von Emmanuel Mir (Düsseldorf)
Die Bilder und Videoanimationen von Franz Schuier kommen zunächst schön bunt und freundlich daher. Die gleichgroßen Motive seiner Diasec-Serien werden von einfachen geometrischen Formen in symmetrischen Mustern gebildet, deren grelle Farben besonders stark auf dem schwarzen Hintergrund leuchten. Beim ersten Blick wirken sie wie die austauschbaren dekorativen Elemente einer flippigen Tapete oder wie ein visuelles Alphabet, das auf seine Entschlüsselung warten würde. Manche Videos lassen solche Motive in unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen; in anderen animierten Arbeiten mutieren die geometrischen Muster zu beinah psychedelischen Oszillationen, die in den Raum moduliert werden und ihre geometrische Struktur sowie ihre Farbigkeit stets wandeln.
Wenn man an der Oberfläche bleibt, entdeckt man nichts anderes als eine willkürlich zusammengesetzte Reihe von quietschbunten Zeichen mit einem verhängnisvollen Hang zum Ornament. Aber eine genauere und längere Betrachtung lässt etwas wie ein Schema erkennen und, auch wenn hier keine verborgene Struktur zu entdecken wäre, vermutet man eine zugrundeliegende Logik, die die zunächst angenommene Willkür in Zufall transformiert.
Schuier kommt aus der Musikszene, war in den 90er Jahren DJ, komponiert aber nur noch auf der Basis von Algorithmen. Der Internetsüchtiger und Informationsfresser (so die Eigenbeschreibung) zitiert in Gespräche Vilém Flusser, webt die Thesen der technologischen Singularität, lässt immer mehr Phänomenen der KI und der Chaostheorie in seine Arbeit einfließen und spürt in unserer Welt die zunehmende Beherrschung des Rauschens in dem sog. signal-to-noise ratio. Die Manipulation des Rauschens und dessen Aneignung mithilfe greifbarer visueller Artefakten – auch wenn diese noch zweidimensional sind (an einer Ausdehnung in den Raum will Schuier übrigens künftig arbeiten).
Die kreierten Motive sind das Ergebnis einer Programmierungsarbeit, in der Zufall und Kontingenz gleichermaßen berücksichtigt werden. Zunächst schreibt Schuier ein Programm, das mit speziellen Parametern gefüttert wird. Diese Parameter bestimmen die Grundeigenschaften der späteren Motive, sowie Form, Farbe und Bewegung, und bilden praktisch eine Art vordefinierte Black Box. In diese Box werden im nächsten Schritt Datensätze eingespeist, die umgewandelt werden und eine erste Gestalt erhalten. Schuier schraubt dann so lange an den Parametern, bis er mit dem Erscheinungsbild der herausgespuckten Datei zufrieden ist. Dabei verwendet er Techniken aus der Musik, setzt Modularsynthesizer ein, reguliert dank Oszilloskopen die Geschwindigkeit der Phasen, bestimmt den Rhythmus der Überblendungen, etc.
Es ist die Schönheit des Chaos, die Schuier herausfordern möchte. Es ist die Sinnhaftigkeit der Information und die Spielmöglichkeiten des Rauschens, die er in seinen Mustern und Zeichen zum Vorschein kommen lässt. Bei der Hervorrufung dieser künstlichen Welten, spürt er gewiss auch ein wenig das Kitzel der demiurgischen Schöpferkraft: „ Letztendlich arbeite ich wie ein genetischer Ingenieur, sagt er über seine Herangehensweise. Es sind Wesen, die ich schaffe. Diese Wesen bekommen Pinsel und Tools, um sich selbst zu gestalten. Ich programmiere sie, damit sie selbstständig werden; dann entlasse ich sie und lasse mich überraschen“.
Diese Haltung ist gewiss nicht neu und wirkt gar als Reminiszenz einer technologisch faszinierten „Fraktal- und Chaoskunst“, die in den frühen 1990er Jahren sich (kurzfristig) anschickte, eine neue Avantgarde zu bilden und die Kunst aus seiner postmodernen, redundanten Sackgasse zu befreien. Die Strategie einer Schöpfung der Natur parallel zur Natur ist also keine Revolution im Kontext einer Annäherung zwischen Kunst und Wissenschaft; sie ist jedoch inb der rheinischen Kunstszene originell und konsequent genug, um hier eine gebührende Anerkennung verdient zu haben.
Franz Schuier: Haphazard Pretty Portal Brunnenstr. 12
40223 Düsseldorf 01.06. – 29.06.2012