allem den kunstaffinen und gut informierten Ausstellungsbesucher, der seit ein paar Jahren immer wieder mit Werken konfrontiert wird, die die Grenze zwischen freier und angewandter Kunst ausloten. Bildende Künstler wie Tobias Rehberger, Olaf Nicolai, Gerold Miller oder Erika Hock (die alle im Kunstbetrieb agieren und von dem Subsystem „Zeitgenössische Kunst“ anerkannt und legitimiert werden) streifen schon seit längerer Zeit an der Seitenlinie ihres Terrains und wagen Ausflügen in das Design-Feld. Ein Frevel.

Wenn man den kleinen Raum im Parkhaus betritt, glaubt man zunächst, mit einem diesen Spieler zu tun zu haben. Ist Gerhard Franken ein Künstler, der den Disziplinmix sucht? Hier hat er jedenfalls zahlreiche Stehlampen und außergewöhnlich geformte Glasflaschen auf dem Boden ausgebreitet, zwei Holzmodule dazwischen gestellt und Leuchten an die Decke gehangen. Angesichts der gelungenen Raumokkupation und der skulpturalen Gesamtwirkung, denkt man also an eine Installation, die die erlesene Sphäre des Designs aufgreifen würde. Wenn man die weichen, organisch-abstrakten und taktil ansprechenden Formen genossen hat, sucht man die Ironie, die Dekonstruktion, die Kritik oder das Zitat – aber nichts dergleichen ist hier zu finden.

Dass es sich im weitesten Sinne um eine Produktpräsentation und nicht um eine Kunstausstellung (der kategoriale Unterschied ist m. E. sowieso sehr dünn) handelt, versteht man erst, wenn man die Preisliste entdeckt hat. Die Sideboards Rag Bon und die Dong-Lampen sind seriell angefertigte Gebrauchsgegenstände, die einzeln gekauft werden können. Die Farbpalette ist dekorativ motiviert – und nicht expressiv. Wenn du auf den Knopf drückst, geht das Ding an. Anfassen darf man. Ja, aus der Flasche lässt sich hervorragend trinken. Also: es ist keine Kunst. Danke für die unnötige Information.


Gerhard Franken hat Produktdesign in Arnheim studiert. Dies erklärt möglicherweise seine Nähe zur Bildenden Kunst. Das dutch design, erzählte er mir, sei viel offener, spielerischer und freier als das deutsche, das seinerseits sehr industriell geprägt ist. Während deutsche Designer sich auf Normen und Massenproduktion konzentrieren, gehen die Niederländer persönlicher und fantasiereicher an ihre Objekte heran. Die Beziehung zwischen Produktdesign und Kunst erweist sich dadurch als porös – und dies ist in der Arbeit von Franken deutlich sichtbar. Hier wird zwar Vielfalt angeboten, aber die Produktlinie bleibt homogen und die Handschrift des Schöpfers ist sofort erkennbar. Die Lampen aus Aluminium, die teilweise sandgestrahlt und eloxiert werden, sind wie kleine Lichtskulpturen mit einem unleugbaren Retro-Touch. Die Sideboards wirken ihrerseits strenger und sind in ihrer Funktion offen: Die universellen Ablagen, die Neo-Neo-Geo-Skulpturen evozieren, passen sich jeder Fantasie des Verbrauchers an.


Franken, der bald einen Lokal in Bilk eröffnen wird („Bonjour tristesse“) erwähnte die Schwierigkeiten, seine Arbeit in der Kunststadt  zu präsentieren. Karl Heinz Rummeny hatte den Ausstellungsvorschlag wohlwollend akzeptiert und sich zugleich davon distanziert – die Produkte eines Designers passten nicht in sein Programm. Der Verantwortliche des Parkhaus musste jedoch ein wenig Überzeugungsarbeit bei dem Malkasten-Vorstand leisten, denn die Künstlerschaft zeigte sich sehr zurückhaltend und fand Frankens Projekt einfach „zu kommerziell“. So porös wie in den Niederlanden sind die Grenzen zwischen Kunst und Design hierzulande nicht.

Bonjour Tristesse – Formgebung
im Parkhaus Malkasten
22-29.1.2012
Sonntags v. 15-19 Uhr
Bei vimeo ist auch ein Film zu sehen.

KNAPP DANEBEN IST AUCH VORBEI in der Walzwerkstraße

Hat der einsame, selbstbezogene und allmächtige Kuratorenheld ausgedient? Spätestens seit der Manifesta 8 hat sich das Kuratorenkollektiv in der freien Kunstszene etabliert. Die Veranstaltung in Murcia hatte letztes Jahr drei verschiedene Kuratorengruppen eingeladen, mit dialogischen und nicht-autoritären Ausstellungsformen zu experimentieren. In Düsseldorf werden kleinere Brötchen gebacken – immerhin ist die aktuelle Ausstellung im Untergeschoss der Sammlung Philara von einem Kuratorinnenduo konzipiert worden: Stefanie Ippendorf und Claudia Jansen.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die zwei Damen, die unter dem Label „Die Ausstellungsmacherinnen“ auftreten, haben für ihre erste gemeinsame Show einen schönen, griffigen Titel gefunden. „Knapp daneben ist auch vorbei“ heißt die Präsentation der sechs Positionen im White Cube der Philara. Dank ihrer Kontakte in Düsseldorf und Berlin haben es Ippendorf und Jansen geschafft,  einige, bekannte Namen wie John Bock und Achim Duchow oder aufsteigende Nachwuchskünstler wie Jan Brokof zu gewinnen. Sie haben eine kompakte und gleichzeitig klare Ausstellung geliefert, die, wie der Titel erahnen lässt, die Thematik des Scheiterns verarbeitet.

Die Präsentation eröffnet mit Jan Brokof, der im letzten Jahr im Museum Folkwang aufgefallen war und sich mit DDR-Motiven auseinandersetzt. Mit z. T. monumentalen Holzdruck-Arbeiten rekonstruierte er bisher die subjektiv erlebte Volksdemokratie und untersuchte Aspekte ihrer populären Kultur. Hier tritt er kürzer und liefert eine Wand voller übermalter Druckerzeugnisse. Es handelt sich um Titelblätter aus der Berliner Boulevardpresse, die die alten Ost-West-Ressentiments aufrecht erhalten („Kein Job, weil sie Ossi ist“; „Viele Wessis sind dumm und arrogant“).

Jan Brokof: Ostern/Western (2009-2011)

 

Die Stereotypen des netten, aber unbeholfenen Loser-Ossis treffen da auf die Stereotypen des arroganten und herzlosen Winner-Wessis. In diesem Tagebuch der gewöhnlichen deutsch-deutschen Dumpfheit hat Brokof die Blätter übermalt und damit die Aussagen unterstrichen.

Shahram Entekhabi

Unmittelbar neben Brokoff laufen drei Videomonitoren mit Arbeiten von Shahram Entekhabi. Der gebürtige Iraner tummelt sich seit Jahren in Berlin und spielt dort mit den Klischees, die an seiner verdächtigend orientalisch wirkenden Gestalt hängen. In seinen Aktionen auf offener Straßen, in denen er als Islamist in voller Montur erscheint (mit obligatorischem Bart, Hut und Rosenkranz), irritiert Entekhabi zeitweise die Berliner Geschäftigkeit.

Shahram Entekhabi: Miguel (2005) Bild: Entekhabi

Obwohl der gute Mann eigentlich nichts anderes tut als herumzustehen (vielleicht aber gerade deshalb) erntet er misstrauische Blicke und leicht besorgte Mienen. Die versteckte Kamera, die das lakonische und leicht desorientierte Umherschweifen des Künstlers registriert, entlarvt ebenso die sanfte Hysterie seiner Nachbarn.

Petra Warrass: o.T. (2001-2004). Bild: P. Warrass

Die konzeptuellen Fotografien von Petra Warrass sind die Enttäuschung der Ausstellung. Die Serie „Da sitz ich so, ganz harmlos“ zeigt Bilder von stolpernden Frauen, kurz vor oder nach ihrer unsanften Landung. Die Modelle erinnern an unbeherrschte und hilflose Puppen, gesteuert von höheren physischen Gesetzen. Aber weil sie gestellt sind (und zwar ziemlich schlecht), wirken die Aufnahmen undynamisch und spannungsfrei, und liefern der Thematik des Scheiterns eine ziemlich platte Illustrierung. Die Inszenierung des Sturzes ist so fadenscheinig, dass man einen konzeptuellen Hintergrund vermutet – möglicherweise ebenso verborgen und nebulös wie das Konzept der benachbarten Serie „Wir sind die anderen“, das unnötig verklausuliert und schlicht unlesbar daherkommt.

Vlado Velkov: How to Make an H-Bomb (2007)

Gegenüber der Arbeiten von Warass entdeckt man die Installation von Vlado Velkov. Diese besteht aus einer Anleitung zum Bau einer Atombombe, die den bulgarischen Künstler im Internet gefunden und akribisch kopiert hat. Dazu ein paar Gegenstände und Stoffen, die für die Bastelaktion notwendig sind, und eine große Plastik, die an einem überdimensionalen Schwamm oder eine Wolke erinnert – und eigentlich ein umgedrehter Atompilz sein soll. Dass Velkov den Betrachter in die verbotene und gefährliche Welt des Terrorismus auf konkreter Weise transportieren will und mit der (wenn auch hypothetischen) Realität der Bedrohung spielt, ist klar. Was seine skulpturale Geste in diesem Kontext aber bedeutet, lässt sich nicht auf Anhieb erschließen.

John Bock: Skipholt (2005)

In einem separaten Raum wird John Bocks Skipholt projiziert. In diesem in Island realisierten Film verwandelt sich der Performer in einen abgedrehten Alexander von Humboldt auf Forschungsreise, der, nachdem er auf einer verlassenen Insel gelandet ist, skurrile Bemessungen und pseudowissenschaftliche Experimente durchführt. Diese Parodie der modernen Entdeckungs- und Eroberungsreise, allein getragen von der ausgedehnten Performance von Bock, der, wie gewohnt, den Betrachter  in seine selbstreferenzielle und geschlossene Welt mitzieht, ist köstlich und an sich Grund genug, nach Reisholz zu fahren.

Achim Duchow

Schließlich muss noch Achim Duchow erwähnt werden. Der früh verstorbene Assistent von Sigmar Polke, unverständlicherweise in Vergessenheit geraten, ist mit zwei Bildern und einer kleinen Installation vertreten, die alle Merkmale seiner Kunst tragen: Ironie, Humor und Eklektizismus. Seine kritischen und bissigen Kommentare der Kunstwelt, seine assoziative Herangehensweise und seine Vorliebe für Form- und Ideenrecycling sind postmoderne Zeugen aus einer anderen Zeit, die im Rahmen dieser Ausstellung keineswegs deplatziert und noch weniger datiert wirken. Ein guter Griff!

Die Ausstellung ist schnell erfasst; die Positionen in der Regel flüssig und logisch artikuliert – und die weniger nachvollziehbaren Übergänge bieten einen guten Rhythmuswechsel. Aber die solide kuratorische Arbeit bewirkt letztendlich keine große Überraschung. Und lässt eine tiefergehende und originelle Auseinandersetzung mit dem Thema vermissen. Abgesehen von der Tatsache, dass manche Arbeiten (z.B. die von Bock oder Velkov) keine offensichtliche Verbindung zum Sujet unterhalten, ist Ippendorfs und Jansens Auffassung des Scheiterns von ironischen, grotesken und/oder absurden Momenten beherrscht. Die existentiellen, tragischen Aspekte des Misserfolges treten hier nie direkt zum Vorschein und der enge Bezug des Scheiterns zur kreativen Produktion (das Scheitern als Grundbedingung des Erfolgs, als notwendige Etappe im Prozess des Suchens) wird nie angerissen. Der Titel gibt den Ton an: Es ist eine gute-Laune-Ausstellung, die sich auf unbekümmerte und leichte Weise an einem schwerwiegenden Sujet nähert. Eine kuratorische Entscheidung, die zumindest klar und bewusst getroffen wurde.

Claudia Jansen und Stefanie Ippendorf

Knapp daneben ist auch vorbei bei Philara
Philara Sammlung Zeitgenössischer Kunst
Walzwerkstraße 14, Düsseldorf-Reisholz
14.01.2012–29.01.2012
knappdanebenistauchvorbei

Zachary Formwalt bei Volker Bradtke

Nachdem das Trio des Künstlerprojektes Volker Bradtke gezwungen wurde, seinen Show-Room auf der Birkenstraße zu räumen, hat es 300 Meter weiter auf der gleichen Straße einen neuen Laden gefunden. In diesem kleineren und klareren Rahmen haben sich die Ausstellungsmodule von Christian Odzuk erübrigt; die erste Ausstellung am neuen Standort kommt mit den originalen Wänden zu Recht.


von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

© Bild: Zachary Formwalt

Und erneut handelt es sich um eine konzeptuelle Position. Der US-Amerikaner Zachary Formwalt, der bisher einige, wenige Ausstellungen in Italien, den USA und der Schweiz hatte, beschäftigt sich in seinen Video- und Fotoarbeiten mit den langfristigen, meistens unsichtbaren Mechanismen und Folgen des Kapitalismus. Er betrachtet dabei die aktuellsten Entwicklungen in der Weltwirtschaft, registriert ihre Auswirkungen auf den Feldern der Technik und der Kultur und verbindet seine Beobachtungen mit Lektüren von Karl Marx oder von Klassikern der Fotogeschichte.

© Bild: Zachary Formwalt

Bei Volker Bradtke zeigt er Unsupported Transit, eine 14-minutige Videoarbeit, die in Shenzhen gedreht wurde. Die Stadt bekam Anfang der 1980er Jahre den Status einer Sonderwirtschaftszone und hat sich seitdem zu einer der dynamischsten Metropolen Asiens entwickelt. Sie zieht Investoren aus der ganzen Welt an und gilt als die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in China. Von Shenzhen ist aber wahrlich wenig zu sehen in Formwalts Arbeit. Diese Megalopole gewordene Utopie des entfesselten Neoliberalismus, die Milton Friedman und seine Anhänger in Entzückung versetzt haben muss, ist bloß die Hintergrundinformation des Videos. Sie dient als semantische Kulisse, als symbolträchtiges Bühnenbild eines kurzen Monologs, verfasst und gelesen vom Künstler.

© Bild: Zachary Formwalt

In diesem Text geht Formwalt zunächst auf die klassische Anekdote zum Fotografie-Pionier Edward Muybridge ein, als dieser 1872 beauftragt wurde, ein galoppierendes Pferd aufzunehmen. Dank eines Spezialverfahrens erbrachten Muybridges Bilder den Beweis, dass die These des sog. „unsupported transit“ stimmte, also dass ein galoppierendes Pferd zeitweise kein Bodenkontakt besitzt und sich im Schwebezustand befindet. Muybridge war es gelungen, den ansonsten unsichtbaren Abschnitt eines Bewegungsablaufs fest zu halten und die Dynamik einer Vorwärtsentwicklung, die die Fähigkeiten menschlicher Augen übersteigt, einzufrieren. Sein Auftraggeber, der Railroad-Tycoon Leland Stanford, hätte neben dem Bild des trabenden Pferdes gern noch ein zweites gehabt. Es sollte ein Foto werden, auf dem man Züge sehen würde, beladen mit Gold und Silber aus allen Minen des Landes und in alle Himmelsrichtungen zirkulierend; weiterhin der Golden Gate,  Handelsschiffe auf ihrem Weg nach Asien und die große kommerzielle Flotte Amerikas in indischen Gewässer. Also: Die fantastische Vision eines Kapitalisten, der die Welt zu einer reinen Plattform des entgrenzten Austausches macht. Dass ein Bild dieser kosmogonischen Ausmaße (das übrigens die Alexanderschlacht von Altdorfer evoziert) damals nicht machbar war – auch nicht für Muybridge – spricht von selbst. Die Sehnsucht einer Visualisierung der Warenströme war jedenfalls formuliert.

© Bild: Zachary Formwalt

Beinah zeitgleich mit der Entwicklung von Muybridges fotografischen Verfahrens, bemerkte Friedrich Engels im Vorwort einer Ausgabe des Kapitals von Karl Marx, dass das Gesicht  des Kapitalismus sich verändert hatte. Die Bewegung von Kapital auf den Weltmärkten war wichtiger als die Produktion von Ware geworden. Geld generierte Geld und damit verlor der Kapitalismus an Sichtbarkeit und Erfahrbarkeit. Die Fotografie war also in der Lage, physische Phänomene in ihrer Dynamik zu fixieren; die Dynamik des Kapitalismus entging ihr allerdings vollständig. Die Videoaufnahmen von Zachary Formwalt, die den Bau der neuen Börse in Shenzhen im Zeitraffer (eine Technik, die übrigens von einem Bankangestellten kurz nach dem Krach von 1929 entwickelt wurde) zeigen, knüpfen an diesen Punkt an. Die lange Belichtungszeit lässt die Arbeiter, die an der Errichtung der kolossalen Börse beteiligt sind, wie gespenstige Wesen erscheinen. Transparente und substanzlose Schatten, die keine Spuren hinterlassen werden. In einer Metapher der Immaterialität und der Unsichtbarkeit bringt Formwalt die Reflexion über die Geschichte seines bevorzugten Mediums mit Tendenzen der herrschenden wirtschaftlichen Ordnung zusammen. Er kommentiert nicht, moralisiert noch weniger, sondern webt interessante (z.T. auch ein wenig weit hergeholten) Verknüpfungen zwischen heterogenen Erscheinungen.

© Bild: Zachary Formwalt

Trotz ihres konzeptuellen und gar gelehrten Charakters, bleibt die Arbeit sinnlich anspruchsvoll und dies dank der makellosen Bilder von Formwalt und ihren langsam-melancholischen Rhythmen. Gewiss handelt es sich hier um ein Video, das einiges vom Betrachter fordert und, um die komplexen und intellektuellen Zusammenhänge zu begreifen, eine Beherrschung des Englischen voraussetzt – was die mäßige Akustik übrigens erschwert. Man kann froh und dankbar sein, dass Volker Bradtke Zachary Formwalt nach Düsseldorf geholt hat. Eine zweite oder dritte Arbeit auszustellen hätte aber ermöglicht, tiefer in das Gedankengut eines durchaus interessanten Künstlers einzutauchen. Mit diesem einzigen Statement kommt man ein wenig zu kurz.

 
 
Zachary Formwalt bei Volker Bradtke
Birkenstr. 128, 40233 Düsseldorf
Ausstellung v. 10.12.2011-22.1.2012
geöffnet Samstags 14-18 Uhr

Gregor Gleiwitz und Seb Koberstädt im dok25a

Er wirkt als funktionierendes Glied zwischen Institutionen und junger Szene und stellt für die einen eine Entdeckungsplattform und für die anderen ein Sprungbrett dar: Der dok25a von Tabea Langenkamp und Andreas Schön, der sich der Vermittlung junger und wenig bekannter Künstler verschrieben hat, ist einer der wenigen Off-Spaces der Stadt, in dem Galeristen und Museumskuratoren regelmäßig verkehren. Dort treffen sie auf noch nicht etablierte, aber bereits profilierte Positionen, die sich einige Freiheiten erlauben können.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Wie gewohnt suchen Langenkamp und Schön die Reibung. Im großen, kahlen Doppelzimmer der Düsseldorfer Straße haben sie zwei sehr unterschiedliche Künstler zusammen gebracht. Der mittlerweile in Düsseldorf regelmäßig ausgestellte Bildhauer und Installationskünstler Seb Koberstädt und der Maler Gregor Gleiwitz aus Berlin, der für die aktuelle Präsentation eine Klangarbeit realisiert hat, begegnen sich zum ersten Mal. Zu eindringlich ist die Konfrontation jedoch nicht: Die klare und sehr luftige Hängung lässt jede Arbeit atmen und ermöglicht zugleich kühne Perspektive.

Auch wenn gegenständliche Momente kaum oder gar nicht darin vorkommen, versteht Gregor Gleiwitz seine Malerei nicht als Abstraktion. Doch sind in diesen großen Formaten, die, barjedes Keilrahmens, direkt an die Wand gehangen werden, keine anderen Spuren als die des Malers zu entdecken. Breite Farbflächen wechseln sich mit nervösen Strukturen ab; oberflächliche, leuchtende Farben mit matten, flüssigen und weichen Tiefen. Kein Motiv, kein Ikon, keine Geschichte ist sichtbar – wirklich nicht? Nicht im herkömmlichen Sinne. Aber Gleiwitz operiert mit einem Begriff der Gegenständlichkeit, der deutlich feiner ist, als der übliche. Es sind nämlich Überbleibsel von Gegenständlichkeit, die sich hier manifestieren.

Gregor Gleiwitz

Das Bildist bei Gleiwitz ein Ort der aktiven Erkenntnisgewinnung – auch wenn die Suche nach Erkenntnis selbst zum fundamentalen und vordergründigen Akt erklärt wird. Das Bild ist ein Experimentierfeld, auf dem Gesten und Gedanken, Handlungen und Ereignisse ausgetragen werden. In der Tradition der Informelle , die hier nicht ohne Ironie zitiert wird, wird ein Verhältnis zur Welt auf der Leinwand geklärt. Ohne Pathos, ohne unnötige Gestikulation, ohne Manifest. Deshalb ist die Malerei von Gleiwitz so durchsichtig. Sie zeigt alle Irrungen und Wirrungen eines Menschen, der, wie er selbst sagte, auf der Suche nach Sinn ist. Diese Suche wird in den Umgang mit dem Material und dem Stoff nachgegangen; während der künstlerischen Praxis bekommt die diffuse Frage des Künstlers einen Körper und formuliert sich allmählich. Letztendlich führen die ungestillte Neugier von Gleiwitz und sein Mut, sich bei der Suche bloß zu stellen, zu einem neuen Stück Malerei.

Diese Malerei kennt kein Kalkül, keine gezwungene Strategie. Diese Malerei offeriert kein selbstverliebtes Auspacken und bietet keine ausgefallene Selbstbehauptung an. Diese Malerei entflieht den Ritualen der Virtuosität und der spektakulären Demonstration. Diese Malerei erschwert die Identifikation und generiert keine Faszination. Möglicherweise wird der (passive) Betrachter seine Probleme mit einer Malerei haben, die Weg, Frage, Prozess und intime Entwicklungsarbeit ist – und nie Ziel, Behauptung, Produkt und universale Botschaft sein will. Diese Malerei ist von einer berührenden Ehrlichkeit geprägt. Sie ist glaubwürdig und, trotz ihrer Klugheit, frisch und jung.

Gregor Gleiwitz

Seb Koberstädt bricht seinerseits Strukturen um sie neu zu artikulieren, spielt mit der Modulationskraft jeder Form und sucht die Serie und die Wiederholung. Der Modus der Assemblage dominiert seine Arbeit, wobei er auf die kulturellen Reflexe des Betrachters offensichtlich eingeht und sie programmatisch verwirrt. In einer Persiflage der Hochkultur erbaut er einen absurden Totem aus Bierflaschen und Beton, der die Helden der Moderne und der Postmoderne heraufbeschwört (Brancusi als Säufer und Sol LeWitt als Bastler; Georg Herold hätte seinen Spaß daran gehabt) und sich gar zum funktionalen und avantgardistischen Kerzenhalter entpuppt. Statisch perfekt, symbolisch offen, ästhetisch fraglich (und vor allem: fragend). Der Leuchtturm realisiert jedenfalls die Verbindung von Boden und Decke – dank des Rußes der Kerze –  und stellt den Rezipient vor unlösbare Fragen: Darf ich lachen? Ist das schön? Ist es Ironie, Verarschung oder beides?

Seb Koberstädt; © Bild: Andreas Schön

Die Sprache scheint eine große Rolle in Kobertsädts Arbeit zu spielen. Allerdings wird sie in der aktuellen Präsentation zu ihrem grundsätzlichen Zustand reduziert: zu einem Baukasten aus Zeichen, die noch nichts bedeuten und auf ihren (semantisch) sinnvollen Zusammenbau warten. In einer Fotoserie, in der er selbst erscheint – mittlerweile eine übliche Strategie des Koberstädt, der sich mal als Statist, mal als Stillleben-Element inszeniert und dabei sich neben seiner Arbeit und zugleich mittendrin befindet – sitzt er bei einer Kiste Bier und ein paar Laminatmodulen, die jeweils in einer Buchstabenform zusammen geschustert wurden. 26 Bilder reihen sich an der Wand und bilden so das Alphabet nach. Am Anfang war das Wort; aber das Potenzial der Dinge lag da noch brach und alles schien möglich zu sein. Verbinden, zusammenfügen, anreihen, stapeln, kombinieren, etc. sind die Ur-Gesten des Bildhauers. An diesen unveränderlichen Ursprung der Plastik erinnert auch Seb Koberstädt.

Seb Koberstädt; © Bild: Andreas Schön

Gregor Gleiwitz und Seb Koberstädt
im dok25a
Düsseldofer Straße 25 a
40545 Düsseldorf
 

SILVESTER IM SINGLE CLUB

Im ehemaligen Kegelkeller einer albanischen Kneipe findet seit dem vergangenen Sommer ein Künstlerprojekt statt, das sich bereits zum aufregendsten Kunstevent der Stadt etabliert hat. In unmittelbarer Nähe des Worringer Platzes ist der single club der angesagteste Ort der jungen Düsseldorfer Kunstszene schlechthin, in dem wilde Partys mit Live-Acts zelebriert werden.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Zustand Oktober 2011: Wandverkleidung von Max Schulze, Relief von Katharina Maderthaner und Prints von Stephan Machac; © Bild: Max Schulze

Initiiert und organisiert ist das Ganze von Alexander Wissel, der zuvor bereits die Oktober-Bar am gleichen Standort geleitet hatte und die finsteren Räumlichkeiten seit Juni mit einem Mix aus Skulptur, Installation, Performance, Musik und Party animiert. Ein Mal pro Monat füllt sich plötzlich die ansonsten verwaiste Kneipe und eine exotische Fauna erobert das Terrain.

September 2011: Lichtobjekt von Andreas Breunig; © Bild: Rolf

Juli 2011: Wandgestaltung von Piet Hejden und Stanton Taylor; © Bild: Johannes Bendzulla

Es herrscht das Prinzip der unökonomischen Energieverschwendung: Jede Veranstaltung dauert 24 Stunden, jedes Mal wird die gesamte Raumausstattung von ein paar Künstlern neu gestaltet – und dabei wird ein Mordsaufwand für eine sehr kurzlebige Angelegenheit betrieben. Für diese knappe Zeit werden nicht nur die Räume (in manchmal wochenlangen Arbeit) redesigned, sondern Bands kurzfristig gegründet und Performances choreographiert. Am ersten Samstag des Monats heißt es dann in eine brandneue Welt eintauchen, ein neues Thema entdecken und sich auf die jeweilige Stimmung einlassen.

Juni 2011: Die Band „Weisser Westen“; Bild: Max Schulze

Das Projekt von Alex Wissel auf eine besonders coole und fetzige Party-Location für Künstler zu reduzieren wäre jedoch zu kurz gegriffen. Der Single Club ist eine Art soziale Skulptur (Jupp darf sich ruhig in seinem Grab umdrehen), ein work in progress mit vorprogrammierter Todeszeit und höchstem Partizipationsfaktor.

Juli: Toilettengestaltung von Max Frintrop; © Bild: M. Frintrop

Im Laufe des Abends und der Nacht verändert sich nämlich das liebevoll realisierte Bühnenbild mitsamt exklusiven Requisiten. Der Club ist kein fertiges Vergnügungspaket, das passiv konsumiert werden will, sondern eine große interaktive Skulptur, die ständig auf Außenwirkungen reagiert. Der Raum lebt und bebt, wird ständig umgeformt; im Feuer des Gefechtes wird es auch unabsichtlich ramponiert und zerteilt, zerfetzt, verdreckt.

November 2011: Kostüme von Sarah Jane Hoffmann, Stangen und Schaukel von Jan Albers, Bühne von Jasmin Reif; © Bild: Jan Albers

Oktober 2011: Bühne von Wanda Koller, Wandverkleidung von Max Schulze; © Bild: M. Schulze

Am nächsten Tag hebt Wissel die Reste auf und fügt sie zu seiner Sammlung. Es gibt ein Single Museum, das Dokumentationszentrum, Reliquienschau (Jupp, bitte noch ein Mal umdrehen) und expanded sculpture in einem ist. Aus Erlebnis, Schweiß, Spaß, Zeit und Formen verdichtet Wissel ein Raumarrangement, das, getarnt in einer Ausstellung, das Projekt in seine nächste Dimension führt. Die Schraube wird noch ein Mal gedreht; die Reflexion über künstlerische Arbeit, Partizipation, Autorschaft, Originalität und Illusion erreicht ein neues Niveau der Komplexität.

Genau ein Jahr lang soll das Experiment dauern. Im Juni 2012 wird der Single Club,  – diese mimetische Illusion eines Nachtlokals, die Nachtschwärmer in ahnungslose Teilnehmer einer riesigen künstlerischen Aktion verwandelt und trotzdem viel mehr als eine leere Kulisse anbietet – seine Türen zum letzten Mal öffnen. Dieser strenge zeitliche Rahmen (bei aller Gestaltungsfreiheit des restlichen Bildes) ist ein Hinweis auf den konzeptuellen Hintergrund des Projektes von Alexander Wissel.

September 2011: Toilettengestaltung von Congress; © Bild: Rolf

Silvesterparty im Single Club
 
im Bistro Agi, Ackerstr. 5
 
Eintritt: € 10,- (inkl. ein Glas albanischen Champagner). Es wird um Abendgarderobe gebeten.

September 2011: Wandverkleidung von Nadim Vardag, Vorhänge von Julian Feritsch, Instrumente von Congress/Scheisse, Getränkehalter: Thorsten Schneider; © Bild: Rolf

Florian Kuhlmann – Konfiguration 7 #Berlin

Vergangenes Wochenende war Florian Kuhlmann mit der Installation ‚Konfiguration 7‚ in der Abteilung für alles Andere in Berlin zu Gast. Kuhlmann präsentierte dort einen Snapshot seines Langszeitprojekts der ‚Commons Collages‚ an dem der Netz- und Medienkünstler seit etwas mehr als 6 Jahren arbeitet.
Die großformatigen, sakral anmutenden, digital erzeugten Bilder, die sich im Spannungsfeld zwischen Pop und Surrealismus bewegen, stellt der Künstler nach Fertigstellung stets zum freien Download ins Netz. Auf limitierte Editionen wird zu Gunsten einer unbegrenzten Reproduzierbarkeit bewusst verzichtet.
In der gezeigten ‚Konfiguration 7‘ waren die Bilder diesmal in einer vergleichsweise klassischen Präsentationsform als großformatige Prints zu sehen. In der Mitte des Raumes stand ein Sockel mit USB-Slot, der nach dem Einstecken eines USB-Sticks automatisch die Bilder der Ausstellung überspielte.

Ausführliche Infos zum Projekt und zur aktuellen ‚Konfiguration 7′ gibt es auf seiner Webseite. Im dort ebenfalls zu findenden Essay ‚Konfigurationsmöglichkeiten einer medialen Allmende‚ liefert Kuhlmann einen kurzen zeitlichen Abriß der gesamten Projektentwicklung.

Die Collagen als Print an den Wänden. In der Mitte zu sehen der Sockel mit USB-Slot.

Nach einstecken eines USB-Sticks wurden die Original-Bilddateien automatisch auf den Stick kopiert.

Abteilung für alles Andere
www.a-a-a.cc
Ackerstraße 18
10115 Berlin

#Köln Timothy Shearer – The End of Season – Oder zur aktuellen Ästhetik des Konsumismus II

Der gebürtige US-Amerikaner und in Köln lebende Künstler Timothy Shearer war Ende September mit einer Einzelausstellung in der Simultanhalle in Köln zu Gast. Unter dem etwas melancholischen, aber durchaus zeitgemäßen Titel ‚End of Season‘ inszenierte Shearer eine seiner fokussiertesten, zugleich leicht tragikomischen, Arbeiten.

Zeitnahe zum Ausstellungsprojekt ‚300′ von Mark Pepper und Thomas Woll präsentierte Shearer mit ‚The End of Season‘ eine Installation die sich ebenfalls mit einer Ästhetik der billigen Oberfläche beschäftigte. Abstrakte – einer vergangenen Avantgarde – entliehene Muster auf häßlichen Alltagsgegenständen – vor allem Kleidung – stehen im Zentrum dieser Arbeit. Ebenso wie bei Pepper und Woll geht es bei Shearer um ein Faszination an der billigen Trashkultur von Lidl, Aldi oder Kick, die mit zunehmender Prekasierung und dem langsamen verschwinden der Bürgerlichkeit, zu einem Massenphänomen wird, welches die engagierteren von uns mit Hilfe von H&M und Konsorten zu kaschieren suchen.

Eine Sammlung von Wegwerffeuerzeugen sind wie Schmetterlinge im Setzkasten ordentlich und sauber präsentiert. Der Titel der Ausstellung erscheint im Monitor und wirkt wie der Abspann eines eben zu Ende gegangen Filmes auf die Ausstellungssituation ein. Shearer zeigte in der Simultanhalle eine Arbeit, die deutlich von einigem Balast älterer Experimente befreit ist und sich konzentriert mit den Phänomenen Farbe, Struktur, Muster, also Malerei, beschäftigt ohne dabei die umliegende Welt und das Geschen dort zu vergessen.

TIMOTHY SHEARER – The End of Season
24.09. – 22.10.2011

www.simultanhalle.de/

Hella Gerlach bei STUDIO (Berlin)

Der Off-Raum STUDIO, den Berit Homburg und Dominikus Müller seit Mai 2011 bespielen, besticht bereits durch seine charmante Lage. Auf einer Galerie am Kottbusser Tor gelegen und  umgeben von Cafés, ist der Kommunikationsfaktor groß. Besonders in den warmen Monaten bietet der Balkon die Möglichkeit mit der Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen und die Gruppe, die sich je um einen Ausstellungsort schart, zu bewirten. So ist Hella Gerlachs Ausstellung TAKE A SLOW DEEP BREATH! ELASTIC IMPRESSIONS erst einmal die letzte für diese Jahreszeit und wurde mit Schwarzer Suppe bei kühleren Temperaturen im Außenbereich beschlossen. Im Frühjahr wird es weitergehen.

von Julia Wirxel (Berlin)

© Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Der längliche Raum wurde anfänglich auf minimale Weise verändert, Fußleisten und die eher unansehnlichen Decken entfernt, so dass die Trägerstruktur den Blick auf die Kabel frei gibt. Hella Gerlachs (*1977) Ausstellung ist speziell für diesen Raum konzipiert worden. Da Raum, Werke und deren Präsentation so gut abgestimmt sind, würde man sich wünschen, der Raum könnte als Dauerausstellung eingerichtet bleiben. Der merkwürdige Holzboden wirkt als sei er für diese Präsentation verlegt worden. Vor allem die Stoffbahnen und die daraus entstehenden schwebenden Kabinette, z.B. Element II (Studiolo) (2011), gliedern den Raum, können umrundet und betreten werden.

"Element III" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

"Element III" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Wunsch der Künstlerin ist es, nach einer Phase der imaginierenden Kontemplation diese Arbeiten anzufassen, in die Stofftaschen der Vorhänge zu greifen und die Ausbeulungen zu untersuchen. In den Taschen sind verschiedene Objekte aus Keramik oder Porzellan verborgen, die in Kommunikation mit dem Körper entstanden sind und nun mit dem Körper des Betrachters in Kontakt treten. Das Handstück (2011) kann man in die Hand nehmen, das Schulterstück (2011) auf seine Schulter legen und mit dem Teil für Zwei (2010), auf jemanden zugehen und ihm eine Hälfte zum Anfassen anbieten. Die Interaktion unterstützt das performative Element der gesamten Präsentation.

"Schulterstück" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

"Teil für zwei" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Besonders auffällig sind die vier im Eingangsbereich liegenden, sehr verführerischen, roten Bälle (Four Balls, 2011). Das Rot und ihre Form lassen an Tomaten oder Clownsnasen denken, die als Fährte auf dem Boden ausgelegt sind. An einer zunächst nicht einsehbaren Stelle erhält man einen Einblick in das Innere dieser Objekte, da das Porzellan zersprungen ist. Die vier Bälle sind von einer ägyptischen Tradition, dem  Ritual of the Four Balls, inspiriert.

"Four Balls" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuch

Diese Thronbälle lehnen sich an das Ritual zur Raumdefinition an, werden dabei in die vier Himmelsrichtungen geworfen, erweitern, reinigen und schützen so spirituell den Raum und gehen somit über seine physischen Grenzen hinaus. (Ball Nummer vier wurde von der Vernissage – nach der Übung des Werfens – zu einer Lesung an einen anderen Ort mitgenommen und so aber in verbindender Weise noch weiter von dem Ausgangspunkt entfernt.) Die Bälle werden rasch mit der Hand geformt und zeugen so von der Handgröße der Formerin und ihres individuellen körperlichen Abdrucks.

"Fourth Ball" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Der Titel der Ausstellung weist bereits in Richtung Spiritualität, körperlicher und geistiger An- und Entspannung und den dazu gehörenden Übungen: Dies spiegelt sich in der Arbeit Matte (2011, Keramik, Autolack), die ein Hybrid einer Schriftrolle und Yogamatte sein könnte, jedoch durch ihre Materialität eine weitere Ebene erklimmt. Die Verwendung von Stoffen als Raumteiler kann ebenfalls auf asiatische Traditionen verweisen und ruft Assoziationen an Meditationsräume auf. Durch die Wahl von Nessel – in diesem Fall Blindstoff für Möbelpolsterungen mit französischer Naht – und Viskose in Schwefelgelb, Hautfarben und Schwarz wird der Raum leichtfedrig unterteilt. Die sich bewegende Luft bringt die Stoffkörper in Schwingung, sie werden wesenhaft, scheinen selbst zu atmen und sind zudem mit Körperteilen ausgestattet: Sie nehmen einen langsamen, tiefen Atemzug und folgen den elastischen Eindrücken, die von dem Gesellen (Geselle IV, 2011) ausgehen können, einem tanzenden Möbelstück, oder den nachzuspürenden Bewegungen der roten Bälle.

"Element II (Studiolo), Detailansicht" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

TAKE A SLOW DEEP BREATH! ELASTIC IMPRESSIONS
 
im STUDIO
Ausstellung vom 30. 10–26. 11.2011
 
Adalbertstr. 96
 
10999 Berlin
 
s-t-u-d-i-o.net
 
studio.a96 (at) googlemail.com
 
 
 
Die nächsten Möglichkeiten Arbeiten Hella Gerlachs im Original zu sehen sind in München und Berlin.
 
 
 
Hella Gerlach und Kalin Lindena in der Tanja Pol Galerie, München
 
12.01.- 03.03.2012
 
 
 
StipendiatInnen des Arbeitsstipendiums für Bildende Kunst des Berliner Senats 2011
 
21. Januar – 12. Februar 2012
 
Eröffnung: 20. Januar 2012
 
 
 

WG/3ZI/K/BAR – Die dezemberausgabe

Am 8. Dezember ging es zum letzten Mal in diesem Jahr erneut hoch her im Malkasten. Die Sammlerin Julia Stoschek und der Galerist Max Mayer kochten für uns Wurst, Sauerkraut und Kartoffelbrei (deutlich feiner als es klingt); mit Georg Winter, Fritz Balthaus und Malte Rollof wurde auch für geistige Nahrung gesorgt. Wir waren da und haben es einfach genossen.

Ein Bildbeitrag von Sirin Simsek (Düsseldorf)

www.wg3zikb.de
ein haus für künstlerinnen.gäste.freunde

„HOSTED BY“ IM MAP

M-A-P: Diese drei Buchstaben stehen für drei Räume am Bilker Bahnhof und für das dort beherbergte Markus Ambach Projekte. Der Künstler Ambach, der nach dem titanischen B1/A40-Projekt immer größere Aufträge für die höchsten kulturellen Gremien des Landes zu bewältigen hat, hat ein Faible für die systematische Vernetzung und die forcierte Kooperation. Das war schon in seiner Reihe „The Chain“ zu spüren und es ist nicht anders bei der aktuellen Ausstellung „Hosted by“.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Markus Ambach lädt zwei Künstler (Erika Hock, Sascha Hahn) und ein Kollektiv (Volker Bradtke) ein, jeweils einen der drei Räume zu bespielen und zieht sich vollständig aus der kuratorischen Verantwortung zurück –  wenn ich es richtig sehe, hat Ambach an diesem Standort nie eine richtige kuratorische Tätigkeit ausgeübt. Die eingeladenen Künstler laden wiederum andere Künstler ein und generieren so eigene Formen der Kooperation. Es sind drei distinkte Ausstellungen entstanden, die drei völlig unterschiedliche Modi der künstlerischen Zusammenarbeit ausmachen. Ein interessantes Experiment mit ungleichen Ergebnissen.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)

Die Bildhauerin Erika Hock bespielt das Haus M und lädt dazu Kasper Akhøj aus Kopenhagen ein. Auch wenn die zwei Künstler es bisher nicht geschafft haben, sich persönlich kennen zu lernen, führt ihre Assoziation zu einer erstaunlich gut gelungenen Symbiose. Akhøj zeigt hier eine fotografische Installation, bestehend aus zahlreichen projizierten Bildern. Schwarz-weiße, zum Teil grobkörnigen Architekturaufnahmen oder Interieurs wechseln sich mit Portraits von einigen Menschen ab. An den Formen und an der Kleidung erkennt man die intellektuelle Aristokratie der 20er Jahre in ihrer avantgardistischen Umgebung. Scharfsinnige Beobachter identifizieren Le Corbusier und Eileen Gray, zwei Ikonen der Architektur und des Designs der Moderne. Während des langsamen und stetigen Laufes der Bilder erzählt uns eine Stimme  im Hintergrund die Geschichte dieser Menschen und dieser Orte. Es ist ein schönes Märchen um den Bau und die Restaurierung zweier Häuser, um die anekdotische Erfassung eines Inkunabels der Architektur, um die Utopien der Moderne, um die Verschmelzung von Kunst und Leben – wobei Akhøj Fakten und Fiktion eng verwebt und die Aussagekraft der Bilder von seiner Narration abkoppelt. Wir stehen – im postmodernen Sinne – vor einer Erzählung, die sich in den Myriaden von Möglichkeiten zwischen Realem und Möglichem auflöst.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)
Dass diese Arbeit in einem der drei Pavillons des MAP präsentiert wird, also in einer Architektur, die sich selbst um Modernität bemüht, passt wie die Faust aufs Auge. Erika Hock führt die Annäherung noch weiter und gestaltet den langen Raum mit einer Paravent-artigen Abtrennung, die die Projektion von Akhøj umfasst. Ihre Struktur aus Holz und einem seidigen Stoff widerholt den Stahl-Glas-Rahmen des Raumes, der die Distinktion zwischen Innen und Außen operiert. Sie nimmt also eine neue Trennung in den Innenbereich vor, lässt aber aufgrund der bedingten Transparenz des Materials die architektonische Referenz durchschimmern.

Zugleich rahmt sie Akhøjs Arbeit ein und verschafft ihr die notwendige Dunkelheit. Diese Shifters, wie Hock die Modulen nennt, stehen also im stetigen Bezug zu ihrer Umgebung, die zitiert, reflektiert und zurückprojiziert wird. Auch wenn sie zu Diensten der anderen Exponaten zu stehen scheinen und als Projektionsfläche fungieren, schaffen sie es, ihre fragile Autonomie zu bewahren.

Erika Hock: Shifters (2011)
Ein wenig weiter sind zwei Objekte im Schaufenster ausgestellt und liegen da, als ob sie auf den Zugriff eines Design-Liebhabers warten würden. Ihre klaren Strukturen werden teilweise von weichen Konturen abgerundet; eine geschmeidige und elegante Angelegenheit. Auch diese Skulpturen behaupten sich zwischen erlesener Funktionalität und Autonomie. Mit ihren puristischen Linien und edlen Materialien erinnern sie an Designklassiker der Moderne – und weben dadurch eine neue Verbindungslinie zu Akhøjs Thematik.

Aber es bleibt hier alles beim Ansatz. Die Gegenstände – es handelt sich wohl um Zitate vorhandener Art Deco-Möbel –   taugen als Sitz, Regal oder Serviertischchen nichts. Sie sind nutzlose, selbstverliebte Dinge, die nichts anderes als ihre skulpturale Präsenz haben. Das Zusammenspiel beider Positionen erscheint ideal: Akhøj und Hock gewähren ihre Selbstständigkeit bei gleichzeitiger inhaltlicher Durchdringung. Ein feiner Zug.

Erika Hock: o.T. (2011)

Der minimalste Eingriff in den herausfordernden Räumen von MAP liefert Volker Bradtke im Haus A. Das Projekt, das sein bisheriges Lokal auf der Birkenstraße kurzfristig verlassen musste, war sicherlich froh, zwischenzeitlich von Ambach aufgenommen zu werden und die norwegische Künstlerin Toril Johannessen zeigen zu können. Wie gewohnt agiert das Künstlerkollektiv hinter Volker Bradtke gedeckt und aus der Distanz. Die Kooperation, wenn man sie als solche bezeichnen kann, beschränkt sich hier auf ein Kurator-Künstler-Verhältnis. Eine Gelegenheit, die Arbeit von Johannessen kennen zu lernen. Ihr techno-konzeptueller Ansatz bezieht sich auf Fragen der – formulieren wir es mal so: – technologisch bedingten Synchronizität. Zeitgleich zur Präsentation in Düsseldorf werden alle im MAP ausgestellten Arbeiten auch in Oslo gezeigt.

An der großen Uhr, die in einem der verglasten Schlauch der MAP-Räumen angebracht ist, geht der Zeiger höchst unregelmäßig, stockt immer wieder und beschleunigt ruckartig seinen Lauf. Er misst dabei nicht die Zeit, sondern – seinen Impulsen von einem Computer erhaltend – folgt dem Rhythmus des Datenverkehrs im WWW. Wenn dieser hoch ist, dann geht der Zeiger entsprechend schnell. Die Uhr funktioniert also als Pegel der menschlichen Aktivität im virtuellen Netz. Daneben an der Wand sind zwei Grafiken eingerahmt, die den Gebrauch des Begriffs „Synchronicity“ in ausgewählten psychologischen Zeitschriften und des Begriffs „Synchronization“ in naturwissenschaftlichen Zeitschriften vergleichend erfasst.  Hinter der neutral-wissenschaftlichen Fassade des Diskurses und den anhaftenden mise en abyme-Effekt, wirken die Arbeiten etwas zu demonstrativ und  pädagogisch-bemüht. Der intellektuelle Spaß hält sich hier in Grenzen.

Das Haus P ist das problematischste. Anders als bei dem konzentrierten Ansatz von Volker Bradtke und Erika Hock, hat sich Sascha Hahn für eine kleine Gruppenausstellung und für die Konfrontation verschiedener Medien entschieden. Hahn hat dabei ein „Portfolio“ mit vier Positionen aus Berlin erstellt. An sich keine schlechte Idee – aber weil sie so wenig Raum erhalten, bekommen die vier Positionen nicht wirklich die Chance, sich zu behaupten. Lobenswert ist indes die Tatsache, dass der gut gefüllte aber nicht überfüllte Raum ein  (gesamtkompositorisch gesehen) Gegenwicht zu den zwei anderen spärlich bestückten Häusern schafft.

Haus P

Besonders hervorzuheben wäre hier die Arbeit von Jörg Schlürscheid. Auch wenn man über die Angemessenheit der Präsentation nachsinnen kann (ob die Unmöglichkeit, die Installation von allen Seiten wahrzunehmen, Teil der künstlerischen Strategie von Schlürscheid oder nur eine fragwürdige kuratorische Entscheidung ist, könnte hier nicht bestimmt werden), ist sein „Nördlicher Wald“ ein der gelungensten Stück der Ausstellung. Schlürscheid recycelt Sockel aus etablierten Kunstinstitutionen und transformiert sie  in autonomen Skulpturen. Das Sehinstrument „Sockel“, für gewöhnlich ein Behilfsmittel zur Inszenierung und Legitimierung von Bildhauerei, fungiert dank einer minimalen Verfremdung und Neukontextualisierung zu einem künstlerischen Objekt, mit einer weiten Verwandtschaft zum Minimal Art.

Jörg Schlürscheid: "Nordischer Wald" (2011)

Sascha Hahn, der eigentlich aus der Malerei kommt aber eine besondere Vorliebe für das Medium Film entwickelt hat, ist selbst vertreten – „Angela“, ist der Film einer in der Kunsthalle Düsseldorf gedrehten Performance von und mit Angela Fette. Die Avantgarde-Pathetik des Films, der zwischen zwei schwarz bemalten Folien projiziert ist, wirkt ein wenig angestrengt. Hommage oder Kooperation?

Sascha hahn: Angela (2011)

Alexander Lieck ist in erster Linie Maler und hat einen Ansatz entwickelt, der sich nicht ohne Ironie auf die Abstraktionen der klassischen Moderne oder auf heroischen Positionen der nicht-gegenständlichen Kunst der Nachkriegszeit bezieht. Hier ist er mit zwei Bodenarbeiten vertreten, in denen hermetisch-glatte Materialien mit grob gemalten Holzklötzen und –brettern kombiniert werden. Lieck komponiert kleine dreidimensionale, suprematistisch-alike Objekte, die einige Leichen heraufbeschwören; hier ein Malewitsch zum anfassen, da ein Mondrian in der Spielstube und dort ein Schwitters ohne Schutzvitrine. Die xte Lektüre der Avantgarde und ihre universalistischen Anmaßungen sind stimmig und intelligent –  aber es ist eben die xte Lektüre.

Alexander Lieck: o.T. (2011)

Alexander Lieck: o.T. (2011)

Schließlich soll hier die Arbeit von Michael Franz Erwähnung finden. Es handelt sich um sehr unterschiedliche, im gesamten Raum verteilte Papier-Arbeiten. Darunter eine Mandala-artige Filsstift-Zeichnung und eine rätselhafte Collage. Ersteres Stück ist insofern interessant als das Medium relativ selten ist. Es lässt einen groben und nervösen Duktus zu und, durch die konzentriert-penible flächendeckende Technik, die Reminiszenz zur Schulzeit oder zu Hobbykunst schafft, sucht eine widersprüchliche Nähe zur Dekoration. Alles in allem ein desorientierendes Eklektizismus, das in dieser Form etwas profillos wirkte.

Michael Franz: o.T. (2010)

Michael Franz: o.T. (Kupka) (2007)

Michael Franz: o.T. (2011)

„Hosted By“ im Markus Ambach Projekte
Ausstellung vom 6.11- 23.12.2011
geöffnet Mi., Do. und Fre. von 11-16 Uhr
Bachstr. 139-143
www.markusambachprojekte.de

#Köln: Mark Pepper und Thomas Woll: 300 – oder Zur aktuellen Ästhetik des Konsumismus

Der Blogger macht seine Arbeit ja immer dann wenn der eigentliche Broterwerb und all die anderen Zwänge der modernen Konsumgesellschaft ihm Zeit und Raum dafür lassen. Bloggen ist also immer auch Hobby oder – so wie die Modelleisenbahn neben dem Partykeller – auch Option um einer Wirklichkeit zu entfliehen, die für den Blogger, aber auch für viele andere Zeitgenossen zunehmend verstörend, schizophrene Züge annimmt. Bloggen ist demnach Verschwendung, Verausgabung und nach den vorherrschenden, gegenwärtigen Wertvortstellungen sinn- und zweckbefreit, weil eben nicht konsumorientiert und damit nicht der wichtigsten Bürgerpflicht – der Steigerung des BIP – verpflichtet.

Auf diese Tatsache sei an dieser Stelle aus zwei Gründen verwiesen:

1. Weil diese Ausstellung, sowie eine weitere, noch zu behandelnde, mittlerweile mehr als zwei Monate zurück liegt und ganz einfach keine Zeit war, sich früher darum zu kümmern.

und 2. Weil es im September in Köln zwei wirklich außergwöhnlich gute Ausstellungen gab, die sich mit der Ästhetik von Massenkultur und Konsumismus beschäftigt haben.

Köln war und ist, nicht nur wegen der Sammlung im Museum Ludwig, bedeutende Metropole der Popart. Und so war es eben auch nur konsequent, dass Pepper und Woll diese Ausstellung in der Domstadt realisierten.

Zum Projekt 300

In der Einladung zur Ausstellung heißt es trotz der politischen Brisanz der Projekts wie gewohnt lakonisch formuliert „Pepper / Woll verweisen mit ihrer Arbeit auf eine Art Produktionsprozess, indem sie 300 von ihnen erworbene 1.00 Euro Artikel abformen. In der Zeit von 15 Tagen, kreiert das Künstlerduo ein schon in der Entstehung vergängliches Produkt, welches sich durch die Beschaffenheit von Papier, Wasser, Farbe und Leim vom ersten Tag der Erstellung bis zum Tag der Ausstellungseröffnung und darüber hinaus verändert.
Pepper / Wolls ,,300″ lässt auf den ersten Blick eine Rückkehr zu den traditionellen Werten des Handwerks vermuten, doch auf dem zweiten Blick lenken sie das Interesse auf die Behandlung der Oberfläche, jener brüchigen Linie zwischen dem Realen und seinem künstlerisch produziertem Abbild.“

Für den Autor dieser Zeilen deuten sich darüber hinaus auf den dritten Blick noch weitere Bezüge an. So kommt es unwillkürlich zu Assoziationen zu Pier Paolo Pasolinis Freibeuterschriften. Diese Schriften aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind leidenschaftlich formulierte Parteinahme für die von der zweiten Technischen Revolution bedrohte Natur und Kultur des alten, bäuerlichen Italien, dessen Werte Pasolini gegen die heraufziehende Barbarei des 21. Jahrhunderts in Schutz nimmt.
Pasolini schreibt dort etwa in einem Aufsatz über das Verschwinden der Glühwürmchen „Ich gäbe den ganzen Montedison-Konzern für ein Glühwürmchen her: ‚Gegenüber den Methoden dieses „neuen Faschismus“ (Pasolini) erscheint der traditionelle als hoffnungslos veraltet und ineffektiv: Mit Hilfe der elektronischen Medien. Allen voran des Fernsehens, verbreitet der „neue Faschismus“ seine Konsumideologie, gepaart mit sexueller Permissivität und falscher Toleranz. Bis in den letzten Winkel der Erde und nivelliert und standardisiert alle lokalen und regionalen Kulturen zu einem Einheitsbrei.“
Passolini deutet dort mit drastischen Worten eine Eskalation der kapitalistischen Mißverhältnisse an, die aktuell immer deutlicher zu Tage tritt und viele von uns derzeit mehr oder weniger sprach- und orientierungslos zurücklässt.

Auf den vierten Blick bietet sich über den Titel 300 ein Verweis auf die gleichnamige Comicverfilmung von Frank Miller von 2007 an, die sich ebenfalls, wenn auch mit den Mitteln des Films, mit einer Ästhetik der Barbarei und der Massenkultur beschäftigt. Die Artefakte dieser Barbarei der Massenkultur aus den 1-Euro-Shops unserer Welt sind es, die Pepper und Woll hier für ihre Arbeit inspiriert haben. Nach diesen Vorlagen haben die beiden in einer 15-tägigen Akkordarbeit ihre vergänglichen Objekte produzierten und sind dabei wieder einmal an die Grenzen ihrer eigenen Belastungsfähigkeit vor gestoßen. Es hat sich gelohnt!

Die künstlichen Kopien

Im hintersten Raum zu sehen: Die Originale.

300;
Pepper / Woll
Ausstellungsdauer: 3. – 23. September 2011
Kunstverein Kölnberg

FINALE IM INSTITUT FÜR SKULPTURELLE PERIPHERIE

Abschied vom Brizzel. Nach vielen Monaten intensiver und bezugsreicher Arbeit fand am vergangenen Wochenende die letzte Ausstellung der Reihe statt. Friederike Schardt konzentriert sich nun auf ihr Baby und ihre Kunst und überlässt den Raum ihrer bisherigen Mitstreiterin, Pe. Diese hat vor, die kleine Lackierwerkstatt ab März des kommenden Jahres unter dem gleichen Name weiter zu treiben. Dabei wird sie von der Bildhauerin Eva Weinert unterstützt. Das Projekt soll sich nicht wesentlich verändern: Es werden künftig Arbeiten gezeigt , die am Rande der klassischen Skulptur liegen. Für das Finale wurden alle Künstler, die je an der „Brizzel“-Serie teilnahmen, eingeladen. Ein Bildbericht.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Claudia Hinsch (Bild: Pe)

Claudia Hinsch (Bild: Pe)

Julia Bühnagel

Eva Weinert (Bild: Pe)

Friederike Schardt

Thomas Ruch

Thomas Ruch (Bild: Pe)

Danielle Riede (Bild: Pe)

Max Sudhues (Bild: Pe)

Sandra Hoitz (Bild: Pe)

Valerie Krause

Pe (Bild: Pe)

Timka Tewes

Lars Wolter (Bild: Pe)

Eva -Maria Kollischan (Bild: Pe)

links an der Wand: Karsten Weber; rechts: Lars Wolter

Christina Kramer und Sonja vom Brocke (Bild: Pe)

Kai Rheineck (Bild: Pe)

Kai Rheineck (Bild: Pe)

hinten: Alexander Hermanns; vorne: Marie

MÜHLENKAMPF IN GARATH

Don Quichote schlägt zurück – und zwar ausgerechnet in Düsseldorf-Garath. In einem Stadtteil, der eher als sozialer Brennpunkt als eine Brutstätte der Kunst gilt, hatte sich die Gruppe Mühlenkampf bis vor wenigen Wochen eingenistet. Das Kollektiv führte dort viele Wochen lang verschiedene Aktionen durch, die sich alle auf die besondere Situation dieses besonderen Stadtteils bezogen. Nun dass der Winter einbricht zieht sich Mühlenkampf fürs erste zurück und plant die Rückkehr zum Frühling 2012. Eine günstige Zeit für einen Rückblick.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die Idee der sozialen Plastik wurde nicht mit Joseph Beuys begraben. Gerade am Wirkungsort des Schamanen sind in den letzten Jahren Künstlerprojekte mit einem „sozial-reformatorischen“ Hintergrund entstanden, die als Fortführungen der künstlerischen Utopien der 70er Jahre interpretierbar sind. Auch wenn sie aus einigen Menschen besteht, die gerade eingeschult wurden als Beuys starb, beruft sich Mühlenkampf auf den großen Jupp. Die Gruppe ist von Künstlern, einem Politikwissenschaftler, einer Psychologin und einem Friedensforscher gebildet und versteht sich als offene Plattform zur Transformation der sozialen Realität. Ihre Akteure meiden die Galerie, das Museum und alles, was an einen white cube erinnern könnte. Sie betten ihre konkrete Intervention lieber in den sozialen Raum ein und, in der Tradition einer kontextorientierten, prozessualen Kunst, suchen sie den Dialog mit der Umgebung.

Die Metapher des Kollektiven ist hier nicht – wie sonst üblich in der Szene – die des Unternehmens (Konsortium), der Dienstleistung (interim) oder der Pop Band (Hobby Pop Museum), sondern die der Universität. In ihrer gemeinschaftlichen Erscheinung tritt Mühlenkampf als „Hochschule für Weltgestaltung in ständiger Gründung“ und entwickelt die Vorstellung der Universität als Ort des stetigen Lernens und des Experimentierens. Ein soziales Labor, also, in dem sowohl theoretische als auch praktische Lösungen besprochen und exerziert werden. Anders als bei der Soziokunst-Generation der 1980er Jahre verfügt das Kollektiv jedoch über eine gute Portion Selbstironie und versteht es, soziale Relevanz mit abgeklärter Distanz zu verbinden.

Für ihr Projekt in Garath wurde Mühlenkampf von der Stiftung Vivarte – ein Verein zur Förderung des kulturellen Lebens in dem ansonsten stiefmütterlich behandelten Stadtteils – angesprochen und unterstützt. Ziel war es, eine Arbeit vor Ort zu entwickeln, die auf die Spezifitäten der Schlafstadt eingeht und auf Interaktionen beruht. Die Hochschule bekam ein Apartment in zentraler Lage als Büro und etablierte sich zudem in einem Ladenlokal, um die Nähe zur Garather Öffentlichkeit zu schaffen. Die erste Arbeitsphase bestand aus einer Forschung vor Ort. Für die Fremden von Mühlenkampf ging es darum, den Kontakt zu den Einheimischen herzustellen und die Struktur des Stadtteils zu begreifen. Dabei drehten sie die Idee der Dienstleistung um: Sie forderten die Garather Bevölkerung auf, Stadtführungen gegen ein Honorar zu realisieren. Diese Bürger-Führungen, mit ihrem subjektiven und inoffiziellen Charakter, zeichneten erste Wege einer Handlung.

Die Haupterkenntnis dieser Erkundung lautete: In Garath fließt die Ware hinein und der Verkehr hindurch – aber es gibt kein genuines Garather Produkt, das von dieser Randzone aus in die weite Welt  geht. Garath produziert nichts. Gearbeitet und geschaffen wird woanders. Und dies galt es nun für die Studierenden von Mühlenkampf zu verändern. Im Sommer gestalteten sie Workshops, an denen die hiesige Bevölkerung teilnahm und ihre Ideen einbrachte, um aus dem Stadtteil einen Produktionsstandort zu machen. So wurden Pilze gezüchtet, die an ein benachbartes  Restaurant geliefert wurden, kleine hängende Gärten realisiert, die jeder Mensch an seinen Fenstern anbringen konnte oder Geschichten gesammelt. Darüber hinaus wurde das öde Zentrum des Stadtteils in eine Bühne verwandelt. Regelmäßig fanden dort Aktionen statt, die den ständig fließenden Strom von Menschen in der Fußgängerzone zu verankern versuchte – denn Garath erscheint für viele als ein Ort ohne Aufenthaltsqualität.

Gerade diese letzte Metapher bringt die Arbeit von Mühlenkampf auf den Punkt. Es geht um ein Gestalten des Stroms, um ein Umlenken des sozialen Flusses – eine reine skulpturale Angelegenheit, also. Diese Qualität rückt das Projekt in der Nähe der sozialen plastik, fern von der sozialen Animation.

 
Mühlenkampf kehrt zurück im nächsten Jahr!

SZOBART in BUDAPEST

Die erste Spur auf der Suche nach einer Budapester Off-Initiative führt zu ein Projekt, das  von deutschen Künstlern mitinitiiert wurde: Teresa Szepes, Charlotte Schmid und Eike Harder kuratierten und betreuten für einen Monat “Szobart”. Den ausstellenden Künstlern der Finissage gelang es, sich innerhalb des vom Projekt gegeben Rahmens zu bewegen und gleichzeitig eine eindringliche Ausstellung zu realisieren.

Bilder: Axel Braun

Das Konzept von “Szobart”, bei dem eine wöchentlich wechselnde Künstlergruppe jeweils Freitagabends das Ergebnis ihrer Arbeit präsentierte, schuf einen Freiraum, in dem kontinuierlicher Wandel herrschte und der unabhängig vom institutionellen, Budapester Kunstbetrieb funktionierte. Das Projekt fand seinen Platz in einem leerstehenden Ladenlokal und den darunterliegenden Kellergewölben. Für die letzte Ausstellung wurden drei deutsche Künstler eingeladen, die die Möglichkeit eine ihnen fremde Umwelt zu erkunden nutzten und all jenes, was sie für bemerkenswert hielten, archivierten.

Auf halber Treppe, beim Heruntersteigen in den katakombenhaften Ausstellungsraum, bekommt der Besucher die erste Ahnung von der Grundstimmung der Ausstellung: Er trifft auf einen Index von kleinen, in schwarz-weiss auf Faxpapier gedruckten Fotos, die Ausschnitte aus einem städtischen Umfeld zeigen. Schon diese visuelle Hilfestellung lässt auf einen dokumentarischen Anspruch schließen.

Von hier aus ist gleich auch schon der erste Blick auf die gemeinsame Arbeit von Axel Braun, Colin Penno und Max Schaffer möglich: reconstructed column. Eine archoälogisch anmutende Installation aus mehreren umgefahrenen, aus der Innenstadt zusammengetragenen Straßenbegrenzungen. Trotz ihrer zentralen Positionierung und theatralischen Beleuchtung, passt sie sich durch die minimalistische Formsprache perfekt in den Raum ein, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und ist wohl das eindruckvollste, das Kernstück der Ausstellung. In diesem Exponat verdichtete sich sowohl die für alle drei Künstler typische reduzierte Ausdrucksweise als auch deren gemeinsamer archäologischer Ansatz.

Der Besucher ist nach den ersten, sehr intensiven Eindrücken auf sich gestellt und muss die schlecht beleuchteten, verschachtelten Nebenräume selbst erkunden. Hinten links findet sich, hinter einer Mauer versteckt, die Arbeit von Axel Braun: Über das unverputzte Mauerwerk wurde Schwefelpulver verteilt, das – von einem Spot in Szene gesetzt – den Eindruck enstehen lässt, es würde aus der Wand selbst geradezu herausschwitzen. Die Augen müssen sich erst an die wechselnden Lichtverhältnisse gewöhnen, um dieses bei gebotener Aufmerksamkeit umso eindringlichere Werk wahrzunehmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Backsteingewölbes öffnet sich eine weiterer dunkler Nebenraum. Auch hier gelingt die Irritation durch eine Setzung, die sich die Lichtsituation zu Nutzen macht: Colin Pennos bildhauerische Arbeit erscheint, trotz einer meiner Meinung nicht besonders interessanten Formgebung, aufgrund der geschickten Inszenierung sowie einer zwischen matt und glänzend osszilierenden Oberfläche unheimlich und bedrohlich. Diese Rekonstruktion eines „sich im Umbau befindlichen Kirchturms am Ufer der Donau“ wirkt im Zusammenspiel mit dem ausladenden Gemäuer wie die Hinterlassenschaft eines nicht nachvollziehbaren Vorgangs und bescheinigt Penno einen wachen Blick sowohl für die neue Umwelt als auch für die Räumlichkeiten.

Im gleichen Raum, hat Max Schaffer ein Fax an der Rückseite einer Säule befestigt. Es ist die Kopie eines Briefes den Schaffer beim “Entleeren des Briefkastens einer seit Jahren leerstehenden Markthalle” gefunden hat. Sowohl das Fax wie auch der Rentenkassenbescheid, sind  Relikte des Vergangenen und eine Spur der  Forschungsarbeit der Künstlergruppe.

Ein vierter Raum, vielmehr Lüftungsschacht, ist Ausgangspunkt für das perfomative Element der Ausstellung: Unter dem Eindruck der Bauarbeiten in der Stadt,wurde die Arbeitsweise ungarischer Bauarbeiter ( großer Aufwand, mit relativ bescheidenem Ergebnis) für die Performance übernommen. In einem Lüftungsschacht eingerichteten “Labor” wurde über Stunden, auf umständliche Weise Teer erhitzt; Dieser dann in mehreren Gängen in den oberen Raum gebracht, um eine dort vorgefundene, noch von den Bauarbeiten stammende Unebenheit im Beton, mit Teer auszugießen. In dieser Aktion vereinen sich schlussendlich alle für die Ausstellung bezeichnenden Charakteristika. Eine auf der Beobachtung der Umwelt basierende Vorgehensweise, deren Endprodukt mit Rücksichtnahme auf die Eigenheiten des Raums fragil gesetzt wurde und eine bleibende, aber unscheinbare Spur hinterlässt.

Der bewusste Verzicht auf die oberen, durch Bar und Veranstaltungen belebten Räume, erwies sich als Vorteil für die konsequente Ausstellung. Die Ideen zu den vor Ort geschaffenen Werken wurden im Dialog formuliert und es fand sich sichtbar eine gemeinsame Formsprache. Das Ergebnis waren jedoch  autonome Werke, die allesamt eine Reaktion auf die vorgefundene Raumsituation und das urbane Umfeld darstellten.

Szobart” wurde von Budapestern besonders positiv aufgenommen: Die Offenheit und gleichzeitige Ernsthaftigkeit den Künstlern und Werken gegenüber, positiv aufgenommen. Die Einzigartigkeit dieses Projekts und seine zeitliche Begrenzung wurden mehrfach ausdrücklich bedauert. Ob es sich tatsächlich um einen Einzelfall handelt, wird die Such nach den nächsten off-spaces in Budapest zeigen.

Bandprobe im Kulturpalast Wedding (Berlin)

Bandprobe ist ein Ausstellungsprojekt von Antonia Nordmann und Katja Pudor. Das Konzept: die beiden Künstlerinnen bzw. auch eine zum Projekt eingeladene, dritte Person, treffen an verschiedenen Orten zusammen, um mit vorher festgelegtem Material gemeinsam an einem Werk zu arbeiten. In meist recht kurzer Zeit schaffen sie so raumgreifende Installationen aus malerischen, grafischen und akustischen Elementen. Nach einer Vielzahl von >Bandproben< bespielen Pudor und Nordmann nun den Kulturpalast Wedding. Der Raum ist von den roten, ausgeschnittenen Pinselstrichen Pudors und den an einer Kette aufgereihten, gelben Stoffbahnen Nordmanns durchzogen. Nyla van Ingen hat dem eine klangliche Komponente zugefügt, indem sie den Raum mit Geräuschen, die während des Aufbau- und Entstehungsprozesses entstanden sind, beschallt.

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

v.l.n.r.: Nyla van Ingen, Antonia Nordmann, Katja Pudor

Bandprobe – ein Projekt von Antonia Nordmann und Katja Pudor, Gast: Nyla van Ingen
29. Oktober – 4. November 2011
Kulturpalast Wedding International
Freienwalder Strasse 20
13359 Berlin-Wedding
Kontakt: 0179/2154847
www.kulturpalastwedding.com

FRAUKE BERG UND MAGDALENA VON RUDY IM SLOWBOY

Eine Zeichnerin und eine Videokünstlerin kollidieren absichtlich in einem Plattenlabel. Das Ergebnis: Ein Tremor ersten Grades. Tremor,  der mit „Beben“ oder „Zittern“ übersetzt werden könnte und sowohl eine konvulsionsartiges Zucken der Muskeln als auch die von einem Vulkan hervorgerufenen Vibrationen bezeichnet, ist der Titel der gemeinsamen Ausstellung von Frauke Berg und Magdalena von Rudy im Slowboy.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Frauke Berg und Magdalena von Rudy sind zwei Künstlerinnen mit distinkten Sensibilitäten. Eine gegenseitige Schätzung für ihre jeweilige Arbeit hat sie zusammengebracht, und, weil sie sich auf das Spiel dieser Ausstellung eingelassen haben, haben sie Zeichnungen ausgewählt, die eine unleugbare Verwandtschaft aufweisen.

Frauke Berg und Magdalena von Rudy (Foto: Krischan Ahlborn)

Wer in die zwei distinkten Welten von Berg und von Rudy eintaucht, wird von unwahrscheinlichen Kreuzungen, monströsen Verwandlungen und unmöglichen Überschneidungen überrollt. Es sind Welten der stetigen Metamorphosen. Welten, in denen menschliche Figuren tierische Attribute erhalten, in denen Tiere von vegetalischen Auswüchsen befallen werden, in denen Kreaturen auf den Seziertisch gelegt werden oder in denen amöbenartige Gestalten sich in den Raum ausbreiten, als ob sie aus ihrer amorphen Struktur schlüpfen und zu Körpergliedern mutieren wollten. Es sind Welten der Mehrdeutigkeit, der unfertigen Gestalten, des offenen Raumes, der umgekippten Perspektiven, der unbekannten Folgen und der nicht absehbaren Möglichkeiten.

Zeichnungen von Magdalena von Rudy

Zeichnungen von Frauke Berg

Berg und von Rudy machen – jede auf ihre spezifische Art – Gebrauch von einer Strategie der Windung. Das Fremde offenbart sich erst durch das Vertraute. Das Unheimliche entwickelt seine étrangeté aus seinen gewöhnlichen, ja trivialen Wurzeln. Ansätze werden selten zu Ende ausgeführt, Bewegungen vorgetäuscht und Richtungen abrupt gewechselt. Jedes Motiv hat mindestens eine klar identifizierbare (und unspektakuläre) Reminiszenz; hier ein Kind, da ein Hund, dort ein Tisch, eine Gurke oder ein Gesicht. Eine Verschiebung der räumlichen Ordnung, eine unerwartete Färbung eines Bildteils, eine Überlappung von Motiven bringen aber diese banalen Formen in einen neuen, verstörenden Zusammenhang.

Frauke Berg

Trotz ihrer Gegenständlichkeit, die surrealistische Collagen evozieren, sind weder die Zeichnungen von Frauke Berg noch die von Magdalena von Rudy narrativ angelegt. Sie verzichten meistens auf Raumangaben, auf eine natürliche Umgebung oder einen erzählerischen Rahmen. Sie fokussieren beinahe ausschließlich auf ein Motiv, das in dieser Prägnanz die sprachliche Klarheit und Eindeutigkeit des lógos erhält.Beide Ansätze nähern sich dem Seltsamen, Nebulösen und Undefinierbaren mit einer erstaunlich präzisen Akkuratesse.

Magdalena von Rudy

Die Motive der beiden Künstlerinnen entstehen nicht aus dem Bauch oder aus einem „Gefühl“ heraus. Ihre Mal- und Zeicheninstrumente sind nicht die Seismographen der Seele oder des Herzens. Sie sind die ausführenden Organe einer rational urteilenden Instanz. Diese Zeichnungen sind nicht der Ausdruck von spontanen Visionen, authentischen Alpträumen oder erlebten Phantasmen. Auch wenn sie nicht eindeutig sind, sind sie das Produkt eines analytischen Prozesses.

Sound-Performance von Frauke Berg zum Finissage. An der Wand ein Video von Magda von Rudy (Foto: Krischan Ahlborn)

Beide Ansätze nähern sich dem Seltsamen, Nebulösen und Undefinierbaren mit einer erstaunlich präzisen Akkuratesse. Die pointierte Linie von Berg oder der klar umrissene Pinsel von von Rudy bringen genau auf den Punkt, was sie gleichzeitig verbergen und verfremden. Ambivalente Botschaften werden eindeutig formuliert. Alles in allem erzeugen sie keine Atmosphäre, sondern artikulieren eine Sprache – wie fremd und unzugänglich diese Sprache auch immer sein mag.

Günter Herke vom Slowboy
 
Slowboy
Oberbilker Alle 290
Ausstellung „Tremor“ 1.10. – 28.10.2011
www.slowboy.de
 

FUZZY DARK SPOT im Raum für Zweckfreiheit (Berlin)

Der Raum für Zweckfreiheit ist genau ein solcher. Er wandelt nach Bedarf seine Funktion: Neben Ausstellungen finden Filmvorführungen statt, ebenso transformiert er sich zur Werkstatt, in der gearbeitet wird und Besprechungen erfolgen. Den Raum für Zweckfreiheit als Off-Kunstraum gibt es seit Ende 2007. Bisher haben 13 Projekte stattgefunden, für die Jan Ketz verantwortlich war. Mit dem neuesten Projekt hat Wolfgang Oelze den Titel der Ausstellung mit Bravour verteidigt.

von Julia Wirxel  (Berlin)

li.: Goesta Dierks: Best Practice; re.: Heike Mutter und Ulrich Genth: o.T.

Die aktuelle Präsentation ist etwas Besonderes. Der Künstler Wolfgang Oelze hat die Auswahl der Positionen getroffen. Neben eigenen Arbeiten sind Werke von John von Bergen, Goesta Diercks, Heike Mutter und Ulrich Genth, Stefan Panhans, Alexander Rischer, Oliver Ross und Andrea Winkler zu sehen. Der Titel der Ausstellung ist metaphorisch zu verstehen: Man betritt hier keine Black Boxes oder hält sich nicht an einem dunklen Ort auf, um Diaprojektionen zu betrachten. Den Betrachter auf eine ungewisse oder falsche Fährte zu locken oder die intellektuellen Ausschweifungen in der Kommunikation der Arbeiten untereinander und in Bezug zum Ausstellungstitel zuzulassen ist ein typischer Zug für den Raum. Dabei werden die Kunstwerke allerdings nicht als dröge Belege für verschwurbelte Thesen missbraucht. Fusselige, verschwommene, unscharfe dunkle Flecken sind auf eine je besondere Weise in allen ausgestellten Arbeiten zu entdecken. Wenn man sich nur lange genug mit ihnen auseinander setzt und ein wenig mehr über sie und ihren Entstehungszusammenhang erfährt, können sie auch sehr erhellend werden. Oder, wie es Jan Ketz betont, handelt es sich um in der Luft hängende „Fragezeichen“, die immer wieder in Verbindung mit den gezeigten Arbeiten entstehen.

li.: Heike Mutter und Ulrich Genth; vorne re.: Oliver Ross: Engung und Weitung

Bei Heike Mutter und Ulrich Gerth lässt ein Bewegungsmelder ein ansonsten unbewegliches Objekt (o.T., 2010) in hoher Geschwindigkeit um sich selbst drehen, so dass ein kühlender Luftzug durch den Raum fegt. Die aus Stahl, Aluminium und Styropor bestehende Arbeit dreht sich wie ein wild gewordener Bulle und ist durch ihre so entstehende Unschärfe kaum zu fassen. Wenn man den hellen Schweif entdeckt hat, denkt man einmal mehr an ein Tier oder elektronisches Bullriding. Im Ruhezustand klingen kristalline Formen an, die an die kubistischen Züge der Tiere Franz Marcs erinnern (wenn man in die ferne Kunstgeschichte ab-schweift). Viel wichtiger ist aber das Material  Styropor; ein banales Baumarktmaterial, das sich immer noch ein wenig gegen die gängigen skulpturalen Werkstoffen auflehnen darf. Es handelt sich um weißes Styropor, das in seinen Einzelteilen exakt aneinandergefügt und auf einer grauen Metallkonstruktion platziert wurde. Einer weiteren Tradition sind die beiden Künstler verhaftet, wenn sie in ihren Materialangaben das Publikum nennen. Ohne sie und ihre physischen Bewegungen kann sich die Arbeit nicht entfalten, ist unfertig. So ist dem Styroporobjekt, der Maschine, der Bezug zur Performance immanent, obwohl die Künstler selbst oder eine andere Person nicht anwesend sein müssen. Sie verschwinden im Fuzzy Dark Spot.

John von Bergen: Sentimental and Non-Sentimental Monuments to Failure (Screwgun)

Auch John von Bergens Arbeiten erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Der Akkuschrauber, dessen obere Hälfte fehlt, wirkt zunächst wie eine Edelvariante aus Metall. Oder man verliest sich und leitet vom Titel „gun“ (Sentimental and Non-Sentimental Monuments to Failure (Screwgun), 2007) zunächst eine Waffe her. Der Schraubendreher ist hier selbst verdreht, so als sei er unter eine Schiffsschraube gekommen oder als eine unmenschlich kräftige Person das Arbeitsgerät genommen und in einem Wutanfall in zwei Teile zerlegt hätte. Aber es handelt sich nicht um Metall, sondern um Polymer-Gips, Glasfaser und Graphit, durch den die metallene Farbigkeit und der Glanz entstehen. Genauso gehört das recht zarte Regal zu der Arbeit. Auch hier geht man zunächst dem Künstler auf den Leim: Diese dünne Platte ist ebenfalls extra aus Gips gegossen worden.

li.: O. Ross: Engung und Weitung; re. Wolfgang Oelze: Wyoming # 4

Die anderen Arbeiten der Ausstellung, schwarz-weiße und farbige Fotografien, Rauminstallationen, Wandarbeiten und Drucke behandeln die Schärfe und Unschärfe, wie in Wolfgang Oelzes Fotografie „Wyoming #4“, in der geheimnisvoller Rauch ins seiner Vergänglichkeit festgehalten ist und an einen Spuk erinnert und dessen Herkunft vielleicht ganz profan vom Künstler aufgelöst werden kann. So ist es dem Künstler in seiner Auswahl gelungen, die Ungenauigkeit und das „Dunkle“, Ungeklärte in seiner Unschärfe exakt auf den Punkt zu bringen.

Raum für Zweckfreiheit
Ausstellung vom 24. September bis 23. Oktober 2011
Adalbertstr. 71, Hinterhaus
www.zweckfreiheit.de
Jan Ketz 0163 1622 339
Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 16.30 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung
www.fuzzydarkspot.biggerthanlife.de
 
 
KINO in der Werkstatt 20 Uhr Einlass, Beginn: 20.30 Uhr
Sonntag 06.11. 2011 Do You Remember Sarajevo? (BiH 1999)
Sonntag 04.12. 2011 A Woman Under the Influence (USA 1974)

Aberle, Lorenz und Tetzlaff im Kunstraum

Wie gestern angekündigt setzen wir unseren kurzen Exkurs in die institutionelle Kunstsphäre der Landeshauptstadt fort. Mit dem Kunstraum wagen wir uns allerdings nicht zu sehr ins Offizielle und erwähnen hier dank eines reinen Bildbeitrags die vierte Ausgabe der Ausstellungsreihe „5 X 3“, für die die Arbeiten der Kölner Künstler Christian Aberle, Tamara Lorenz und Jürgen Tetzlaff zusammen getragen wurden. Kuratorin ist Elke Kania.

zwei Objekte von Tamara Lorenzaus der vierteiligen Installation "Favorisierte Version Nr. 13"

a.d. Wand: J. Tetzlaff; vorne: T. Lorenz

a.d. Wand: C. Aberle; vorne: T. Lorenz

Jürgen Tetzlaff

Jürgen Tetzlaff

Christian Aberle

(v. l. n. r.): Tamara Lorenz, Jürgen Tetzlaff, Christian Aberle

Elke Kania

Alexis Dirks im Atelier am Eck

Aufgrund der relativen Apathie, die die Düsseldorfer Off-Szene ergriffen hat, blicken wir ausnahmsweise auf das Atelier am Eck und den benachbarten Kunstraum. „Ausnahmsweise“ weil die zwei Räume im Düsseldorfer Süden eigentlich nicht zur Kategorie der selbstorganisierten Künstlerprojekte gehören und daher wenig in diesem Magazin zu suchen haben. Die federleichten Strukturen werden vom Kulturamt finanziert und bilden – immerhin – einen Ort, an dem junge Positionen einen ersten Kontakt zur Öffentlichkeit erproben können. Heute fangen wir mit der Ausstellung von Alexis Dirks im Atelier am Eck an. Dirks ist die aktuelle Stipendiatin des Landes NRW und zudem schottische Austauschkünstlerin der Stadt. Morgen geht’s weiter mit dem Kunstraum. Status: No comment (aber die Raumcollagen von Dirks sind kleine Perlen, die man sich nicht entgehen lassen sollte!!).

li.: Medals (2011), Öl / Giclee-Print; re.:Sepia Circle (2011) Collage

Double Flash (2011), Öl / Giclee-Print

A New Woman (2011) Giclee Print

Roman Forest (2011) Inkjet Print

Alexis Dirks

Netzkunst meets Streetart – #Release1

In letzter Zeit ist es etwas ruhiger hier gewesen, das wissen wir. Aber bevor sich unsere treuen Leserinnen und Leser nun Sorge machen, dass diesem ambitionierten Onlinemagazin schon nach kurzer Zeit wieder die Luft ausgegangen sein könnte, hier die Entwarnung.
Keine Bange, keine Panik, wir können Euch beruhigen!
Denn wir sind nach wir vor da, arbeiten weiter, werden auch so schnell nicht verschwinden, sind höchst aktiv, nur momentan einfach mit einem weiteren Projekt voll und ganz ausgelastet, weil auch unser Tag leider nur 24 Stunden hat.
Der Teaser des erwähnten, weiteren Projekts hängt schon seit einigen Woche hier auf der Seite und so mancher Leser hat schon einen mutigen und schnellen Click gewagt (das verraten zumindest die Logfiles des Servers).

TransPrivacy – Netzkunst meets Streetart hat nach Monaten der Vorbereitung endlich begonnen. In den nächsten 4-5 Wochen werden auf den Straßen Düsseldorfs internationale Künstlerpositionen gezeigt, die es so bisher noch nicht in unsere Weltmetropole der Kunst am Rhein geschafft haben.
Das Projekt legt den Fokus auf die Netzkunst und transferiert die dort vertretenen künstlerischen Positionen aus der Medienöffentlichkeit in den öffentlichen Raum der Stadt. Thema von TransPrivacy ist der Wandel der Begriffe des Öffentlichen und des Privaten im Kontext der Digitalisierung und Vernetzung der Welt. Neben den bereits erwähnten Positionen der Künstler, werden Wissenschaftler, Autoren und Blogger im Blog auf der Webseite mit Textbeiträgen auf das Thema eingehen und Stellung beziehen. Es wird spannend!

Aktuelle Infos immer auf der Webseite des Projekts, auf Twitter, Google+ und auf facebook. Die Bilder der ersten Release sind auf flickr zu sehen, natürlich unter CreativeCommons-Lizenzen.

TransPrivacy – Netzkunst meets Streetart

Release1

Filippo Minellie – In your Ass

Stefan Riebel – ‚In silent memory of a time before Google (B.G.)‘

Vera Lossau und Maren Maurer im Raum für Kunst

Wie konnte das denn bloß passieren? Das Show-Room-Projekt von Matthias Emtges, schlichtweg „Raum für Kunst“ genannt, war uns bisher entgangen. Dabei existiert der kleine Raum in Oberkassel seit über zwei Jahren. Und zeichnet sich mit einem konsequenten und schlüssigen Programm aus. Die aktuelle Präsentation im Raum für Kunst bringt Vera Lossau und Maren Maurer zusammen.

Die zwei Künstlerinnen, die hier bereits jeweils eine Einzelausstellung hatten, haben die Show gemeinsam konzipiert – eine vernünftige Angelegenheit angesichts der gedrängten Maßen des Raumes – und beziehen sich auf A Room of One’s Own, einem Text von Virgina Woolf. Ein Stapel von fotokopierten Exemplaren des Büchleins begrüßt den Besucher direkt am Eingang der gefühlten 20 m² des Ortes.

Wer sich darauf einlässt und die Hefte durchblättert, wird immer auf Stellen stoßen, die Lossau und Maurer jeweils unterstrichen haben. Ein eigenes Zimmer, wie die deutsche Fassung des Buches heißt, handelt von dem freien Raum, den sich Künstlerinnen und Autorinnen erkämpfen müssen. Damit ist jener physische Raum gemeint, der zur Produktion einer künstlerischen Leistung notwendig ist; selbstverständlich ist hier aber auch der psychische und geistige Raum intendiert, den Frauen zu Woolfs Zeit nur umständlich für sich gewinnen und gestalten konnten. Dass die Hommage an die britischen Autorin von zwei zeitgenössischen Künstlerinnen in einem Raum namens Raum stattfindet, erscheint ja… angemessen.

Der Ausgangspunkt ist also eine Reflektion der Bedingungen einer schöpferischen Tätigkeit aus weiblicher Perspektive; und Gott sei Dank wird dieses schwerfällige (wenn auch legitime) Sujet nicht allzu stringent behandelt. Lossau und Maurer hantieren nicht mit der pädagogischen Keule, sondern interpretieren die Arbeit und Haltung von Virginia Woolf auf differenzierte und persönliche Weise. Der Raum ist intelligent bespielt und ausgewogen verteilt. Während Lossau streut, unterschiedliche Ebenen okkupiert und vorhandene Einrichtungselemente in ihre Intervention integriert, konzentriert sich Maurer auf eine Wand.

Vera Lossau: o my dog

Die Arbeit von Vera Lossau weist diese sonderbare Mischung aus Humor, Sarkasmus, poetischer Feinheit und latent kritisch-entblößender Haltung auf, die wir bereits in anderen Zusammenhängen gesehen und gemocht hatten. Ihr präziser Blick verweilt auf banalen Situationen mit lachhaftem Potenzial und transformiert sie dank einer unmerklichen Verschiebung in existentielle Metaphern. Wie in ihrer Videoarbeit o my dog, in der die (nicht immer geglückte) Dressur von Hunden zu einer ebenso irrwitzigen wie auch leicht deprimierenden Angelegenheit gemacht wird. Bello muss zwar nicht ganz über seinen Schatten springen, das Durchbrechen des Rings of Fire evoziert jedoch einen dramatischen rite du passage, der, um das Groteske der Situation zu vollenden, von einer verzerrten und debil klingenden Fassung von Amazing Grace begleitet wird.

Vera Lossau: o.T.

Auch eine wunderbar kleine, zierliche, fragile Plastik aus Zinkguss hat Lossau im Raum platziert. Zwei verbrannte Streichhölzer, die sich vorsichtig umringen wie Balletttänzer, sind auf einem überdimensionalen Sockel befestigt worden. Die Vanitas-Symbolik gepaart mit der erloschenen Dynamik dieser zwei winzigen Objekte hat etwas Rührendes und Herzbewegendes – ohne sentimental zu wirken. Aber als ob sie sich fürchten würde, schmalzig zu wirken und ins Pathetische zu verfallen, demontiert Lossau die Sensibilität ihrer Arbeit und verpflanzt sie auf einem betont klotzigen Sockel, der die hochfeine Poesie bewusst und gezielt monumentalisiert – und dadurch bricht. Ist das eine Maßnahme der Selbstironie, um den Hang zur Romantik zu verbergen?

Mauren Maurer: Triangle I-III

Die wohl bekannteste Anekdote über Virginia Woolf betrifft ihren Besuch des hochgesicherten und geheimen Kriegsschiff Dreadnought: Mit ein paar anderen Freunden schminkte und verkleidete sich die Schriftstellerin zu einem orientalischen Diplomat und erhielt einen würdevollen Empfang der britischen Marine auf dem Schiff. Maren Maurer erwähnte diese Geschichte, als sie mit mir über ihre neueste Assemblage Triangel I-III sprach. Zu sehen waren drei eingerahmte Dreiecke, die auf einem grünlichen Mantelstoff hingen. Je nach Orientierung seiner Spitze ist das Dreieck entweder das Symbol der Dreifaltigkeit oder ein Zeichen, das an weibliche Geschlechtsteile erinnert. Maurer, die sich in ihren letzten Arbeiten mit der modischen, gesellschaftlichen und politischen Tragweite der Intimfrisur beschäftigte, hat sich hier für die sexuelle Orientierung der Form entschieden – also mit der Spitze nach unten – und das Innen des Dreiecks mit unterschiedlichen Texturen und Strukturen belebt.

Das Sichtbarmachen des Intimen, auch in ihrer kodierten Ausprägung, das Umkehren des innen nach außen, die Tarnung (der Stoff, der als Rahmen der drei eingerahmten Bilder diente, evozierte ein Camouflage) und das Thematisieren der Weiblichkeit waren die offensichtlichen Bezügen zu Woolf und zur Dreadnought-Episode. Der Clou der Assemblage war ihre unsichtbare Komponente: Hinter dem Stoff verbarg sich nämlich eine Tür. Und im Zusammenhang mit der sexuellen Konnotation der Arbeit bekam diese Tür eine starke Präsenz, die das Ensemble noch aufwertete. Unwillkürlich müsste ich an das letzte Werk von Marcel Duchamp denken.

Marcel Duchamp: Etant donné...

Marcel Duchamp: Etant donné...

Alles in allem also eine feine, ausgewogene und intelligente Ausstellung, die sich zwar schnell erfassen lässt, doch Einiges an Aufmerksamkeit fordert. Mit seiner Wahl hat Matthias Erntges hier zweifelfrei eine gute Hand aufgewiesen. Ohne Allüre investiert der eigentliche Kulturmanager viel Zeit und Geld in ein idealistisches Projekt, das langfristig konzipiert ist. Kein Glam-Faktor, kein aufgeblasenes Ego und Kommunikationsterror auf die sozialen Netzwerken, aber ein Programm, das, jenseits jenes kommerziellen Druckes, eine  Möglichkeit zum Experimentieren ermöglicht. Das spricht sich herum: Dass Erntges mit Künstlern kooperieren darf, die in manchen namhaften Galerien vertreten sind, ist als Zeichen der Anerkennung und des Vertrauens zu bewerten. Außerdem gehört er möglicherweise zu den letzten Kuratoren auf Erde, der Einladungskarten zu seiner Ausstellungen mit handgeschriebenen Adressaten und auf postalischem Weg versendet… Das nennt man Stil.

Vera Lossau

Maren Maurer

Raum für Kunst
Sonderburgerstr. 2
D’dorf-Oberkassel
www.raumoberkassel.de

Verstecken und Entdecken zu den Kunstpunkten 2011

Kunst und künstlerisches Schaffen hat immer auch etwas mit dem bürgerlich geprägten ‚Märchen vom Entdeckt werden‘ zu tun. Darin wirkt der Künstler Jahrzehntelang unbeirrt im stillen Kämmerlein vor sich hin, bis eines Tages endlich der Durchbruch und die damit verbundene finanzielle Entlohnung für all die Mühen der durchlittenen Armut kommt.
Und wir wollen Ehrlich sein, es ist nicht einfach sich von dieser Wunschvorstellung zu befreien – denn wer wünscht ihn sich nicht, den Sechser im Lotto.

Doch es ist zu einfach, sich diesem hartnäckigsten aller Mythen des Kunstsystems mit abgeklärtem Spot anzunähern. Wer sich mit dem Prozess des künstlerischen Schaffens Abseits des Glamours beschäftigt, der merkt sehr schnell wie prekär die Arbeits- und Lebensumstände oftmals sind. So braucht es wirklich nicht viel Phantasie um sich auszumalen wie empfänglich mancher dort für Märchen wird.

Und während etwa der Akademie Rundgang in Düsseldorf jedes Jahr – mittlerweile eigentlich fast ausschliesslich – die Aura der sexyness und coolness junger, aufstrebender Kunststars versprüht, bieten die Kunstpunkte oftmals einen Blick auf die andere Seite ein und des selben Systems.
Denn in zahlreichen, offenen Ateliers ist die Symbiose aus Warenfetisch und Kunstwerk offensichtlich nicht geglückt. Und so sind die gebotenen Einblicke  für den sensiblen Betrachter in vielen Fällen auch mit einer gewissen Tragik verbunden, die der Erkenntnis entspringt, dass all zu vielen Künstlern der große Durchbruch für immer versagt bleiben wird.

Wobei die Tragik ja nicht darin begründet liegt, dass es dem Künstler oder der Künstlerin nach gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen an Erfolg mangeln würde. Die Tragik basiert eben vielmehr darauf, dass der zugrundeliegende Mythos an zu vielen Orten offensichtlich nicht entzaubert und kein adäquater Umgang damit gefunden wurde.

Ein weiter Weg

Das war jetzt zugegeben recht Weit ausgeholt, für einen Beitrag, in dem es eigentlich um einige Bilder eines einzigen Atelierbesuches anlässlich der Kunstpunkte 2011 geht.
Aber es passt dann doch, denn der Weg zu diesem Ort war ebenfalls lang und führte auf ziemlich verschlungenen Wegen durch das irgendwie doch recht eigenartige Terrain Oberkassels.

Und natürlich geht es hier nicht ohne Grund um Entdecken oder Verstecken und damit verbundene Erfolge und Mißerfolge. Denn bei den Künstlern die sich am hintersten Ende der Böhlerwerke, ganz am Ende von Oberkassel, am Rand von Düsseldorf eingerichtet haben, war die oben beschriebene Tragik trotz der offensichtlichen Abgeschiedenheit nicht zu erkennen. Denn der abgelegene Ort auf dem Werksgelänge erschien nicht als Verbannung oder als ein Abgeschoben-und-von-der-Welt-vergessen sein, vielmehr hatte es etwas von einem gut behüteten Rückzugsgebiet. Die abgelegene Ecke erscheint dem Besucher als ein Ort der überhaupt nicht darauf aus ist entdeckt zu werden. Um so schöner wenn es einen über lange Umwege dann doch dorthin verschlägt.

Und jetzt die Bilder.

Hansaallee 321, Ateliergemeinschaft auf dem Gelände der Böhler Werken

Julia Alberti, Annette Gut, Sigrid Haun, Martin Lampe und Marta Pankratova sowie Michaela Masuhr

Werkstattausstellung

Martin Lampe

entzaubert Künstlermythen und entgeht der Tragik


Museum im Koffer [MiK.]

Sigrid Haun

Weitere Bilder ohne Kommentar

Arbeiten verschiedener Künstler, deren Namen gerade leider nicht zur Hand sind.

KUNSTPUNKTE 2011: FOTOSAFARI TEIL II – Update

Same procedure as last week. Unser bravouröses Team kennt kein Wochenende und schwitzt oder macht sich nass um Bilder der Kunstpunkte 2011 zu fangen. Wie bereits erwähnt: Folgende Fotostrecke ist das Produkt einer unsystematischen, nicht-selektiven Jagd.

Indes erscheint ein Fazit der diesjährigen Veranstaltung nicht einfach. Geklagt wurde in zahlreichen Ateliers über den niedrigen Zulauf, mit einem geschätzten Rückgang der Besucherzahl von bis 50% im Vergleich zum letzten Jahr. Ein paar Künstler waren auch über den wahrgenommenen, stetigen Qualitätsverlust der Kunstpunkte verärgert. Und auch uns erschien es, als seien mittlerweile doch ein wenig zu viele Bastler, Kunstkrempel-Produzenten, Hobby-Maler und kreative Hausfrauen ins Boot gesprungen. Manche Ateliers erinnerten doch leider sehr an Weihnachtsbuden oder Schulkirmess-Stände, mit Früchtetee und erschwinglichem, selbstgemachtem Buntkrams als an richtige Produktionsstätten der Kunst – hier besteht die Gefahr längerfristig die Seriosität und Relevanz des Projektes in Frage zu stellen. Mehr denn je zuvor vernahmen wir während unserer Tour Künstlerstimmen, die eine Selektion der Teilnehmer forderten.


URSULA STRÖBELE UND GÄSTE

 

JOHN DUNN

URSULA STRÖBELE

HERBERT WILLEMS

SUSANNE FASBENDER

JOCHEN SAUERACKER

NICOLE MORELLO

NORIKA NIENSTEDT

MICHAEL JONAS

JOACHIM STALLECKER IM RAUM FÜR MALEREI

MARKUS KOTTMANN

Foto: Sabine Krogel

Foto: Sabine Krogel

AXEL HIPPE

SYLVIE HAUPTVOGEL

DANIELA S. BAUMANN

CHRISTA VON SECKENDORFF

ISABEL OESTREICH IM PLAN.D.

MAUDE MARIS

SYBILLE BERKE

JAN KOLATA

SOHEI HASHIMOTO

ANJA GARG

Peter Schmidt

KENNT POLEN KEIN OFF?

Dank eines Austauschprogramms des Adam-Mieckiewicz-Instituts habe ich die Chance und die Ehre gehabt, eine Woche lang in Polen mit einer kleinen Gruppe von Künstlern und Kuratoren zu verbringen. Das Programm war sehr reichhaltig – und ich habe trotzdem jede Lücke genutzt, um mehr über die polnische Off-Szene in Erfahrung zu bringen. Dabei bin ich zu ersten Erkenntnissen gekommen: Polens Künstler sind nicht auf die Alternative erpicht.

In Warschau

Warschau, Lodz und Krakau waren die drei Stationen einer Studienreise, die hauptsächlich aus Galerien- und Museenbesichtigungen sowie aus Gesprächen mit  einheimischen Kuratoren, Institutionsleitern und wenigen Künstlern bestand. Ich könnte hier im Allgemeinen über die erstaunliche Vitalität und das unleugbare Selbstbewusstsein eines Kunstbetriebes berichten, das sich clever zwischen Osten und Westen zu positionieren weiß, will aber der Prägnanz halber nur auf die Aspekte eingehen, die mit einer selbstorganisierten Künstlerschaft zu tun haben.

Łódź Kaliska, Jahrgang 1988

Da ich mit sehr beschränkten Vorkenntnissen der dortigen Verhältnisse auftrat und nicht wirklich hoffte, zufällig dem Herz der Warschauer Subkultur zu begegnen, begann ich direkt, bei Kuratoren, Künstlern und Museumsleitern systematisch nachzufragen. Und bekam da von allen Seiten die gleiche Antwort: Es gibt momentan in Polen keine erwähnenswerte Off-Szene. Damals, ja, vor der Wende, als die furiosen Neo-Dadaisten der Gruppe Łódź Kaliska noch für Zensur sorgten und nicht zur Touristenattraktion verkommen waren (www.lodzkaliska.pl)… Damals, ja, da war etwas, das die Idee einer selbstorganisierten, nicht-institutionellen Kunstszene noch vertrat. Aber heute… Nein, heute sei es entschieden anders.

Jeder Befragte versicherte mir, dass es in Polen so gut wie keine Off-Szene in den Bildenden Künsten gibt. Die meisten von ihnen, wenn auch gut informiert, vernetzt und in ständigem Austausch mit der lokalen Kunstszene, konnten mir keine Hinweise auf eine einigermaßen strukturierte Alternative geben. Adam Mazur, Kritiker und Kurator im Centrum Sztuki Współczesnej, im Schloss Ujazdowski und einer der führenden (Vermittler-)Köpfe der polnischen zeitgenössischen Kunst, gab mir auch direkt zu Anfang eine gute Erklärung: Den Künstlern geht es in Polen zu gut. Eine zynische Antwort?

Das Centrum Sztuki in Warschau mit einer künstlerischen Intervention

Nach Mazur haben die meisten jungen Künstler in Polen keine Zeit und keine Lust, sich am Rande des etablierten Kunstbetriebes zu organisieren – denn sie werden von Anfang an Bestandteile des Kunstbetriebes. Mit 24, 25 Jahren wird der Nachwuchs direkt von der Kunstakademie abgeholt und vor das Publikum gezerrt. „Es gibt überall im Land junge Kuratoren, die nur noch nach jüngeren Künstlern Ausschau halten und diese schnell lancieren wollen“, erzählte mir Mazur, dessen Worte von einem – tatsächlichen sehr jungen – Kurator an seiner Seite bestätigt wurden. Die Sammler und die Institutionen seien so scharf auf neue Positionen, dass es keine Notwendigkeit zur Selbstorganisation, hieß es. Polen, das Schlaraffenland für zeitgenössische Künstler? Es kann sein, dass Mazur das Bild ein wenig zu kontrastreich zeichnet, aber, angesichts der vielen Bestätigungen seiner Kollegen, muss etwas Wahres dran sein.

Das MS2 in Lodsz. It's so professional.

Was passiert aber mit denjenigen, die nicht direkt in das System integriert werden und nicht früh gepflückt werden? Denn letztendlich wird nicht jeder Absolvent einer Kunsthochschule zum gefeierten Nachwuchskünstler der Nation gekürt. Gründen sie dann Künstlergruppen und erobern sie auf eigener Faust Ausstellungsräume, um ihr Schicksal ein wenig auf die Sprünge zu helfen? Versuchen sie, ihre Arbeit an die Öffentlichkeit zu bringen? Nein – diese Unglücklichen, so meine verschiedenen Quellen einhellig, arbeiten weiter vor sich hin und schlagen sich mit Gelegenheitsjob durch. Die Vorstellung, selbstständig initiativ und zu einem Unternehmer seines Selbst zu werden sei ihnen völlig fremd. Mit der stoischen und gleichgültigen Resignation eines Oblomov, warten sie.

Das frisch eröffnete Mocak in Krakau

Und was passiert aber mit denjenigen, die aus ideologischen und idealistischen Gründen entschieden haben, die Alternative zu wählen? Was ist mit den Querköpfen, die die Regeln des herrschenden Kunstbetriebs nicht akzeptieren? Die gibt es einfach nicht, so Mazur weiter. Die jungen, polnischen Künstler suchen das System anstatt es umzugehen. Sie wollen die  Integration, die offizielle und kommerzielle Anerkennung und interessieren sich für diese Chimäre namens „Selbstbestimmung“ (ein sehr westliches Konzept) keineswegs. Ein wenig enttäuscht fing ich langsam an, mich mit der Tatsache abzufinden, dass es in Polen keine nennenswerte Off-Szene gibt.

Kurz vor meiner Abreise jedoch, als ich an einem Abend in Lodz (die polnische Hauptstadt des Theaters und eine Hochburg des Films) herumspazierte, entdeckte ich in einem Innenhof eine Szenerie, die mich wieder an eine selbstorganisierte Künstlerschaft hoffen ließ. Dort fand eine  Gruppenshow statt, die in Zusammenarbeit zwischen der Kunsthochschule von Lodz und Krakau entstanden war. Im Jazzga (eigentlich eine Musikkneipe) und in dessen Vorhof wurden fünf Leinwände auf Behilfsgerüsten gespannt, um Filme und Videoloops zu projizieren. Gezeigt wurden kurze, vorgefundene Filmsequenzen, die die Studenten jeweils verarbeitet hatten – es war also eine akademische Übung, dessen Ergebnissen an einem unakademischen Ort präsentiert wurde.

Loopimy sie hieß die Show –  ein Wortspiel, dass, neben der Loop-Komponente, ein bisschen klingt wie „wir mögen uns“ oder „wir starren“. Interessante, wenn auch nicht weltbewegende Beiträge, tolle Location, extrem angenehme Atmosphäre. Das Ganze wurde von Łukasz Ogórek und Ola Knychalska organisiert. Ich habe da einige Menschen kennen gelernt, die mir zwar bekräftigt haben, dass die artists-runned-spaces in Polen nicht gerade wie Pilze aus dem Boden schießen, mich aber trotzdem an weitere Projekten dieser Art verwiesen haben. Darauf werde ich zu einem späteren Zeitpunkt zu sprechen kommen.  Also gibt es doch eine aktive Szene am Rande der Institutionen und des Kommerz.

KUNSTPUNKTE 2011: FOTOSAFARI TEIL I

Das Wetter war am Samstag zu schön, am Sonntag zu schlecht – und Sie haben die Kunstpunkte verpasst. Gut, dass es uns gibt. Trotz des akuten Personalmangels und eines sehr begrenzten Zeitfensters haben wir ein paar Eindrücke von der alljährlichen Veranstaltung eingefangen, während dessen die gutwilligen Düsseldorfer Künstler ihre Ateliertüren öffneten. Hier eine unkommentierte, unselektierte und systemfreie Bildreihe. Nächste Woche geht es weiter…


MARTINA ROSENKRANZ

DIETER MARSCHALL

KARL ARNOLD

KLAUS KLINGER (FARBFIEBER e.V.)

SEBASTIAN KALITZKI

HANNE HORN

BIRGIT HUEBNER

CHRISTA K. GATHER

ULRICH-GERHARD SCHABBRAK

ABDELHADI EL AIDI

MASAMI TAKEUCHI

FRANZISKA VON HASSELBACH

HIROYUKI MASUYAMA

MASANORI SUZUKI

AXEL BRANDT

Im Vordergrund: Ludwig Sapper

LUDWIG SAPPER

STEFANIE PÜRSCHLER


JUNE PEACH AKA. DAGMAR BECHHAUS

EVA WEINERT

CHRISTEL BLÖMEKE MIT SCHÜLERN EINES RATINGER GYMNASIUMS

MARTIN STEINER

JENS BUHL

Netznachbarn – eine virtuelle Rundschau

In unregelmäßigen Abständen präsentieren wir hier augewählte Links zu lokalen Onlineprojekten, die #irgendwasmitkunstundoff zu tun haben oder die wir eben sonst einfach geil finden. Im Januar hatten wir einen Artikel zum Kölner Musik-Magazin Netlabelism.com, dieses Mal ist das Spektrum weiter gefasst.

Los geht es heute mit einem Blog über Mode, Film und Architektur, dann folgen gleich drei Künstlerplattformen aus Düsseldorf und der Blick auf eine relativ junges Projekt, einen Veranstaltungsblog mit der Möglichkeit Termine selber eintragen.
Als nächstes ein Link zu einem schönen, aber derzeit ruhenden Projekt aus dem Umfeld der Kunstakademie.
Dann noch der Hinweis auf eine ortlose Netzradiostation aus Köln-Mühlheim sowie auf ein, aus Düsseldorf stammendes, Projekt zu Klangkunst und Musik.
Zum Abschluss dann bildende Bildkunst: ein fotografische PolaroidArchiv im Netz.

Mode, Film und Architektur

Ein Düsseldorfer Blog welcher zwar der Mode verpflichtet ist, aber als Inspirationsquelle Film und Architektur angibt, die Grenzen also bewusst überschreitet, interessiert uns natürlich. Zumal die Architektur hier eben nicht nur als schicke Bühne für Modeshootings herhalten muss, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sujet beabsichtigt ist.
Über die Qualität der Auseinandersetzung kann und will ich hier kein Urteil abgeben, da weder Architektur, noch Mode, am ehesten dann vielleicht noch Film zu meinen Fachgebieten zählen.
Deshalb bitte einfach selber klicken, hier geht es zum aktuellesten Artikel.

Künstlerplattformen in und aus Düsseldorf

Weiter geht es mit zwei, respektive drei, derzeit im Aufbau befindlichen Kunst/Künstlerplattformen aus Düsseldorf. Eigentlich hatte ich sogar noch ein viertes Projekt dieser Art entdeckt, finde aber leider den Link nicht wieder.

Als erstes also das Projekt von Sven Blatt www.kunstduesseldorf.de.
Er definiert das Projekt selber wie folgt „KunstDuesseldorf  ist eine offene, interaktive Plattform für alle, die sich mit dem Thema KUNST beschäftigen: Künstler, Ateliers, Galerien, Veranstalter, Kunstliebhaber etc. Die Nutzung dieses Portals ist kostenlos.
Das Projekt ist nach wie vor lebendig, wird betreut und regelmäßig aktualisiert, könnte aber mal einen etwas potenteren Server vertragen. Der Zugriff auf die Seite ist zuweilen leider doch recht langsam.

Eine weitere Kunstplattformen mit ähnlichem Erscheinungsbild (düster-dunkel) befindet sich unter www.duesseldorfer-kuenstler.de.
Das Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dr. Eve Sattler, Joe Hennig, Tobias Basan und Vera Sattler. Die Initiative möchte gemeinsam die Arbeit in Düsseldorf ansässiger Künstler durch Information, Austausch und Vermittlung zum Publikum unterstützen.

Zu guter Letzt, das derzeit wohl ambitionierteste Projekt: Qjubes die Kunstplattform. Qjubes ist zwar nach wie vor in der Testphase, das Anmelden und Ausprobieren ist aber bereits möglich. Qjubes ist ein Projekt von Philipp Gürtler und Walter Padao. Der ein oder andere Leser wird die Beiden womöglich als Organisatoren des Provisionären Salons kennen. Zusätzlich zu der, noch im Aufbau befindlichen, Community gibt es seit einigen Monaten den Qjubes-Blog. Der Blog wird von Sven Grünwitzky und Philipp Sternfels redaktionell betreut und bringt zur Zeit regelmäßige Berichte über Kunst und Ausstellungen aus Düsseldorf und Berlin.

Studentenzeitung und Veranstaltungsblog

Ein eigentlich sympathisches, aber leider derzeit sehr stilles Projekt ist dasZeitung, ein Blog mit Veranstaltungshinweisen aus dem Umfeld der Kunstakademie. Wie gesagt derzeit nix los, deshalb auch kein Bild, aber wer weiß, eventuell kommt da ja noch mal was. Wir behalten mal ein Auge drauf.

Nun der Hinweis auf die leerseite.com, eine kleines, feines und kluges Projekt, das schnell erklärt ist: leerseite.com ist ein Veranstaltungskalender bei dem man nach kurzer Registrierung selber seine Termine einstellen kann.
Eine gute Idee einfach umgesetzt. Einziges Manko ist derzeit, es werden leider nur Bilder und keine Texte angezeigt. Für die Indizierung durch Suchmaschine ist das suboptimal, für einen Veranstaltungskalender ist das nicht unbedeutend. Es wäre also sicherlich eine gute Investition dem Projekt bei Gelegenheit mal ein Texteingabefeld zu spendieren.

Zum Abschluss Ton und Bild

Jetzt noch ein kurzer Blick den Rhein aufwärts nach Köln, denn dort hat sich im Frühjahr 2011 das Projekt muelgrimeradio.de gegründet. muelgrimeradio.de ist ein Internetradiosender mit Schwerpunkt auf elektronischer Musik. Die Macher sind zumindest in Teilen mit der Kölner Netlabelszene verbunden, die gespielte Musik ist aber nicht auf Netlabels beschränkt.

Das besondere an dem Projekt ist, es gibt kein zentrales Studio. Die Sendungen werden täglich von anderen Orten in Köln-Mülheim aus gefahren.

Zurück in Düsseldorf führt uns der nächste Klick dann zu jahrgangsgeraeusche.de, einem Projekt von Axel Ganz. Axel Ganz bringt dort schon seit einiger Zeit diverse Bereiche der zeitgenössischen Musik und Klangkunst zusammen und verbindet diese redaktionelle Arbeit mit dem, von ihm selber fortgeführten Klangarchiv.
Hier sammelt er Töne und Geräusche von unterschiedlichen Orten und bietet sie im MP3-Format unter cc-Lizenz zum freien Download an. Das stöbern lohnt, es finden sich Skurilitäten wie die Lautsphäre einer Bibliothek neben dem Geräusch klappernder DVD-Cases. Eine tolle Sammlung die hoffentlich noch lange fortgeführt wird.

Wir enden mit dem Bild, oder besser gesagt mit den Bildern eines Bildarchivs, bestehend aus Polaroidportraits Düsseldorfer Künstlern aus der Zeit von 1977 bis 1992: www.polaroidsammlung.de/.
Zum ersten mal bin ich zu später Stunde im WP8 auf das Projekt aufmerksam gemacht worden. Durch Zufall kam ich mit Gunnar Tjaden, dem verantwortenden Künstler ins Gespräch, und auf einmal standen wir vor dem türkisfarbenen Apple neben dem WP8-Tresen. Gunnar war so nett und zeigte mir die Webseite während er mir die Hintergründe erzählte und den ein oder anderen intimen Einblick in das Projekt und zu denPersonen gewährte.
Wie gesagt, es war schon spät und so sind sicherlich einige wichtige Information im Nebel der Erinnerung verschwunden. Wenn ich mich recht entsinne, gab es aber wohl Überlegungen von Seiten eines Museums die Arbeit anzukaufen, leider weiß ich nicht was daraus geworden ist.

Das war es für heute. Weitere Links und Informationen zu Projekten im Netz die #irgendwasmitkunstundoff zu tun haben, bitte gerne per E-Mail an florian.kuhlmann (at) vierwaendekunst.de oder einfach unten in die Kommentare.

Danke fürs lesen und bitte bleiben Sie an den Apparaten!

THE GREAT NATIONS OF EUROPE im WP8

Trotz der Neueröffnung der Filmwerkstatt und der Bemühungen der Black Box ist Düsseldorf immer noch keine richtige Kinostadt geworden. Neben diesen zwei Institutionen gibt es hier kaum Raum für experimentelle Filme. Die Videokünstlerin Susanne Fasbender, die mittlerweile in der Stadt etwas wie eine One-Woman-Vermittlungsinstanz in Sache Kunstfilm geworden ist, versucht immer wieder im Alleingang das hiesige Angebot zu verbessern. Sie zeigte am vergangenen Samstag ihre letzten Entdeckungen im WP8.

Ihre stetigen Filmrecherchen, kombiniert mit ihrem aktuellen Interesse an die riots in London und Birmingham, führten dazu, dass Fasbender sich in letzter Zeit ganz auf Großbritannien konzentriert hatte. Sie hat an diesem Abend über ein Dutzend Beiträge ganz unterschiedlicher Herkunft und Natur zusammen gestellt und präsentiert. Dabei war die Fasbendersche Auswahl wider Erwarten kein eklektizistisches Potpourri, sondern eine gut gemischte und abwechslungsreiche Folge, die einheitlich wirkte. Die Vorliebe der Künstlerin für politische und soziale Themen diente als roter Faden der Vorstellung.

Fintan D. Ryan: Press Conference

Es überwogen also dokumentarische Kurzfilme, deren Sujets mal sachlich-distanziert (Esther Johnson), mal intim-erzählerisch (Louis Henderson) behandelt wurden. Und zwischendurch ein paar pädagogische Einschübe, um die eigenartige und komplexe politische Struktur der britischen Krone zu verstehen – ein irrwitziges Konstrukt, das den rasanten Animationsfilm von C.G.P. Grey zu entwirren versucht.

Oliver Braid: The Craft

Noch zu sehen: Übergewichtige Schauspieler-Amateure, die mit den billigsten Mitteln ihren Lieblingsfilm in irgendeiner öden Vorstadt nachdrehen und aus einem normierten Hollywood-Produkt eine persönliche, wenn auch lausige Interpretation machen – Appropriation Art von der Basis aus (Oliver Braid). Zwei enttäuschende Videos von PJ Harvey, die in ihrem letzten CD-Projekt mit England und den Engländern abrechnet und dabei nichts anderes als platte Klischees aneinander reiht.

Sam Holden: Hector and me

Und weitere bizarre und eigenwillige Typen, die ihren eigenen Weg gehen und zu kleinen, lebendigen Denkmälern gegen die Systemkonformität gemacht werden – wie dieser schräge Leguan-Liebhaber, der in einer kleinen Wohnung mit seinem riesigen Tier namens Hector lebt (Sam Holden). Oder ein sympathisches aber widerspenstiges Pärchen im besten Alter, das einen angeordneten urbanen Umstrukturierungsplan nicht akzeptiert und, mitten in einer Ruinenlandschaft, den Abrissbaggern trotzt (Tim Brunsden).

Anita Ponton: The Siren Song

Die einzigen Exkurse zu Formen, die sich vom sozial-dokumentarischen Tonfall distanzierten, waren die Filme von Fintan D. Ryan und die Interpretation von Anita Ponton; eines Auszugs des legendären Scum-Manifesto von Valerie Solanas – deren deutsche Übersetzung übrigens von Susanne Fasbender kongenial vorgetragen wurde.

WP8
Kölner Str. 73
www.wp8.org

„STRANGERS ON A TRAIN“ von JÖRG STEINMANN

Lange hat sich Jörg Steinmann nicht mehr auf den Düsseldorfer Straßen blicken lassen. Begleitet von merkwürdigen, zusammen gefrickelten Klanggeräten und stets auf der Suche nach urbanen Resonanzkörpern, die der Stadt ungehörte Töne erzwangen, hatte er sich in den letzten Jahren durch poetisch-humorvolle Klangperformances im öffentlichen Raum ausgezeichnet. Sein neues Projekt heißt „Strangers on a Train“ und fand seinen Abschluss am 31. Juli am Graf-Adolf-Platz.

„Strangers on a Train“, das ist zunächst ein Roman von Patricia Highsmith, der zum Klassiker der Kriminalliteratur avancierte als er von Alfred Hitchcock verfilmt wurde. Der Plot: Zwei Männer lernen sich in einem Zug kennen und schließen einen Pakt. Jeder soll im Auftrag des Anderen einen Menschen umbringen. Da die Männer sich bisher nie gesehen hatten, sollte dadurch das Motiv des Verbrechens für die Polizei undurchsichtig bleiben – der perfekte Mord wäre damit begangen.

Steinmann nutzte diese Vorlage für eine Aktion in zwei Teilen. Im November 2010 interviewte er zunächst Bahnreisende auf ihrem Weg ins Ruhrgebiet (und zurück) und fragte, wie der perfekte Mord für sie aussehen könnte, bzw. wie sie es anstellen würden, wenn sie Jemanden umbringen wollten. Es ist nicht gerade die Art von Fragen, die ansonsten im Regional Express gestellt werden – aber gerade dieser Moment der Überraschung war das, was Steinmann in seiner Interaktion mit gelangweilten Pendlern hervorrufen wollte. Er versetzte somit seine Mitreisenden in die Täter-Rolle und konfrontierte sie mit einer Frage, die so abstrus und entfernt war, dass sie ihre Fantasie wach rüttelte und plötzlich einen freien Raum öffnete – eine in der Psychologie übliche „Schock-Methode“ zur Auflösung von Denkblockaden.

Das „Gedankenspiel, das nicht zur Anleitung“ werden sollte, wie es in dem Video zu hören ist, regte auf jeden Fall Einige zu mehr oder weniger ernsthaften Überlegungen. Die sehr unterschiedlichen Antworten, die das – zumindest für die meisten unserer Zeitgenossen – Undenkbare zu einer gedachte Eventualität machten, wurden vom Künstler aufgenommen, zusammen geschnitten und transkribiert.

Ein halbes Jahr später erfolgte der zweite Teil der Aktion. An einem schönen Sonntag lud Jörg Steinmann zu einer Aufführung in zwei Durchgängen am Graf-Adolf-Platz ein. Mit einer Gitarre und ein paar elektronischen Verzerrern (dabei ein Gerät mit dem süßen Namen „Total Sonic Annihilation“), die die Hintergrundmusik liefern sollten, las und spielte er den Text, der sich aus den Ergebnissen seiner Befragung speiste. Diese Interpretation, die ebenso dokumentiert wurde und als zweite Stufe der Aneignung zu verstehen ist, schuf so eine neue Schleife in einem Stoff, der bisher durch einige Medien gegangen war.

Vom Buch zum Film zur Befragung und zum Hörspiel: Steinmann spielt mit den Verzerrungen und Verfremdungen, sucht aber vor allem die soziale Interaktion und, dank minimaler Ton- und Klanginszenierungen, sammelt ein Material, das das Reale in eine leicht entrückte, fiktive Atmosphäre versetzt.

Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet im Künstlerhaus Bethanien in Berlin


Im Rahmen des Frikk-Festivals, Berlin, dass sich in besonderer Weise den darstellenden Künsten widmet, war die Performance „Les Petites Rouges“ von Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet zu erleben.

Die Lyrikperformance der beiden Schauspielerinnen kommt auf den ersten Blick schrill und aufreizend daher und bedient scheinbar jeden Voyeurismus. Denn sie folgen den Spuren des Marquis de Sade, dessen geheimnisumwittertes Werk für Pornographie und Perversion steht.

Aber de Sade gehört eindeutig auch in den Kontext der Aufklärung und Sätze wie : „Es wäre der Triumph der Philosophie, wenn es ihr gelänge, Licht auf die dunklen Wege zu werfen, deren sich die Vorsehung bedient, um die Ziele, die sie sich im Bezug auf den Menschen gesetzt, zu erreichen; (…)“ sprechen für den aufklärerischen Impetus.

Mit Blick auf die jüngsten Skandale hinsichtlich Kindesmißbrauch und Kinderpornographie zeigt sich bestürzend klar die Aktualität des Themas. Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet widmen sich in bizarren, schrillen Bildern dem brisanten Themenkreis. Provokant stellen sie den Tabubruch und den eigenen Körper zur Schau. Eine sinnliche und ambivalent lustvolle  Betrachtung der dunklen Seite der menschlichen Natur, der  das Projekt Aufklärung viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkte, denn de Sade wurde ja bekanntlich verurteilt und seine Gedanken zur Sexualität aus den bürgerlichen Bücherschränken verbannt.

Die Puppet-Lichtenstein Coop.  sucht nicht nur den Körper zum Schauobjekt zu machen, sondern erzählt eine visuelle Geschichte der Zurichtung von Körper und Körpergesten.  Hierin liegt der Unterschied. Dass vielfach diese feine Differenz übersehen wird und die Performance als Fleischbeschau wahrgenommen wird, nehmen die beiden in Kauf. Sex sells und sorgt für Aufmerksamkeit. Wer dies leugnet, ist ein Heuchler.

In diesem Sinne: Glitzer für die Welt, man!

PETER MÜLLER IM REINRAUM

Tony Cragg-Schüler hocken nicht in ihrer Klasse herum in der Hoffnung, abgeholt zu werden. Sie gehen mit ihrer Arbeit in die weite Welt hinaus. Oder zumindest nach Düsseldorf-Mitte oder Oberbilk. Vorletzte Woche trafen wir einen dieser (ex-) Schüler  im Raum für Vollendete Tatsachen. Letzte Woche trafen wir einen Anderen im reinraum. Was werden die kommenden Wochen bringen?

„Beleuchten“ heißt die aktuelle Ausstellung von Peter Müller in der ehemaligen öffentlichen Toilettenanlage. Und tatsächlich ist jede Zelle des Ortes in einem besonderen Licht getaucht, mal Blau, mal Rot, mal Gelb, und empfängt jeweils eine einzige Skulptur. Im zentralen Raum der Ausstellung ist eine Arbeit präsentiert, die viel an die expressive Bildhauerei der Nachkriegszeit erinnert. Modernistisch anmutend, von filigraner Dynamik und trotzdem geballt und dicht, steht das Objekt auf einem Sockel wie eine Perle in ihrem Schmuckkästchen. Angeregt durch die Bilder der Rauchsäule der Deepwater Horizont, hat Müller eine große Arbeit konzipiert, die zur Zeit im Kunstverein Oberhausen ausgestellt ist –  während das Modell im Düsseldorfer Untergrund zu sehen ist.

Das Material der Plastik ahmt Wellpappe täuschend echt nach, was interessante mikro-Durchblicke ermöglicht und ihren grafischen, linearen Charakter unterstützt. Die Negativräume kommen so stärker zur Geltung, was zum Schwung und zur Leichtigkeit der Arbeit beiträgt.

Im Hintergrund sind z.T. direkt über die Pissoirs Fotos der gleichen Arbeit in anderen Toilettenanlagen angebracht worden –  da thront die Plastik im Klo des Neusser Rathauses oder des Malkasten. Müller hat in der Tat einige öffentliche WCs abgeklappert und die Skulptur kurz dort ablichten lassen um, wie er selbst erzählte, zu überprüfen, welcher Einfluss der Raum auf die Rezeption seiner Arbeit ausübt.

Ein wenig weiter steht ein Turm aus Kuhhörner, die, wie eine Wirbelsäule, an der Vertikale montiert sind. Wer glaubt (wie ich es zunächst getan habe), dass Peter Müller vom Material ausgeht und, im besten Craggschen Stil, sich an den Grenzen des Stoffes genussvoll reibt um dessen Widersinnigkeit zu erfahren und zu zähmen, irrt sich. „Erst die Idee, dann das Material und schließlich die Form“, verriet mir der Künstler. Der spielerische Umgang mit sehr unterschiedlichen Materialien sowie eine gewisse Neugier sind in Müllers Arbeit unleugbar, aber die idea scheint in seiner Prioritätshierarchie noch vor dem designo zu stehen. Stets haben diese Gebilde eine konkrete Beziehung zur Welt, zur Aktualität, zu all dem, was der Künstler sieht, hört und beobachtet.

Jede gute Ausstellung im reinraum ist eine Ausstellung, die den sehr spezifischen Charakter des Ortes berücksichtigen muss. Der unheimlich dominante Zug des Raums bedeutet einen Zwang für jeden Künstler – Letzterer kommt aber nicht drum herum das besondere genius loci anzudeuten und zu reflektieren. Müller war erfreulicherweise nicht so naiv, seine Arbeiten wie Solitäre in die Klozellen zu  stellen. Durch den vorsichtigen und gut dosierten Rückgriff auf einen Sockel hebt er seine Skulptur von dem Umfeld ab. Zugleich geht er auf dieses Umfeld ein, wie die überdrehte Lichtinszenierung des gesamten Schaus und die Fotoserie bezeugen. Um die Frage der Skulptur allein geht es bei Peter Müller nicht. Um die Fragen der Form, des Materials, der Struktur und der Textur geht es nicht ausschließlich. Auch der Ausstellungskontext wird zum vollwertigen Bestandteil der skulpturalen Arbeit gemacht.

Ausstellung bis zum 27.7.2011
Finissage am 27.7.2011 mit einem Künstlergespräch um 19.30 Uhr
geöffnet am 13.7., 20.7., 27.7, je um 19.30 Uhr
www.reinraum-ev.de

RALPH HAUSER und BEA OTTO IM RAUM FÜR VOLLENDETE TATSACHEN

Das dialogische Prinzip scheint ein bevorzugter Präsentationsmodus der Off-Szene zu sein: Wie im Institut für Skulpturelle Peripherie oder in der Gesellschaft für Streitorientierte Kulturforschung, setzt der Raum für Vollendete Tatsachen auf systematische Paarungen und versucht offensichtlich, eine fruchtbare Reibung zwischen zwei ganz unterschiedlichen Positionen hervorzurufen. Diesmal mit mäßigem Erfolg.

Alles, oder fast, spielt sich auf dem Boden ab. Kleine bis mittelgroße Objekte, klecksweise verteilt, ignorieren die Wände und okkupieren den charakteristischen Boden des Raumes. „Okkupieren“ ist in diesem Kontext eindeutig zu stark: Alles hier ist so bescheiden, konzentriert, leise und in sich gekehrt. Eine Arbeit von Otto traut sich, die schmale Ablage vor dem Fenster zu besetzen; eine Arbeit von Hauser entfaltet sich sogar in die Vertikale und erreicht Menschengröße. Mehr Spektakel ist nicht drin. Alles wirkt ansonsten nüchtern, bedachtsam und gemessen.

Die pieces von Bea Otto oszillieren zwischen perfektem Diskurs und lapidarem Statement. Ihre Interventionen, die ganz auf die Eigenschaften des Raums zugeschnitten sind und dessen Proportionen, Materialität, Volumen, Farben, physischen und atmosphärischen Qualitäten reflektieren, bilden die Ergebnisse von präzisen Beobachtungen vor Ort. Diese Objekte sind praktisch als übertragene Pendantstücke mancher Raumaspekte zu sehen: Sie nehmen direkt Bezug auf bestimmte Details der vorhandenen Räumlichkeiten, unterstreichen architektonische Elemente, betonen ein Material oder verlängern eine Kurve.

Bea Otto

Manchmal sind sie auch eine weite, indirekte Übersetzung des Beobachteten. Dabei erfolgt die Übertragung auf lässiger bis rotziger Art; hinter der strengen, pseudo-minimalistischen Hülle der Objekte verbirgt sich oft ein verschmitztes, freches Lächeln, das erst im zweiten Augenblick zu entdecken ist. Otto bezeichnet ihre Herangehensweise als „vorübergehende brüchige Ortsfindung“ – eine sperrige aber zutreffende Umschreibung.

Bea Otto

Im Gegensatz zu Ottos Arbeiten, sind die Skulpturen von Ralph Hauser unabhängig vom Raum entstanden und, auch wenn sie bezugsreich sind, wirken dadurch autonomer und verschlossener. Hauser präsentiert hier zwei „Lampen“-Arbeiten und eine Skulptur aus Stoff und Ton. Die Lampen haben einen vagen modernistischen Touch; es könnte sich um preiswerte Nachahmungen von Bauhaus-Klassikern handeln oder um Kopien irgendwelcher Designerstücken, die in der Werkstatt eines Bastlers entstanden wären. Eine der Lampen evoziert den elitären Glanz von hochwertigem Design, besteht aber aus einem Notenständer und einer türkischen Teekanne, die zu diesem Zweck gezielt gesucht wurden (es ist also weder ein präpariertes Ready-Made noch ein Objet Trouvé im surrealistischen Sinne).

Ralph Hauser neben seiner Plastik

Die Stoff- und Tonskulptur hat ihrerseits symbolistische Züge und sucht anscheinend die Nähe zu Rodin, Claudel oder von Stück. Nach eigenen Aussagen geht es für Hauser um die persönliche, nicht-virtuose Aneignung von Klassikern der Hochkultur: Warum sollte man so viel Geld für diese Objekte ausgeben, wenn man sie selbst bauen kann? Zynischer Kommentar der Praxis des Empowerment oder unverfrorene Naivität? Jedenfalls knüpft Hauser mit erstaunlicher Frische an demokratische, real-utopische Diskurse, die man spätestens seit den 1980er Jahren vergessen hatte.

Ralph Hauser

Keine der zwei Positionen, die im Raum für vollendete Tatsachen präsentiert sind, ist wirklich enttäuschend. Die zugleich solide und subtile Arbeit von Bea Otto überrascht zwar nicht; ihr feines Gespür für winzige – aber entscheidende – Details sowie ihre Intelligenz für den Ort sind immer ein Genuss. Und mit der Bereicherung einer reinen skulpturalen Intervention mit einem (versteckten) soziologischen Diskurs, bringt Ralph Hauser seinerseits einen originalen Ansatz, der die Fetischisierung der Kunstware in Frage stellt – wohl aber gleichzeitig neue Fetischen hervorruft.

im Vordergrund: Otto; dahinter: Hauser

Was diese zwei sich zu sagen haben, bleibt allerdings rätselhaft. Vielleicht verbindet  sie ihre lässig-coole Haltung? Eine  harmonische Okkupierung der Raumvolumen und eine stimmige Aufteilung in der Galerie schaffen noch längst keinen gelungenen Dialog. Und zwei gute Künstler zeitigen nicht unbedingt eine gute Ausstellung. Die friedfertige Kohabitation im Raum für vollendete Tatsachen erzeugt weder Fragen noch Funken; am Ende beharren Otto und Hauser auf ihren jeweiligen Standpunkt, ohne dass der Ansatz eines Austausches stattgefunden hätte. Beim Zusammenwürfeln ihrer Gäste scheinen die Raumbetreiber Katharina Maderthaner und Christian Schreckenberger dem Zufall zu viel überlassen zu haben.

Ausstellung vom 30.6.-16.7.2011
geöffnet Samstags 13-17 Uhr
Oberbilker Allee 317
www.vollendete-tatsachen.de
 

dok25a zeigt Nicola Schrudde und Monika Schiefer

In den schönen Räumen in Oberkassel sind derzeit lediglich drei Werke von zwei Künstlerinnen zu beschauen. Doch es erweist sich erneut, dass Weniger eben Mehr sein kann! Es ist eine meditative Ausstellung der leisen, subtilen Töne. Klassische Ölmalerei von Monika Schiefer steht neben einer installativen Arbeit von Nicola Schrudde, die Skulptur und Fotografie zusammenbindet.


Monika Schiefer präsentiert nach beinah 15-jähriger Ausstellungspause eine ausgesprochen sensible Malerei, die mit Recht als peinture zu bezeichnen ist. Mit kleinen Pinselstrichen bearbeitet sie die Leinwand und generiert Farbstrukturen, die äußerst empfindlich auf Licht reagieren und ein Wechelspiel der nuancierten Farbigkeit zur Anschauung bringen. Farben, als Taten des Lichts frei nach Goethe werden so zum Erlebnis und bergen ein geheimnisvolles Innenleben.

Eine erfrischend unprätentiöse und gleichwohl handwerklich versierte Künstlerin erteilt einer schnellen, möglichst motivisch provokanten Malerei eine deutliche Absage. Das Beharren auf das sichtbare Changieren als Ergebnis einer sorgfältigen Malerei ermöglicht einen sehr offenen Raum der Deutung und bleibt dem Betrachter überlassen. Es geht nicht um Beliebigkeit, sondern um eine weder narrativ manipulierende noch sonstwie hierarchisch strukturierte Kommunikation. Also eine klassische Haltung, die den inneren Dialog vor dem Werk forciert.

Nicola Schrudde bespielt mit ihrer installativen Arbeit den zweiten Raum. Eine silbrige Tonskulptur wird mit einer auf Plexiglas projezierten Fotofolge konfrontiert. Motivisch handelt es sich um Florales; während das auf dem Boden liegende Objekt deutliche Arbeits-Spuren aufzeigt und eher assoziativ an etwas Pflanzliches erinnert, bilden die Fotos ein Blatt und silbrig anmutende Tautropfen ab. Irritierend wirkt die leichte Verschiebung des Motivs während der Projektion. Dies rührt vom ursprünglichen Videomaterial her. Einige Standfotos wurden für die Arbeit verwendet.

Die Konfrontation der unterschiedlichen Medien sowie das Zusammenziehen von konkrten und vagen Bildelementen macht den Reiz der Installation aus. Auch hier wird der Betrachter zur eher meditativen Reflexion animiert. Darüber hinaus stellt sich im Schwarz-Weiß der Fotografie ein hohes Maß an Abstraktion dar, welche das Natürliche von Blatt oder Tautropfen in den Hintergrund drängt. Dergestalt gewinnt das Formale ein besonderes Gewicht und ruft den Diskurs zur Ästhetik erneut in Erinnerung.

Alles in allem eine ruhige und beschauliche Präsentation, wovon sich offenkundig das Publikum am Eröffnungsabend wenig berührt zeigte. Gerne mit dem Rücken zur Kunst stehend, immer bemüht sich zu vernetzen oder über die Lasten des Broterwerbs als KunstbeamtIn zu lamentieren, stellt sich mir verstärkt die Frage nach dem Niveau des Düsseldorfer Ausstellungsbesuchers.

R.I.P.: Grau6 und CapitalGold

Gleich zwei Projekträume haben am vergangenen Samstag ihre Aktivität in Friedrichsstadt eingestellt. Keine Panik, es ist längst noch kein Aderlass: Aufgrund der räumlichen und personalen Verbundenheit von Grau6 und Capitalgold, war es voraussehbar, dass das Verschwinden der einen Initiative den Tod der Anderen mit sich ziehen würde. Und auch wenn das Projekt CapitalGold von Anfang an auf drei Jahre begrenzt war, ist es bedauerlich, dass der Standort verlassen wird. Derweil fragt man sich, ob nicht eine geographische Verschiebung der Düsseldorfer Off-Szene stattfindet: Friedrichsstadt hat zwei Referenzen verloren und Flingern – das Bobo-Quartier schlechthin – zwei neue innerhalb von wenigen Wochen bekommen: Volker Bradtke (wir berichteten) und – wenn man’s als Off betrachtet will – die Filmwerkstatt. Gentrifizierung, ich verstehe dich nicht mehr…

MAX SUDHUES und JON MOSCOW im INSTITUT FÜR SKULPTURELLE PERIPHERIE

Eine raue Luft weht in Bilk. Wir berichteten letzte Woche von den knallharten Konfrontationen, die derzeit in der Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung stattfinden. Am westlichen Rand des Stadtteils werden derweilen im Institut für Skulpturelle Peripherie zwei Künstler systematisch der Herausforderung gestellt, in einem kleinen Raum miteinander klar zu kommen. Allerdings mit deutlich sanfteren Akzenten – hier ist eher die Harmonie als der Streit gesucht.

Seit beinahe einem Jahr lassen Friederike Schardt und Petra Albrand in regelmäßiger Abfolge zwei Künstler im Lackierraum einer Schreinerei  aneinander brizzeln und freuen sich über die Ergebnisse. Brizzeln? Ja, brizzeln: Wenn zwei künstlerische Positionen, die sich irgendwie am Rande der Bildhauerei einordnen lassen (s. der Projektname) mehr oder weniger willkürlich zusammen gebracht werden und aufeinander Bezug nehmen müssen, dann gibt es Chancen, dass es brizzelt. Ich schätze, dass Elektronen, Billardkugeln und Bienen brizzeln. Sowie Künstler brizzeln, wenn sie in einem Raum von gefühlten 30m² eingesperrt werden…

Jon Moscow und Max Suedhues sind die zwei aktuellen Brizzler vom Dienst und, so viel sei vorweggenommen, ihre forcierte Mitbewohnerschaft hat sich als sehr glücklich erwiesen. Ich weiß nicht, ob die zwei schon zuvor zusammen gearbeitet haben, aber es ist ihnen gelungen, einen Raum zu kreieren, der mal von einer harmonischen Verschmelzung, mal von einer folgenreichen Kollision zeugt. Hier wird die Peripherie als auswucherende, grenzenfreie und proteische Totalität definiert: Skulptur, im weitesten Sinne, von der Decke bis zum Boden, an der Wand und in der Luft. Skulptur als präpariertes Ready-Made, als raumgreifende Videoprojektion, als intimistische Installation, als stimmungsvolle Bildkonstruktion. Skulptur als subtile Okkupation der Horizontalen, der Vertikalen; Skulptur als Modulation der Fläche und des Volumens, Skulptur in Bewegung, auf der Kippe und mit Klang.

Das kleine Zimmer ist wie ein Parcours gebaut, der den Besucher regelrecht dazu zwingt, physisch aktiv zu werden. Wer hier etwas sehen will, darf sich nicht zu schade sein, um in die Knie zu gehen oder sich gegen eine Wand zu drücken. Bei der Platzierung ihrer Arbeiten, scheinen Moscow und Suedhues den potenziellen Rezipienten stets vor Auge gehabt und dessen abwesenden Körper in der Distribution der Volumen berücksichtigt zu haben. Auch wenn diese Interaktivität nicht an zentraler Stelle steht, ist die Komponente der körperlichen Einbeziehung des Betrachters hier unleugbar.

Trotz der bedrängten Inszenierung des Raums wirken die einzelnen Arbeiten jedoch leicht, fragil und luftig. Sie bestehen aus armen Materialien, die ohne Bombast assembliert wurden. Sie behaupten sich auf prekärer Weise. Mehr schlecht als recht hängen sie an Fäden und Kordeln, rotieren halbwegs um ihre eigene Achse oder stehen da, als ob sie gleich abgeholt werden wollten. Manchmal tauschen sie Gleichgewicht, technologische Perfektion und High-End-Qualität vor. Manchmal fangen sie an, eine Geschichte zu erzählen, manchmal erzählen sie einen Witz sogar zu Ende. Manchmal nehmen sie Bezug zum Raum und tun so, als ob sie irritieren wollten (diese projizierte Flamme auf der hölzernen Decke); manchmal kümmern sie sich nicht um den Raum und irritieren tatsächlich (dieses projizierte Bild von Suedhues, das wie eine Collage wirkt aber keine ist). Manchmal werden Formkorrespondenzen gesucht und gefunden, Relationen geschaffen; manchmal eben nicht. Es brizzelt eben sehr.

Weg vom individuellen Ghetto und vom Star-Kult, weg vom monografischen Modus und vom selbstverliebten Monolog, hin zu gezwungenen und zeitlichen Allianzen, zu offensiven Konfrontationen oder zu bereichernden und unerwarteten Dialogen. Das Institut für Skulpturelle Peripherie, genau wie die GSK (s. Eintrag vom 10.6) und wie MAP (als das The Chain– Konzept noch funktionierte),  hat sich für die Verknüpfung und die Verkettung entschieden. Ist das eine Tendenz?

Jon Moscow

 
3.6.2011-12.6.2011
Gladbacher Strasse 56
Samstags und sonntags 15-18 Uhr
www.institut-fuer-skulpturelle-peripherie.de

Paul Czerlitzki vs. Benedikt Gahl/Veit Kowald in der GSK

Immer Mittwochs zwischen 19.00h und 22.00h bietet die Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung (GSK) ein mehr oder weniger sportives Spektakel. Zwei Künstler, zwei Werke, ein Sieger. Das Publikumsvotum entscheidet den Zweikampf per Stimmzettel; der Sieger muß seinen Titel eine Woche später gegen einen neuen Mittstreiter verteidigen.


Gahl / Kowald

Basisdemokratie versus Elitarismus?

Die Frage nach ästhtischer Relevanz oder überhaupt kunstimmanente Überlegungen die ausgestellten Arbeiten betreffend, verbieten sich hier von selbst. Im Zentrum steht die Aktion der Entscheidungsfindung mit allen ihren Begleiterscheinungen und nicht der Artefakt. Interaktion und Begegnung werden inszeniert und benötigen die Werke lediglich als Vorwand einer Kommunikationsform, die dem Zwang zum Konsenz  zu entfliehen sucht und Entscheidung forciert. In dieser Verkürzung liegt der Reiz und die Gefahr, Kunst noch einmal mehr als schnell- erfassbares Konsumgut zu etablieren. Geschmackskriterien sind selbstverständlich nach wie vor irrelevant hinsichtlich des Kunsturteils, das ist allen Beteiligten gleichermaßen klar – und dennoch besteht gerade in der Möglichkeit des persönlichen Bewertens mit spürbarer Konsequenz die unerquickliche Nähe  zu den viel versteckteren und nicht reflektierten Formen der medialen Kunstkritik- und Wahrnehmung.

Czerlitzki

Zweifellos offenbart sich in dem provokanten Konzept ein durchaus zeitgemäßes Schema der Unterhaltung, bestens bekannt durch allerlei Shows, die das soziale Miteinander polarisieren in Verlierer und Sieger. Gleichzeitig erweist sich die vorgegebene Struktur als eine Möglichkeit insbesondere für junge Künstler sich den Konkurrenzkämpfen des Kunstmarktes zu stellen und Ablehnung oder Anererkennung zu relativieren. Denn natürlich entscheidet innerhalb der drei Stunden weniger die Qualität der vorgestellten Arbeiten, sondern vielmehr die Stärke des Freundeskreise über den Ausgang des Wettstreites.

Auch der Hype um die Star-Kuratoren wird durch die Zufälligkeit der konkurrierenden Exponate obsolet. Vermittelt doch die gängige Praxis der Kunstpräsentation zunehmend den Eindruck, dass es bei Ausstellungen letztlich um die jeweilige KuratorInnen und deren wie auch immer superlativisch zu lobende Zusammenstellungsarbeit gehe. Dieser Attitude erteilt das clevere Konzept von Jana Schröder, Andreas Breunig, Johanna Bücker und Clemens Rathe definitiv eine Absage.

Und das ist gut so!

Paul Czerlitzki

Den teilnehmenden Künstlern mag es auch schon mal unter die Haut gehen, denn Ablehnung zu erfahren, ist in jedem Fall unangenehm bis heikel. Die von den Protagonisten zur Schau getragene Coolness täuscht daher nicht über die Anspannung hinweg die mit dem anstehenden Konkurrenzkampf einhergeht, allerdings trägt der kleine Härtetest unbedingt dazu bei, die jeweilige Sozialmaske zu erfinden, zu definieren und zu verfeinern.

Benedikt Gahl und Veit Kowald

Ein spannendes Experiment, das zunächst recht schlicht erscheint sich aber als gesellschaftlich relevant und ungeheuer komplex mit Blick auf Kommunikation und Wahrnehmung des eher elitäten Feldes sozialen Handelns, dem Raum von Kunst und Kultur darstellt. Die Problematisierung von Rezeption und Wertung berührt dabei den beinah reflexionsresistenten Zirkel der sogenannten Kulturschaffenden ebenso wie die Kulturwirtschaft.

Und wer würde wohl als Sieger hervorgehen, ließe man Struth gegen Kriwet in den Ring?

Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung
jeden Mittwoch ab 19 Uhr
Merowingerstrasse 28
gsk-info.blogspot.com

KAI WELLER bei DAMENUNDHERREN

Zwischen Bühnenbild, Verlies und Beobachtungsstation: Die klinischen Höllen, die zu den bevorzugten Sujets von Kai Weller gehören, lehnen sich an jene Tierkäfige an, die in allen Zoos Europas mehr oder weniger kunstvoll eingerichtet werden und die Illusion eines natürlichen Lebensraums vorgaukeln. Für seine Ausstellung bei damenundherren entfernt Weller die Tiere aus seinen Gemälden und behält die Räume.

Unsere Freunde die Tierfreunde sollten es also nicht missverstehen: Diese Bilder sind keine Anklage gegen die Tierhaltung und ihre politische Motivierung ist eher verhalten. Diese Bilder sind der Vorwand einer prinzipiellen Beschäftigung mit dem Raum. Für den Wahlberliner Kai Weller, der eigentlich Philosophie studiert hat und sich seit anderthalb Jahren ausschließlich mit Malerei auseinander setzt, ist die malerische Praxis eine Möglichkeit, das Spannungsfeld zwischen Gegenständlichkeit und Struktur zu erfahren.

Foto: Kai Weller

Denn, trotz des klaren Bekenntnisses für das Reale und trotz des leichten Hangs zur Erzählung, der sich hinter diesen stillen Interieurs verbirgt, ist Wellers Kunst eher auf die Konfigurierung einer inneren Raumstruktur angelegt als auf die Erzeugung einer Stimmung. Seine Malerei ist in erster Linie Konstruktion – nicht Licht, nicht Farbe – sondern logische Entfaltung der Fläche in den Raum, sowie die Brechung dieser Logik. Trotz des ausgearbeiteten kühlen und aseptischen Zustands dieser Zellen, fungieren die gemalten Käfige nicht als expressive Orte, sondern sind die Medien einer Reflexion (und eines Spiels) mit dem und in den Raum.

Foto: Kai Weller

Die Räume von Kai Weller speichern weder Geschichten noch Erinnerungen, sie laden sich nicht mit Emotionen auf, sie erzeugen keine Atmosphäre – oder diese Atmosphäre ist nur ein Nebenprodukt – und sind nicht die onirischen Spielplätze von Träumen, Fantasien und Wünschen. Zumindest in dieser Hinsicht unterscheidet sich Wellers Projekt von denen eines Neo Rauch, Matthias Weischer oder Daniel Richter, die den Künstler besonders beeindruckt haben. Anders als diese illustren Vertreter der Neuen Leipziger Schule, fokussiert sich Weller auf die Räume selbst und verzichtet weitestgehend auf Narrativität.

Foto: Kai Weller

Dabei nutzt er die heterotopische Qualität der bemalten Vivarien und Käfige voll aus, die zwischen absurden Landschaften ohne Natur und kranken Stillleben ohne Leben schwanken. In diesen illusorischen Attrappen baut er schwarze Löcher, inszeniert kleine Strudel, installiert optische Widersprüche und destabilisiert mit wenig Mühe das Raumgefühl. Er manipuliert also. Diese Ver-rückung des Realen schafft eine „Belebung des Todes“, wie Weller selbst formuliert, die jedoch nicht im surrealistischen Sinne zu verstehen ist. Die leblosen Gegenstände werden zu Teilen eines dynamischen Systems gemacht, das aus Spannungslinien, Ausgleichsbereichen, Verbindungsgliedern und Störfeldern besteht.

Man merkt dieser Malerei deutlich an, dass sie zerebral gesteuert ist. Man merkt auch an manchen Stellen, dass diese Malerei noch reifen muss. Dass, zum Beispiel, eine Differenzierung der wiedergegeben Texturen ihr gut tun würde, dass eine breitere, reichere Palette den Reiz steigern und dass eine aufmerksamere Beachtung der Lichtkomponente ihre Effekte noch intensivieren könnte. Kurz gesagt: Das intellektuelle Vergnügen einer Dechiffrierung der Ambivalenzen, das Weller in seine Malerei streut, benötigt noch einen adäquaten Körper, einen sinnlichen Gegenpart, der aus diesen reinen Denkspielen hochkomplexe und spannende Objekte machen würde.

Kai Weller

Kai Weller bei damenunderren
„Das innen im außen“
Oberbilker Allee 35
14.05.2011 – 27.05.2011
www.damenundherren.de

4. CABINETTSITZUNG IM CABINETT

Abseits der obercoolen Düsseldorfer Kunstszene und ihren blasierten Vertretern, abseits der Neuauflage des Post-Post-Neo-Geo und der sensationellen Entdeckung einer Hyper-Trash-Minimalism-Bewegung in den Kellern von Friedrichstadt oder in den Hinterzimmern von Flingern, wachsen hier und da, in verborgenen und leisen Nischen, zarte Blüten, die dem Rummel der selbsternannten Kunstmetropole zu entkommen versuchen.

Foto: A. Lechtenberg

Diese Blüten sind einsam: Sie sind nicht (oder nicht mehr) an das soziale Netzwerk der Kunstakademie und ihrer Absolventen gebunden und zeigen eine Kunst, die weder hipp noch geil ist – und z.T. sogar gar nicht zeitgemäß wirkt. Sie werden – wenn überhaupt – naserümpfend von den gut informierten, aufstrebenden Jüngstern (wovon so oft hier die Rede ist) wahrgenommen und in die inkonsequente Liebhaber-Kategorie abgeschoben. Es ist gewissermaßen das Off der Off-Szene, die Alternative in der Alternative. Das Cabinett gehört zu diesen seltenen Blüten. Entstanden Ende 2007 auf Initiative der Textil-Designerin Andrea Dietrich, und in unregelmäßigen Abfolgen in ihrer kleinen Werkstatt durchgeführt, knüpft die Idee an die Sammler-Kabinette der Aufklärung, die zugleich Orte der Bildung und der kultivierten Unterhaltung waren.

Foto: A. Lechtenberg

Die Gattung des Kabinetts ist also per se ein Raum zwischen Öffentlichem und Privatem, Intimität und Offenheit. Und genau diesen Charakter spürt man, wenn man das kleine Zimmer  in Dietrichs Wohnung betritt. Anders als in den üblichen artists-run-spaces herrscht hier ein freundlicher, ungezwungener und aufmerksamer Tonfall; eine familiäre Verbindlichkeit, die ganz ohne Beck’s Gold, Gauloises Blonde und den dazu gehörenden Pokerface-Seitenblicken auskommt. Ja, dieser Raum ist anders – sowie die Kunst, die dort präsentiert wird.

Foto: A. Dietrich

Für die 4. „Sitzung“ teilen sich vier Künstler die paar Quadratmeter des Kabinetts. Andrea Dietrich zeigt auf einer Wand freie Arbeiten, die nichts mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun haben. Angeregt von Bildern und Motiven, die sie im mikrobiologischen oder geologischen Zusammenhang beobachtet hat – und die prinzipiell an die evolutiven Prozesse der Natur anknüpfen –, schafft sie sog. „Farbkollektionen“, in denen changierende Farbkombinationen und –texturen systematisch erprobt werden. Das Ensemble wird noch von schwarz-weiß-Fotos von extrem vergrößerten mineralischen Objekten ergänzt.

Foto: A. Lechtenberg

Eine ähnliche Konzentration auf die Farbe findet man in den Arbeiten von Adolphe Lechtenberg wieder, allerdings mit einer stärkeren intuitiven Note, die ganz auf die Systematik von Dietrichs Arbeitsproben verzichtet. Aus zeichnerischen Entwürfen heraus entwickelt Lechtenberg objekthafte Gebilde, die zu Farbträgern fungieren und den Ausgangspunkt einer Ausdehnung der Farbe in den Raum bilden. In der Tradition von Klein, Rothko oder Graubner, werden diese Objekte von ihrer körperhaften Präsenz enthoben, erzeugen Farbe und Licht und definieren den Raum neu.

X. García - Foto: A. Lechtenberg

Die Mexikanerin Ximena García, seit fünf Jahren in Deutschland und zur Zeit in der Klasse von Gostner untergebracht, präsentiert grafische Arbeiten, die einen ebenso starken Bezug zum Raum entfalten. Dabei arbeitet García nicht mit der Ausstrahlungskraft der Farbe, wie Lechtenberg, sondern greift auf transparente Papierschichten zurück, die durch ihre Überlagerung plastische Effekte hervorrufen und eine dreidimensionale Illusion erzeugen. Die Flachware, in einem kastenähnlichen Silikon-Rahmen umfasst, verwandelt sich in ein Objekt.

H. Erdem - Foto: H. Erdem

Formell gesehen, bildet der Kasten von Havva Erdem eine Antwort auf die voluminöse Zeichnung von García. Die Künstlerin hat einen Schrein gebaut, der ein mysteriöses Objekt aus Fischhaut, Schwanzflossen und Schmetterlingsflügeln beherbergt. Das bizarre Gebilde, das aus einem Märchen entkommen sein könnte, verwehrt sich den Blick des Betrachters, zieht ihn aber unweigerlich an. Dabei ist die Aufbewahrungsschatulle genau so raffiniert konzipiert wie das Objekt selbst; ihre Materialien und Formen sind symbolisch beladen und tragen zur geheimnisvollen Inszenierung der Skulptur bei.

Ein ungesehener Gegenstand, zwischen Pflanzlichem und Tierischem, wie aus einer fernen und gefährlichen Reise zurückgebracht: Es ist vor allem Erdems fantastisches Schmuckstuck, das den Bezug zur Wunderkammer und  zum Amateurkabinett am deutlichsten repräsentiert. Aber die Geschlossenheit der gesamten Ausstellung sollte an dieser Stelle unbedingt gewürdigt werden: Trotz der Originalität und Spezifität der einzelnen Arbeiten, die auf den ersten Blick einen heterogenen Eindruck machen könnten, entwickeln sich nach einer Weile feine Korrespondenzen und leichte Verbindungsfäden, die all die vier Positionen zusammen bringen und dieses 4. Kabinett zu einer runden Sache machen.

 
 
 
Cabinett
Ausstellung v. 22.5-2.6.2011
Andrea Dietrich
Gustav – Poensgen – Str. 59
40215 Düsseldorf
Tel.: 0211-392885
www.cabinett.culturebase.org
Öffnungszeiten: Sa. 16.00 – 18.00 Uhr und nach tel. Vereinbarung
 

DIE SCHÜSSEL LEUCHTET im WP8

Susanne Fasbender hat am vergangenen Samstag eine kleine subjektive Auswahl von Filmen im WP8 gezeigt, die bei den drei letzten Kunstfilmtagen bereits präsentiert wurden. Um es kurz zu machen: Ich war nicht dabei und werde also nicht darüber berichten.

Unsere Agentin (alle Fotos hier: Stefanie Pürschler) war jedoch vor Ort und hat einige Bilder realisiert, die somit einen Eingang in das Archiv finden. So kommen wir einigermaßen unserem Anspruch nach, die Düsseldorfer Off-Szene restlos zu rezipieren.

Alles was ich weiß (und es ist nicht viel), ist dass die Schüssel, wovon die Rede hier ist, ein fluoreszierendes Bild von Melanie Richter war. Darauf ist ein Pissoir zu sehen. Wer an Duchamp denkt, hat offensichtlich den Anfängerkurs zur Strategien der Postmoderne (Stufe 1) belegt und bestanden.

Und eine sehr erfreuliche Mitteilung: Susanne Fasbender, die die letzten drei Ausgaben des Kunstfilmtags nahezu in Alleinregie organisiert hat (www.kunstfilmtag.de) und, aufgrund des großen Aufwandes, die Veranstaltung eigentlich nicht mehr weiterführen wollte, macht weiter! Sie wird mit organisatorischer und kuratorischer Verstärkung an der vierten Ausgabe arbeiten, die 2012 stattfinden soll.

FELIX BURGER im PARKHAUS MALKASTEN

Romantischer Dünkel in der Wolfsschanze, ein Themenpark voller Heimatgefühle, Führer-Mystifizierung und Verherrlichung des Künstlers; und dann noch ein paar Gastarbeiter für Lohengrin. Wer sich in die dunkle Höhle des Felix Burger wagt, wird möglicherweise an Jonathan Meese erinnert werden. Nicht ganz zu unrecht. Nur dass Burger mit leiseren Tönen auftritt und eine eher verhaltene und subtilere Art pflegt.

Ehe der Besucher des Parkhauses in den düsteren Raum eintritt, stößt er auf die Rückseite eines Bühnenbild-Elements und ahnt schon, dass alles, was noch kommen wird, eine perfide Illusion oder eine trügerische Inszenierung sein könnte. Exakt: Der Hang zum Theatralischen ist in der neusten Installation von Felix Burger nicht von der Hand zu weisen – sowie sein offensichtliches Vergnügen, die Ebene des Realen und des Fiktiven zu vermengen.

Foto: Felix Burger

Der Münchener hat im idyllisch gelegenen Parkhaus eine in sich geschlossene Welt erschaffen, bestehend aus heterogenen Elementen, die formal oder inhaltlich zusammen verwoben und in der großen Rhapsodie namens Schliersee eingebunden werden. Eine Welt, düster und romantisch wie eine Oper von Richard Wagner, eine Welt mit urdeutschen Landschaften, folkloristisch-nationalistischer Architektur und teutonischen Helden. Eine Welt aus Bildern, Musik, Schattenspielen, Dokumenten und Requisiten. Vor hundert Jahren oder mehr hätte man von einem Gesamtkunstwerk gesprochen − was uns wieder zu Wagner führt.

Der Raum selbst, mit seiner spärlichen Beleuchtung und seiner von Vitrinen geschützten Reliquiensammlung, hat alles von einer gebastelten Walhalla. Das Modell eines bescheidenen Alpenhäuschens thront in einer Ecke; die Pläne des Gebäudes (übrigens: Jahrgang 1940 – ein gesegnetes Jahr) findet man am anderen Ende des Raumes. Zusammen mit Bauplänen einer mysteriösen unterirdischen Anlage (Stichwort: Verschwörungstheorie), die zur Belustigung der Masse (Stichwort: Disneyland; übrigens: war Walt nicht ein bisschen faschistisch?), bebaut werden sollte.  Weiterhin wären in diesen Vitrinen zu verzeichnen: ein merkwürdiger Vertrag (nicht mit Blut gesiegelt, aber Faust lässt trotzdem grüßen), die echte Fälschung von pseudo-historischen Dokumenten mit losem Bezug zur allgemeinen bayerischen Thematik, sowie die  Masken des Künstlers, auch sichtbar in dem schwarz-weiß-expressionistischen-Riefenstahlschen-Film, welcher in einer anderen Ecke des Raumes projiziert wird. Wagners Lohengrin liefert den Soundtrack zum Film, eine runde Sache angesichts der entsprechenden Schallplatte, die, das hatte ich ausgelassen, sich ebenso unter der Vitrine befindet.

Verheddert in einem schlechten Klischee des 19. Jahrhunderts, auf der Suche nach logischen, formellen oder narrativen Bezügen, die die Puzzleteile der Installation zusammen bringen würden, navigiert der Betrachter von einem Element zum nächsten, laviert zwischen Geschichte und Erzählung, Historie und Anekdote, Fantasie und Fakten, Inszenierung und Dokument. Ein höchst anspruchsvolle mentale Reise, dicht und stark; verführend und entfremdend zugleich.

Die Installation, die zunächst nur für die Ausstellung im Parkhaus entstanden ist, wird in wenigen Wochen und in einer leicht veränderten Form in der Simultanhalle (Köln) präsentiert werden.

Foto: Felix Burger

Felix Burger im Parkhaus
Schliersee – eine Parthie im bayerischen Hochlande
21.5.-5.6.2011
Parkhaus im Malkastenpark
Jacobistr. 6a
geöffnet mittwochs v. 19-22 Uhr und sonntags v. 14-18 Uhr
www.parkhaus-duesseldorf.com

THYRA SCHMIDT bei DI.VITRINE

Der Stempel ist gerade noch lesbar. Am 23.9.1992 wurde eine Postkarte für Thyra Schmidt, geb. Früchtenicht, im Postbüro Westerland (Sylt) entwertet. Die Bildseite zeigt einen malerischen Strand an der „schönen Nordseeinsel Sylt“. Im Vordergrund ein verdächtig gut platziertes Blumenbeet; in der Mitte ein ach so typisches, stattliches Strohdachhaus; im Hintergrund der belebte Nordsee-Himmel. Die Karte ist anonym. Es ist eine Liebeskarte.

Die Karte eines verliebten Menschen, der es nicht wagt, die Frau seiner Träume persönlich zu begegnen und anzusprechen. In gedrungener Schrift, Zeile für Zeile, bekommen die fragile Scheu und die zitternde Verehrung eines Unbekannten ihren minimalen Ausdrucksraum. Eine bescheidene Postkarte – also letztendlich etwas wie ein offener Brief – als erste, fieberhafte Kontaktaufnahme. Ein Gedicht, wie ein leiser Ruf. Eine Hoffnung – Flaschenpost. Es ist rührend. Es ist schön. Es ist poetisch. Es ist ein wenig kitschig.

Es ist publik. Es ist groß. Es ist stark beleuchtet und unter Glas. Es brüllt. Es ist in einer Passage ausgestellt, die zu den Gleisen der S-Bahn-Station Bilk führt. Es ist so vergrößert worden, dass jeder anonyme Passant die anonyme Karte gut lesen kann. Jeder kann an dieser angefangenen Liebesgeschichte teilnehmen. Jeder kann in das Herz und in die Seele eines schüchternen Menschen eindringen. Jeder wird zu einem potenziellen Voyeur gemacht. Wie in den Aktionen und Installationen von Sophie Calle, wird jeder Mr. Nobody in die intime Sphäre der Künstlerin eingeladen und kann sich deren Romanze aneignen.

Aber im Gegensatz zu Sophie Calle, die die Ebenen des Intimen und des Privaten noch mit fiktiven Elementen verzerrt, haben wir es hier nicht mit einem Fake zu tun. Thyra Schmidt hat diese Postkarte tatsächlich erhalten. Sie war damals gerade 17 Jahre alt und lebte in Norddeutschland. Nach dieser Karte folgten noch einige, ähnliche Briefe, genauso leidenschaftlich und anonym. Irgendwann wurde der Verliebte entblößt – und wer es genau wissen will, kann auf Nachfrage erfahren, dass es zu einer Liaison zwischen Schmidt, geb. Früchtenicht, und dem Verfasser der Karte kam.

Fast zwanzig Jahre später wird die persönliche Geschichte schamlos unter das Volk gebracht. Es ist schamlos, weil  – anders als die massmedialen Liebesgeschichten, die zum modernen Opium der Bild-, Gala- und Brigitte-Leser geworden sind – es kein Glanz und kein Glamour in dieser Karte stecken. Es ist auch keine schmutzige Story, keine schlüpfrig-geile Enthüllung, die das kranke Bedürfnis der Massen nach einer angeblichen Transparenz von „Prominenten“ stillen würde. Nein; es ist hier gerade das Romantische, Zerbrechliche und Vertraute, das Authentische und Nicht-Entfremdete, das in die Agora geworfen wird.

Das Künstlerpaar Dagmar Keller und Martin Wittwer hat Thyra Schmidt in den Bilker Bahnhof eingeladen und damit eine für diesen stark frequentierten Durchgangsort kongeniale Position gefunden. Die beiden großen Vitrinen, die vom Kulturamt verwaltet werden, werden tagtäglich von tausenden Pendlern mehr oder minder wahrgenommen. Das Licht ist hier entweder zu grell oder ungenügend, die Materialien lieblos und dreckig, die Raumabschnitte ausschließlich funktional gedacht. Bis auf einige Clochards und zwielichtige Gestalten, die sich zwischen Trinkhalle und Fotoautomat gelegentlich aufhalten, sind die Körper stets in Bewegung und die Blicke ausweichend. Es ist Öffentlichkeit in ihrem gnadenlosen Zustand. Die zarte und leise Liebeserklärung an der Wand ist eine Perle in der Gosse. Es ist die dezidierte Geste einer Künstlerin, die das Intime zu einer res publica macht. Wenn der Künstler sich in einem ständigen Prozess der öffentlichen Schaustellung befindet, ist derseelische Streeptease von Schmidt eine konsequente – wenn auch in ihrer Radikalität leicht störende – Entscheidung.

di.vitrine
im S-Bahnhof Bilk
Eröffnung am 19.5.2011
Ausstellung vom 20.5.-2.9.2011
24 Stunden eröffnet

KEREN CYTTER bei VOLKER BRADTKE

Neues in Flingern: Auf der Birkenstraße wurde im ehemaligen Ladenlokal einer Glaserei ein Raum eröffnet, dessen Namen einige Rätsel aufgibt. Untypisch für ein Off-Projekt: Für den Anfang wurden nicht irgendwelche frische Absolventen der Kunstakademie zusammen gewürfelt und zur Gruppe erklärt, sondern eine international renommierte Künstlerin präsentiert, die in den Genuss einer kleinen Solo-Show kommt.

Hinter der Initiative stehen Adam Harrison, Alexander Lorenz und Philipp Rühr, die für die Neueröffnung des Ladens eine zahlreiche Künstlerschaft mobilisiert hatten. Und vor allem Keren Cytter gewinnen konnten. Cytter hat in ihrer Wahlheimat Berlin vier Kurzfilme realisiert, die eine lose narrative Verbindung unterhalten und mal auf Monitoren gezeigt, mal an die Wand projiziert wurden.

Es wurde ein wahnsinniger Aufwand zur Neutralisierung der vorhandenen Räume betrieben. Der Bildhauer Christian Odzuk hat eine modulierbare Struktur aus Holz konzipiert, die  sich an die Präsentationsanforderungen anpasst und praktisch als „Innenpavillon“ im Laden fungiert − eine Lösung, die nicht nur praktischer und flexibler, sondern auch deutlich anspruchsvoller als die üblichen Trennwände sein dürfte.

In diesem leicht verschachtelten Rahmen entdeckt man die Filme von Cytter in verschiedenen Formaten. Es sind relativ kurze Vignetten, deren lineare Narrativität zunächst klassisch wirken mag. Cytter erzählt Geschichten von jungen Menschen in der Großstadt, skizziert Liebes- und Freundschaftsverhältnisse, hält kleine Begegnungen und Machtspiele fest, alterniert mikrogesellschaftliche Ereignisbeschreibungen mit allegorischen (aber unspektakulären) Szenen voller naiv-anmutender Poesie. Sie verfolgt mit einer geschmeidigen Kamera eine Handvoll Figuren, die aus dem jungen Berliner Künstlermilieu zu stammen scheinen; ein Milieu, das die Filmemacherin selbst gut kennt. Es ist ja bekannt, dass Cytter mit Menschen arbeitet, die keinerlei Schauspielerfahrung haben, sondern aus Freunden und Bekannten bestehen, was ihren Filmen einen charmant-amateurhaften Charakter verleiht.

Wichtiger als der Plot selbst sind jedoch die Mittel der Erzählung, die zum eigentlichen Sujet der Kurzfilme gemacht werden. Denn, parallel zur Erzählstrange, webt Cytter in all ihrer Produktionen eine versteckte Meta-Ebene, die die Instrumente der Erzählung aufnehmen, beleuchten und reflektieren. Im besten Brechtschen Stil schaffen diese Verfremdungseffekte eine Distanz zur Narration und rücken so in den Bewusstsein des Betrachters.

Cytters filmischer Ansatz ist ein dekonstruierender. Ob Licht, Ton oder das Schauspielerspiel: Einzelne Bestandsteile des Films werden isoliert und unter ein Brennglas gestellt, um deutlicher wahrgenommen zu werden. Die Erzählung selbst degeneriert zur Staffage sekundärer Bedeutung; die Prozesse des Erzählens parasitieren sie immer wieder und drängen sich im Vordergrund – was zu leichten Störungen und logischen Schnitten in der konventionellen Handlung führt. Als Clou schafft Cytter lasche Verbindungen von einem Film zum nächsten. Bild-, Ton- und Textschichten werden hin- und her geschoben, musikalische und motivische Komponente aufgegriffen und zitiert. Gerade in dem homogenisierten Raum von Odzuk, ist dies ein gelungener Zug. Ganz schön postmodern, indeed.

Volker Bradke (und nicht BradTke) war übrigens ein Autodidakt, der in den 1960er-Jahren in die Düsseldorfer Kunstszene verkehrte und erfolglos versuchte, sich als Künstler zu etablieren. Der zynische Gerhard Richter, der in Bradte den Prototyp des kleinbürgerlichen common man mit künstlerischem Anspruch sah, realisierte 1966 eine bissige eintägige Hommage-Ausstellung in der Galerie Schmela, betitelt nach den Namen dieser Randfigur.

Ausstellung v. 7.5.-5.6.2011
Ausstellungsraum Volker Bradtke
Birkenstr. 47
www.volkerbradtke.com

3-DAY STAND IM ATELIERHAUS WALZWERKSTRAßE

Eine Ausstellung, die den widrigen Umständen ihrer Entstehung deutlich erkennen lässt und trotzdem sympathisch daher kommt: Die Initiative von Jan Holthoff und Ethan Pettit ist zwar unbedingt begrüßenswert, das kuratorische Ergebnis des Düsseldorf-Brooklyn-Austausches lässt jedoch zu wünschen übrig.


 

Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Das unkuratierte Sammelsurium auf der Walzwerkstraße als Hölle zu bezeichnen wäre zwar maßlos überzogen, das Projekt erinnert jedoch daran, dass alle guten Ausstellungsideen nicht unbedingt in einer guten Ausstellung münden. Aber nun die Geschichte von Anfang an: Vor nur einem halben Jahr kamen Jan Holthoff und Ethan Pettit auf die Idee, eine engere Verknüpfung zwischen New Yorker und Düsseldorfer Künstler zu etablieren. Ersterer Anstifter ist ein ehemaliger Brandl-Schüler, der Zweite ein New Yorker  Maler und Grafiker, mit Hauptwohnwitz im Kiez von Bushwick (ein Stadtteil von Brooklyn).

Ohne allzu tiefe konzeptuelle Ansprüche und bar jedes ausgefeilten theoretischen Ansatzes, entschieden sich die zwei Männer einen sehr kurzfristigen transatlantischen Austausch zu initiieren und Werke von befreundeten Künstlern zwischen den Kontinenten zirkulieren zu lassen. Die Mittel waren knapp, eine institutionelle Förderung nicht vorhanden (bis auf die freundliche Unterstützung von Gil Bronner, der den Raum der Philara Sammlung zur Verfügung stellte); an einen klassischen Kunsttransport war nicht zu denken. Pettit packte bei seiner letzten Düsseldorf-Überfahrt so viele Werke wie nur möglich in seinen Koffer (was ihn dazu zwang, ausschließlich relativ kleine grafische Arbeiten auszuwählen), Holthoff trommelte seinerseits ein paar Künstlerkollegen in der Landeshauptstadt zusammen und – fertig war die Ausstellung.

Jan Holthoff

Unter diesen Umständen versteht man besser, wie es zu einer solch heterogenen und willkürlich wirkenden Ausstellung kommen konnte. Mit Hilfe von Konstantin Lange, haben sich Holthoff und Pettit zwar bemüht, formale oder thematische Bezüge zu schaffen, aber überzeugend ist das Ergebnis trotzdem nicht – zu gebrochen und inkongruent ist der Gesamteindruck und zu schwankend die Qualität der einzelnen Arbeiten. Den Machern ist übrigens die Schwäche der Präsentation bewusst. Ihnen ging es allerdings nicht um die Realisierung einer (nach institutionellen Maßstäben) klassischen Ausstellung, sondern um die prinzipielle Ermöglichung eines privaten deutsch-amerikanischen Transfers – wobei der Transfer sich nicht auf die Künstler, sondern auf ihre Werke bezieht. Was letztendlich zählen sollte, war dass die Arbeiten von New Yorker Künstler in Düsseldorf sichtbar werden und vice versa. Und wenn dies das Primärziel des Projektes ist, dann darf „3-Day Stand“ als Erfolg gelten.

Ethan Pettit

Jedenfalls geht der Austausch weiter: Wenige Tage nach der Eröffnung in Reisholz werden Pettit und Lange nach NY fliegen mit samt einigen grafischen Arbeiten der Düsseldorfer Künstler in ihren Koffern. Die Brooklyn-Ausstellung findet dann im Atelier von Pettit statt und wird vorwiegend aus größeren amerikanischen und kleineren deutschen Werken bestehen. Konstantin Lange hat sich mit einer Performance gemeldet und das dortige Publikum wird (möglicherweise zum ersten Mal) in Kontakt mit einigen Vertretern der Düsseldorfer Szene treten. Das ist auch eine positive Folge dieser Initiative.

Johanna Rzepka

Vincent Bambini


Als ich ihn fragte, was die Brooklyn-Bushwick-Szene ausmacht und wie die Düsseldorfer im Vergleich dazu steht, antwortete Ethan, dass der Grad an Gestaltungsfreiheit in NY höher sei. Spontane Kunstevents, die den Leerstand nutzen und ein riesiges Publikum in verlassenen Hallen anziehen werden nicht vom Ordnungsamt gefährdet. Die Regulierung des öffentlichen Raums ist dort nicht so streng wie hier, was einem andere Möglichkeiten eröffnet und eine ganz andere Energie frei setzt. Pettit behauptete weiterhin, dass die Amerikaner „funkyer“ seien, dass die Genre – zumindest in Brooklyn – sich stärker durchmischten und die Distinktion zwischen Hoch- und populärer Kultur weniger ausgeprägt sei als in Düsseldorf, wo der Einfluss einer Kunstakademie deutlicher zu spüren ist. Diese Bemerkungen, so richtig sie sein mögen, fanden keine Bestätigung in der Ausstellung, die eher eine Art „International Style“ aufwies.

Fazit: Das Wichtige an diesem kurzlebigen Projekt ist nicht das Produkt selbst – die Ausstellung – sondern die Tatsache, dass, auf eine private Initiative fußend, eine selbstorganisierte Szene – egal ob sie sich als solche versteht oder nicht – sich international vernetzt und eine Kommunikation von einem Kontinente zum nächsten etabliert. Trotz aller Bedenken zum konkreten Ergebnis dieser ersten Vernetzung erhält das Projekt von Pettit und Holthoff deshalb das Prädikat wertvoll und all unsere Wünsche für die Zukunft.

Petra Fröning

PRÄSENTATION DER WERKSTIPENDIATEN bei ONOMATO

Nicht selten schließen Off-Räume strukturelle Lücken, die die öffentliche Hand oder ihre privaten Partner hinterlassen, bedienen vernachlässigte Medien und Genre und tragen somit zur Vielfalt des lokalen Kulturlebens bei. In Düsseldorf, nach den schwierigen Jahren der Lüpertz-Ära in der Kunstakademie, hat sich eine dieser Lücken im Bereich der Film-, Video-und Klangkunst angesiedelt. Nun ist eine nicht-institutionelle Initiative in die Bresche gesprungen und stemmt aus eigener Kraft ein Stipendium für Künstler, die sich eben mit diesen Medien befassen.

Onomato, der sich schon längst über den Status eines einfachen Kunstvereins hinaus entwickelt hat und, neben seiner Verlagstätigkeit, auch ein reichhaltiges Programm an Vorträgen, Filmprojektionen und theoretischen Diskussionen anbietet, hegt so etwas wie einen institutionellen Bildungsanspruch. Es gibt z.B. Pläne zur Bildung eines Kunstinstituts mit vermittelnder Funktion („Kepos“), das sich den Schnittstellen zwischen Wort, Bild und Ton widmen würde. Ein durchaus ambitioniertes Projekt im Kontext der Off-Szene. Ein Vorgeschmack dieser „Schule“ liefert das Stipendiumprogramm, das im Frühjahr durchgeführt wurde und dessen Ergebnisse am 2.4. präsentiert wurden.

Es passten nicht alle in den Raum

Das Stipendium von onomato unterscheidet sich von anderen Modellen dieser Art. Es vergibt nicht einfach Geld und freut sich über eine Ausstellung (eigentlich vergibt es überhaupt gar kein Geld), sondern schafft eher die Bedingungen für eine künstlerische Weiterentwicklung. Für seine erste Austragung in dieser Form, bekamen die fünfzehn Stipendiaten drei Monate lang freien Zugang zu allen Ton- und Filmgeräten des Vereins und konnten z.B. die Schnittplätze und das Aufnahmestudio in Anspruch nehmen.

Da das Prinzip des Stipendiums darin besteht, den Austausch zu ermöglichen und eine möglichst bereichernde Reflexion und Selbstreflexion zu implementieren, wurden externe Dozenten regelmäßig eingeladen, um auf die jeweiligen Projekte der Stipendiaten zu reagieren. Abwechselnd fand einen wöchentlichen Plenum für Bild und Ton statt, in denen die Fachspezialisten präzis auf die einzelnen Arbeiten eingehen konnten. Dabei wurden immer wieder theoretische Einschübe geleistet: Christoph Korn las z.B. einen Text über das Geräusch – als Konzept und Phänomen –, der wiederum zum Ausgangspunkt einer Diskussion diente. Dazu wurden noch technische Kurse, ganz auf die Bedürfnisse der Stipendiaten zugeschnitten, kreiert und animiert.

Es passten nicht alle 15 Stipendiaten in das Bild

Es ist also weniger eine materielle als eine ideelle und intellektuelle Förderung, die hier intendiert ist. Der Prozess der Ausreifung und technischen Umsetzung einer Idee ist dabei wichtiger als die Produktion eines Ergebnisses, das im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden soll − wobei drei Monate viel zu kurz sind, um sich auf diesen Prozess einzulassen, wie einige Teilnehmer meinten. Eine Abschlusspräsentation gab es jedoch, und diese erschien stimmig und freundlich, mit einer guten Balance zwischen feierlicher Stimmung und entspannter Atmosphäre. Zunächst wurden die Beiträge auf Leinwand projiziert und von Frauke Tomczak kurz vorgestellt. Später bekam man die Gelegenheit, sich bei jeder einzelnen Arbeit zu vertiefen.

Weil das Schreiben über fünfzehn Künstler  eine unheimlich undankbare Aufgabe für den freiwilligen und nicht vergüteten Kunstblogger ist, soll sich diese Rezension auf einige, wenige Bemerkungen begrenzen. Die Vielfalt der Beiträge war jedenfalls beeindruckend: Von der üppigen, überladenen und sinnschwangeren Bilderwucht eines André Yuen zur meditativen, puristischen und fast minimalistischen Klangbild-Harmonie einer Stefanie Pürschler, vom sachlichen Dokumentar von Veronika Peddinghaus zur stimmungsvollen Ortsbegehung von Lilian Czolbe – die große Bandbreite des Stipendiums konnte klar stellen, dass onomato eine Schule (im Sinne einer betreuenden Institution) werden will ohne eine Schule (im Sinne eines dogmatischen Programms) werden zu wollen. Mir ist auch aufgefallen, dass die Tonspur vieler Arbeiten besonders fein – wenn nicht gar raffiniert – war. Anscheinend wurde aufmerksam an dieser Komponente gearbeitet.


INTERMITTENZ bei BARTLEBOOTH & SMAUTF

Dass die Düsseldorfer Off-Szene nicht allein aus den Absolventen der Kunstakademie und der FH oder aus den Arty-Spontis der Kreuzung Friedrichstadt/Bilk besteht, wissen wir hier spätestens seit dem letzten Eintrag: Die drei Betreiberinnen von d-52 sind nämlich angehende Kunsthistorikerinnen, die in ihrer unmittelbaren Auseinandersetzung mit lebendiger Kunst einen entscheidenden Beitrag zur selbstorganisierten Szene leisten. Nun zeigte für eine knappe Woche einer ihrer Kommilitonen eine Gruppenausstellung in seiner Wohnung. Martin Wolthaus ist sein Name.

Der überaus freundliche Martin Wolthaus ist eigentlich im Schloss Dyck beschäftigt und, parallel dazu, schreibt eigenständig an den Fußnoten seiner Dissertation. Aber als er vor kurzem eine kleine Wohnung auf der Himmelgeister Straße kaufte und diese nicht sofort beziehen konnte, kam er auf die abwegige Idee, eine Ausstellung in den leeren Räumen zu organisieren. Und so lud er sechs Künstler ein, die zuvor auf dem Rundgang der Kunstakademie gesichtet oder empfohlen wurden, und platzierte sie mit einem ausgesprochen feinem Sinn für den Raumcharakter in drei Zimmer.

Katharina Maderthaner

Nur eine dieser Künstler, nämlich Katharina Maderthaner, ließ sich von dem Ort inspirieren und entwickelte eine spezifische Intervention in der Küche. Diese Arbeit, eine chamäleonische Wandinstallation, verschmolz so gut mit ihrer Umgebung, dass sie von einigen Besuchern nicht auf Anhieb als Bestandteil der Ausstellung erkannt wurde. Die leicht hervorspringende Erhebung, die vage an eine Toastbrot-Scheibe erinnert, war perfekt eingebaut und gab den Eindruck, seit einer Ewigkeit an diesem Ort zu stehen. Was ihren skurrilen und mysteriösen Charakter noch betonte.

Benjamin Zanon

An der gegenüber liegenden Wand waren Kupferstiche von Benjamin Zanon, einem Deacon-Schüler, zu sehen. Die Drucke evozieren Karten von Megastädten monströser Ausmaßen, oder aber – weniger evident – organische Gebilde, die sich in den Raum ausdehnen. Venen/Schnellstraßen schneiden die breiten Zellen/Wohnblöcke und organisieren die komplex strukturierte Bildfläche in ungleich behandelten Bereichen. In einem fortwährenden Vorgang des Verdichtens, zeichnet Zanon eine Topografie des Rhizoms und, gegen die Leere kämpfend, füllt allmählich die freien Bereiche seiner Platten mit winzigen Zeichen. Die verschiedenen Stadien der Entwicklung gehen nicht verloren, denn jede Platte wird im Prozess der Radierung mehrfach, so dass der regelrechte Wachstum des Motivs zum integralen Bildbestandteil gemacht wird.

Heiko Räpple

Während die „Küchenwerke“ eine verhaltene und diskrete Wirkung ausübten, stellte das Wohnzimmer andere Weichen. Die Arbeit von Heiko Räpple, zum Beispiel, wurde über ein angefanges Loch in dem Boden platziert und bildete den interessantesten Ansatz des Schaus. Seine Skulptur gibt sich als abstrakte Komposition, deren Expressivität beim ersten Augenblick plump wirkt. Trotz der unleugbaren haptischen Qualität, fällt der ärmliche Kontrast zwischen dem Schaumstoffkörper und den spitzen Holzsplitter sofort auf.

Aber der Bezug dieser „Supernova“ zum Raum ist weitaus interessanter. Die Skulptur, die so aggressiv in den Raum hinausragt und, von einem Kern ausstrahlend, eine unheimlich dynamische und plastische Kraft entwickelt, weigert sich zugleich dem Raum. Auf einem Träger gebaut, in einer Ecke angebracht, bietet sie letztendlich nur eine singuläre Ansicht und wirkt beinah wie die Maske und die oberflächige, ironische Grimasse einer expressiven Skulptur.

Katharina Kiebacher

Zum Balkon hin wurde die Arbeit von Katharina Kiebacher projiziert. Die Ansichten von Glasgow, die die Künstlerin während einer City-Mapping geschossen hat, sind eine Ansammlung von banalen und funktionalen Gebäuden und gesichtslosen Straßen, die die Parallele zum Balkonblick und die ebenso unspektakuläre und wenig malerische Kreuzung zwischen Himmelgeister- und Kopernikusstraße sehr gut vertragen (da auch: kluge Platzierung). Die Präsentation der Fotos, die einen starken subjektiven und zugleich beiläufigen Blick aufweisen, waren nur für die Ausstellung realisiert worden.

Michael Koch

Der aufmerksame Betrachter hat möglicherweise im Nebenraum einige speckige Spuren an der Wand entdeckt, die die Stelle markieren, an denen ein Bett stand. Diese Ecke im Schlafzimmer war für eine Foto-Installation von Michael Koch prädestiniert: Das größte Bild des Ensemble zeigt ein geplatztes Kopfkissen woraus flauschigen Daunen entfliehen. Nahaufnahmen von weiteren weichen Materialien und Objekte, in dramatische, hell-dunkel-Kontraste inszeniert, vollenden die Wandebene.

Die dreidimensionale Entsprechung besteht aus gefalteten, mehr oder weniger weißen Tüchern und Stoffen. Schöne, schlüssige Arbeit, die formelle und sinnliche Verbindungen von einem Element zum nächsten (und auch zum Raum) schafft und aus wenigen Grundmaterialien eine starke erzählerische Dichte entfaltet.

Niels Sievers

Angesichts des subtilen Zusammenspiels von Raum und Werk, die die Ausstellung bis dahin aufwies, wirken die zwei kleinen Bilder von Niels Sievers ein wenig deplatziert. Nicht dass sie an sich enttäuschend wären: Die Landschaftsmotive im Miniaturformat, die auf CD-Hüllen gemalt wurden (die Notwendigkeit dieses Trägers habe ich immer noch nicht verstanden), weisen eine durchaus malerische Sensibilität auf. Es sind lakonische, naive und beinah romantische Gedichte, voller Stille und Nostalgie, die vorsichtig und behutsam geflüstert werden – geflüstert, um ihre zerbrechliche Schönheit nicht zu verschrecken. Nein – an sich sind die Arbeiten gelungen ; angesichts der besonderen räumlichen Situation hätte man sich jedoch eine offenere Auseinandersetzung mit der Wohnung gewünscht. Aber manche Maler sind so auf ihre Arbeit fixiert, dass sie ihre Umwelt vergessen…

Der überaus freundliche Martin Wolthaus gab zu, mit Intermittenz Blut geleckt zu haben – und künftig weitere Projekte kuratieren zu wollen. Da die Wohnung aber umgebaut werden soll, ist es nicht vorgesehen, eine Folge der Ausstellung an diesem Ort zu realisieren. Schade, eigentlich. Wir können nur hoffen, dass er beim nächsten Mal eine genauso glückliche Hand haben und eine genauso präzise Ausstellung realisieren wird…

Bartlebooth und Smautf sind übrigens die Hauptfiguren des exzellenten Romans von Georges Pérec „Das Leben Gebrauchsanweisung“. Diejenigen, die das Meisterwerk von Pérec gelesen haben, werden den Bezug zur Ausstellung sofort erkennen. Und diejenigen, die bisher auf das Buch verzichten konnten, haben nicht verdient, diesen Blog weiter zu lesen und werden gebeten, ihre Kiste auszuschalten und sich in eine Bibliothek oder Buchhandlung zu begeben. See you in 750 Seiten.

Intermittenz bei Bartlebooth & Smautf
kuratiert von Martin Wolthaus
Himmelgeisterstr. 33
26.3. – 1.4.2011
www.martin-wolthaus.de

NACHTSPEICHER23 ZU GAST BEI D-52

Vor einigen Wochen erhielt unsere schöne Stadt Besuch von einer Berliner Off-Initiative, dem Büro Adalbert, die ein Lokal an der Graf-Adolf-Straße okkupierte (s. Eintrag vom 17.2.). Seit wenigen Wochen ist nun eine Hamburger Off-Initiative zu Gast in unserer schönen Stadt zu Besuch und okkupiert die Hallen von d-52. Fazit: Off-Betreiber ganz Deutschland, vereinigt euch!

nachtspeicher23 ist ein Kollektiv von zurzeit 6-7 aktiven Mitgliedern, die sich in Hamburg Sankt-Georg eingenistet hat (www.nachtspeicher23.de). Die Gruppe hat sich erst 2008 gegründet, wirkt aber von hier aus hyperaktiv, wenn man erfährt, dass um die 20 Ausstellungen pro Jahr gestemmt werden. Neben diesem rasanten Ausstellungsbetrieb wird vor allem der Austausch zu fremden Gleichgesinnten gesucht – und zwar in höheren Maßen als bei anderen, vergleichbaren Off-Projekten. So fand bereits ein Transfer mit Berlin-Kreuzberg  (und zwar mit Scotty Enterprise) statt und die Vernetzung auf Bundesebene soll weiter gehen. Der erste Stich in der selbst ernannten Kunststadt Düsseldorf erfolgte auf informellem Wege: Sabine Rolli, eine der drei Betreiberinnen von d-52, erfuhr von der Hamburger Initiative und lud sie kurzerhand in die Landeshauptstadt.

Die Schau „Ein einzig‘ Rausch“ im d-52 ist also der erste konkrete Ausdruck dieser Vernetzung. Bevor die Düsseldorfer Vetretung sich im Laufe des Jahres auf die Reise nach Hamburg machen wird, präsentierte sich eine Auswahl aus neun Künstlern, die im Dunstkreis von nachtspeicher23 steht, bei uns. Und – auch wenn ich dort ein zu seltener Gast bin – ich muss gestehen, dass die Gruppenausstellung das (vorläufige) Beste ist, was ich inder Rather Straße gesehen habe. Trotz einer thematischen Bindung (es ging um das Rauschhafte im weitesten Sinne – also um Extase, Drogen, Visionen, Funkstörungen und Kopfschmerzen) und der Tatsache, dass viele Arbeiten nur für diese Gelegenheit geschaffen wurden, bleibt die Präsentation angenehm offen.

Malerei und Grafik sind die zwei bevorzugten Medien der Ausstellung,  was vermutlich an den logistischen Möglichkeiten des Transfers liegt. Anders als in Düsseldorf, wo der lange Schatten von Lüpertz & Co. noch Wirkung zeigt, halten sich  bei den Hamburgern gegenständliche und abstrakte Positionen in Balance. Und weil mein Leben aus anderen Nettigkeiten besteht, als nur Blogeinträge zu schreiben, kann und will ich nicht auf alle neun Künstler eingehen.

Thorsten Dittrich

Beeindruckt war ich besonders von den Arbeiten von Thorsten Dittrich, die die mediale Ausrichtung der Ausstellung am besten reflektieren: diese grafisch-betonte Malerei (oder malerische Zeichnung) sucht das Gleichgewicht zwischen freier Geste und geführter Linie – auch wenn Letztere noch zu sehr im Vordergrund steht. Die Gebilde, die  seine Kompositionen bestimmen und die sehr plastisch in Szene gesetzt werden (eigentlich: zu plastisch, denn dadurch werden sie ein wenig plakativ), wirken wie technoid-organische Körper, entstanden zugleich aus dem zufälligen Prozess der Malerei und dem kalkulierenden Geist eines Ingenieurs. Reminiszenzen an der  düsteren Sci-Fi-Welt eines H.R. Giger bleiben dabei nicht aus.

Es ist für meinen Geschmack zu viel inszenatorischer guter Wille dabei (die hell-dunkel-Effekte, die die „Gebilde“ in den Vordergrund bringen, sind unnötige, kitschige Elemente und die sauberen Farbkleckse an der Oberfläche bringen einen manierierten Tonfall, der fast an der Ernsthaftigkeit dieser Malerei zweifeln lässt); aber alles in allem sehe ich großes Potenzial und eine unleugbare Kraft in der Arbeit von Dittrich.

Gut gefallen haben mir auch die Installation und die „Bilder“ von Eva Koslowski, die mit Nylonstrümpfen arbeitet und das Fetischmaterial zieht, überlagert, reißt und auf zwei- oder dreidimensionale Flächen spannt. Es ergeben sich durchaus interessante grafische Strukturen, die aus der Schichtung der feinen Masche bestehen. Nett, kommt mir aber irgendwie bekannt vor.

Tanja Hehmann

Die Vignetten von Tanja Hehmann sind köstliche Miniaturen, in denen Figuren und Gegenstände in einen  surrealistischen Farbstrudel eingetaucht werden. Die Künstlerin, die den Austausch mit d-52 gemanagt hat, greift immer wieder auf Fotovorlagen zurück, die sie neu komponiert und koloriert, bis  die realistischen und malerischen Ebenen sich vollständig vermischen.  Ihre mal kompakten und kräftigen, mal dekorativen und spielerischen Verfremdungen lassen die vorgefundenen, banalen Alltagsituationen in einer bizarren und durchaus anziehenden Form- und Farbwelt stürtzen; ein Paralleluniversum voller verstörrender Schönheit, in dem das Vertraute und das Fremde eine Allianz wider Willen eingehen. Man fühlt sich unweigerlich an Max Ernst und Neo Rauch erinnert, und die post-surrealistische Ambiante der gesamten Leipziger Schule lässt grüßen. Aber die kleinen Arbeiten sind so gut, dass diese klare Ahnlehnungen nicht weiter stören. Eine Qualität, die sich übrigens in den großen Formaten von Hehmann nicht finden lässt –  ihre malerische Technik ist zu ungenau und ihre erzählerische Lust zu eindimensional.

Nora Chrosziewski

Die Kompositionen von Nora Chrosziewski sollten hier noch  Erwähnung finden. Es sind komplexe Ablagerungen von Farbschleiern, die geduldig geschichtet und präzis „gestoppt“ werden. Die Sedimente verdichten sich zu mehr oder weniger durchsichtigen Flächen, die das Bild letztendlich konstruieren – auch hier schwebt der Arbeitsmodus zwischen Loslassen und Kontrollieren.

Lena Oehmsen: Auszug aus einem Kommunikationsarchiv des 21. Jahrhunderts (1.1. - 31.1.2011)

Lena Oehmsen bildet die einzige eindeutige konzeptuelle Position der Ausstellung. Ihr zweigeteilter Beitrag ist eine nüchterne, distanzierte und fast kalt wirkende Auflistung von Bild- und Textmaterial, das sie bei Facebook gefunden und einen Monat lang gesammelt hat. Dieses Konvolut an Porträts, die die Freunde von Lena zu Selbstdarstellungszwecken in das soziale Netzwerk  eingespeist haben, wurden jeweils auf einen einzigen fantomhaften Schatten reduziert. Durch diese entkontextualisierende Verschiebung und Verfremdung sind nur noch Standardgesten und x-beliebigen Posen zu sehen, sinnentleert und leicht morbid – eine schwarze Armee von gut gelaunten Klonen, die in die Kamera schauen. Der zweite Teil dieser Arbeit besteht aus mehreren Hunderten Karteikarten, auf denen Oehmsen die Facebook-Posts kopiert hat, die sie innerhalb 31 Tagen empfangen durfte. Ein zum Teil bestürtzender Einblick in der Nichtigkeit und Belanglosigkeit dieses Kommunikationsmittels, der hauptsächlich als Träger von armseligen und überflüssigen Gedanken und egozentrisch-hirnschissigen Anmerkungen fungiert.  Und eine zusätzliche Motivation, mich aus diesen schwachsinnigen, elektronischen sozialen Netzwerken zu halten. Meine Zeit vergeude ich lieber mit der Redaktion von Rezensionen – eine bedeutsame und erbauliche Aufgabe, die der Menschheit zugute kommt.

Ein einzig‘ Rausch
Ausstellung vom 13.3.-25.3.2011
Freitags 17-19 Uhr
Sonntag / Feiertag 15-17 Uhr
d-52. raum für zeitgenössische kunst
Rather Straße 52
www.d-52.de

Intervention in der Flügelstraße

Der Frühling bringt eine frische Brise: Abseits des verkrampften sozialen Anspruchs und des lästigen Mitteilungsbedürfnisses mancher Wandmaler der Stadt, beweist ein Laie, dass die Straße jedem Mann gehört und dass Street Art durchaus auf Wände verzichten kann – und dies mit einer angenehmen Gelassenheit.

Pünktlich zum Frühlingsanfang und zu den ersten Sonnenscheinen hat Herr Ökkes Yildirim, seinerzeit Besitzer des Büdchens an der Ecke Flügelstraße/Linienstraße und glücklicher Oberbilker, die Straße zu einem surrealistischen Schauplatz verwandelt. Geschätz 200 Gitarren hat er an die Bäume gehängt – bis Anfang April verzaubern sie den Himmel über der Flügelstraße.

Die Initiative geht allein auf Yildirim zurück, der seine Zeit und sein Geld in diese Angelegenheit engagiert hat und sich damit scheinbar eine Freude machen wollte. Gerade diesen privaten Impuls und die Abwesenheit von jedem ideologischen Hintergrund macht diese Intervention begrüßenswert. Es ist zwar kein revolutionärer Akt, der die Geister noch lange prägen wird, aber eine freie Geste, die unbedingt nachgeahmt werden soll.

Eine Künstlerin, die ich zufälligerweise vor Ort traf, fand das Ensemble „zu dekorativ“ und hätte lieber nur einen bestückten Baum gesehen. Meinerseits habe ich mich dabei nie gefragt, ob wir vor einem Kunstwerk stehen würden und dieses im Kontext des Kustbetriebs beurteilt werden sollte. Die aktive Inbesitznahme des öffentlichen Raums und der Akt der „Verzauberung des Realen“ sind an sich legitim genug, um die Intervention (ich will nicht von einer Arbeit sprechen) als gelungen zu sehen – auch wenn der „Hobbykünstler“ (wz-newsline.de) sich nicht nach den Regeln und im Kontext des Kunstsystems artikuliert.

Und was sagt der Sonntagskünstler dazu? Laut Medienbericht, wollte er „Oberbilk positiv darstellen“ (wz-newsline.de). Soso. Bei soviel bürgerlichem Engagement sollte die Marketingabteilung der Stadt Düsseldorf , die ihrerseits mit dem „blauen Band am Rhein“ den Frühling bemüht  (diese Krokusse an den Rheinterassen, die das Natur-Tourismus-Event der Woche bilden), sich herzlich bei Yildirim für seine Initiative zur Erhöhung der Lebensqualität im Stadtteil bedanken.

OLIVER GATHER im Showroom Tina Miyake

Vom genius loci zur Mikrosoziologie: In der Vergangenheit ist Oliver Gather vor allem durch Aktionen aufgefallen, die sowohl auf die historischen, politischen und soziologischen Komponente eines Ortes eingingen als auch dessen immante poetische Qualitäten unterstrichen. Dann kam ein leichter aber unerwarteter Schwenk, und auf einmal waren es mehr Menschen als Systeme, die Gather interessierten. Menschen mit ihren kleinen Geschichten, ihren alltäglichen Strategien und ihren unspektakulären Methoden, den Raum zu erobern. Im Show-Room der Modedesignerin Tina Miyake ist die letzte Entwicklung des unerwarteten Schwenks zu sehen.

Oliver Gather (links mit Handschuhen) vor seiner Sammlung. Foto: Christof Wolff (www.null-zwo-elf.de)

Der Künstler als Sammler: Die CarSpamCardCollection (auf gut deutsch: Autohändlerkarten-sammlung) des Düsseldorfers Oliver Gather ist eine einmalige Anthologie von Kärtchen, die Autofahrer meistens auf ihren Windschutzscheiben finden und, nebst einer anekdotischen Fotografie und einer großgeschriebene Telefonnummer, das prizipielle Kaufinteresse eines Autohändlers bekunden, Fahrzeuge aller Arten und in aller Zuständen zu kaufen. In der Regel werden die Kärtchen direkt weggeschmissen und geraten, wie andere Flyers für Pizza-Lieferungsservices oder private Flohmarktankündigungen, sofort in Vergessenheit. Genau da setzt Gather ein. Wie ein Dipterologe (vgl. www.duden.de; auch sehr nützlich: www.klugscheisser.de) des 19. Jahrhunderts dringt er in die urbanen Djungel unserer Städte ein und verfolgt die Spuren der Kärtchen auf dem Boden. Man stellt sich Gather mit Tropenhelm und Schmetterlingnest vor, jubilierend vor jedem neuen Exemplar, das er vom Gulli retten kann.

Foto: Peter Podkowik

Diese Nebenprodukte der Dienstleistungsgesellschaft werden liebevoll aufgelesen und in eleganten Holzkisten zusammen getragen. Gather recycelt also das Recyclingsangebot von Second-Hand-Händlern und wertet es auf – schon durch seine bloße Aufmerksamkeit. In seiner Wunderkammer des Trivialen entwickelt er dann eine Taxonomie der Kärtchen, die nach Anbieter, Farben, Bildmotiven oder rhethorischen Formeln klassifiziert werden. Diese penibel und konzentrierte Tätigkeit, die sicherlich auf irgendwelchn Urtriebe der Menschheit zurückzuführen ist und sich jedenfalls auf jedes beliebige Objekt ausweiten lässt (so sammeln manche Schweizer ihr Leben lang Kaffeesahne-Deckel), gepaart mit dem systematischen Vorgang der Klassifizierung, lädt plötzlich die unbeliebte Werbung mit einer neuen Wertigkeit auf und zieht sie regelrecht aus dem Domäne des Abfalls und stellt sie auf dem Podest des Edlen und Wertvollen.

Foto: Peter Podkowik

Ich glaube nicht, dass Gathers Sammlung eine erneute Parodie auf das manische Verhalten des Sammlers (wie bei Feldmann oder Collin-Thiébaut) oder ein ironischer Kommentar der musealen Institution und der Entstehung von Werten (wie bei Broodthaers) ist. Natürlich geht es hier auch – wie erwähnt – um die Statusfrage des ausgestellten, bzw. gesammelten Objektes und um die Legitimität mancher Kunstwerte. Aber es scheint eher das Interesse an soziologischen Phänomenen zu sein, die den Künstler zu dieser absurden Tätigkeit führt. Diese Karten verweisen nämlich nicht nur auf das Geschäft mit gebrauchten Wagen hin; sie sind die konkreten Spuren des Verteilers, der durch die Stadt geht und sich gezwungenermaßen die Strassen aneignet. Wie Hänsel und Gretel hinterlässt er Spuren aus buntem Plastik; unbewusst markiert er seinen Weg und macht sein Parcours sichtbar – Gather läuft nach und hält den Streifzug fest.

Ich weiß, dass Gather sich für diese Art von winzigen, unbedeutendsten Spuren unserer Zivilisation interessiert, und dass er auf solche gesellschaftliche Mikrointeraktionen besonders achtet und sie in seine Arbeit integriert; ich weiß, dass Gather diese ansonsten unbeachteten Spuren als Indikatoren unserer Beziehung zum Raum versteht. In dieser Hinsicht ist diese kleine Ausstellung der originelle Beitrag eines Künstlers zur Mikrosoziologie.

Ausstellung bis zum 16.4.2011

Showroom Tina Miyake

Ackerstr. 39

www.tinamiyake.de

Danke an die zwei Fotografen ! Endlich bekommt dieser Blog vernünftige Bilder.

Das BÜRO ADALBERT ist zu Besuch in Düsseldorf

Zurzeit gibt es in Düsseldorf knapp dreißig unterschiedliche Off-Projekte mit künstlerischem Schwerpunkt. Im Schnitt gibt es aus diesem Bereich mindestens eine neue Ausstellungseröffnung oder Veranstaltung pro Woche. Und weil wir immer noch nicht satt sind, kommt Berlin zur Hilfe.

Wenn meine Informationen stimmen, gab es Anfang der 1990er-Jahre ein Künstlerprojekt namens Büro Bert. Es war in Berlin ansässig und hatte sich vorgenommen, in unterschiedlichen Städten der  Republik zu intervenieren, um das politische Potenzial von Kunst im öffentlichen Kontext auszuloten. Das Unternehmen war also nomad – was damals immer noch ganz hip war – und vor allem politisch motiviert – was damals schon ziemlich out gewesen sein dürfte. Als ich neulich hörte, dass zeitgleich zum Rundgang ein ominöses „Büro Adalbert“ aus Berlin sich auf der Graf-Adolf-Straße angekündigt hatte, glaubte ich zunächst an einem Sequel. Weit gefehlt: Außer dem lustigen Büronamen und dem nomadischem Prinzip hat das Büro Adalbert rein gar nichts mit dem älteren Projekt zu tun – und wusste noch nicht mal davon.

Das Büro Adalbert ist eine kleine Gruppe von Künstlern aus der Hauptstadt, die Ausstellungen an fremden Standorten organisiert und den vorgegebenen Leerstand kurzfristig bespielt. Dabei werden für jede neue Ausstellung Künstler eingeladen, die nicht explizit zur Kerngruppe gehören und für Frische und Erneuerung sorgen. Es ist also eine typische selbstorganisierte Initiative, die offensiv in die Öffentlichkeit geht und den Kontakt zu Künstlerkollegen sucht. Liest man die Pressemitteilung der – übrigens professionell und seriös wirkenden – Gruppe durch, stößt man auf Begriffe wie „Förderung des Austauschs“ oder „Erweiterung unseres Netzwerkes“, die die Absichten der forschen Künstler deutlich macht.

Der erste Ausflug des Projektes außerhalb von Berlin führte Dominik Halmer (Büroleiter), sowie drei weitere Künstler, in einen ehemaligen Laden an der Graf-Adolf-Straße. Vier distinkte Positionen, die sich gut im schlauchartigen und diffizilen Raum einfügen und, ohne sich von einander abzuschotten, ihre Integrität bewahren.

Heinz Martin Breuer

Heinz Martin Breuer, ein ehemaliger Meisterschüler von Immendorf, sucht aktuell sein Glück in China. D.h.: Er lebt und arbeitet dort. Merkwürdig, wenn man – natürlich aus europäischer Sicht – die Qualität der chinesischen Malerei betrachtet und die plumpe Fantastik und plakative Figuration, die Jahr für Jahr den europäischen Markt fluten, erleiden muss. Wir wollen lieber nicht wissen, was Breuer dort sucht, aber eine Ahnung hätten wir ja. Seine zusammen gesetzten Motive, die wie zerrissene Zitate erscheinen, suchen unbedingt den größtmöglichen Kontrast. So trifft das Glatte, Figürliche und brav Aufgetragene auf das Wild-gestische, und sein grafischer Stil lässt immer Farbflecken zu, die, trotz aller Liebe zum Motiv und zur Zeichnung, an die Materialität der Malerei erinnern. Die starke schwarzweiße Akzente betonen noch die Fremdheit und Distanz dieser Bilder.

Dominik Halmer

Mit einem ähnlichen Prinzip, jedoch völlig anderen Mitteln präsentiert Dominik Halmer vier Arbeiten auf ungrundierten Leinwänden. Weniger roh und expressiv als der Kollege Breuer, dekliniert Halmer vereinzelte Motive, Gesten und Malspuren durch, die er gekonnt in Szene setzt. Die heterogenen Objekte, die an der Oberfläche seiner Kompositionen schweben, scheinen weniger für ihre genuine Bedeutung oder ihre Symbolkraft gewählt zu sein als für ihre Texturen und Stofflichkeiten. Schattierungen, Abdrücke und abstrakte Passagen artikulieren sich subtil im Raum und behaupten deutlich ihre Andersartigkeit. Besonders bei der hyperrealistischen Darstellung von glänzenden Oberflächen stellt Halmer sein technisches Können unter Beweis. Und überzeugt trotzdem nicht. Sein Fluss der Dinge ist zu steril und intelligent; zu gewollt, um richtig zu berühren. So bleibt man bewundernd aber unbeteiligt vor diesen Gemälden.

Ria Patricia Röder

Das fotografische Medium ist durch Ria Patricia Röder vertreten. Die jüngste Künstlerin der Clique macht einen extremen Verbrauch von Blitzlichtern, die sie bei der Aufnahme von nächtlichen Szenen einsetzt. Dies ergibt ein haloartiges, kaltes und sehr scharfes Licht, das sich auf wenige Objekte konzentriert und einen Großteil der Landschaft im Dunkeln lässt. Ein interessanter Zugang zu dieser besonderen Technik, der jedoch noch in der Phase der Entwicklung erscheint: Die Notwendigkeit (und dadurch: die Qualität) der Motive, worauf Röder zurück greift, war nicht gegeben.

Andreas Breunig

Andreas Breunig, schließlich, hat drei Skulpturen hingestellt und damit ein bisschen Humor in eine ansonsten sehr ernsthafte und ein wenig zu formelle Angelegenheit gebracht. „Androni Super Pro“, sein bäuerliches Hommage an Marcel Duchamp, ist zugleich eine Vorbeugung vor Georg Herold. Das Rad nimmt den Geist der Modernität auf die Schüppe und lässt die Postmoderne noch einmal drehen. Und auch die „Androni Hyper Pro“, die ich als einen Arschabdruck interpretiert habe und den Besucher am Eingang des Raumes begrüßt, schafft es wunderbar, die Atmosphäre einer Ausstellung zu lockern, die, gerade wegen ihrer professionellen und bemühten Betreuung, einen Gesamteindruck von Steifheit hinterließ.

RUNDGANG DER KUNSTAKADEMIE 2011

Virtueller Rundgang durch den Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf.

No Comment.

Und wie es so schön heißt: Click to enlarge.

P.S.: Die folgende Auswahl ist keineswegs repräsentativ eines persönlichen Geschmacks, sondern lediglich ein unsystematischer und launischer Versuch, die Eindrücke eines jeden Besuchers fest zu halten. Manchmal muss dieser Besucher aufs Klo und verpasst die eine oder andere Klasse; manchmal ist er in einem Gespräch verwickelt und vergisst, ein Bild zu machen; manchmal hat er einfach kein Bock, die Kamera aus der Tasche zu holen. Dies erklärt die mysteriösen Lücken der Darstellung.

Klasse Tony Cragg

• Klasse Katharina Fritsch


Klasse Durs Grünbein

 

eine Klasse für sich

Klasse Siegfried Anzinger

Klasse Katharina Grosse

 

Klasse Eberhardt Havekost

Klasse Christopher Williams

 

Ess-Klasse (oh no!)

 

Klasse Hubert Kiecol

Klasse Richard Deacon

Klasse Thomas Grünfeld

•  Klasse Aussicht

Klasse Didier Vermeiren

 

Klasse Martin Gostner



Klasse Georg Herold



Klasse Lieber Gott

Klasse Andreas Schulze


Klasse Peter Doig

Arkadengang


Klasse Herbert Brandl

Klasse Andreas Gursky

Klasse Marcel Odenbach


Zuordnung verpennt, aber schöne Dinger




GIULIA BOWINKEL und FRIEDEMANN BANZ in der VASELINE

Nein, die Ankündigung der neuesten Ausstellung der zwei Open-Gründer nimmt nicht Bezug auf einen Porn-Klassiker der 1970er-Jahre. Auch wenn es so schön passt.

Für alle, die ihre Möbel und Einrichtungsgegenstände bei IKEA kaufen und „Vaseline“ mit einem Gleitmittel assoziieren würden: Vaseline ist ein Laden für Retro-Artikel und Vintage-Deko-Zeug in der Altstadt. Eine Art Ali-Baba-Höhle für werdende Bourgeois Bohemiens und eingesessene Crazy People. Der Inhaber Rolf Buck hat in der Vergangenheit einen Raum seines Garage-Ladens für Künstler zur Verfügung gestellt. Und nach einer Weile die dort unregelmäßig stattfindende Ausstellungsreihe eingestellt. Und dann wieder reaktiviert. Und dann wieder eingestellt. Und nun dürfen Bowinkel und Banz, um die es, seit ihrer fantastischen Oktober-Bar, ruhiger wurde, den kellerartigen Nebenraum bespielen.

Eine kleine, konzentrierte Ausstellung mit wenigen Werken.  Giulia Bowinkel und Friedemann Banz greifen auf ihre typische Collage-Technik zurück und erleichtern diese aber substanziell, indem sie sich weitgehends auf zweidimensionale Kompositionen beschränken – alles anderes wäre in diesem Raum unsinnig – und insgesamt weniger müllig und chaotisch werden.

Die zwei ehemaligen Oehlen-Schüler lassen zwar noch Wörter, Motive, Typos, Formen, Syntaxen, Farben und letztendlich Sinnzusammenhänge zusammen purzeln, es wirkt hier jedoch nicht so opulent und auswuchernd wie in den früheren Arbeiten. Zeichen der Reife?  Reaktion auf die Raumbedingungen? Wunsch des Gastgebers? Wer weiß es?

Zwei Bilder sind sogar eingerahmt und ich vermute: ES IST KEINE IRONIE. Oho.

Ein Fazit? Eine Ausstellung, knapp und spritzig wie ein Quickie.

Die Ausstellung ist vom 7.2. bis zum 28.2. zu sehen.

Vaseline

Wallstr. 35

Die SAO PAULO BIENNALE im MAP

Geschickter Coup: Philipp Rühr und Henning Fehr, beide noch Studierende der Kunstakademie, suchen und finden die Nähe zur älteren Generation Düsseldorfer Künstler und positionieren sich als die legitimierten Vermittler der (sehr) jungen Szene.

Das bisher geltende Kettenprinzip (ein Gastkünstler lädt für die nächste Ausstellung einen Künstler ein, usw.) der Präsentationen im Markus Ambach Projekte (MAP) scheint vorerst abgeschlossen: Angetan von einer Ausstellung im Capital Gold, lud Ambach höchstpersönlich Philipp Rühr und Henning Fehr dazu ein, die drei Räume am Bilker Bahnhof zu bespielen. Damit wäre es mit dem ortsbezogenen Charakter der Kunst und der internationalen Ausrichtung der gezeigten Künstler vorbei. Die erste sichtbare Auswirkung dieser Veränderung war der Andrang und die Verjüngung des Publikums während der Eröffnung am 29. Januar. Ein charakteristischer Zug dieser Szene: Düsseldorf stellt sich aus, also geht Düsseldorf aus.

Jonas Gerhard: RGB Jongleur
Jonas Gerhard: RGB Jongleur

In den drei MAP-Blöcken wurden sehr abwechslungsreiche Positionen zusammen getragen, Konzeptkünstler und Malerfürste, Hoffnungsträger und alten Eisen, Museumsgrößen und Akademiestudis. Eine erfrischende Mischung, die jedoch insgesamt ein wenig ziellos wirkt. Die Hängung ist zwar zum großen Teil nachvollziehbar, ab und an aber fragwürdig. So sieht man schon – trotz aller Qualitätsunterschiede der Arbeiten – was Tobias Hantmann und Jonas Gerhard, die im ersten Raum präsentiert sind, verbindet: einerseits die Dekonstruktion und Rekonstruktion des spektakulären Bildes, und anderseits ein Interesse für Wahrnehmungsphänomene. Da, wo Hantmann allerdings eine zugleich faszinierende wie verstörende Sehmaschine baut,  die ein dreidimensionales Bild aus zwei zweidimensionalen Bildern schafft und dieses dank einer Spiegelvorrichtung in den Raum projiziert (Bild), treibt Gerhard die Demonstration ein wenig zu weit und gerät unwillkürlich in den Bereich der pädagogischen Veranschaulichung. Seine Apparatur, wenn schon technisch einwandfrei und perfekt reguliert, führt nicht neues vor und erinnert eher an die selbstreflexiven Spielereien mancher Vorreiter der Videokunst (Bild). Um auf die Hängung zurück zu kehren: Die unmittelbare Nähe dieser zwei jungen Künstler zu Ian Wallace, mit einer sehr schönen konzeptuellen und dekonstruktivistischen Arbeit aus 1969, ist noch einigermaßen vertretbar. Was aber Markus Lüpertz mit seiner „Landschaft“ dazwischen verloren hat, bleibt ein Rätsel. Es wäre denn, es ist Humor.

Tobias Hantmann: Der erste Hirte
Tobias Hantmann: Der erste Hirte

Im nächstes Block wurde Bier und Suppe verteilt und der Raum war so belagert, dass die Arbeiten der Gastkünstler Philipp Rühr und Henning Fehr völlig untergingen.

Luft bekam man erst ein paar Meter weiter, im schlauchartigen Gang, der von Felix Schramm und Sutter bespielt (Bild) war. Die Kooperation ergab drei Arbeiten, alle sehr unterschiedlich und betont eklektizistisch. Ich habe sie als ironische Kommentare zur skulpturalen Praxis (oder zu einigen ihrer Möglichkeiten) aufgefasst, zwischen minimalen Materialfetischen, interaktiven, raumbezogenen Basteleien und dekorativem Kitsch. Besonders die Keramikstudien erinnern zwangsläufig an einer Serie, die Thomas Schütte Anfang der 1990er Jahren produziert hatte – und dieser Künstler könnte letztendlich als Pate für alle drei Werke stehen.

Sutter / Schramm
Sutter / Schramm

Und, welch eine Überraschung: Im dritten und letzten MAP-Raum trifft man auf einem Modell von Thomas Schütte, teilweise 1987 entstanden und 2011 erweitert (Bild). Den Raum dominierend, wirkt es wie ein Sequel – oder ein Ausläufer – der Retrospektiven in Bonn und Madrid.

Ein wenig weiter ist Bettina Marx mit einer erlesenen Auswahl von kleinen Bildern vertreten (Bild). Vage Stillleben oder angedeutete Interieurs, in denen die Farbe in all ihren denkbaren physischen Zuständen durchdekliniert und die heterogensten Gesten auf engstem Raum erprobt werden. Dabei behält Marx die Balance zwischen einer genauen, grafischen Pinselführung und einen sehr freien, organischen Duktus. Die Raffinesse und Virtuosität dieser Malerei erstaunt; der Einfallsreichtum, der nie bemüht wirkt und von einer gewissen Großzügigkeit bezeugt, hat einige Betrachter an diesem Abend länger beschäftigt. Nach dieser sinnlichen Opulenz, muss ich gestehen, dass ich es mir mit der trockenen-analytischen Konzeptarbeit von Dominic Osterried schwer getan habe. Damit bin ich nur ungerecht, denn seine Hefte hätten meine Aufmerksamkeit durchaus verdient. Für das nächste Mal…

Bettina Marx
Bettina Marx

Alles in allem eine gelungene Ausstellung, auch wenn sie einige Fragen auswirft. Die dringendste unter ihnen betrifft die einzigartige und keineswegs formal begründete Mischung aus jungen, unbekannten und älteren, renommierten Künstlern. Sind hier ein Markus Lüpertz, eine Candida Höfer oder ein Günther Förg, die mit alten, kleinen und zweitrangigen Arbeiten vertreten sind, wirklich notwendig? Muss man auf einer Edition von Rodney Graham zurückgreifen, um eine weitere internationale Referenz aufweisen zu können? Was war der Sinn der punktuellen Einfügungen von großen Namen in dem nicht-etablierten, kunstbetriebskritischen MAP-Rahmen? Auf die Gefahr hin, als Verschwörungstheoretiker der hiesigen Kunstszene abgestempelt zu werden, vermute ich hinter der Sao Paolo Biennale eine kluge Strategie der Positionierung.

Denn Fehr und Rühr sind nicht nur eine interessante und durchaus ansehnliche  – wenn auch aus kuratorischer Sicht fragwürdige – Ausstellung gelungen. Sie haben zudem – und vielleicht in erster Linie – die größte PR-Maßnahme ihrer jungen Karriere geschaffen. Unter der Schirmherrschaft des durchaus respektierten, erfolgreichen und bestens vernetzten Markus Ambach, bringen sich die zwei Studenten ins Gespräch, erwirken durch die Präsenz älterer Kanonen (sowohl Schütte als auch Höfer wurden übrigens an diesem Abend leibhaftig gesichtet) eine gewisse Legitimität und (fast institutionelle) Anerkennung für ihrer Arbeit und entpuppen sich als die Sprachröhre der aktuellen Kunstakademie-Generation. Geschickt. Und die Menschenmenge, die sich am vergangen Samstag auf dem MAP-Gelände drängte und normalerweise nicht in dieser Ausmaß zu sehen ist, hat bewiesen, dass Rühr und Fehr ihr Ziel erreicht haben. Von den zweien wird man noch hören…

Manche Maler waren an diesem Abend vom Bleirahmen des Lüpertzbildes regelrecht begeistert.
Manche Maler waren an diesem Abend vom Bleirahmen des Lüpertzbildes regelrecht begeistert.

MAP Markus Ambach Projekte
Bachstr. 139-143
40217 Duesseldorf
Tel. (0049) 0211-15927623

Performance von NESHA NIKOLIC feat. Chineselightbulb im FOYER

Die Subjunktiv-Veranstaltung des Monats: Es hätte spannend werden können, wenn die Performance stattgefunden hätte.

Erlebnisprotokoll, Freitag 28.1.2011:

21.37 Uhr

Ich betrete das Foyer vom Foyer. Stelle die erneute Veränderung des Lichtkonzepts fest und freue mich darüber. Grüne Laserpunkte wandern auf weißen Luftballons, begleiten mich bis zum hinteren Raum. Das Beton-Ungetüm von Thomas Woll und Mark Pepper liegt immer noch da, wie eine sympathische, schlaffende Bestie. Gehe direkt zur Bar.

21.42 Uhr

Fritschi steht schon hinter dem Pult. Ich trinke und starre begeistert auf den grünen Laser-Sternenhimmel über der Tanzfläche. Es ist schön, wie ein Urlaubstag in der Maschine. Versuche, wieder sachlich zu werden.

21.58 Uhr

Nicht viel los um diese Uhrzeit. Ein paar Schatten bewegen sich langsam oder sitzen da. Warten auf die Performance. Ich habe gehört, Nesha Nikolic sei ein heftiger Kerl, er gäbe alles, pass auf. Ziemlich radikal, ziemlich bekloppt. Ich gehe zurück zum Foyer vom Foyer. Na schau: Da ist ja schon ein bisschen Hard Trash vom besagten Künstler. Ich denke, es könnte gleich weh tun.

22.09 Uhr

Trinke und unterhalte mich.

22.14 Uhr

Johannes Döring, der wie immer den künstlerischen Teil des Abends geplant hat, lässt sich blicken.

22.21 Uhr

Nesha Nikolic steht mit einem Saxophon in einer dunklen Ecke. Pustet einige, durchaus melodiöse Akkorde aus. Ein weiblicher Schatten aktiviert sich an einem Bass und einem Synthesizer. Elektronischer Hintergrund, ruhig, bedächtig. Die zwei nehmen sich Zeit, bauen langsam auf, steigern sich unmerklich. Muss an Bowie denken, Berlinphase. Tut doch nicht weh. Quatsche ein wenig mit Flo.

22.25 Uhr

„Schnauze halten! Schnauze halten!“, befehlt der Künstler im Mikro. Bin wohl zu laut geworden. An der Bar unterhalten sich auch ein Dutzend anderen Menschen, aber sie sind so weit, man hört sie nicht. Ich halte die Schnauze; ich habe eh nichts mehr zu sagen.

22.27 Uhr

„Aus technischen Gründen muss abgebrochen werden“, sagt plötzlich Nikolic. Stellt sein Saxo hin und geht. Der weibliche Schatten steht da verdutzt, ruft nach. Spielt noch ein bisschen, in der Hoffnung, er kommt wieder. Aber der Typ ist weg, und das ist nicht Teil der Performance. Ich halte die Szene fest, ein Bild für die Ewigkeit.

Foyer
Worringer Platz 4
40210 Düsseldorf

info@foyer-duesseldorf.de

Musik von sehr weit weg, aus einer anderen Welt

Neben der Kunst ist massig Platz.

Denn Off-Kultur hört bekanntlich nicht bei der Kunst – der bildenden nämlich – auf. Das Off gibt es überall und in den unterschiedlichsten Bereichen hat es die verschiedensten Namen. In der Musik war es früher etwa der Punk, später dann die Indieszene, die sich irgendwo Abseites des Mainstream mit eigenen Labels und Vermarktungsmodellen ausprobiert und durch geschlagen hat.

Aus welchen Gründen sich die Protagonisten dort nun ausgetobt und im Selbstversuch verausgabt haben, können und wollen wir im Einzelnen nicht definieren oder festlegen.
Für uns aber steht der Gedanke des Selbermachens sowie die Idee des ‚die Dinge in die Hand nehmen‘ und die damit verbundene Freiheit nach wie vor als wichtiger Bestandteil von Sub- und Offkultur um Vordergrund.

Denn die Lust an der Unabhängigkeit von Institutionen und den mit Ihnen verbundenen Regeln, ist nach wie eine wichtige Triebkraft für lebendige und offene gesellschaftliche Entwicklungen.

Nur dort, wo sich noch ein Mindestmaß an anarchisch-subversivem, regel- und grenzenlosem Spiel zwischen den Protagonisten entwickeln kann, besteht die Chance auf etwas Neues.
Nur an solchen Orten kann sich überhaupt noch entwickeln, was über genügend Potential verfügt, sich der stetig zunehmenden Entropie entgegenzustellen, dieser entgegenzuwirken, sie zu unterminieren und vielleicht sogar in Teilen wieder aufzulösen.

Andere Orte und andere Kulturen – lokal geerdet, global vernetzt

Nun gibt es, wie Eingangs erwähnt zahlreiche dieser Orte, die sich äquivalent zu unserem Off-Begriff verhalten. Einer davon ist die Szene der Netlabels, eine Musikkultur die sich primär über das Internet definiert und fast nur virtuell existiert. In gewisser Hinsicht sind sie die Erben der Mailorder-Idee, verzichten Sie doch weitgehend auf eine lokale Präsenz und verschicken ihre Musik – nun digital als Downloads – weltweit.
Allerdings, und das unterscheidet diese Labels, ebenso wie die dort vertretenen Musiker, tun sie etwas, was für einige so gar nicht in das gültige Menschenbild passt: Sie verschenken ihre Kunst, ihre Musik.
Denn die allermeisten dieser Labels stellen die Musik ihrer Künstler, ähnlich der Opensource-Idee, einer weltweiten Fangemeinde frei und kostenlos zur Verfügung. CreativeCommons-Lizenzen spielen hierbei eine bedeutende Rolle.

Hier im Rheinland ist eines der Zentren dieser digitalen Kultur- und Musikszene. Hier konzentrieren sich zahlreiche Netlabels, oder besser gesagt, die Betreiber leben in der Region. Aus dieser Kultur heraus hat sich auch netlabelism.com gegründet, eine freies Magazin aus der Netlabelszene für diese gemacht.

Allen die sich mit diesem Phänomen, der Idee, vor allem aber mit der Musik einmal näher vetraut machen wollen, sei diese Plattform als Einstieg nahe gelegt. Wir wünschen viel Vergnügen – beim Entdecken, vor allem aber beim Hören.

Weiterführende Links zum Thema

CAPITALGOLD zeigt HENNING FEHR, LUKAS MÜLLER und DAVID CZUPRYN

Mit einigen, wenigen anderen Künstlerprojekten der Stadt (in erster Linie Open und ExPeZe) erweist sich CapitalGold als eine der aktivsten autonomen Außenstellen der Kunstakademie. Die aktuelle Ausstellung präsentiert drei Studenten der ehrwürdigen Anstalt und bespielt zum ersten Mal alle Räume des Ladens.

Full House. Links an der Wand: H. Fehr. Rechts: L. Müller

Der erste Raum ist ein Farbkracher. Die konzeptuelle Grafikserie von Henning Fehr und die gegenständlichen Gemälde von Lukas Müller, mit ihren betont kontraststarken Kompositionen, sind geschickt zur Straße hin platziert worden und strotzen vor jugendlicher Potenz. Dabei sind die Herangehensweisen der zwei Künstler eindeutig unterschiedlich.


 

Lukas Müller

 

Die Kunst von Lukas Müller ist eine Art Höllenfahrt durch die Moderne. Auch wenn er behauptet, die Motive seiner grell-pastosen Landschaftsbilder aus persönlicher Erfahrung gewonnen zu haben, sind die zahlreichen kunsthistorischen Anleihen von Müller nicht von der Hand zu weisen. Kandinsky, Klee, Macke (sehr), Kirchner (weniger) oder sein Namensvetter Otto (eben Müller) werden herbeizitiert und durch den Fleischwolf der naiven Malerei (Rousseau & Co.) liebevoll geschreddert. In klumpingen, direkt aus der Tube gepressten und kaum vermischten Farbflächen werden zumeist bayerisch angehauchte Landschaften gebildet, in denen alle stilistischen und handwerklichen Regeln der Malerei schonungslos über den Haufen geworfen werden. Der Mann und seine Kunst sind insofern destabilisierend, als sie äußerst freundlich und arglos daher kommen und die alten Fragen des Geschmacks, der Professionalität und des Könnens brachial in Frage stellen – hinter dem Vorwand einer authentischen, ironiefreien Malerei. Erfrischend und qualvoll zugleich.


 

Im Hintergrund: Henning Fehr

 

Henning Fehr hat im selben Raum eine Serie von gleichformatigen Bildern gehängt, die sich visuell gegen Müller gut behaupten. Auf jedes Blatt sind vertikale Streifen in einer zweier-Farbkombination, übermalt von Begriffen wie „The Locust“, „The Donald“ und „The Littel“. Die Begriffe, in großen, ebenso farbigen und lasierten Buchstaben geschrieben, haben angeblich eine teilweise negative Konnotation in der angelsächsische Sprache. Ihre exakte Bedeutung aber – falls es eine gibt – tritt deutlich hinter ihrer gestalterischer Qualität zurück. Den Farbdialog, der das tapetenähnliche Muster und die expressive Schrift unterhalten, ist durchaus ansprechend, beinah verführerisch. In den hinteren Räumen ist die Stimmung gedämpfter. Die zweite große Bildreihe von Fehr verzichtet auf Sprachspiel, Handschrift oder Expressivität. Auf vier Bänder entwickelt sich ein elegantes Raster in grauen Tönen und Schwarz – kühl und verspielt zugleich, aalglatt aber doch lebhaft, höchst ästhetisch, eigentlich schon dekorativ. Ein Flirt mit der Hochglanzwelt des Designs?


Im Vordergrund: David Czupryn

Vor dieser Arbeit hat David Czupryn seine kleine Bildhauerkiste geöffnet und einige seiner Werke auf einer bescheidenen Platte ausgebreitet. Styropor, Gips, Knete, ein Rest Holz und eine Streife Alufolie. Form und Unform; Material und Objekt; Raum und Volumen; Monument und Sperrmüll; Geschichte und Ideal; Erzählung und Avantgarde; Abstraktion und Gegenständlichkeit; rau und raffiniert; architektonisch und organisch; frech gebastelt und brav modelliert. Czuprin surft mal auf dieser, mal auf jener Welle. Er evoziert, deutet an, setzt an; aber lässt sofort alles Angefangene im Schwebezustand. Die heterogensten Inspirationen und Motivationen addieren sich, türmen sich, überlappen sich oder reihen sich. Kein tour de force in diesem Eklektizismus, keine Demonstration; eher eine lakonische Folge von Gesten, ein Repertoire der Möglichkeiten der Bildhauerei. Ohne Pathos, ohne Pose, ohne Genieallüren. Aber mit einem leicht ironischen Augenzwinkern.


Drei unverwechselbare Positionen, drei distinkte Stimmen – und trotzdem ein gemeinsamer Tonfall. Die Nonchalance von Fehr, Müller und Czupryn, ihr unbeschwerter bis nachlässiger Umgang mit gewissen künstlerischen Traditionen, ihre stilistische Pluralität und ihre mehrdeutige Praxis erinnern an der abgeklärten „anything goes“-Haltung von Künstlern wie Kippenberger, Oehlen oder Büttner. Nachdem Markus Heinzelmann und Stefanie Kreuzer die These aufgestellt haben, es gäbe eine neue „postironische Generation“ (s. die aktuelle Ausstellung im Leverkusener Schloss Morsbroich), ist die Schau im CapitalGold der Keim einer neuen, ironischen Generation? Ist der Rückkehr einer selbstbewussten Beliebigkeit und einer eklektizistischen Formsprache das Programm der Künstler, die in den 1980er geboren sind und langsam den Weg zur Öffentlichkeit finden? À suivre…

Suchspiel: Ein Schlumpf hat sich im Bild versteckt! Findest du ihn? Ein Tipp: er trinkt kein Bier!

CapitalGold

capitalgold.de

Oberbilker Allee 37

Die Ausstellung ist nach telefonischer Absprache (0163  45 77 259) vom 15.1. bis zum 28.1. zu besichtigen.

PLAN.D. zeigt DEBORA KIM und LUDGER HEINISCH

Gibt es ein geheimes Abkommen zwischen den Machern von plan.d. und der südkoreanischen Botschaft? Ist das Lokal an der Dorotheenstraße eine getarnte Schleuse für die Infiltration japanische Künstler in Deutschland?
Wichtige und weltbewegende Fragen, die wir, aus Mangel an Beweisen, gerne an die zuständigen Instanzen weiter geben. Die auffällige Affinität von plan.d. zu asiatischen Künstlern wird jedenfalls mit der Ausstellung von Ludger Heinisch und Debora Kim neu bekräftigt. In gewohnter Manier lädt ein plan.d.-Mitglied einen Gastkünstler ein und sie bespielen zusammen sämtliche Räumen der Galerie.

Nun wurde also Debora Kim, in Seoul geboren und in Braunschweig studiert, von Heinisch eingeladen. Wie Letzterer auf Erstere kommt kann nur gemutmaßt werden. Möglicherweise handelt es sich um eine direkte Bewerbung von Kim (plan.d. ist einer der wenigen Off-Räume, der regelrecht von Künstlermappen überschüttet wird), möglicherweise um einen persönlichen Kontakt; stilistische Verwandtschaften sind in den Werken der zwei Künstler jedenfalls nicht auszumachen.

Für ihre dreidimensionalen Arbeiten und ihre Rauminstallation geht Kim von einfachen Formen aus, die zum Repertoire des Minimal Art gehören (Kubus, Viereck), und umhüllt diese mit farbigem Garn. Sie spielt mit der warmen Materialität des Textilfadens, mit seiner haptischen Qualität, mit seinen Farbmöglichkeiten, und bricht somit die formale Strenge der puristischen Skulpturen.
Der unspektakuläre und triviale Stoff, der eine bescheidene weibliche Haushaltsarbeit evoziert (der Autor dieser Zeile ist selbstverständlich männlich; die lustigsten Protestbriefe werden in diesem Blog publiziert), rundet regelrecht die harten Kanten der Stelen und der symmetrisch angeordneten Kuben ab.
In einer kleinen Bildserie lotet Kim weiterhin die Möglichkeiten des Materials aus und schafft abstrakte Kompositionen, die eine systematische Nähe zur Malerei (ob informelle oder minimale) suchen.

Ludger Heinisch spielt seinerseits mit Verfremdungen und Manipulationen, und bevorzugt dabei weder Medium noch Sujet. Eine Fliege, eine Steckdose, das menschliche Auge; die visuelle Eigenschaften von allgegenwärtigen Gegenständen sind die Ausgangspunkte seiner lustvollen Verzerrungen, die oft an der Grenze zur optischen Täuschung stoßen.
Trotz der Wiederkehr des Insektenmotivs, wirkt seine Arbeit weniger systematisch und konstant als Kims Werk; im wahrsten Sinne des Wortes flatterhafter, freier, und, anscheinend, von einzelnen inspirierten Momenten getragen. Im surrealistischen Sinn provoziert er kleine Gedankensprüngen, die die scheinbare Ordnung des Realen leicht erschüttern. Allerdings platziert Heinisch im Keller der Galerie gebastelte Schmetterlinge und Kokons, die die Grenze seiner handwerklichen und konzeptuellen Fähigkeiten zeigen.

Es geht weiter!

Und eine gute Nachricht am Rande des tatsächlichen Ausstellungsbetriebs des plan.d. für 2011: Die Miete ist drin. Nachdem im vergangenen Herbst Gerüchte eines anstehenden Umzugs des Vereins kursierten, erfuhren wir, dass die Finanzierung der laufenden Kosten mindestens für das erste Halbjahr gesichert sei.
Grund der Umzugserwägung war die Streichung der Förderung durch die Stadt – manche Vertreter im Beirat waren nämlich der Meinung, dass ein Off-Space, das schon über zehn Jahre besteht und eine solche professionelle Arbeit leistet, keine finanzielle Unterstützung mehr benötigt und endlich selbstständig agieren soll. Eine Logik, die, im Extremfall, das Ende der Subvention aller Kulturhäuser der Stadt einläuten würde… Wir freuen uns also mit plan.d. auf die nächsten Ausstellungen und auf vielen neue Künstler aus Japan, Korea oder sonstwo.

www.galerie-plan-d.de

Dorotheenstr. 59

40235 düsseldorf

Hallo Welt! – jetzt als online-mag: vierwände Off

es geht weiter denn es gibt immer noch was zu tun!

vierwände off ist unser jüngstes projekt. an dieser stelle werden wir unsere arbeit über off- und subkultur fortsetzen. wir beobachten das geschehen, berichten und reflektieren darüber, denn wir sind der meinung das phänomen des off gibt nach wie vor genug her um es nicht aus den augen zu lassen. wie der ort über den wir berichten wollen, ist auch dieses projekt ein raum für experimente und versuche. wir sind offen für vorschläge, hoffen auf zuspruch und lassen uns – wenn es zu uns und dem thema passt – auch auf gastbeiträge ein.

wir sind selber gespannt, wie es wohl weiter geht.
deshalb unser aufruf an sie:
bitte bleiben sie an den apparaten, es bleibt spannend!