Rückblick Kunstfilmtag 2012

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos (wenn nicht anders angegeben): Christof Wolff

 

Schon immer war der Düsseldorfer Kunstfilmtag ein Filmscreening der anderen Art. Lokale und soziale Aspekte spielten bereits bei den vergangenen Ausgaben eine wichtige Rolle, und die Gründerin der Veranstaltung, Susanne Fasbender, weigert sich seit der ersten Stunde beharrlich, von einem „Festival“ zu sprechen – denn sie hält die Vorstellung eines Wettbewerbs in diesem Fall für unangebracht. Der Kunstfilmtag ist in erster Linie ein großer Familientreff, der von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen anzieht, und neben Beiträgen aus der ganzen Welt viel Raum für die Film- und Videopräsentationen Düsseldorfer Künstler schafft. Von Mittag bis Mitternacht wird Programm gemacht. Die Kurzfilme werden in mehr oder weniger stringenten thematischen Blöcken gezeigt; im Foyer kommt man zusammen und tauscht sich in ungezwungener Atmosphäre aus. Gerade diese atmosphärische Komponente, fernab der professionellen Anspannung üblicher Filmwettbewerbe, macht den Charme des Kunstfilmtages aus.

„Die Sprache ist das Haus in dem wir leben“. Der schöne, poetische Titel der Veranstaltung, einem Film von Jean-Luc Godard entnommen, hätte zu einem engen programmatischen Korsett werden und den Kunstfilmtag zu einer didaktischen Übung werden lassen können. Die offene Filmzusammenstellung, die wie gewohnt besonders auf lokale Künstler einging und ein erweitertes Verständnis von Sprache zu Tage legte, umging dieses Hindernis aber geschickt. Zwar boten genug Filme Reflexionsstoff zur Thematik an; alles in allem gestaltete sich der Tag jedoch unaufdringlich. Von der Doku zur Fiktion, vom Animationsfilm zum künstlerischen Experiment, von der Bildsprache zum Sprachspiel, von der Sprache als Erinnerungsvermögen zur Sprache als Konstituierungselement der Welt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit einem guten Gefühl für Rhythmus entfaltete die abwechslungsreiche Vorführung zahlreiche Facetten ihres Sujets.

Foto: Saskia Zeller
Im Appendix-Saal des Malkastens hatte Susanne Fasbender eine Auswahl an längeren, zumeist politischen Filmen…
… zusammengestellt und damit eine konzentrierte Wahrnehmung ermöglicht.

Es war jedenfalls interessant festzustellen, wie die Aufmerksamkeit des Besuchers sich im Laufe des Tages veränderte und die Fokussierung auf sprachliche Phänomene sich verschärfte. Wer genug Sitzfleisch und Zeit hatte, um mindestens drei oder vier Blöcke zu erleben, konnte während der Pausen zusehen, wie die Welt sich in einen einzigen Sprechakt verwandelte. Und wer rein theoretische Aspekte vertiefen wollte, konnte sich mit den Aufsätzen des Katalogs befassen, wovon einige hochwertig waren (ich denke hier besonders an den Artikel von Frauke Tomczak).

Susanne Fasbender (Bild: Saskia Zeller)
Katharina Schmitt (Foto: Saskia Zeller)

Zwei wesentliche Veränderungen haben den diesjährigen Kunstfilmtag bereichert. Zunächst wurden die Beiträge nicht mehr per Post oder per pedes eingereicht, wie in den vergangenen Jahren, sondern auf der Reelport-Plattform hochgeladen und dann juriert. Dadurch wurde der Call for Entry weltweit ausgestrahlt und erreichte sowohl Künstler als auch „klassische“ Filmemacher und Filmkreative aller Couleur. Neben einer Steigerung der Einreichungen auf über 500 Filme, hat dieser Auswahlmodus zu einer Erweiterung der GenreBandbreite geführt; klassisch-erzählerische Kurzfilme, die bisher kaum berücksichtigt wurden, fanden so Eingang in den Kunstfilmtag. Die zweite Veränderung betraf die Konstituierung eines Teams. Fasbender hat alle drei vergangenen Veranstaltungen im (Beinahe-) Alleingang durchgeführt und war demnach ausgebrannt. Nun wurde sie von der Künstlerin Katharina Schmitt unterstützt, die sich mit viel Energie und Tatendrang in die inhaltliche und organisatorische Materie stürzte. Im Hintergrund wirkten noch einige Menschen mit, um die zwei Macherinnen zu entlasten.

Der Original-Trailer wurde von Frauke Berg realisiert (Foto: Saskia Zeller)

Nach Aussage einiger treuer Kunstfilmtag-Aficionados war diese Ausgabe die bisher beste. Die Qualität der Beiträge wurde hervorgehoben, das sympathisch-lockere Ambiente genossen. Dieser Kunstfilmtag war also ein Erfolg und bildete für Susanne Fasbender und Katharina Schmitt die Bestätigung einer guten Zusammenarbeit. Und nun, da das Gewicht der Organisation auf mehreren Schultern verteilt wird, können wir hoffen, dass es in naher Zukunft eine fünfte Ausgabe der Veranstaltung geben wird…