13. – 14. Mai 2024,
Mitteleuropa, Rheinland,
Metamoderne
Der Künstler Dennis Rudolph im WhatsApp Chat mit dem Kybernetiker Florian Kuhlmann über ihr gemeinsames Ausstellungsprojekt WESTERN GODS in der Kölner Galerie Falko Alexander (Opening 24.5.2024)
fk: Wer oder was sind denn jetzt die GESTERN GODS? hast du da eine Idee oder Vorstellung?
dr: Gestern Gods. Auch gut.
fk: Würde auch passen, ja. Aber WESTERN GODS was ist das denn für dich?
dr: Gute Frage. Auf jeden Fall ist es etwas virtuelles, nichts reales. Ein Nachhall der westlichen Kultur als digitale Schemen. Dazu würde dann auch passen, dass die ganze technische Entwicklung von Apple, Google und Co im Silicon Valley liegt — also dem westlichsten Punkt unserer Kultur.
fk: Virtuell, nicht real. Da Hake ich kurz. Ich finde das virtuelle mittlerweile ziemlich real, du nicht?
dr: Doch. Und ich finde es faszinierend, dass die beiden Welten sich anfangen zu vermischen, also unsere und die virtuelle. Die Künstlerin Cao Fei meinte mal, während der Lockdowns, wo sie so viel in der VR unterwegs war, hätten ihre Träume in der Virtual Reality gespielt.
fk: Das ist natürlich stark. Also die Träume in VR, nicht die Lockdowns. Es entsteht als gerade so eine Art Hybride Realität?
dr: Ja genau. Die Augmented Reality oder Mixed Reality ist tatsächlich ein wirklich neues Medium. Das gab es vorher noch nicht. Im Film Matrix konnte man immer nur zwischen den Realitäten wechseln, aber vermischt haben sie sich nicht. Jetzt tun Sie es. Das ist natürlich nur möglich mit einem technischen Gerät.
Also wir sind jetzt Cyborgs geworden.
Und cyborgs brauchen auch Götter. Western Gods.
fk: Warum eigentlich Götter? Der Westen kennt doch eigentlich nur einen Gott. Warum haben wir uns wohl für die westlichen Götter als Titel der Show entschieden?
Oder lass mich anders fragen weil du die Frage ja eigentlich eben beantwortet hast. Wer oder was könnten denn die Western GODS sein?
dr: Es gibt ja dieses Buch von Neil Gaiman: American Gods. Aber eigentlich kam mir der Titel von meiner Beschäftigung mit den Malern des Barock. Die hatten oft griechische Mythologie als Thema. Wegen dem Illusionsraum der Deckenfresken passt das sehr gut zum Medium der AR. Und zur westlichen Kultur würde ich auch die alten Griechen zählen.
fk: Die Griechen, sehr gut. Ja klar gehören die dazu. Wiege der Demokratie und so. Großes Thema derzeit. Ja die kamen mir auch in den Sinn.
Was ist mit den Künstlern?
Könnten das auch WESTERN GODS sein?
(es ist Mitternacht, der Chat pausiert an dieser Stelle bis zum nächsten Morgen)
dr: Sorry. Da bin ich gerade in die Traumrealität entglitten.
fk: Kein Problem
dr: Die Künstler „channeln“ die WG. »Wenn du im Land der Träume dich verweilet«,
Versetzt der Gott, »so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?«
»Ich war«, sprach der Poet, »bei dir.«
Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr –
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!«
»Was tun?« spricht Zeus, »die Welt ist weggegeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben –
So oft du kommst, er soll dir offen sein.«
dr: Ich könnte mir vorstellen, dass es in der Zukunft verschiedene super starke KIs gibt, um die sich ganze Völker sammeln. Zwischen diesen KIs und den Menschen muss es eine Brücke geben. Mir schwebt da so ein Tempel vor…
Über dem Eingang könnte deine textarbeit aus unserer Ausstellung prangen.
Ja! Und dann die Leute, die ihre Synapsen scannen lassen, um ihre Hirne im Quantencomputer hochladen zu lassen, der im Zentrum dieses Tempels steht. Ewiges Leben!
fk: Das gefällt mir alles sehr gut. Da steckt ja ordentlich was drin. Das muss ich jetzt Mal etwas sacken lassen, aber das interessiert mich sehr. Auch die Sache mit den Tempeln und der KI um die sich die Völker scharen.
Was mir zwischen zeitlich noch eingefallen ist zu den WESTERN GODS ist der – natürlich etwas in die Jahre gekommene – Künstler Beuys mit seiner Idee von ‚jeder Mensch ist ein Künstler‘.
Wenn man das radikal konstruktivistisch denkt dann könnte man sich vorstellen, die Welt werde durch die Menschen erzeugt. Die Menschen wären also Schöpfer ihrer eigenen Realität.
Wenn man dem folgen würde.
dr: Das wäre nichts radikal Neues. Gab es ja schon bei Platons höhlengleichnis.
fk: Sicherlich.
Künstler und Schöpfer, das gehört für mich schon irgendwie zusammen, auch aus der Kunstgeschichte heraus. Die ganze Emanzipation von der Kirche und so. Du weißt
dr: Für mich fängt die Fundamentalkrise der Kunst ja genau hier an. Beim Wegfall der Kirche als Auftraggeber der Kunst.
Also mit der französischen Revolution.
fk: Ah. Das musst du jetzt aber doch etwas ausführlicher erläutern 😁
Das ist doch mal eine Aussage! Die französische Revolution als Beginn der Krise der Kunst.
dr: Jetzt werde ich mich um Kopf und Kragen reden.
fk: Ja um den Kopf und Kragen reden ist gut!
dr: Mit dem Tod Gottes hatte die Kunst auf einmal ihr größtes Thema verloren. Danach gab es, wie ich das sehe, zwei Strömungen: Moderne und Antimoderne. Also auf der einen Seite zum Beispiel die Impressionisten und Manet und auf der anderen die Romantiker. Hier also inhaltsleere Bilder der Natur, dort der Versuch mit dem Thema der Natur den Bildern wieder einen neuen Inhalt zu geben.
Deswegen finde ich das Barock so interessant, weil es am Vorabend der französischen Revolution war. Als draußen schon die alte Realität zerbrochen ist, hat die Restauration der Kirche diese gewaltigen Innenräume hervorgebracht, in der die alte Realität künstlich am Leben erhalten wurde. Finde ich ganz ähnlich zu heute.
fk: Macht Sinn. Wo sind diese Innenräume bzw deren äquivalent heute?
dr: Diese Überproduktion der Bilder im Barock sehen wir ja auch heute wieder in unserer Bildkultur oder Image Culture. Ich bin ja ständig von Bildern umgeben, nehme die Realität eigentlich nur durch Bilder war. Instagram Werbung Nachrichten etc. Ich nehme die Realität eigentlich nur noch durch Videos und Bilder war, also durch Posts und wie wir ja alle wissen haben diese Bilder vielleicht gar nichts mehr mit der Realität zu tun.
fk: Ja, ich denke ich verstehe was du in etwa meinst
dr: Vielleicht könnte man hier einwerfen, digitale Revolution, ähnlich französische Revolution.
fk: Ja das könnte passen. Es ist in jedem Fall eine ähnlicher Demokratisierungsschub, im Guten wie im Schlechten
Zu den Bildern noch. Hast du dich mal mit Baudrillard beschäftigt? Simulacrum und so?
Ich leider nicht, irgendwie hat sich mir das nicht erschlossen als ich damit zu tun hatte. Aber ich stieß vor kurzem Mal wieder darauf und da hatte ich das Gefühl es würde mir jetzt doch was sagen.
dr: Ja, aber ich erinnere mich kaum noch da dran. Das ist irgendwie einfach so durch mich durch geflossen. Ohne dass ich das wirklich philosophisch erörtern könnte. Im Moment ist mir Hegel oder Kojeves Interpretation von Hegel viel näher. Aber um auf unsere Ausstellung zurückzukommen: dein Satz THE WEST IS DEAD LONG LIVE THE WEST würde ja prima dazu passen, zu einem Bruch in der Zeit.
fk: Ja klar. Um den Bruch der Zeit geht es, diesen deutlich machen.
Das ist mir wichtig, deswegen der ganze Aufwand.
Auch für mich und uns selber. Das ist für mich auch immer so ne Art Gehirn Yoga um mental fit zu bleiben.
Man muss das ja irgendwie realisieren um drauf schauen und drüber reden zu können, so wie jetzt. Ganz pragmatisch also eigentlich
dr: Aber so ein richtiger Bruch ist es ja dann auch nicht, weil du ja schreibst Long live the West. Also: es geht einfach weiter. Doch das Ende der Geschichte?
Ich glaube, diesmal könnten wir es wirklich schaffen, diesen Bruch also den Einbruch der Realität zu umgehen und zwar mithilfe der Technik, um dann so auf ewig die Gegenwart zu erhalten.
fk: Ja, das halte ich für nicht ausgeschlossen. Ist aber anstrengend und herausfordernd für alle, das ist klar. Für mich steckt da viel Metamoderne drin in der Vorstellung. Eine ambivalente Realität die sich mit der Technik und den darauf basierenden Medien verbindet.
Hier dazu eine ältere Arbeit von mir https://metamoderne.jetzt
Was den Satz THE WEST IS DEAD LONG LIVE THE WEST angeht, so geht das für mich definitiv weiter. Es ist ein mögliches Ende, aber mit dem verschwinden wird die Idee des Westens, die für mich – by the way die Freiheit ist – anders wirkmächtig.
Auf einer tieferen oder höheren Ebene, je nach dem wie man das sehen will.
Ich fand deine Idee auch gut, nach der, der Westen sich im virtuellen, digitalen auflöst oder dort wieder geboren wird.
Internet und Computertechnologie sind ja erstmal auch westliche Produkte und Erfindungen. Gleichwohl sich das heute über die ganze Welt ausgebreitet hat und in den verschiedenen Imperium des Erdballs unterschiedlich entwickelt wird.
KI und die strategische Entwicklung von KI sind ein Beispiel dafür. Hier werden ja in den verschiedenen Regionen ganz unterschiedliche Strategien entwickelt und verfolgt.
dr: Wie andere Kulturen mit dieser Technik umgehen wäre ein interessantes Thema. Spezifisch für die westliche Kultur wünsche ich mir, dass sie sich in die Virtual Reality verlagert. Das wäre zumindest ein Segen für die Welt.
dr: Spannend finde ich, dass die KI in verschiedenen Teilen der Erde weiter entwickelt wird, wie du sagst. In dem Buch “Untergang des Abendlandes” prognostiziert Spengler noch, dass nach der Phase der “Rache der unterdrückten Völker” die Technik in Vergessenheit geraten wird, weil sich einfach niemand mehr dafür interessiert aber im Moment sieht es ja gar nicht danach aus d.h. die Fackel wird irgendwie weitergereicht.
fk: Das digital Empire erscheint mir als globales Phänomen mit unterschiedlichen regionalen Ausprägungen. Aber das fügt sich nicht so schlecht zu deiner Idee vom Anfang, der Idee der Völker die sich jeweils um die KI scharen.
Die Realität ist ja auch ein globales Phänomen. Natürlich Auch die Hybride.
dr: Ja, vielleicht ist die Erde doch dieser Riesen Computer aus per Anhalter durch die Galaxis. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist, wie stark unser Bestreben in der digitalen Technik zurückzuführen ist auf einen christlichen Ursprung.
fk: Aber irgendwie zieht sich dieses Technologie Thema doch zunehmend durch alle Kulturen hindurch, oder?
Aber christliche Kultur, das wäre dann aber der WESTERN GOD.
Schieß los, wo siehst du den christlichen Ursprung.
dr: Ja. Die Technik ist auf jeden Fall ein globales Problem. Vielleicht ist es das große Problem des 21. Jahrhunderts wie wir mit dieser Technik und der KI umgehen. Und, wie ich finde, ist es auch ein tolles Thema für die Kunst des 21. Jahrhunderts.
fk: In der Tat.
Aber das mit dem christlichen Ursprung, das würde mich noch Mal interessieren.
Magst du das noch Mal etwas erläutern?
dr: Ich bin dabei. Moment. Muss mal kurz überlegen.
fk: Klaro
fk: Zum von dir eingebrachten channeln der WESTERN GODS fiel mir dann eben diese relativ aktuelle Arbeit von mir noch ein, die meines Erachtens die Idee aufgreift. Bewusstsein als Interface oder eben auch gerne channel wenn man so will:
dr: Ok. Technik und Christentum. Vielleicht so: Die Cloud ist natürlich der Himmel (die heißt ja nicht zufällig so) dieses endlose Archiv, wo wir alle unsere Seelen hochladen können. Die Virtual Reality ist das Jenseits. Und jetzt können wir sogar mithilfe von Argumented Reality und irgendwann Kontaktlinsen oder Chips im Hirn diese jenseitige Welt, den Himmel auf Erden holen und endlich das heilige Jerusalem nach der Offenbarung verwirklichen. Die KI selbst wird irgendwann in ganz ferner Zukunft den Kampf mit Gott aufnehmen, um ihn zu ersetzen.
fk: Ja das ist doch mal eine Story, die man auch so stehen lassen kann.
Sollen wir diesen Chat an dieser Stelle einfach Mal beenden?
Weiter machen in irgendeiner Form können wir ja immer noch später..
dr: Ja. Sonst rede ich noch größeren Unsinn.
fk: Ich finde das alles super. Gefällt mir sehr
Schick mir gerne noch 2-3 passende Pics von deinen arbeiten, die zum Gespräch passen könnten. Dann geht das asap online
dr: Mach ich.
fk: 👌